Niersbach: "Wünschen Südafrika, den WM-Traum zu leben"

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Am Mittwoch noch 100 Tage – dann sind die langen Jahre des Wartens auf die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika endlich vorbei. Das Warmlaufen hat längst schon begonnen. Immer schneller werden die Schritte, die die Fußball-Welt zu ihrem nächsten Riesenspektakel bringen. Der DFB, der vor vier Jahren Gastgeber der WM 2006 gewesen war, nimmt das morgige Überschreiten der 100-Tage-Wegmarke zum Anlass, Südafrika und den dortigen Organisatoren mit Zeitungsanzeigen ein gutes Gelingen zu wünschen.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien erinnert sich DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach an die letzten 100 Tage vor dem Start des „Sommermärchens“ 2006, beschreibt die Ticketing-Situation für 2010 aus deutscher Sicht und sagt, wie der DFB für Südafrika organisatorisch aufgestellt sein wird. Zum Beispiel mit seinem Fan-Camp. Außerdem verdeutlicht Niersbach, dass bei der WM 2010 für den DFB angesichts von maximal 20 Millionen Euro Kosten kaum ein Gewinn zu erwarten ist.

DFB.de: Herr Niersbach, in Südafrika werden die letzten 100 Tage bis zum Start der FIFA Fußball-WM eingeläutet. Was rufen Sie als DFB-Generalsekretär und früherer Kommunikationschef im OK der WM 2006 den Südafrikanern aus diesem Anlass zu?

Wolfgang Niersbach: Genießt die Vorfreude – trotz der Aufgeregtheiten, die es bestimmt im unmittelbaren Vorfeld der WM auch diesmal noch geben wird! Ich kann mich noch erinnern, wie bei uns vor vier Jahren durch den Bericht der Stiftung Warentest zu Beginn des WM-Jahres 2006 der falsche Eindruck erweckt wurde, die deutschen Stadien seien nicht sicher. Diese Meldung, die damals um die Welt ging, hat uns unglaublich viel an Nerven und Zeit gekostet. Ungeachtet solcher Vorgänge sollen unsere südafrikanischen Freunde die letzten 100 Tage jetzt in der freudigen Erwartung genießen, dass dieses historische Ereignis nun bald Realität wird.

DFB.de: Der DFB und seine Nationalmannschaft schalten heute in den größten Tageszeitungen Südafrikas eine ganzseitige Anzeige. Aus welchem Grund?

Niersbach: Damit wollen wir zeigen, dass es, unabhängig vom Abschneiden der eigenen Nationalmannschaft, eine wunderbare Sache ist, Gastgeber bei solch einem Weltereignis sein zu dürfen. Einen ähnlichen Effekt, wie wir ihn 2006 erleben durften, wünschen wir jetzt Südafrika. Damit man auch 2014, wenn die WM in Brasilien stattfinden wird, noch immer an die tolle Zeit in Südafrika, diesem fantastischen Land, denkt.

DFB.de: Die sportliche Leitung der deutschen Nationalmannschaft ist gerade aus Südafrika von einer mehrtägigen Visite zurückgekehrt. Welche Eindrücke wurden Ihnen berichtet?

Niersbach: Wir wissen, dass noch viele Detailarbeiten für unseren Aufenthalt dort zu erledigen sind. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Beschaffenheit der Plätze, nicht nur in den Stadien, sondern auch für das Training. Durch sehr starke Regenfälle, die übrigens auch uns vor vier Jahren in Verzug gebracht haben, sind die Dinge nicht wie geplant vorangegangen. Mit Rainer Ernst ist unser Rasenexperte von 2006 in Absprache mit der FIFA in Südafrika tätig, um mit zu gewährleisten, dass dieses zentrale Thema gut erledigt wird. Alles andere, wie zum Beispiel noch organisatorische Kleinigkeiten in unserem Quartier, wird geregelt sein, wenn wir mit einer Sondermaschine der Lufthansa am 6. Juni in Johannesburg landen werden.

