Pfister: "Glücklich bin ich nur in Afrika"

Seine Einschätzungen sind gefragt im Jahr der ersten Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika: Otto Pfister spricht über den Schwarzen Kontinent wie andere von ihrer großen Liebe. Von wahren Gefühlen, Sehnsucht, unvergesslichen Momenten, vom Trennungsschmerz - und all das geht weit über die WM 2010 in Südafrika hinaus.

Andere schneiden mit 72 Jahren ihre Rosen und gehen ihrer Gattin auf die Nerven. Pfister will dahin, wo er zu Hause ist. Er will zurück in sein gelobtes Land, nach Afrika. Das erzählte er Redakteur Gereon Tönnihsen im DFB.de-Gespräch der Woche. Über die Chancen der Afrikaner bei der WM im Sommer äußert sich Pfister dennoch skeptisch.

DFB.de: Herr Pfister, wie geht es Ihnen?

Otto Pfister: Gut, danke.

DFB.de: Noch kein Heimweh nach Afrika?

Pfister: Doch, wenn ich drei Tage in meiner Wohnung in der Schweiz sitze und auf den Schnee gucke, werde ich kribbelig. Dann zieht es mich wieder in meine Heimat.

DFB.de: Wie sind Sie als deutscher Trainer überhaupt dahin gekommen: War das schon in jungen Jahren geplant?

Pfister: Nein, ich habe in der Schweiz in der ersten Liga gespielt und bin dort auch Trainer geworden. Ich bin zwar in Köln geboren, aber meine Eltern sind in die Schweiz ausgewandert, als ich 17 war. Als dann die Karriere vorbei war, habe ich die Trainerscheine und anschließend meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer in Köln gemacht. Und dann hatte ich ein Angebot aus Algerien, das klappte nicht. Danach kam das Engagement in Ruanda zustande. Das war 1972. Also bin ich hin.

DFB.de: Hatten Sie keine Berührungsängste mit der für Sie unbekannten Kultur?

Pfister: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich fand das sehr spannend. Sie müssen das so sehen: Mein Beruf ist meine Leidenschaft, mein Hobby, meine Religion. Ich komme in der Welt herum und werde auch noch satt dabei – etwas Besseres kann es doch gar nicht geben. So ging es mir vor 40 Jahren, und so geht es mir auch heute noch.

DFB.de: Wie war Ihre erste Begegnung mit Afrika?

Pfister: Im ersten Moment ist das natürlich ein Kulturschock. Ich kam ja auch gerade in ein Land, das so dermaßen dem Bild von Afrika entsprach, was ich in der Zeit hatte. Da waren keine Touristen wie in Kenia oder dem Senegal, wo alle hinreisen. Ich war also wirklich in dem ursprünglichen Afrika an der Kongo-Nil-Scheide in Ruanda. Da waren auch politische Unruhen, aber davon habe ich nur wenig mitbekommen. Ich habe mich doch relativ schnell eingelebt. Vor allem habe ich mich gleich bemüht, die Sprache zu lernen. Das ist ein Französisch sprechendes Gebiet. Wenn man die Sprache beherrscht, profitiert man in jeder Hinsicht davon. Mit der Zeit lernt man, dass man dort nur längerfristig arbeiten kann, wenn man die Leute respektiert, wie sie sind. Man ist konfrontiert mit einer komplett anderen Kultur, mit einer komplett anderen Mentalität, mit einem komplett anderen Umfeld. Nur, wenn man das akzeptiert, kann man dort glücklich werden.

DFB.de: Wie sieht diese Mentalität aus?

Pfister: Mit Ordnung und Pünktlichkeit, wie man sie aus Deutschland kennt, kommt man nicht so wirklich weit. Alles ist lockerer, die Menschen sind sehr tolerant, freundlich und offen - aber man darf nicht versuchen, die Welt zu verändern und ihnen die so genannten deutschen Tugenden aufzuzwingen. Anpassen heißt das Zauberwort. Das ist mir gut gelungen. Deshalb konnte ich mich auf diesem Kontinent so lange behaupten, mit Unterbrechungen - ich war ja auch noch ein paar Jahre in Asien tätig - gut 30 Jahre.

DFB.de: Aber doch sicher nicht nur deswegen?

Pfister: Klar, wenn man keine Erfolge hat, ist es auch schlecht. Ich hatte halt das Glück, Erfolg zu haben. Es muss nicht unbedingt an mir gelegen haben, dass ich mit Ghana Junioren-Weltmeister wurde, aber das war eben so. Mit der A-Mannschaft war ich im Finale des Afrika-Cups. Ich hatte das Glück, auch mit Kamerun vor zwei Jahren im Finale zu stehen, mit Togo 2006 bei der WM in Deutschland dabei zu sein. Außerdem habe ich mit Zamalek Kairo den Pokal der Pokalsieger in Afrika gewonnen. Wenn man solche Erfolge hat, verspürt man eine persönliche Befriedigung. Und man hat kaum Probleme, einen neuen Job zu bekommen. Ich habe noch nie einen Agenten oder Manager gehabt, ich habe noch nie eine Bewerbung geschrieben. Ich bekomme einen Anruf, und dann sage ich Ja oder Nein. Das ist alles.

DFB.de: Ist das nicht auch ein Risiko?

Pfister: Es kann natürlich passieren, dass man schon mal acht Monate wartet, wenn man nicht jedes erstbeste Angebot gleich annehmen will. Das kann mit einem Agenten natürlich schneller gehen. Aber es gibt in diesem Metier viele schwarze Schafe, die versuchen, auf Kosten von Spielern und Trainern ihre soziale Situation zu verbessern. Das mache ich nicht mit. Wenn mich einer will, ein Verein oder ein Verband, dann ruft er mich selbst an. So viel Selbstvertrauen habe ich. Ich habe in 16 verschiedenen Ländern trainiert, bin 16-mal umgezogen, habe immer für mich selbst gesprochen. Als ich im Sudan trainiert habe, hat mich zum Beispiel der Minister für Jugend und Sport aus Kamerun angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Nationalmannschaft zu trainieren. Ich habe dann gesagt: Okay, aber ihr müsst euch einigen. Das haben die dann gemacht, und ich bin nach Kamerun gegangen.

