Pierre Littbarski: Wanderer zwischen den Welten

In seltenen Momenten, da vermisst er die deutsche Heimat, den Karneval aus Köln, die Currywurst aus Berlin und, ja, die Bundesliga, die er sich regelmäßig anschaut im Fernsehen oder hie und da live im Stadion. Pierre Littbarski ist eineinhalb Jahrzehnte ein Hauptdarsteller gewesen im deutschen Fußball, einer für die besonderen Momente, "Litti", der Zauberer mit den O-Beinen.

Litti nennen sie ihn auch heute noch, egal, wo er hinkommt. Am Freitag wird der Weltmeister von 1990 50 Jahre alt. Und die Sehnsucht nach der Bundesliga, sie ist immer noch da. "Die Liga macht richtig Spaß", sagt er. In Marko Marin sieht er seinen legitimen Nachfolger: "Wenn er so weiter dribbelt, bekommt er irgendwann auch so O-Beine wie ich, ganz bestimmt."

Eine halbe Saison hat Littbarski 2001 an der Seite von Berti Vogts bei Bayer Leverkusen gearbeitet und anschließend 16 Monate beim MSV Duisburg in der 2. Liga. Diese Zeit als Trainer in Deutschland sei zu kurz gewesen, um sie bewerten zu können, sagt Littbarski im Gespräch mit DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen. "In Leverkusen haben wir die Erwartungen nicht erfüllt, und in Duisburg war ich einer von Dutzenden Trainern, die dort gescheitert sind." Das sagt er schon. Weitere Chancen zur Bewährung hat der 73-malige Nationalspieler in seiner Heimat nicht bekommen. Bislang.

"England ist mein Traum"

Er mag sich nicht darüber grämen, dass ihm regelmäßig andere vorgezogen werden, dass sein Name nur selten fällt, wenn es darum geht, in der Bundesliga eine Stelle zu besetzen. "Natürlich gibt es Länder, in denen ich gerne arbeiten möchte, wie England. Das ist mein Traum. Auch Deutschland ist immer eine gute Adresse", sagt er. "Aber wichtig ist, dass ich mit Spielern arbeite, die willig und einsatzbereit sind, die abliefern wollen. Egal wo."

"Abliefern" ist so ein Wort, das Littbarski gerne benutzt: Leistungsbereitschaft, Leidenschaft, Einsatzwille, Profi sein eben. Wie Litti. Gut eineinhalb Jahre stand er beim FC Vaduz in Liechtenstein unter Vertrag. Bis vor ein paar Tagen. Mit dem Klub war er vorigen Sommer aus der 1. Schweizer Liga abgestiegen. Mit dem Wiederaufstieg wird es nicht klappen, das war schon einige Zeit klar.

Zum Heimspiel neulich gegen den FC Schaffhausen kamen genau 605 Zuschauer. Seit November hat die Mannschaft nicht mehr gewonnen. "Sehr unbefriedigend", hat Littbarski die Situation genannt. "In der Rückrunde spielten wir mit vier bis sechs Ersatzspielern. Das konnten wir nicht kompensieren. Ich habe schon überlegt, ob ich selbst die Fußballschuhe noch mal schnüre."

Pierre Littbarski - ein Weltmeister wird 50

Es war nicht die große Liebe

Am Montag hat er die Papiere bekommen. Ein schönes Geburtstagsgeschenk ist das nicht, doch wenn Littbarski vorher Sätze gesagt hat wie „Das Leben ist ja nicht so stressig hier“ und „Noch immer habe ich lieber Stress als zu viel Ruhe“, dann hat die Liaison auch nicht unbedingt nach der Liebe seines Lebens geklungen. Aber vielleicht muss die ein Profi auch gar nicht haben.

Und dennoch: Für die Entlassung habe er eigentlich kein Verständnis, „denn wir stehen noch im Pokal, und es sind noch vier Wochen in der Meisterschaft, da hätte man die Pferde nicht wechseln müssen. Uns war aber nach der Entwicklung der vergangenen Wochen klar, dass für uns am Saisonende Schluss ist“.