DFB.de: Welche Bedeutung haben aus Ihrer Erfahrung die letzten 100 Tage für die Organisation eines solchen Mega-Events?

Niersbach: Jetzt beginnt die Phase, in der man sich oft wünscht, dass der Tag 36 oder 48 Stunden haben sollte. Es sind ganz wichtige Dinge nunmehr zu erledigen, die keinen Aufschub mehr dulden. Wenn ich nur an die Einkleidung der 15.000 Volunteers 2006 denke. Oder an die Auslieferung der Fahrzeuge und der Mannschaftsbusse. Das muss alles minutiös vorbereitet und ohne Verzug abgewickelt werden. Die Mannschaften kommen! Wie werden sie empfangen, wie gelangen sie in ihr Quartier, ist die Polizei-Eskorte rechtzeitig da, wann ist das ersten Training und die erste Pressekonferenz? Und das alles mal 32! Auch für Südafrika ist die WM-Organisation ein Marathonlauf, bei dem die letzten Meter entscheidend sein können.

DFB.de: FIFA-Generalsekretär Jérome Valcke verkündete kürzlich in Zürich, „bei der WM in Südafrika keinen einzigen leeren Platz sehen“ zu wollen. Eine realistische Erwartung?

Niersbach: Damit will er zum Ausdruck bringen, dass die Tickets nicht nur verkauft, sondern auch komplett genutzt werden sollen. Das ist uns 2006 gelungen. Bei vorausgegangenen Turnieren ist dagegen oft geklagt worden, dass Sponsoren- und auch Pressebereiche großflächig leer geblieben waren. Ob in Südafrika alle 64 Spiele wie 2006 bei uns in Deutschland vor vollen Rängen stattfinden werden, vermag ich nicht einzuschätzen.

DFB.de: Eintrittskarten sind derzeit noch reichlich zu erwerben. Einen Mangel an Tickets, wie 2006, müssen Südafrikas WM-Organisatoren jedenfalls nicht verwalten?

Niersbach: Vor vier Jahren war die Mangelverwaltung unser schwierigstes Thema, nachdem wir bereits in der ersten Verkaufsphase 30 Millionen Anfragen für drei Millionen verfügbare Tickets hatten. Jedes einzelne Spiel war damals in Sachen Tickets umkämpft gewesen bis auf den letzten Platz. Unter diesem gewaltigen Druck steht das südafrikanische OK wohl nicht.

DFB.de: Derzeit läuft die vierte Verkaufsphase, in der sich die Fans bis zum 7. April weltweit mit Tickets eindecken können. Werden die deutschen Fans doch noch verstärkt zugreifen?

Niersbach: Die Zahlen sind ja nicht so schlecht. Über die Plattform der teilnehmenden Verbände sind etwa 800 Tickets für jedes unserer drei Gruppenspiele abgesetzt. Daneben hat der DFB jeweils 400 Karten für seinen eigenen Bedarf gekauft. Wichtig ist darüber hinaus, dass über das frei zugängliche Internet-Portal, wo alle 64 Spiele angeboten werden, inzwischen aus Deutschland rund 35.000 Tickets gebucht wurden.

DFB.de: „Nicht einmal die Deutschen, die reichsten Fußballfans der Welt, können sich uns leisten“, schrieb ein renommierter Zeitungskolumnist in Südafrika. Sind die hohen Kosten der Hauptgrund für die bisherige Zurückhaltung?

Niersbach: Zweifellos sind die hohen Kosten ein großes Thema. Von den vier offizialisierten Reisebüros wird die billigste Reise zum Besuch eines einzigen Vorrundenspiels für zwischen 3000 und 3500 Euro angeboten. Nur, um zum Beispiel Deutschland gegen Australien zu sehen. Meiner Meinung nach ist das Kostenargument weitaus gravierender als der immer wieder thematisierte Punkt der Sicherheit.