DFB.de: Sie haben zwischen und während Ihrer Engagements auch Trainer-Lehrgänge für den DFB geleitet.

Pfister: Ich habe an der Sportschule Hennef frankophone Lehrgänge abgehalten, also für Trainer, die aus Ländern kamen, in denen französisch gesprochen wurde. Außerdem war ich für die FIFA als Instruktor tätig, zum Beispiel in Ghana und in der Elfenbeinküste. Als Nationaltrainer gibt es halt schon mal zwischen den Spielen etwas Zeit.

DFB.de: Hat sich der afrikanische Fußball in den fast vier Jahrzehnten verändert, in denen Sie auf dem Schwarzen Kontinent sind?

Pfister: Nein, eigentlich nicht. Der Fußball hat sich nicht groß verändert. Aber was sich verändert hat, ist die Zahl der Spieler in der Welt. Nicht nur in Europa, auch in Südamerika und Asien. Überall gibt es afrikanische Spieler, das war vorher nicht so. In Kamerun etwa, wo ich bis August vergangenen Jahres trainiert habe, gab es zu der Zeit 67 professionelle Spieler in aller Welt, drei davon in Deutschland: Atouba beim Hamburger SV, Epallé in Bochum, Idrissou in Freiburg. Als ich Kamerun trainiert habe, bin ich also viel in der ganzen Welt herumgereist. Da waren ja auch große Spieler dabei: Eto’o oder Geremi. Ich habe die Kontakte gehalten, viel mit Trainern gesprochen.

DFB.de: Ist der Fußball in Afrika noch ein Stück weit archaischer, ursprünglicher?

Pfister: Die Freude am Spiel ist auf jeden Fall ausgeprägter. Das kalte, professionelle Denken geht einigen noch ab. Ein Samuel Eto’o zum Beispiel, der Millionen verdient, nimmt das Ganze gar nicht so ernst. Die Jungs lachen noch. Wenn man hier in Deutschland Spiele verliert, weinen alle gleich, der Kopf hängt unten. Die Afrikaner sind mental viel stärker. Euphorie und Demoralisierung kennen sie in dem Maße nicht. Wenn sie ein Spiel verloren haben, sind sie natürlich auch traurig, vielleicht heulen sie auch, aber nach 24 Stunden geht es auch schon wieder völlig normal. Sie lassen sich nicht so beeinflussen von positiven wie negativen Erlebnissen.

DFB.de: Wissen Sie, warum das so ist?

Pfister: Ich habe mich mal mit Emanuel Adebayor darüber unterhalten, als ich mit Togo bei der WM war. Der hat zu mir gesagt: Trainer, wenn du in so einem Elend groß geworden bist wie ich, dann kann dich ein verlorenes Fußballspiel nun wirklich nicht mehr erschüttern. Ein Eto’o oder ein Adebayor sagt zu mir: "Coach, ich bin der beste Stürmer der Welt!" Das ist natürlich subjektiv, aber wenn sie das glauben und dann auch so auftreten, dann ist das eine gute Sache und eine Stärke.

DFB.de: Wie ist das Niveau im afrikanischen Fußball?

Pfister: Das Niveau könnte hoch sein. Das Problem sind nicht die Spieler, auch nicht ihr Talent, sondern die Organisation. Sie haben so gut wie keine Infrastruktur. Ich bin mit Ghana U 17-Weltmeister geworden, ohne einen Mannschaftsarzt dabei gehabt zu haben. So lange sich so etwas nicht ändert, haben die Afrikaner auch keine Chance. Wenn ich dann lese: Eines Tages wird eine afrikanische Mannschaft Fußball-Weltmeister, dann denke ich bei mir: Eines Tages vielleicht, aber nicht in den nächsten zehn Jahren. Sicher nicht.

DFB.de: Sie sprachen von mentaler Stärke der Afrikaner. Stimmt denn auch der Eindruck, dass es eine gewisse physische Überlegenheit gibt?

Pfister: Es gibt eine Untersuchung, nach der die Viskosität, also die Fließfähigkeit des Blutes der Schwarzafrikaner, eine andere ist. Diese ist gleichwohl nicht bewiesen. Fakt ist aber, dass die Spieler so gut wie nie Bänderverletzungen haben. Auch im Ausdauer- und Kraftbereich sind die Spieler unheimlich stark. Was die Jungs ebenfalls auszeichnet, ist die Geschwindigkeit mit dem Ball auf engstem Raum. Schauen Sie sich nur Eto’o an. Und sie haben eine Intuition, im richtigen Moment, das Richtige zu tun - passen, laufen, was auch immer. Das hatte in Deutschland Franz Beckenbauer, auch Netzer, Overath, Flohe. Der Ballack hat sie punktuell, auch der Schweinsteiger, aber insgesamt sind es zu wenige. In der Bundesliga heißt es nach einem Sieg schon mal: Heute lief es, weil wir die Laufwege einstudiert haben. Mit den Afrikanern kannst du das nicht. Sie machen das intuitiv und meistens richtig, und trotzdem ist man immer erstaunt. Das ist nicht antrainiert.

DFB.de: Was machen Sie denn dann überhaupt als Coach?

Pfister: Ich leite sie an, unterstütze sie, stelle sie ein. Aber den Fußball-Lehrer als solchen, den gibt es gar nicht. Ich behaupte: Fußball kann man nicht lehren. Wie soll das gehen? Du kannst gewisse Eigenschaften verbessern, aber Fußball ist nicht lernbar, das ist meine These. Ich finde auch das Wort Taktik einfach schlecht. Ich spreche von Organisation, vom Ausnutzen von Breite und Tiefe des Spielfelds. Taktik braucht man im Krieg, nicht auf dem Platz. Auch dieser Begriff "über den Kampf ins Spiel finden": Wenn ich den höre, falle ich vom Stuhl. Das gibt es nur in Deutschland. Fußball ist ein Spiel und kein Kampf. Gekämpft wird beim Boxen.