Mit seiner Familie wohnt er erst einmal noch im Schweizer Kanton St. Gallen, keine halbe Stunde vom Trainingszentrum des FC Vaduz entfernt. Litti, der Stadtmensch, hat eigenhändig einen Zaun um sein Haus gebaut, damit seine Söhne Joel (12) und Lucien (6) im Garten Fußball spielen können, damit der Ball nicht gar so weit wegfliegt. Beide Jungs sind Bayern-Fans und kicken beim örtlichen Klub FC Haag.

Zweite Heimat Japan

„Wenn ich aus dem Haus komme, blicke ich rundherum auf Berge, Kühe und Landschaft, keine Häuser. Das hat auch was für sich“, sagt er. „Da kann man sich gut auf die nächsten Taten vorbereiten.“ Wo auch immer sie stattfinden mögen. Littbarski, der Weltmeister, ist ein Weltenbummler geworden.

Seit 1993, als er im Spätherbst seiner Spielerlaufbahn vom 1. FC Köln zu JEF United Ichihara wechselte, besteht dieses zunächst unsichtbare, dann sichtbare Band zu Japan. „Der Respekt und der Umgang miteinander, die absolut hohe Lebensqualität, Sauberkeit und Ordnung“ beeindrucken ihn, sagt er, „und im Fußballbereich natürlich diese große Leistungsbereitschaft“. „Abliefern“, da ist es wieder. Japan ist für Littbarski indes mehr als nur ein Arbeitsplatz. Hier hat er seine zweite Frau Hitomi kennengelernt. Mit ihr und den beiden Söhnen ging er fortan auf Wanderschaft.

In Teheran blieb er 2009 nur ein paar Monate. Rückblickend spricht er von einer „unangenehmen Zeit“ beim Hauptstadtklub Saipa. „Ich bin in einen Machtkampf geraten zwischen Vorstand und Fußballikone Ali Daei“, sagt Littbarski. Er fühlte sich bedroht, überwacht, sein Leben war angespannt. Er "flüchtete" nach Dubai, wurde schließlich entlassen und war völlig entnervt.

Kur in Liechtenstein

„Man muss so etwas mitgemacht haben, um wieder zu wissen, wie gut es einem hier geht. Ich meckere so schnell über nichts mehr“, sagt er. Die Idylle von Vaduz ist nach dieser Zeit eine Art Kur für ihn gewesen. Endlich wieder nur Fußball und Familie, und ansonsten in Ruhe gelassen werden.

So wie in Japan, wo er, der Dribbelkünstler, ein Volksheld gewesen ist. Alle sagen dort „Litti“ zu ihm, weil sie seinen Namen nicht richtig aussprechen können. „Litti“ ist einfacher. In Japan ist er eines der Zugpferde der neuen J-League gewesen, hat bei JEF United und Brumel Sendai seine Laufbahn ausklingen lassen, später den FC Yokohama und Avispa Fukuoka trainiert. Man kannte ihn, aber man ließ ihm auch seine Privatsphäre.

Und das war er auch aus Australien gewohnt, wo er wieder Geburtshelfer war. Diesmal hieß das Produkt A-League. Littbarski wurde mit dem FC Sydney ihr erster Meister, nahm sogar an der Klub-WM teil. "Da habe ich Trainingseinheiten von bis zu sieben Stunden abhalten können. Die Jungs wollten einfach, keiner hat sich beschwert. Danach sehne ich mich, das ist richtig." Diesmal sagt er nicht "abliefern", aber er meint es.

Harte Schule unter Michels und Daum

Wenn Littbarski Arbeit und Aufgaben eines Trainers beschreibt, fällt auffallend oft der Name Felix Magath, und irgendwie überrascht das auch nicht. Der habe es vorgemacht, der habe allen gezeigt, dass es heutzutage vor allem auf die Fitness ankommt. Ob er selbst ein Schleifer sei? "Ach, Schleifer, das sagen doch nur die, die geschliffen werden. Ich kann doch nur das vermitteln, was ich selbst auch gelernt habe, und da waren einige harte Trainer dabei, wie zum Beispiel Rinus Michels oder auch Christoph Daum."