DFB.de: Welche Rolle spielt der Sicherheitsaspekt 100 Tage vor WM-Beginn?

Niersbach: Unser DFB-Sicherheitsbeauftragter Helmut Spahn ist total involviert. Was die Mannschaft betrifft, wird es sein wie immer seit 1978. Das heißt Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Sicherheitsexperten, die unauffällig in die Delegation integriert sind. Ansonsten vertrauen wir den Sicherheitsmaßnahmen, die das südafrikanische OK uns anbietet.

DFB.de: Gilt dies auch für die Fans?

Niersbach: Für die Fans gilt, dass man die speziellen Sicherheitsregeln beachten muss, die in den verganenen Monaten hundertfach publiziert wurden. Es gibt, um nur ein Beispiel zu nennen, in Johannesburg bestimmte Gegenden, in die man nachts nicht hingehen sollte, schon gar nicht allein. Solche Warnungen vor No-Go-Areas gibt es aber auch für New York und andere Großstädte.

DFB.de: Wie ist der DFB organisatorisch für die WM aufgestellt?

Niersbach: Das Hauptaugenmerk gilt natürlich der Mannschaft, einem Tross von mehr als 40 Personen. Die Delegation wird von unserem Präsidenten Dr. Theo Zwanziger angeführt. Ihr gehören daneben Dr. Reinhard Rauball, Peter Peters, Uwe Seeler und meine Person an. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums werden unser zweites und drittes Spiel als Beobachtergruppe inspizieren und auswerten, die dabei gemachten Erkenntnisse für unsere eigene Arbeit organisatorisch, logistisch und atmosphärisch aufbereiten und zudem sportpolitische Kontakte knüpfen.

DFB.de: Wird es, analog zur EM 2008 in Österreich, auch ein Fan-Camp des DFB geben?

Niersbach: Hier ist eine ganz erfreuliche Entwicklung zu vermelden. Aus unserem Fan Club Nationalmannschaft haben inzwischen mehr als 300 Personen das Angebot angenommen, für 55 Euro pro Nacht in unserem Fan-Camp auf einem Uni-Gelände in der Nähe von Pretoria unterzukommen, wo im Übrigen auch Fans anderer Nationen untergebracht sein werden. Dort werden wir ähnliche Aktionen anbieten wie 2008 in Klagenfurt.

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DFB.de: Mit welcher Zielsetzung entsendet der DFB die Nationalmannschaft nach Südafrika?

Niersbach: Ich sage mit der Feststellung, dass unsere Nationalmannschaft zum größeren Kreis der Favoriten gehört, sicherlich nichts Neues. Was mich zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass sie gerade in den beiden schwersten und entscheidenden Qualifikationsspielen gegen Russland ihre beste Leistung gezeigt hat. Russlands damaliger Nationaltrainer Guus Hiddink sagte mir kürzlich am Rande der EM-Auslosung in Warschau, dass auch seine Mannschaft in diesen beiden Spielen ihre beste Leistung geboten habe - und trotzdem habe sie es nicht geschafft, uns wenigstens ein Unentschieden abzuringen. Von daher nehme ich die große Erwartung mit, dass unser Team in der Lage ist, sich auf den Punkt genau zu konzentrieren. Das hat unser Bundestrainer Jogi Löw gegen Russland zweimal phänomenal hinbekommen.

DFB.de: Was wird den DFB die Teilnahme an der WM 2010 kosten?

Niersbach: Für das gesamte Projekt, sollte es tatsächlich bis zum Tag des Endspiels andauern, werden wir einen Sonderetat von etwa 20 Millionen Euro an Kosten aufstellen – inklusive der Prämien für den etwaigen Gewinn des WM-Titels. Die FIFA schüttet für den Weltmeister eine Erfolgsprämie von umgerechnet 22,1 Millionen Euro aus. Das heißt, die WM-Teilnahme wird in keinem Fall einen großen wirtschaftlichen Gewinn bringen, weil für uns eben auch die Ausgabensituation sehr hoch ist.