DFB.de: In Europa sorgen immer mehr afrikanische Spieler für Furore: Drogba, Eto’o, Essien, um nur einige zu nennen. Ist das für Sie eine logische Entwicklung?

Pfister: Ja, die Afrikaner sind bereit, unheimlich viel zu tun für ihre Karriere. Ich habe mit Afrikanern noch nie ein Problem in Sachen Disziplin gehabt. Für sie ist der Fußball oft der einzige Weg aus der Armut. Im Fernsehen sehen sie ihre Brüder in den großen Ligen spielen. Und sie sagen sich: Da will ich auch hin. Dafür tun sie alles. Als ich mit Ghana U 17-Weltmeister wurde, gehörte auch Sammy Kuffour zur Mannschaft, der später lange bei Bayern München spielte. Da hätte ich um drei Uhr nachts das Training ansetzen können, er wäre sofort gekommen. Ohne Meckern. Laufen Sie mal montags morgens um acht Uhr durch Lagos. Da sehen sie Tausende Buben, die kicken. Im Staub, zwei Tore und los geht’s. Die haben zum Teil noch nicht mal einen richtigen Ball.

DFB.de: Trotzdem gibt es auch negative Beispiele: Nii Lamptey war 1991 U 17-Weltmeister, wurde von der FIFA als bester Jugendspieler ausgezeichnet. Und doch blieb ihm die große Karriere verwehrt.

Pfister: Weil der Junge schlecht beraten wurde. Er war mein Kapitän und einfach überragend. Er ist in schlechte Hände geraten. Sein Manager hat ihn zwölfmal transferiert. Der Manager wurde immer reicher, und der Spieler sitzt heute wieder in Accra und weint.

DFB.de: Ist er ein Beispiel für viele?

Pfister: Nicht unbedingt. Einigen wird es wohl so gegangen sein. Manche Leute machen es sich zu Nutzen, dass die Spieler zum Teil aus finanziell schwierigen Verhältnissen kommen. Ein guter Spieler kann auf einen Schlag das gesamte Geldproblem seines Familien-Clans regeln. Darum werden oft auch die Eltern beeinflusst. Das ist oft noch ein Problem, aber kein generelles.

DFB.de: Ruft der Reichtum einzelner Spieler Neid bei ärmeren Landsleuten hervor?

Pfister: Das Geld weckt Begehrlichkeiten. Alle wollen plötzlich was von dem Spieler. Wenn Eto’o nach Kamerun kommt, stehen immer Tausende am Flughafen. Aber soll der denn sein Geld verschenken? Mit Togo und Kamerun waren wir im Hotel vom Militär hermetisch abgeriegelt, damit keiner hereinkam. Viele Spieler geben ohnehin viel Geld, um ihr Land zu unterstützen. Wenn man dann schlecht spielt, sind die Stars die ersten, die kritisiert werden. Neid spielt schon eine große Rolle - das ist bei uns aber nicht anders. Warum sollen die Afrikaner besser sein, wo es ihnen viel schlechter geht?

DFB.de: Dennoch: Wieso hat sich das Potenzial, das sich im Juniorenbereich so oft schon gezeigt hat, bislang in den Nationalteams noch nicht so recht ausschöpfen lassen: Nur wegen der Strukturen?

Pfister: Ein Beispiel: Die Deutschen machen zwei Trainingslager vor der WM, dafür haben die Afrikaner gar kein Geld. Als ich 1992 mit Ghana beim Afrika-Cup war mit großen Spielern wie Abedi Pelé, Yeboah oder Baffoe haben wir uns drei Tage vorher getroffen, einmal trainiert und dann gespielt. Fertig. Das hat sich etwas geändert heute, aber für die ganz großen Dinge fehlt ganz einfach das Geld. Wenn es die Infrastruktur, die Trainerausbildung, die Sportschulen wie bei uns auch in Afrika geben würde, wären die Afrikaner eine Macht. Dann würde diesem Fußball die Zukunft gehören. Aber Afrika hat eben auch ganz andere Sorgen und Probleme. Viele sind froh, dass sie überhaupt etwas zum Essen haben.

DFB.de: Was fasziniert Sie angesichts derartiger Probleme trotzdem so an Afrika?

Pfister: Das ist rational nicht zu erklären. Wer mehrmals auf diesem Kontinent war, den befällt ein Afrika-Virus. Dann kann man nur noch dort leben. Dafür gibt es keine logische Erklärung. Es ist eine Faszination. Afrika ist immer ein Abenteuer. Ich war auch schon in jedem Land dort. Mit einer Ausnahme: Lesotho. Hat sich noch nicht ergeben.

DFB.de: 2006 haben Sie mit Togo erstmals an einer WM teilgenommen. Kurz vor Turnierstart haben Sie jedoch kurzzeitig die Brocken hingeschmissen.

Pfister: Da waren die Spieler nicht bezahlt worden. Sie haben gestreikt, und dann habe ich den Verbandspräsidenten geholt und gesagt: "Wenn die Spieler nicht trainieren, dann entziehen Sie mir die Arbeitsgrundlage." Ich habe schriftlich gekündigt. Nach zwei Tagen ist die FIFA eingesprungen und in Vorzahlung getreten. Und die Mannschaft und ich sind wieder angetreten. Man muss konsequent sein. Auch das lernt man in Afrika. Die WM-Teilnahme war dann schon ein Highlight.

DFB.de: War das Ihr größter Erfolg?

Pfister: Es war sehr schön. Aber rein vom Aufwand würde ich den U 17-Titel mit Ghana noch höher einordnen. Ich hatte die Buben ein Jahr zusammen und mich gut vorbereitet. Das hat mich besonders befriedigt, was die Arbeit angeht.

DFB.de: 2008 standen Sie mit Kamerun im Finale des Afrika-Cups, lagen anschließend aussichtsreich in der WM-Qualifikation. Warum sind Sie trotzdem gegangen?