Zu Kölner Zeiten war das, knapp 15 Jahre spielte Littbarski dort. Er wurde Pokalsieger, dreimal Vizemeister, Nationalspieler, Weltmeister. FC-Manager Karl-Heinz Thielen hatte den kleinen Angreifer aus Berlin bei einem Jugendturnier entdeckt. Und ihn nach Köln gelotst, obwohl der FC-Kader schon voll gewesen war.

"Er ist da sehr penetrant geblieben, dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Unser Trainer Hennes Weisweiler sagte dann irgendwann zu Thielen: 'Gut, Jung, wenn dat en Stürmer is, dann nimm en'", sagt Littbarski, der als Nummer 26 zum Kader des deutschen Meisters von 1978 stieß. "Ich stand ganz unten auf der Tafel", sagt er. Und schon bald auf dem Platz. Mit gerade 18, ausgewechselt für Dieter Müller, den Torschützenkönig. Sechs Wochen zuvor noch hatte er mit Hertha Zehlendorf das deutsche Jugendfinale bestritten. Eine Karriere wie eine Rakete.

Triumph von Rom

Litti wurde Kult in Köln. Mit diesem Wort sollte man an und für sich sparsam umgehen, aber Litti war es halt, als Spielmacher, Torschütze, Publikumsliebling. Und als er nach einem missglückten Auslandsabenteuer bei Racing Paris 1987 wieder nach Deutschland wollte, war klar, dass wieder der FC zugriff. "Das war unter Christoph Daum, und das war meine schönste Zeit. Sie war hart, erfolgsorientiert, hat aber auch Riesen-Spaß gemacht", sagt Littbarski.

Als Deutschland 1990 Weltmeister wurde, war er einer von drei Kölnern in der ersten Elf neben Thomas Häßler und Bodo Illgner, auch Paul Steiner war im Kader. Es war sein drittes WM-Turnier, 1982 in Frankreich hatte er mit den Kollegen das Finale gegen Italien verloren, vier Jahre später in Mexiko gegen Argentinien 90 Minuten auf der Bank verbracht. "Ich war nicht fit, habe aber immer meinen Kopf gereckt, wenn Franz Beckenbauer zur Auswechselbank geschaut hat", sagt er und lacht. "Gesehen und eingewechselt hat er dann aber Dieter Hoeneß. Der ist größer als ich."

1990, das war auch sein Triumph. Im Halbfinale hatte ihn Franz Beckenbauer noch auf der Bank gelassen. Vor dem Endspiel jedoch kam der Teamchef zu ihm und sagte: "Hör' zu, die Mittelfeldspieler sind alle gleich gut. Aber du hast es verdient, du hast die Erfahrung, das ist wahrscheinlich dein letztes Turnier - deshalb lass' ich dich spielen."

Unbeschreibliche Erinnerungen

Immer, wenn gerade irgendwo eine WM stattfindet, blättert auch Littbarski im Buch der Erinnerungen, denkt an den Erfolg im Finale von Rom zurück. "Wir waren unheimlich locker. Wir waren uns sicher, dass wir Argentinien schlagen würden. Das hatte nichts mit Arroganz zu tun", sagt er. Weit vor dem Spiel legte er sich mit Ersatzkeeper Andreas Köpke in den Mittelkreis des Olympiastadions und probierte seine neue Kamera aus. Die Bilder hat er heute noch.

Seine Erinnerung an die 90 Minuten sind noch wach und stark, wen wundert's, wenn es um die Sternstunde einer Laufbahn geht. "Wir waren das ganze Spiel lang überlegen, haben aber nur kontrolliert offensiv gespielt, weil wir immer Angst hatten, durch einen genialen Moment von Maradona in Rückstand geraten zu können", sagt er. Unbeschreiblich nennt er den Jubel nach Brehmes Elfmetertor, die Empfindungen, den Stolz, seine Ehrenrunde mit dem Pokal, den Empfang in der Heimat. "Wir waren super Einzelspieler und haben auch als Mannschaft harmoniert. Das ist das große Verdienst von Franz Beckenbauer", sagt Littbarski.