DFB.de: Mit einer Anzeigen-Aktion wünscht der DFB den Südafrikanern, „jetzt den WM-Traum zu leben“. Wie vor allem kann dieser Traum Wirklichkeit werden?

Niersbach: Mit einer gelungenen Kombination aus guter Organisation und einer lockeren, fröhlichen Atmosphäre. Dies war bei der Endrundenauslosung in Kapstadt schon bei jedem Kellner, bei jedem Taxifahrer, bei jedem Hotel-Bediensteten spürbar. Die fiebern schon alle mit und jeder Einzelne fühlt sich, wie 2006 bei uns in Deutschland, bereits jetzt als Gastgeber. Und natürlich hat die eigene Mannschaft einen riesigen Einfluss auf die WM-Stimmung im Land. Südafrikas Team hat zwar nicht gerade die leichteste Gruppe erwischt. Doch warum sollte ihm unter Carlos Alberto Parreira, der schon mal Weltmeister war, nicht Ähnliches gelingen, was Südkorea 2002 unter Guss Hiddink mit dem Vorstoß ins Halbfinale geschafft hat? Das OK aber muss, wie wir 2006, unabhängig vom Abschneiden des Gastgeberteams seinen Job machen. Es ist verantwortlich für optimale Bedingungen aller 32 Teams. Das ist die eigentliche Verpflichtung und Aufgabe des Gastgebers.

DFB.de: Wer ist 100 Tage vor dem Anpfiff Ihr Topfavorit für den WM-Titel?

Niersbach: Die Spanier haben in den verganenen Jahren nur ein einziges Spiel verloren, beim Confederations Cup 2009 in Südafrika. Als Europameister heben sie sich aus dem größeren Favoritenkreis mit Brasilien, Argentinien, auch England und unserer Mannschaft ein Stück heraus. Doch gegen Spanien haben wir im EM-Finale ja nur 0:1 verloren. So was kann sich schnell auch mal drehen.

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Am Mittwoch noch 100 Tage – dann sind die langen Jahre des Wartens auf die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika endlich vorbei. Das Warmlaufen hat längst schon begonnen. Immer schneller werden die Schritte, die die Fußball-Welt zu ihrem nächsten Riesenspektakel bringen. Der DFB, der vor vier Jahren Gastgeber der WM 2006 gewesen war, nimmt das morgige Überschreiten der 100-Tage-Wegmarke zum Anlass, Südafrika und den dortigen Organisatoren mit Zeitungsanzeigen ein gutes Gelingen zu wünschen.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Wolfgang Tobien erinnert sich DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach an die letzten 100 Tage vor dem Start des „Sommermärchens“ 2006, beschreibt die Ticketing-Situation für 2010 aus deutscher Sicht und sagt, wie der DFB für Südafrika organisatorisch aufgestellt sein wird. Zum Beispiel mit seinem Fan-Camp. Außerdem verdeutlicht Niersbach, dass bei der WM 2010 für den DFB angesichts von maximal 20 Millionen Euro Kosten kaum ein Gewinn zu erwarten ist.

DFB.de: Herr Niersbach, in Südafrika werden die letzten 100 Tage bis zum Start der FIFA Fußball-WM eingeläutet. Was rufen Sie als DFB-Generalsekretär und früherer Kommunikationschef im OK der WM 2006 den Südafrikanern aus diesem Anlass zu?

Wolfgang Niersbach: Genießt die Vorfreude – trotz der Aufgeregtheiten, die es bestimmt im unmittelbaren Vorfeld der WM auch diesmal noch geben wird! Ich kann mich noch erinnern, wie bei uns vor vier Jahren durch den Bericht der Stiftung Warentest zu Beginn des WM-Jahres 2006 der falsche Eindruck erweckt wurde, die deutschen Stadien seien nicht sicher. Diese Meldung, die damals um die Welt ging, hat uns unglaublich viel an Nerven und Zeit gekostet. Ungeachtet solcher Vorgänge sollen unsere südafrikanischen Freunde die letzten 100 Tage jetzt in der freudigen Erwartung genießen, dass dieses historische Ereignis nun bald Realität wird.