Pfister: Als ich in Europa war, hat man mir einfach meinen Trainerstab ausgewechselt, ohne mich zu informieren. Das konnte ich nicht hinnehmen, obwohl mir der Abschied schon weh getan hat. Als junger Trainer hätte ich das sicher nicht gemacht.

DFB.de: Spielt bei Ihrer Arbeit auch die Politik eine Rolle?

Pfister: Klar, ich war schon bei politischen Umstürzen und bei Ausgangssperren dabei. Aber so etwas weiß man, wenn man dort arbeitet. Trotzdem: Glücklich bin ich nur in Afrika. Noch eine Episode zum Thema Politik: Als ich in Kamerun zurückgetreten bin, hat mich der Staatspräsident angerufen. Das wäre so, als wenn Angela Merkel bei Joachim Löw angerufen hätte. Er sagte, es wäre ein Skandal, dass ich zurückgetreten sei und dass ich das doch nicht machen könne. Aber das hat nichts an meiner Entscheidung geändert.

DFB.de: Vor dem Afrika-Cup in Angola gab es in diesem Jahr einen Anschlag auf den Bus der togolesischen Nationalmannschaft. Rasch wurden auch Sicherheitsbedenken in Richtung WM laut. Teilen Sie diese Ansicht?

Pfister: Dieser Anschlag hat mich schockiert, ich habe auch gleich mit einigen Spielern telefoniert. Aber man darf doch Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Wenn in Rumänien ein Terroranschlag passieren würde, würde ja auch keiner sagen: Leute, fahrt bloß nicht nach Deutschland. Da wird nichts passieren. Was hat Südafrika mit Angola zu tun? Nichts. Die werden das WM-Turnier ohne Probleme über die Bühne bringen. Die Südafrikaner sind sehr stolz. Sie werden alles dafür tun, dass es gut läuft. Dafür wird nicht zuletzt die FIFA sorgen. Bedenken gibt es immer.

DFB.de: War es für Sie richtig, die WM auf den afrikanischen Kontinent zu vergeben?

Pfister: Ja, das wertet den ganzen Kontinent auf. Auch politisch. Man wird aufmerksam. Viele Spieler dominieren ausländische Spitzenklubs. Das ist auch eine Geste an das Talent der Spieler und die wachsende Bedeutung des afrikanischen Fußballs in der Welt.

DFB.de: Was erwarten Sie von der WM?

Pfister: Ein friedliches Turnier auf sportlich hohem Niveau. Mein Favorit ist Brasilien. Wie so oft. Die Brasilianer mischen Disziplin und Spielfreude am besten.

DFB.de: Haben Sie eigentlich Probleme, wenn Sie aus Afrika zurück in Ihr "Basislager" in die Schweiz kommen?

Pfister: Mit diesem total Organisierten komme ich am Anfang nur schwer zurecht. Das fängt an mit dem Autoverkehr. Wenn ich wieder in die Schweiz komme, habe ich ohne Ende Bußgelder wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Falschparkens. Um mich an dieses ganze administrative Theater zu gewöhnen, brauche ich ein halbes Jahr.

DFB.de: Sind deutsche Trainer in Afrika immer noch gefragt?

Pfister: Sie waren mal gefragt, heute nicht mehr so. Das hängt immer eng zusammen mit dem Erfolg unserer National- und Klubmannschaften. Nach 1974 wollte alle Welt deutsche Trainern haben. Bayern und Dortmund gewinnen die Champions League, und Afrika ruft nach deutschen Trainern. Die sehen dann, dass bei uns der Fußball läuft. Heutzutage muss man im Ausland schon nach ihnen suchen. Die Nachfrage folgt dem internationalen Trend. Das heißt: Wenn die deutsche Nationalmannschaft Titel gewinnt, besorgt sie gleichzeitig Arbeitsplätze für deutsche Trainer im Ausland.

DFB.de: Sie sind jetzt 72. Ruft Afrika Sie immer noch?

Pfister: Ja, sicher. Ich kann ja nicht nichts tun. Das liegt mir nicht. Seit sechs Monaten bin ich jetzt ohne Anstellung als Trainer, aber ich überbrücke die Zeit ganz gut, indem ich als TV-Experte arbeite. Aber auf lange Zeit ist das nicht gut.

DFB.de: Gab es denn Angebote?

Pfister: Schon, aber nicht das richtige.

DFB.de: Ist Deutschland eine Option?

Pfister: Nein. Ich habe zweimal verhandelt, das ist schon einige Zeit her, aber ich bin mit der Philosophie dieser Klubs nicht klargekommen. Allein dieses Manager-System gefällt mir nicht. Hier sitzen Manager auf der Bank und geben nach dem Spiel Interviews oder gehen sogar in die Spielerkabinen. Das ist ein deutsches Phänomen. Oder wissen Sie, wie der Manager von Arsenal, Barcelona oder Inter Mailand heißt? Ich nicht. Außerdem habe ich in einer Verhandlung gesagt: Die drei Ausländer, die wir bisher hatten, müssen weg. Dafür holen wir Rincon, Asprilla und Abedi Pelé. Da sagte der Präsident: Die kenne ich nicht. Da bin ich aufgestanden und gegangen.

DFB.de: Wen trainieren Sie bei der WM?

Pfister: Man weiß nie, ich kann das nicht sagen. Ich habe zwei, drei Kontakte. Aber im Moment habe ich keine Mannschaft, das wissen Sie.

DFB.de: Wenn Sie als gebürtiger Kölner die Wahl hätten: FC oder Elfenbeinküste. Wofür würden Sie sich entscheiden?

Pfister: Elfenbeinküste. Ich würde Afrika immer vorziehen. Das ist meine Welt. Wenn man so einen Klub trainiert, hat man ja auch überhaupt keine Lebensqualität, man steht immer in der Öffentlichkeit. Das brauche ich nicht.