Er wird für immer Weltmeister bleiben. Und für immer Litti. "Irgendwie ist das ja auch ein Markenzeichen", sagt er. Lange zu Hause herumzusitzen und auf das nächste Angebot zu warten, das liegt ihm nicht. "Dann schmeißt mich irgendwann meine Frau raus", sagt er. "Ich muss immer etwas tun. Ich bin ein ruhe- und rastloser Mensch." Bundesliga? "Warum nicht? Ich bin ja wieder frei?" Wieder hinaus in die Welt? "Mal sehen, was kommt. Ich bin ja ein Weltenbummler."

Hospitanzen in München und Mailand

Erst mal will er noch ein paar Hospitanzen machen, schon ab Samstag bei Bayern München, anschließend beim AC oder Inter Mailand, weiter dazulernen, sich in Erinnerung rufen. "Durch meine Zeit in Asien hatte ich nie wirklich Zeit dazu", sagt er. Eines jedoch stellt er klar: "Ich werde mich bestimmt nicht irgendwo auf die Tribüne setzen, wenn dort gerade der Stuhl des Trainers wackelt. Das mache ich nicht."

Den Geburtstag will Littbarski in Ruhe begehen, sagt er, und mit seiner Familie essen gehen, "daran kann auch die Entlassung nichts ändern, so ist das halt im Trainergeschäft, das weiß man doch". Die eigentliche Feier hat es ohnehin schon gegeben. "Ich habe mir und meiner Familie eine Reise zum Spiel Manchester United gegen den FC Chelsea spendiert", sagt er. Mal wieder am großen Fußball schnuppern. Für 90 Minuten. Sie sollen nicht seine letzten sein.

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In seltenen Momenten, da vermisst er die deutsche Heimat, den Karneval aus Köln, die Currywurst aus Berlin und, ja, die Bundesliga, die er sich regelmäßig anschaut im Fernsehen oder hie und da live im Stadion. Pierre Littbarski ist eineinhalb Jahrzehnte ein Hauptdarsteller gewesen im deutschen Fußball, einer für die besonderen Momente, "Litti", der Zauberer mit den O-Beinen.

Litti nennen sie ihn auch heute noch, egal, wo er hinkommt. Am Freitag wird der Weltmeister von 1990 50 Jahre alt. Und die Sehnsucht nach der Bundesliga, sie ist immer noch da. "Die Liga macht richtig Spaß", sagt er. In Marko Marin sieht er seinen legitimen Nachfolger: "Wenn er so weiter dribbelt, bekommt er irgendwann auch so O-Beine wie ich, ganz bestimmt."

Eine halbe Saison hat Littbarski 2001 an der Seite von Berti Vogts bei Bayer Leverkusen gearbeitet und anschließend 16 Monate beim MSV Duisburg in der 2. Liga. Diese Zeit als Trainer in Deutschland sei zu kurz gewesen, um sie bewerten zu können, sagt Littbarski im Gespräch mit DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen. "In Leverkusen haben wir die Erwartungen nicht erfüllt, und in Duisburg war ich einer von Dutzenden Trainern, die dort gescheitert sind." Das sagt er schon. Weitere Chancen zur Bewährung hat der 73-malige Nationalspieler in seiner Heimat nicht bekommen. Bislang.

"England ist mein Traum"

Er mag sich nicht darüber grämen, dass ihm regelmäßig andere vorgezogen werden, dass sein Name nur selten fällt, wenn es darum geht, in der Bundesliga eine Stelle zu besetzen. "Natürlich gibt es Länder, in denen ich gerne arbeiten möchte, wie England. Das ist mein Traum. Auch Deutschland ist immer eine gute Adresse", sagt er. "Aber wichtig ist, dass ich mit Spielern arbeite, die willig und einsatzbereit sind, die abliefern wollen. Egal wo."