DFB.de: Der DFB und seine Nationalmannschaft schalten heute in den größten Tageszeitungen Südafrikas eine ganzseitige Anzeige. Aus welchem Grund?

Niersbach: Damit wollen wir zeigen, dass es, unabhängig vom Abschneiden der eigenen Nationalmannschaft, eine wunderbare Sache ist, Gastgeber bei solch einem Weltereignis sein zu dürfen. Einen ähnlichen Effekt, wie wir ihn 2006 erleben durften, wünschen wir jetzt Südafrika. Damit man auch 2014, wenn die WM in Brasilien stattfinden wird, noch immer an die tolle Zeit in Südafrika, diesem fantastischen Land, denkt.

DFB.de: Die sportliche Leitung der deutschen Nationalmannschaft ist gerade aus Südafrika von einer mehrtägigen Visite zurückgekehrt. Welche Eindrücke wurden Ihnen berichtet?

Niersbach: Wir wissen, dass noch viele Detailarbeiten für unseren Aufenthalt dort zu erledigen sind. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Beschaffenheit der Plätze, nicht nur in den Stadien, sondern auch für das Training. Durch sehr starke Regenfälle, die übrigens auch uns vor vier Jahren in Verzug gebracht haben, sind die Dinge nicht wie geplant vorangegangen. Mit Rainer Ernst ist unser Rasenexperte von 2006 in Absprache mit der FIFA in Südafrika tätig, um mit zu gewährleisten, dass dieses zentrale Thema gut erledigt wird. Alles andere, wie zum Beispiel noch organisatorische Kleinigkeiten in unserem Quartier, wird geregelt sein, wenn wir mit einer Sondermaschine der Lufthansa am 6. Juni in Johannesburg landen werden.

DFB.de: Welche Bedeutung haben aus Ihrer Erfahrung die letzten 100 Tage für die Organisation eines solchen Mega-Events?

Niersbach: Jetzt beginnt die Phase, in der man sich oft wünscht, dass der Tag 36 oder 48 Stunden haben sollte. Es sind ganz wichtige Dinge nunmehr zu erledigen, die keinen Aufschub mehr dulden. Wenn ich nur an die Einkleidung der 15.000 Volunteers 2006 denke. Oder an die Auslieferung der Fahrzeuge und der Mannschaftsbusse. Das muss alles minutiös vorbereitet und ohne Verzug abgewickelt werden. Die Mannschaften kommen! Wie werden sie empfangen, wie gelangen sie in ihr Quartier, ist die Polizei-Eskorte rechtzeitig da, wann ist das ersten Training und die erste Pressekonferenz? Und das alles mal 32! Auch für Südafrika ist die WM-Organisation ein Marathonlauf, bei dem die letzten Meter entscheidend sein können.

DFB.de: FIFA-Generalsekretär Jérome Valcke verkündete kürzlich in Zürich, „bei der WM in Südafrika keinen einzigen leeren Platz sehen“ zu wollen. Eine realistische Erwartung?

Niersbach: Damit will er zum Ausdruck bringen, dass die Tickets nicht nur verkauft, sondern auch komplett genutzt werden sollen. Das ist uns 2006 gelungen. Bei vorausgegangenen Turnieren ist dagegen oft geklagt worden, dass Sponsoren- und auch Pressebereiche großflächig leer geblieben waren. Ob in Südafrika alle 64 Spiele wie 2006 bei uns in Deutschland vor vollen Rängen stattfinden werden, vermag ich nicht einzuschätzen.

DFB.de: Eintrittskarten sind derzeit noch reichlich zu erwerben. Einen Mangel an Tickets, wie 2006, müssen Südafrikas WM-Organisatoren jedenfalls nicht verwalten?

