Rainer Ernst: Der "Rasenflüsterer"

Trainer und Manager vertrauen Rainer Ernst voll und ganz

Zweifel, dass es klappen würde, hatte er nie, nur die Sorge, ob man die Fristen einhalten könnte, brachte ihn manchmal um den Schlaf. Am 8. Juni landet die deutsche Mannschaft in Porto Seguro. Würde der Trainingsplatz bis dahin fertig sein? Alles müsste am Tag X stimmen, nicht ungefähr und gut, sondern perfekt sein. Die Ebenflächigkeit, die Wasserdurchlässigkeit, die Scherfestigkeit.

Ernst heuerte Studenten an, die durchstreiften die Dünen und Büsche, sammelten die Schlangen, Spinnen und Echsen ein. Die Büsche wurden gerodet, die Bäume sorgsam versetzt. Die Fischer von Santo André schauten abends zu, neugierig, belustigt. Wo man doch einfach am Strand Fußball spielen kann. Dann begann Ernst auszusäen. Bermuda Celebration. Genauso wie in Maracanã, genauso wie im Endspielstadion.

"Im April gab es eine Vorbegehung", erzählt Rainer Ernst. "Der Bundestrainer war dabei und Oliver Bierhoff und Georg Behlau. Wir hatten gerade die vegetative Vermehrung vorgenommen, also die Sprigs ausgebreitet. Es war ein wenig Rasen erkennbar, aber mit einer dicken Heuschicht. Das war kein grüner, sondern ein brauner Platz, an anderen Stellen gräulich, an anderen hellgelb. Jogi schaute mich an und fragte: 'Rainer, funktioniert das?' Als ich ihm versprach, dass seine Mannschaft im Juni auf einem absoluten Topplatz trainieren wird, hat Jogi sich kurz umgedreht und zu Oliver gesagt: 'Ist alles okay. Ich vertraue Rainer.' Dann sind sie wieder gefahren."

Die Grundlage für alles was folgte, war gelegt.

P.S.: Der nächste Job drängte. Rainer Ernst musste ausgerechnet am Tag des Finales zurück nach Deutschland fliegen. Die erste Halbzeit sah er noch am Flughafen. Dann hob er ab. Der Pilot der portugiesischen Fluglinie sagte nichts. Eine Stunde verging. Immer noch Stille. "Plötzlich kam über die Lautsprecher die Durchsage: 'Wir haben zwar das Gruppenspiel 0:4 verloren, aber das war gegen den Weltmeister.' Ich wäre am liebsten ins Cockpit gerannt und hätte ihn geküsst."

[th]


Der "Rasenflüsterer" wusste natürlich, was auf ihn zukam. Rainer Ernst kennt sein Geschäft. Kaum ein Bundesliga-Platz, den ein anderer Landschaftsarchitekt begrünt hat. Ernst, heute 62, hatte den Rasen für das Sommermärchen gelegt.

Als also sein Blick in den ersten Januartagen des WM-Jahres 2014 über die Dünung von Santo André schweifte, einem Fischerdorf im brasilianischen Bundesstaat Bahia, da sah er klar, welche schwere Prüfung ihm hier an der Südatlantikküste bevorstand. Kann gut sein, dass er kurz über die Einmaligkeit des Unterfangens nachgedacht hat, einen Fußballrasen genau hier im Sand, in bulliger Hitze, zwischen Schlangen (giftig? wer weiß das schon genau), Spinnen und Echsen anzulegen. Einen Rasen, auf dem (hoffentlich) zukünftige Champions trainieren würden. Der die allerhöchsten Ansprüche erfüllen muss. Dann machte er sich an die Arbeit. Sieben Monate später war Deutschland Weltmeister. Als erster Europäer in Südamerika. Ernst hatte die Grundlage gelegt. Und irgendwie hatte beides diesen historischen Ersttäterstatus.