"Abliefern" ist so ein Wort, das Littbarski gerne benutzt: Leistungsbereitschaft, Leidenschaft, Einsatzwille, Profi sein eben. Wie Litti. Gut eineinhalb Jahre stand er beim FC Vaduz in Liechtenstein unter Vertrag. Bis vor ein paar Tagen. Mit dem Klub war er vorigen Sommer aus der 1. Schweizer Liga abgestiegen. Mit dem Wiederaufstieg wird es nicht klappen, das war schon einige Zeit klar.

Zum Heimspiel neulich gegen den FC Schaffhausen kamen genau 605 Zuschauer. Seit November hat die Mannschaft nicht mehr gewonnen. "Sehr unbefriedigend", hat Littbarski die Situation genannt. "In der Rückrunde spielten wir mit vier bis sechs Ersatzspielern. Das konnten wir nicht kompensieren. Ich habe schon überlegt, ob ich selbst die Fußballschuhe noch mal schnüre."

Pierre Littbarski - ein Weltmeister wird 50

Es war nicht die große Liebe

Am Montag hat er die Papiere bekommen. Ein schönes Geburtstagsgeschenk ist das nicht, doch wenn Littbarski vorher Sätze gesagt hat wie „Das Leben ist ja nicht so stressig hier“ und „Noch immer habe ich lieber Stress als zu viel Ruhe“, dann hat die Liaison auch nicht unbedingt nach der Liebe seines Lebens geklungen. Aber vielleicht muss die ein Profi auch gar nicht haben.

Und dennoch: Für die Entlassung habe er eigentlich kein Verständnis, „denn wir stehen noch im Pokal, und es sind noch vier Wochen in der Meisterschaft, da hätte man die Pferde nicht wechseln müssen. Uns war aber nach der Entwicklung der vergangenen Wochen klar, dass für uns am Saisonende Schluss ist“.

Mit seiner Familie wohnt er erst einmal noch im Schweizer Kanton St. Gallen, keine halbe Stunde vom Trainingszentrum des FC Vaduz entfernt. Litti, der Stadtmensch, hat eigenhändig einen Zaun um sein Haus gebaut, damit seine Söhne Joel (12) und Lucien (6) im Garten Fußball spielen können, damit der Ball nicht gar so weit wegfliegt. Beide Jungs sind Bayern-Fans und kicken beim örtlichen Klub FC Haag.

Zweite Heimat Japan

„Wenn ich aus dem Haus komme, blicke ich rundherum auf Berge, Kühe und Landschaft, keine Häuser. Das hat auch was für sich“, sagt er. „Da kann man sich gut auf die nächsten Taten vorbereiten.“ Wo auch immer sie stattfinden mögen. Littbarski, der Weltmeister, ist ein Weltenbummler geworden.

Seit 1993, als er im Spätherbst seiner Spielerlaufbahn vom 1. FC Köln zu JEF United Ichihara wechselte, besteht dieses zunächst unsichtbare, dann sichtbare Band zu Japan. „Der Respekt und der Umgang miteinander, die absolut hohe Lebensqualität, Sauberkeit und Ordnung“ beeindrucken ihn, sagt er, „und im Fußballbereich natürlich diese große Leistungsbereitschaft“. „Abliefern“, da ist es wieder. Japan ist für Littbarski indes mehr als nur ein Arbeitsplatz. Hier hat er seine zweite Frau Hitomi kennengelernt. Mit ihr und den beiden Söhnen ging er fortan auf Wanderschaft.

In Teheran blieb er 2009 nur ein paar Monate. Rückblickend spricht er von einer „unangenehmen Zeit“ beim Hauptstadtklub Saipa. „Ich bin in einen Machtkampf geraten zwischen Vorstand und Fußballikone Ali Daei“, sagt Littbarski. Er fühlte sich bedroht, überwacht, sein Leben war angespannt. Er "flüchtete" nach Dubai, wurde schließlich entlassen und war völlig entnervt.