Das meinen DFB.de-User:

"Danke für dieses Interview! Otto Pfister ist ein toller Mensch mit viel Erfahrung und hat wirklich viel Interessantes zu sagen. Einfach super!" (Kenneth Cederberg, Helsinki/Finnland)

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Seine Einschätzungen sind gefragt im Jahr der ersten Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika: Otto Pfister spricht über den Schwarzen Kontinent wie andere von ihrer großen Liebe. Von wahren Gefühlen, Sehnsucht, unvergesslichen Momenten, vom Trennungsschmerz - und all das geht weit über die WM 2010 in Südafrika hinaus.

Andere schneiden mit 72 Jahren ihre Rosen und gehen ihrer Gattin auf die Nerven. Pfister will dahin, wo er zu Hause ist. Er will zurück in sein gelobtes Land, nach Afrika. Das erzählte er Redakteur Gereon Tönnihsen im DFB.de-Gespräch der Woche. Über die Chancen der Afrikaner bei der WM im Sommer äußert sich Pfister dennoch skeptisch.

DFB.de: Herr Pfister, wie geht es Ihnen?

Otto Pfister: Gut, danke.

DFB.de: Noch kein Heimweh nach Afrika?

Pfister: Doch, wenn ich drei Tage in meiner Wohnung in der Schweiz sitze und auf den Schnee gucke, werde ich kribbelig. Dann zieht es mich wieder in meine Heimat.

DFB.de: Wie sind Sie als deutscher Trainer überhaupt dahin gekommen: War das schon in jungen Jahren geplant?

Pfister: Nein, ich habe in der Schweiz in der ersten Liga gespielt und bin dort auch Trainer geworden. Ich bin zwar in Köln geboren, aber meine Eltern sind in die Schweiz ausgewandert, als ich 17 war. Als dann die Karriere vorbei war, habe ich die Trainerscheine und anschließend meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer in Köln gemacht. Und dann hatte ich ein Angebot aus Algerien, das klappte nicht. Danach kam das Engagement in Ruanda zustande. Das war 1972. Also bin ich hin.

DFB.de: Hatten Sie keine Berührungsängste mit der für Sie unbekannten Kultur?

Pfister: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich fand das sehr spannend. Sie müssen das so sehen: Mein Beruf ist meine Leidenschaft, mein Hobby, meine Religion. Ich komme in der Welt herum und werde auch noch satt dabei – etwas Besseres kann es doch gar nicht geben. So ging es mir vor 40 Jahren, und so geht es mir auch heute noch.

DFB.de: Wie war Ihre erste Begegnung mit Afrika?

Pfister: Im ersten Moment ist das natürlich ein Kulturschock. Ich kam ja auch gerade in ein Land, das so dermaßen dem Bild von Afrika entsprach, was ich in der Zeit hatte. Da waren keine Touristen wie in Kenia oder dem Senegal, wo alle hinreisen. Ich war also wirklich in dem ursprünglichen Afrika an der Kongo-Nil-Scheide in Ruanda. Da waren auch politische Unruhen, aber davon habe ich nur wenig mitbekommen. Ich habe mich doch relativ schnell eingelebt. Vor allem habe ich mich gleich bemüht, die Sprache zu lernen. Das ist ein Französisch sprechendes Gebiet. Wenn man die Sprache beherrscht, profitiert man in jeder Hinsicht davon. Mit der Zeit lernt man, dass man dort nur längerfristig arbeiten kann, wenn man die Leute respektiert, wie sie sind. Man ist konfrontiert mit einer komplett anderen Kultur, mit einer komplett anderen Mentalität, mit einem komplett anderen Umfeld. Nur, wenn man das akzeptiert, kann man dort glücklich werden.

DFB.de: Wie sieht diese Mentalität aus?

Pfister: Mit Ordnung und Pünktlichkeit, wie man sie aus Deutschland kennt, kommt man nicht so wirklich weit. Alles ist lockerer, die Menschen sind sehr tolerant, freundlich und offen - aber man darf nicht versuchen, die Welt zu verändern und ihnen die so genannten deutschen Tugenden aufzuzwingen. Anpassen heißt das Zauberwort. Das ist mir gut gelungen. Deshalb konnte ich mich auf diesem Kontinent so lange behaupten, mit Unterbrechungen - ich war ja auch noch ein paar Jahre in Asien tätig - gut 30 Jahre.

DFB.de: Aber doch sicher nicht nur deswegen?

Pfister: Klar, wenn man keine Erfolge hat, ist es auch schlecht. Ich hatte halt das Glück, Erfolg zu haben. Es muss nicht unbedingt an mir gelegen haben, dass ich mit Ghana Junioren-Weltmeister wurde, aber das war eben so. Mit der A-Mannschaft war ich im Finale des Afrika-Cups. Ich hatte das Glück, auch mit Kamerun vor zwei Jahren im Finale zu stehen, mit Togo 2006 bei der WM in Deutschland dabei zu sein. Außerdem habe ich mit Zamalek Kairo den Pokal der Pokalsieger in Afrika gewonnen. Wenn man solche Erfolge hat, verspürt man eine persönliche Befriedigung. Und man hat kaum Probleme, einen neuen Job zu bekommen. Ich habe noch nie einen Agenten oder Manager gehabt, ich habe noch nie eine Bewerbung geschrieben. Ich bekomme einen Anruf, und dann sage ich Ja oder Nein. Das ist alles.

DFB.de: Ist das nicht auch ein Risiko?

Pfister: Es kann natürlich passieren, dass man schon mal acht Monate wartet, wenn man nicht jedes erstbeste Angebot gleich annehmen will. Das kann mit einem Agenten natürlich schneller gehen. Aber es gibt in diesem Metier viele schwarze Schafe, die versuchen, auf Kosten von Spielern und Trainern ihre soziale Situation zu verbessern. Das mache ich nicht mit. Wenn mich einer will, ein Verein oder ein Verband, dann ruft er mich selbst an. So viel Selbstvertrauen habe ich. Ich habe in 16 verschiedenen Ländern trainiert, bin 16-mal umgezogen, habe immer für mich selbst gesprochen. Als ich im Sudan trainiert habe, hat mich zum Beispiel der Minister für Jugend und Sport aus Kamerun angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Nationalmannschaft zu trainieren. Ich habe dann gesagt: Okay, aber ihr müsst euch einigen. Das haben die dann gemacht, und ich bin nach Kamerun gegangen.