Niersbach: Vor vier Jahren war die Mangelverwaltung unser schwierigstes Thema, nachdem wir bereits in der ersten Verkaufsphase 30 Millionen Anfragen für drei Millionen verfügbare Tickets hatten. Jedes einzelne Spiel war damals in Sachen Tickets umkämpft gewesen bis auf den letzten Platz. Unter diesem gewaltigen Druck steht das südafrikanische OK wohl nicht.

DFB.de: Derzeit läuft die vierte Verkaufsphase, in der sich die Fans bis zum 7. April weltweit mit Tickets eindecken können. Werden die deutschen Fans doch noch verstärkt zugreifen?

Niersbach: Die Zahlen sind ja nicht so schlecht. Über die Plattform der teilnehmenden Verbände sind etwa 800 Tickets für jedes unserer drei Gruppenspiele abgesetzt. Daneben hat der DFB jeweils 400 Karten für seinen eigenen Bedarf gekauft. Wichtig ist darüber hinaus, dass über das frei zugängliche Internet-Portal, wo alle 64 Spiele angeboten werden, inzwischen aus Deutschland rund 35.000 Tickets gebucht wurden.

DFB.de: „Nicht einmal die Deutschen, die reichsten Fußballfans der Welt, können sich uns leisten“, schrieb ein renommierter Zeitungskolumnist in Südafrika. Sind die hohen Kosten der Hauptgrund für die bisherige Zurückhaltung?

Niersbach: Zweifellos sind die hohen Kosten ein großes Thema. Von den vier offizialisierten Reisebüros wird die billigste Reise zum Besuch eines einzigen Vorrundenspiels für zwischen 3000 und 3500 Euro angeboten. Nur, um zum Beispiel Deutschland gegen Australien zu sehen. Meiner Meinung nach ist das Kostenargument weitaus gravierender als der immer wieder thematisierte Punkt der Sicherheit.

DFB.de: Welche Rolle spielt der Sicherheitsaspekt 100 Tage vor WM-Beginn?

Niersbach: Unser DFB-Sicherheitsbeauftragter Helmut Spahn ist total involviert. Was die Mannschaft betrifft, wird es sein wie immer seit 1978. Das heißt Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Sicherheitsexperten, die unauffällig in die Delegation integriert sind. Ansonsten vertrauen wir den Sicherheitsmaßnahmen, die das südafrikanische OK uns anbietet.

DFB.de: Gilt dies auch für die Fans?

Niersbach: Für die Fans gilt, dass man die speziellen Sicherheitsregeln beachten muss, die in den verganenen Monaten hundertfach publiziert wurden. Es gibt, um nur ein Beispiel zu nennen, in Johannesburg bestimmte Gegenden, in die man nachts nicht hingehen sollte, schon gar nicht allein. Solche Warnungen vor No-Go-Areas gibt es aber auch für New York und andere Großstädte.

DFB.de: Wie ist der DFB organisatorisch für die WM aufgestellt?

Niersbach: Das Hauptaugenmerk gilt natürlich der Mannschaft, einem Tross von mehr als 40 Personen. Die Delegation wird von unserem Präsidenten Dr. Theo Zwanziger angeführt. Ihr gehören daneben Dr. Reinhard Rauball, Peter Peters, Uwe Seeler und meine Person an. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums werden unser zweites und drittes Spiel als Beobachtergruppe inspizieren und auswerten, die dabei gemachten Erkenntnisse für unsere eigene Arbeit organisatorisch, logistisch und atmosphärisch aufbereiten und zudem sportpolitische Kontakte knüpfen.

DFB.de: Wird es, analog zur EM 2008 in Österreich, auch ein Fan-Camp des DFB geben?