Kur in Liechtenstein

„Man muss so etwas mitgemacht haben, um wieder zu wissen, wie gut es einem hier geht. Ich meckere so schnell über nichts mehr“, sagt er. Die Idylle von Vaduz ist nach dieser Zeit eine Art Kur für ihn gewesen. Endlich wieder nur Fußball und Familie, und ansonsten in Ruhe gelassen werden.

So wie in Japan, wo er, der Dribbelkünstler, ein Volksheld gewesen ist. Alle sagen dort „Litti“ zu ihm, weil sie seinen Namen nicht richtig aussprechen können. „Litti“ ist einfacher. In Japan ist er eines der Zugpferde der neuen J-League gewesen, hat bei JEF United und Brumel Sendai seine Laufbahn ausklingen lassen, später den FC Yokohama und Avispa Fukuoka trainiert. Man kannte ihn, aber man ließ ihm auch seine Privatsphäre.

Und das war er auch aus Australien gewohnt, wo er wieder Geburtshelfer war. Diesmal hieß das Produkt A-League. Littbarski wurde mit dem FC Sydney ihr erster Meister, nahm sogar an der Klub-WM teil. "Da habe ich Trainingseinheiten von bis zu sieben Stunden abhalten können. Die Jungs wollten einfach, keiner hat sich beschwert. Danach sehne ich mich, das ist richtig." Diesmal sagt er nicht "abliefern", aber er meint es.

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Harte Schule unter Michels und Daum

Wenn Littbarski Arbeit und Aufgaben eines Trainers beschreibt, fällt auffallend oft der Name Felix Magath, und irgendwie überrascht das auch nicht. Der habe es vorgemacht, der habe allen gezeigt, dass es heutzutage vor allem auf die Fitness ankommt. Ob er selbst ein Schleifer sei? "Ach, Schleifer, das sagen doch nur die, die geschliffen werden. Ich kann doch nur das vermitteln, was ich selbst auch gelernt habe, und da waren einige harte Trainer dabei, wie zum Beispiel Rinus Michels oder auch Christoph Daum."

Zu Kölner Zeiten war das, knapp 15 Jahre spielte Littbarski dort. Er wurde Pokalsieger, dreimal Vizemeister, Nationalspieler, Weltmeister. FC-Manager Karl-Heinz Thielen hatte den kleinen Angreifer aus Berlin bei einem Jugendturnier entdeckt. Und ihn nach Köln gelotst, obwohl der FC-Kader schon voll gewesen war.

"Er ist da sehr penetrant geblieben, dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Unser Trainer Hennes Weisweiler sagte dann irgendwann zu Thielen: 'Gut, Jung, wenn dat en Stürmer is, dann nimm en'", sagt Littbarski, der als Nummer 26 zum Kader des deutschen Meisters von 1978 stieß. "Ich stand ganz unten auf der Tafel", sagt er. Und schon bald auf dem Platz. Mit gerade 18, ausgewechselt für Dieter Müller, den Torschützenkönig. Sechs Wochen zuvor noch hatte er mit Hertha Zehlendorf das deutsche Jugendfinale bestritten. Eine Karriere wie eine Rakete.

Triumph von Rom

Litti wurde Kult in Köln. Mit diesem Wort sollte man an und für sich sparsam umgehen, aber Litti war es halt, als Spielmacher, Torschütze, Publikumsliebling. Und als er nach einem missglückten Auslandsabenteuer bei Racing Paris 1987 wieder nach Deutschland wollte, war klar, dass wieder der FC zugriff. "Das war unter Christoph Daum, und das war meine schönste Zeit. Sie war hart, erfolgsorientiert, hat aber auch Riesen-Spaß gemacht", sagt Littbarski.