DFB.de: Sie haben zwischen und während Ihrer Engagements auch Trainer-Lehrgänge für den DFB geleitet.

Pfister: Ich habe an der Sportschule Hennef frankophone Lehrgänge abgehalten, also für Trainer, die aus Ländern kamen, in denen französisch gesprochen wurde. Außerdem war ich für die FIFA als Instruktor tätig, zum Beispiel in Ghana und in der Elfenbeinküste. Als Nationaltrainer gibt es halt schon mal zwischen den Spielen etwas Zeit.

DFB.de: Hat sich der afrikanische Fußball in den fast vier Jahrzehnten verändert, in denen Sie auf dem Schwarzen Kontinent sind?

Pfister: Nein, eigentlich nicht. Der Fußball hat sich nicht groß verändert. Aber was sich verändert hat, ist die Zahl der Spieler in der Welt. Nicht nur in Europa, auch in Südamerika und Asien. Überall gibt es afrikanische Spieler, das war vorher nicht so. In Kamerun etwa, wo ich bis August vergangenen Jahres trainiert habe, gab es zu der Zeit 67 professionelle Spieler in aller Welt, drei davon in Deutschland: Atouba beim Hamburger SV, Epallé in Bochum, Idrissou in Freiburg. Als ich Kamerun trainiert habe, bin ich also viel in der ganzen Welt herumgereist. Da waren ja auch große Spieler dabei: Eto’o oder Geremi. Ich habe die Kontakte gehalten, viel mit Trainern gesprochen.

DFB.de: Ist der Fußball in Afrika noch ein Stück weit archaischer, ursprünglicher?

Pfister: Die Freude am Spiel ist auf jeden Fall ausgeprägter. Das kalte, professionelle Denken geht einigen noch ab. Ein Samuel Eto’o zum Beispiel, der Millionen verdient, nimmt das Ganze gar nicht so ernst. Die Jungs lachen noch. Wenn man hier in Deutschland Spiele verliert, weinen alle gleich, der Kopf hängt unten. Die Afrikaner sind mental viel stärker. Euphorie und Demoralisierung kennen sie in dem Maße nicht. Wenn sie ein Spiel verloren haben, sind sie natürlich auch traurig, vielleicht heulen sie auch, aber nach 24 Stunden geht es auch schon wieder völlig normal. Sie lassen sich nicht so beeinflussen von positiven wie negativen Erlebnissen.

DFB.de: Wissen Sie, warum das so ist?

Pfister: Ich habe mich mal mit Emanuel Adebayor darüber unterhalten, als ich mit Togo bei der WM war. Der hat zu mir gesagt: Trainer, wenn du in so einem Elend groß geworden bist wie ich, dann kann dich ein verlorenes Fußballspiel nun wirklich nicht mehr erschüttern. Ein Eto’o oder ein Adebayor sagt zu mir: "Coach, ich bin der beste Stürmer der Welt!" Das ist natürlich subjektiv, aber wenn sie das glauben und dann auch so auftreten, dann ist das eine gute Sache und eine Stärke.

DFB.de: Wie ist das Niveau im afrikanischen Fußball?

Pfister: Das Niveau könnte hoch sein. Das Problem sind nicht die Spieler, auch nicht ihr Talent, sondern die Organisation. Sie haben so gut wie keine Infrastruktur. Ich bin mit Ghana U 17-Weltmeister geworden, ohne einen Mannschaftsarzt dabei gehabt zu haben. So lange sich so etwas nicht ändert, haben die Afrikaner auch keine Chance. Wenn ich dann lese: Eines Tages wird eine afrikanische Mannschaft Fußball-Weltmeister, dann denke ich bei mir: Eines Tages vielleicht, aber nicht in den nächsten zehn Jahren. Sicher nicht.

DFB.de: Sie sprachen von mentaler Stärke der Afrikaner. Stimmt denn auch der Eindruck, dass es eine gewisse physische Überlegenheit gibt?

Pfister: Es gibt eine Untersuchung, nach der die Viskosität, also die Fließfähigkeit des Blutes der Schwarzafrikaner, eine andere ist. Diese ist gleichwohl nicht bewiesen. Fakt ist aber, dass die Spieler so gut wie nie Bänderverletzungen haben. Auch im Ausdauer- und Kraftbereich sind die Spieler unheimlich stark. Was die Jungs ebenfalls auszeichnet, ist die Geschwindigkeit mit dem Ball auf engstem Raum. Schauen Sie sich nur Eto’o an. Und sie haben eine Intuition, im richtigen Moment, das Richtige zu tun - passen, laufen, was auch immer. Das hatte in Deutschland Franz Beckenbauer, auch Netzer, Overath, Flohe. Der Ballack hat sie punktuell, auch der Schweinsteiger, aber insgesamt sind es zu wenige. In der Bundesliga heißt es nach einem Sieg schon mal: Heute lief es, weil wir die Laufwege einstudiert haben. Mit den Afrikanern kannst du das nicht. Sie machen das intuitiv und meistens richtig, und trotzdem ist man immer erstaunt. Das ist nicht antrainiert.

DFB.de: Was machen Sie denn dann überhaupt als Coach?

Pfister: Ich leite sie an, unterstütze sie, stelle sie ein. Aber den Fußball-Lehrer als solchen, den gibt es gar nicht. Ich behaupte: Fußball kann man nicht lehren. Wie soll das gehen? Du kannst gewisse Eigenschaften verbessern, aber Fußball ist nicht lernbar, das ist meine These. Ich finde auch das Wort Taktik einfach schlecht. Ich spreche von Organisation, vom Ausnutzen von Breite und Tiefe des Spielfelds. Taktik braucht man im Krieg, nicht auf dem Platz. Auch dieser Begriff "über den Kampf ins Spiel finden": Wenn ich den höre, falle ich vom Stuhl. Das gibt es nur in Deutschland. Fußball ist ein Spiel und kein Kampf. Gekämpft wird beim Boxen.