"Es gab keinen Plan B"

Deutschlands Rasenpapst, der 2006 beim Sommermärchen alleinverantwortlich alle WM-Rasenflächen verantwortete, verlegte und pflegte, in den Stadien und auf allen Trainingsplätzen, hatte für 2014 eine neue, vielleicht noch schwierigere Aufgabe übernommen. Oft ist beschrieben worden, wie einzigartig es sich anfühlte, wenn die deutsche Mannschaft in ihr Campo Bahia zurückkehrte. Über immer engere Straßen mit immer mehr Schlaglöchern. Die Überfahrt mit einer rostigen, quietschenden und ölenden Fähre. Dschungel entlang der Ufer. Aus hektischen, lauten brasilianischen Metropolen ins friedliche, sehr ruhige Fischerdörfchen Santo André. Wäre Ernst gescheitert? Der große brasilianische Fußball ist in Sao Paulo und Rio de Janeiro zuhause. Nicht in Bahia. Es gab einfach keinen adäquaten Platz. Ernsts Erfolg war alternativlos. Er sagt es so: "Es gab keinen Plan B. Es musste klappen".

44.000 Quadratmeter waren projektiert, eine riesige Anlage inklusive mehrerer Funktionsgebäude, 1,5 Kilometer außerhalb des Dorfes, nur Meter vom Strand entfernt. 23 deutsche Spieler bestiegen ein paar Kleinbusse, ein paar Minuten Fahrt, und schon war man da. Gleich noch im Januar strich Ernst alle Maßlosigkeit. "Wir haben erstmal die Fläche von 44.000 m² auf 19.500 m² reduziert." Eine richtige Entscheidung, denn, so Ernst, "nun merkte die Umweltbehörde in Salvador, hier sind Deutsche am Werk, die in der Lage sind, das Ganze landschaftlich so einzurichten, dass ein schönes, auch artenreiches Stück Natur nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wird." Doch weniger Fläche bedeutet nicht weniger Arbeit. "Statt zehn Tagen blieb ich vier Wochen."

###more###

Trainer und Manager vertrauen Rainer Ernst voll und ganz

Zweifel, dass es klappen würde, hatte er nie, nur die Sorge, ob man die Fristen einhalten könnte, brachte ihn manchmal um den Schlaf. Am 8. Juni landet die deutsche Mannschaft in Porto Seguro. Würde der Trainingsplatz bis dahin fertig sein? Alles müsste am Tag X stimmen, nicht ungefähr und gut, sondern perfekt sein. Die Ebenflächigkeit, die Wasserdurchlässigkeit, die Scherfestigkeit.

Ernst heuerte Studenten an, die durchstreiften die Dünen und Büsche, sammelten die Schlangen, Spinnen und Echsen ein. Die Büsche wurden gerodet, die Bäume sorgsam versetzt. Die Fischer von Santo André schauten abends zu, neugierig, belustigt. Wo man doch einfach am Strand Fußball spielen kann. Dann begann Ernst auszusäen. Bermuda Celebration. Genauso wie in Maracanã, genauso wie im Endspielstadion.

"Im April gab es eine Vorbegehung", erzählt Rainer Ernst. "Der Bundestrainer war dabei und Oliver Bierhoff und Georg Behlau. Wir hatten gerade die vegetative Vermehrung vorgenommen, also die Sprigs ausgebreitet. Es war ein wenig Rasen erkennbar, aber mit einer dicken Heuschicht. Das war kein grüner, sondern ein brauner Platz, an anderen Stellen gräulich, an anderen hellgelb. Jogi schaute mich an und fragte: 'Rainer, funktioniert das?' Als ich ihm versprach, dass seine Mannschaft im Juni auf einem absoluten Topplatz trainieren wird, hat Jogi sich kurz umgedreht und zu Oliver gesagt: 'Ist alles okay. Ich vertraue Rainer.' Dann sind sie wieder gefahren."

Die Grundlage für alles was folgte, war gelegt.

P.S.: Der nächste Job drängte. Rainer Ernst musste ausgerechnet am Tag des Finales zurück nach Deutschland fliegen. Die erste Halbzeit sah er noch am Flughafen. Dann hob er ab. Der Pilot der portugiesischen Fluglinie sagte nichts. Eine Stunde verging. Immer noch Stille. "Plötzlich kam über die Lautsprecher die Durchsage: 'Wir haben zwar das Gruppenspiel 0:4 verloren, aber das war gegen den Weltmeister.' Ich wäre am liebsten ins Cockpit gerannt und hätte ihn geküsst."