Als Deutschland 1990 Weltmeister wurde, war er einer von drei Kölnern in der ersten Elf neben Thomas Häßler und Bodo Illgner, auch Paul Steiner war im Kader. Es war sein drittes WM-Turnier, 1982 in Frankreich hatte er mit den Kollegen das Finale gegen Italien verloren, vier Jahre später in Mexiko gegen Argentinien 90 Minuten auf der Bank verbracht. "Ich war nicht fit, habe aber immer meinen Kopf gereckt, wenn Franz Beckenbauer zur Auswechselbank geschaut hat", sagt er und lacht. "Gesehen und eingewechselt hat er dann aber Dieter Hoeneß. Der ist größer als ich."

1990, das war auch sein Triumph. Im Halbfinale hatte ihn Franz Beckenbauer noch auf der Bank gelassen. Vor dem Endspiel jedoch kam der Teamchef zu ihm und sagte: "Hör' zu, die Mittelfeldspieler sind alle gleich gut. Aber du hast es verdient, du hast die Erfahrung, das ist wahrscheinlich dein letztes Turnier - deshalb lass' ich dich spielen."

Unbeschreibliche Erinnerungen

Immer, wenn gerade irgendwo eine WM stattfindet, blättert auch Littbarski im Buch der Erinnerungen, denkt an den Erfolg im Finale von Rom zurück. "Wir waren unheimlich locker. Wir waren uns sicher, dass wir Argentinien schlagen würden. Das hatte nichts mit Arroganz zu tun", sagt er. Weit vor dem Spiel legte er sich mit Ersatzkeeper Andreas Köpke in den Mittelkreis des Olympiastadions und probierte seine neue Kamera aus. Die Bilder hat er heute noch.

Seine Erinnerung an die 90 Minuten sind noch wach und stark, wen wundert's, wenn es um die Sternstunde einer Laufbahn geht. "Wir waren das ganze Spiel lang überlegen, haben aber nur kontrolliert offensiv gespielt, weil wir immer Angst hatten, durch einen genialen Moment von Maradona in Rückstand geraten zu können", sagt er. Unbeschreiblich nennt er den Jubel nach Brehmes Elfmetertor, die Empfindungen, den Stolz, seine Ehrenrunde mit dem Pokal, den Empfang in der Heimat. "Wir waren super Einzelspieler und haben auch als Mannschaft harmoniert. Das ist das große Verdienst von Franz Beckenbauer", sagt Littbarski.

Er wird für immer Weltmeister bleiben. Und für immer Litti. "Irgendwie ist das ja auch ein Markenzeichen", sagt er. Lange zu Hause herumzusitzen und auf das nächste Angebot zu warten, das liegt ihm nicht. "Dann schmeißt mich irgendwann meine Frau raus", sagt er. "Ich muss immer etwas tun. Ich bin ein ruhe- und rastloser Mensch." Bundesliga? "Warum nicht? Ich bin ja wieder frei?" Wieder hinaus in die Welt? "Mal sehen, was kommt. Ich bin ja ein Weltenbummler."

Hospitanzen in München und Mailand

Erst mal will er noch ein paar Hospitanzen machen, schon ab Samstag bei Bayern München, anschließend beim AC oder Inter Mailand, weiter dazulernen, sich in Erinnerung rufen. "Durch meine Zeit in Asien hatte ich nie wirklich Zeit dazu", sagt er. Eines jedoch stellt er klar: "Ich werde mich bestimmt nicht irgendwo auf die Tribüne setzen, wenn dort gerade der Stuhl des Trainers wackelt. Das mache ich nicht."

Den Geburtstag will Littbarski in Ruhe begehen, sagt er, und mit seiner Familie essen gehen, "daran kann auch die Entlassung nichts ändern, so ist das halt im Trainergeschäft, das weiß man doch". Die eigentliche Feier hat es ohnehin schon gegeben. "Ich habe mir und meiner Familie eine Reise zum Spiel Manchester United gegen den FC Chelsea spendiert", sagt er. Mal wieder am großen Fußball schnuppern. Für 90 Minuten. Sie sollen nicht seine letzten sein.