DFB.de: In Europa sorgen immer mehr afrikanische Spieler für Furore: Drogba, Eto’o, Essien, um nur einige zu nennen. Ist das für Sie eine logische Entwicklung?

Pfister: Ja, die Afrikaner sind bereit, unheimlich viel zu tun für ihre Karriere. Ich habe mit Afrikanern noch nie ein Problem in Sachen Disziplin gehabt. Für sie ist der Fußball oft der einzige Weg aus der Armut. Im Fernsehen sehen sie ihre Brüder in den großen Ligen spielen. Und sie sagen sich: Da will ich auch hin. Dafür tun sie alles. Als ich mit Ghana U 17-Weltmeister wurde, gehörte auch Sammy Kuffour zur Mannschaft, der später lange bei Bayern München spielte. Da hätte ich um drei Uhr nachts das Training ansetzen können, er wäre sofort gekommen. Ohne Meckern. Laufen Sie mal montags morgens um acht Uhr durch Lagos. Da sehen sie Tausende Buben, die kicken. Im Staub, zwei Tore und los geht’s. Die haben zum Teil noch nicht mal einen richtigen Ball.

DFB.de: Trotzdem gibt es auch negative Beispiele: Nii Lamptey war 1991 U 17-Weltmeister, wurde von der FIFA als bester Jugendspieler ausgezeichnet. Und doch blieb ihm die große Karriere verwehrt.

Pfister: Weil der Junge schlecht beraten wurde. Er war mein Kapitän und einfach überragend. Er ist in schlechte Hände geraten. Sein Manager hat ihn zwölfmal transferiert. Der Manager wurde immer reicher, und der Spieler sitzt heute wieder in Accra und weint.

DFB.de: Ist er ein Beispiel für viele?

Pfister: Nicht unbedingt. Einigen wird es wohl so gegangen sein. Manche Leute machen es sich zu Nutzen, dass die Spieler zum Teil aus finanziell schwierigen Verhältnissen kommen. Ein guter Spieler kann auf einen Schlag das gesamte Geldproblem seines Familien-Clans regeln. Darum werden oft auch die Eltern beeinflusst. Das ist oft noch ein Problem, aber kein generelles.

DFB.de: Ruft der Reichtum einzelner Spieler Neid bei ärmeren Landsleuten hervor?

Pfister: Das Geld weckt Begehrlichkeiten. Alle wollen plötzlich was von dem Spieler. Wenn Eto’o nach Kamerun kommt, stehen immer Tausende am Flughafen. Aber soll der denn sein Geld verschenken? Mit Togo und Kamerun waren wir im Hotel vom Militär hermetisch abgeriegelt, damit keiner hereinkam. Viele Spieler geben ohnehin viel Geld, um ihr Land zu unterstützen. Wenn man dann schlecht spielt, sind die Stars die ersten, die kritisiert werden. Neid spielt schon eine große Rolle - das ist bei uns aber nicht anders. Warum sollen die Afrikaner besser sein, wo es ihnen viel schlechter geht?

DFB.de: Dennoch: Wieso hat sich das Potenzial, das sich im Juniorenbereich so oft schon gezeigt hat, bislang in den Nationalteams noch nicht so recht ausschöpfen lassen: Nur wegen der Strukturen?

Pfister: Ein Beispiel: Die Deutschen machen zwei Trainingslager vor der WM, dafür haben die Afrikaner gar kein Geld. Als ich 1992 mit Ghana beim Afrika-Cup war mit großen Spielern wie Abedi Pelé, Yeboah oder Baffoe haben wir uns drei Tage vorher getroffen, einmal trainiert und dann gespielt. Fertig. Das hat sich etwas geändert heute, aber für die ganz großen Dinge fehlt ganz einfach das Geld. Wenn es die Infrastruktur, die Trainerausbildung, die Sportschulen wie bei uns auch in Afrika geben würde, wären die Afrikaner eine Macht. Dann würde diesem Fußball die Zukunft gehören. Aber Afrika hat eben auch ganz andere Sorgen und Probleme. Viele sind froh, dass sie überhaupt etwas zum Essen haben.

DFB.de: Was fasziniert Sie angesichts derartiger Probleme trotzdem so an Afrika?

Pfister: Das ist rational nicht zu erklären. Wer mehrmals auf diesem Kontinent war, den befällt ein Afrika-Virus. Dann kann man nur noch dort leben. Dafür gibt es keine logische Erklärung. Es ist eine Faszination. Afrika ist immer ein Abenteuer. Ich war auch schon in jedem Land dort. Mit einer Ausnahme: Lesotho. Hat sich noch nicht ergeben.

DFB.de: 2006 haben Sie mit Togo erstmals an einer WM teilgenommen. Kurz vor Turnierstart haben Sie jedoch kurzzeitig die Brocken hingeschmissen.

Pfister: Da waren die Spieler nicht bezahlt worden. Sie haben gestreikt, und dann habe ich den Verbandspräsidenten geholt und gesagt: "Wenn die Spieler nicht trainieren, dann entziehen Sie mir die Arbeitsgrundlage." Ich habe schriftlich gekündigt. Nach zwei Tagen ist die FIFA eingesprungen und in Vorzahlung getreten. Und die Mannschaft und ich sind wieder angetreten. Man muss konsequent sein. Auch das lernt man in Afrika. Die WM-Teilnahme war dann schon ein Highlight.

DFB.de: War das Ihr größter Erfolg?

Pfister: Es war sehr schön. Aber rein vom Aufwand würde ich den U 17-Titel mit Ghana noch höher einordnen. Ich hatte die Buben ein Jahr zusammen und mich gut vorbereitet. Das hat mich besonders befriedigt, was die Arbeit angeht.

DFB.de: 2008 standen Sie mit Kamerun im Finale des Afrika-Cups, lagen anschließend aussichtsreich in der WM-Qualifikation. Warum sind Sie trotzdem gegangen?