Niersbach: Hier ist eine ganz erfreuliche Entwicklung zu vermelden. Aus unserem Fan Club Nationalmannschaft haben inzwischen mehr als 300 Personen das Angebot angenommen, für 55 Euro pro Nacht in unserem Fan-Camp auf einem Uni-Gelände in der Nähe von Pretoria unterzukommen, wo im Übrigen auch Fans anderer Nationen untergebracht sein werden. Dort werden wir ähnliche Aktionen anbieten wie 2008 in Klagenfurt.

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DFB.de: Mit welcher Zielsetzung entsendet der DFB die Nationalmannschaft nach Südafrika?

Niersbach: Ich sage mit der Feststellung, dass unsere Nationalmannschaft zum größeren Kreis der Favoriten gehört, sicherlich nichts Neues. Was mich zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass sie gerade in den beiden schwersten und entscheidenden Qualifikationsspielen gegen Russland ihre beste Leistung gezeigt hat. Russlands damaliger Nationaltrainer Guus Hiddink sagte mir kürzlich am Rande der EM-Auslosung in Warschau, dass auch seine Mannschaft in diesen beiden Spielen ihre beste Leistung geboten habe - und trotzdem habe sie es nicht geschafft, uns wenigstens ein Unentschieden abzuringen. Von daher nehme ich die große Erwartung mit, dass unser Team in der Lage ist, sich auf den Punkt genau zu konzentrieren. Das hat unser Bundestrainer Jogi Löw gegen Russland zweimal phänomenal hinbekommen.

DFB.de: Was wird den DFB die Teilnahme an der WM 2010 kosten?

Niersbach: Für das gesamte Projekt, sollte es tatsächlich bis zum Tag des Endspiels andauern, werden wir einen Sonderetat von etwa 20 Millionen Euro an Kosten aufstellen – inklusive der Prämien für den etwaigen Gewinn des WM-Titels. Die FIFA schüttet für den Weltmeister eine Erfolgsprämie von umgerechnet 22,1 Millionen Euro aus. Das heißt, die WM-Teilnahme wird in keinem Fall einen großen wirtschaftlichen Gewinn bringen, weil für uns eben auch die Ausgabensituation sehr hoch ist.

DFB.de: Mit einer Anzeigen-Aktion wünscht der DFB den Südafrikanern, „jetzt den WM-Traum zu leben“. Wie vor allem kann dieser Traum Wirklichkeit werden?

Niersbach: Mit einer gelungenen Kombination aus guter Organisation und einer lockeren, fröhlichen Atmosphäre. Dies war bei der Endrundenauslosung in Kapstadt schon bei jedem Kellner, bei jedem Taxifahrer, bei jedem Hotel-Bediensteten spürbar. Die fiebern schon alle mit und jeder Einzelne fühlt sich, wie 2006 bei uns in Deutschland, bereits jetzt als Gastgeber. Und natürlich hat die eigene Mannschaft einen riesigen Einfluss auf die WM-Stimmung im Land. Südafrikas Team hat zwar nicht gerade die leichteste Gruppe erwischt. Doch warum sollte ihm unter Carlos Alberto Parreira, der schon mal Weltmeister war, nicht Ähnliches gelingen, was Südkorea 2002 unter Guss Hiddink mit dem Vorstoß ins Halbfinale geschafft hat? Das OK aber muss, wie wir 2006, unabhängig vom Abschneiden des Gastgeberteams seinen Job machen. Es ist verantwortlich für optimale Bedingungen aller 32 Teams. Das ist die eigentliche Verpflichtung und Aufgabe des Gastgebers.

DFB.de: Wer ist 100 Tage vor dem Anpfiff Ihr Topfavorit für den WM-Titel?

Niersbach: Die Spanier haben in den verganenen Jahren nur ein einziges Spiel verloren, beim Confederations Cup 2009 in Südafrika. Als Europameister heben sie sich aus dem größeren Favoritenkreis mit Brasilien, Argentinien, auch England und unserer Mannschaft ein Stück heraus. Doch gegen Spanien haben wir im EM-Finale ja nur 0:1 verloren. So was kann sich schnell auch mal drehen.