Pfister: Als ich in Europa war, hat man mir einfach meinen Trainerstab ausgewechselt, ohne mich zu informieren. Das konnte ich nicht hinnehmen, obwohl mir der Abschied schon weh getan hat. Als junger Trainer hätte ich das sicher nicht gemacht.

DFB.de: Spielt bei Ihrer Arbeit auch die Politik eine Rolle?

Pfister: Klar, ich war schon bei politischen Umstürzen und bei Ausgangssperren dabei. Aber so etwas weiß man, wenn man dort arbeitet. Trotzdem: Glücklich bin ich nur in Afrika. Noch eine Episode zum Thema Politik: Als ich in Kamerun zurückgetreten bin, hat mich der Staatspräsident angerufen. Das wäre so, als wenn Angela Merkel bei Joachim Löw angerufen hätte. Er sagte, es wäre ein Skandal, dass ich zurückgetreten sei und dass ich das doch nicht machen könne. Aber das hat nichts an meiner Entscheidung geändert.

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DFB.de: Vor dem Afrika-Cup in Angola gab es in diesem Jahr einen Anschlag auf den Bus der togolesischen Nationalmannschaft. Rasch wurden auch Sicherheitsbedenken in Richtung WM laut. Teilen Sie diese Ansicht?

Pfister: Dieser Anschlag hat mich schockiert, ich habe auch gleich mit einigen Spielern telefoniert. Aber man darf doch Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Wenn in Rumänien ein Terroranschlag passieren würde, würde ja auch keiner sagen: Leute, fahrt bloß nicht nach Deutschland. Da wird nichts passieren. Was hat Südafrika mit Angola zu tun? Nichts. Die werden das WM-Turnier ohne Probleme über die Bühne bringen. Die Südafrikaner sind sehr stolz. Sie werden alles dafür tun, dass es gut läuft. Dafür wird nicht zuletzt die FIFA sorgen. Bedenken gibt es immer.

DFB.de: War es für Sie richtig, die WM auf den afrikanischen Kontinent zu vergeben?

Pfister: Ja, das wertet den ganzen Kontinent auf. Auch politisch. Man wird aufmerksam. Viele Spieler dominieren ausländische Spitzenklubs. Das ist auch eine Geste an das Talent der Spieler und die wachsende Bedeutung des afrikanischen Fußballs in der Welt.

DFB.de: Was erwarten Sie von der WM?

Pfister: Ein friedliches Turnier auf sportlich hohem Niveau. Mein Favorit ist Brasilien. Wie so oft. Die Brasilianer mischen Disziplin und Spielfreude am besten.

DFB.de: Haben Sie eigentlich Probleme, wenn Sie aus Afrika zurück in Ihr "Basislager" in die Schweiz kommen?

Pfister: Mit diesem total Organisierten komme ich am Anfang nur schwer zurecht. Das fängt an mit dem Autoverkehr. Wenn ich wieder in die Schweiz komme, habe ich ohne Ende Bußgelder wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Falschparkens. Um mich an dieses ganze administrative Theater zu gewöhnen, brauche ich ein halbes Jahr.

DFB.de: Sind deutsche Trainer in Afrika immer noch gefragt?

Pfister: Sie waren mal gefragt, heute nicht mehr so. Das hängt immer eng zusammen mit dem Erfolg unserer National- und Klubmannschaften. Nach 1974 wollte alle Welt deutsche Trainern haben. Bayern und Dortmund gewinnen die Champions League, und Afrika ruft nach deutschen Trainern. Die sehen dann, dass bei uns der Fußball läuft. Heutzutage muss man im Ausland schon nach ihnen suchen. Die Nachfrage folgt dem internationalen Trend. Das heißt: Wenn die deutsche Nationalmannschaft Titel gewinnt, besorgt sie gleichzeitig Arbeitsplätze für deutsche Trainer im Ausland.

DFB.de: Sie sind jetzt 72. Ruft Afrika Sie immer noch?

Pfister: Ja, sicher. Ich kann ja nicht nichts tun. Das liegt mir nicht. Seit sechs Monaten bin ich jetzt ohne Anstellung als Trainer, aber ich überbrücke die Zeit ganz gut, indem ich als TV-Experte arbeite. Aber auf lange Zeit ist das nicht gut.

DFB.de: Gab es denn Angebote?

Pfister: Schon, aber nicht das richtige.

DFB.de: Ist Deutschland eine Option?

Pfister: Nein. Ich habe zweimal verhandelt, das ist schon einige Zeit her, aber ich bin mit der Philosophie dieser Klubs nicht klargekommen. Allein dieses Manager-System gefällt mir nicht. Hier sitzen Manager auf der Bank und geben nach dem Spiel Interviews oder gehen sogar in die Spielerkabinen. Das ist ein deutsches Phänomen. Oder wissen Sie, wie der Manager von Arsenal, Barcelona oder Inter Mailand heißt? Ich nicht. Außerdem habe ich in einer Verhandlung gesagt: Die drei Ausländer, die wir bisher hatten, müssen weg. Dafür holen wir Rincon, Asprilla und Abedi Pelé. Da sagte der Präsident: Die kenne ich nicht. Da bin ich aufgestanden und gegangen.

DFB.de: Wen trainieren Sie bei der WM?

Pfister: Man weiß nie, ich kann das nicht sagen. Ich habe zwei, drei Kontakte. Aber im Moment habe ich keine Mannschaft, das wissen Sie.

DFB.de: Wenn Sie als gebürtiger Kölner die Wahl hätten: FC oder Elfenbeinküste. Wofür würden Sie sich entscheiden?

Pfister: Elfenbeinküste. Ich würde Afrika immer vorziehen. Das ist meine Welt. Wenn man so einen Klub trainiert, hat man ja auch überhaupt keine Lebensqualität, man steht immer in der Öffentlichkeit. Das brauche ich nicht.

Das meinen DFB.de-User:

"Danke für dieses Interview! Otto Pfister ist ein toller Mensch mit viel Erfahrung und hat wirklich viel Interessantes zu sagen. Einfach super!" (Kenneth Cederberg, Helsinki/Finnland)