Neuer: "Jeder will den Weltmeister schlagen"

Neuer: Ganz genau.

DFB.de: Im WM-Halbfinale haben Sie sich aber über das 1:7 der Brasilianer sehr offensichtlich geärgert.

Neuer: 7:0 ist ein noch besseres Ergebnis als 7:1. Wir haben an diesem Tag etwas Historisches hingelegt, da hatte ich den Ehrgeiz, dass wir das perfekte Spiel schaffen. Und ein Spiel mit Gegentor ist nun mal nicht perfekt.

DFB.de: Beim 1:0 der Polen im Spiel am Samstag haben Sie die Torlinie verlassen, kamen aber nicht an den Ball. Nach dem Spiel haben Sie eingeräumt, dass der Treffer Ihr Fehler gewesen sei, nicht aber, dass es falsch gewesen sei, rauszukommen. Worin lag der Fehler? Wie ist das Tor entstanden?

Neuer: Die Situation war nicht einfach für mich. Die Flanke von Piszczek war gut getreten, ich habe gesehen, dass Milik frei an den Ball kommen wird. Ich habe versucht, noch vor ihm an den Ball zu gelangen, aber der Stürmer hatte die bessere Ausgangsituation. Die Situation war so, dass Piszczek theoretisch auch auf das Tor hätte schießen können, deswegen konnte ich nicht zu offensiv agieren.

DFB.de: Fehler von Ihnen sind äußerst selten, auch Niederlagen erleben Sie so gut wie nie. Wird der Umgang mit Fehlern und Niederlagen schwerer, je seltener sie sind?

Neuer: Schwer zu sagen. Ich weiß ja, dass Niederlagen zum Sport gehören. Alle Fußballer haben Niederlagen einstecken müssen, wir alle können damit umgehen. Für den Kopf ist das kein Problem. Auch nicht die Niederlage gegen Polen. Wir stecken in der Nationalmannschaft in einer Phase, in der wir einen kleinen Neubeginn bewältigen müssen. Dabei kann eine Niederlage vielleicht sogar helfen.

DFB.de: Dann hat Sie das 0:2 in Polen nicht wahnsinnig belastet. Schlecht geschlafen haben Sie nicht?



Fehler, Niederlage, Lehren, soziales Engagement, die Rückkehr nach Gelsenkirchen – für Manuel Neuer ist viel drin in diesen Tagen. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat der Weltmeister und Welttorhüter im DFB.de-Gespräch der Woche über eine intensive Woche gesprochen.

DFB.de: Herr Neuer, wir würden gerne zunächst mit Ihnen über etwas sprechen, das Sie ärgert…

Manuel Neuer: Guckt mit großen Augen.

DFB.de: Gegentore.

Neuer: Guckt mit großen Augen.

DFB.de: Über welche Gegentore ärgern Sie sich am meisten? Spielt es eine Rolle, ob Sie bei dem Tor einen Fehler gemacht haben?

Neuer: Ich kann mir kein Gegentor vorstellen, über das ich mich freuen würde. Die schlimmsten Gegentore sind die, durch die Spiele gegen uns entschieden werden. Wenn wir 4:0 führen und ein Gegentor kassieren, hat mein Ärger darüber ein anderes Ausmaß, als wenn es 0:0 steht und wir in der Nachspielzeit das 0:1 kassieren. Das sind die Gegentore, die der Mannschaft am meisten schaden - wer dabei den entscheidenden Fehler gemacht hat, spielt eigentlich keine Rolle.

DFB.de: Entscheidend ist also die Bedeutung des Tores.

Neuer: Ganz genau.

DFB.de: Im WM-Halbfinale haben Sie sich aber über das 1:7 der Brasilianer sehr offensichtlich geärgert.

Neuer: 7:0 ist ein noch besseres Ergebnis als 7:1. Wir haben an diesem Tag etwas Historisches hingelegt, da hatte ich den Ehrgeiz, dass wir das perfekte Spiel schaffen. Und ein Spiel mit Gegentor ist nun mal nicht perfekt.

DFB.de: Beim 1:0 der Polen im Spiel am Samstag haben Sie die Torlinie verlassen, kamen aber nicht an den Ball. Nach dem Spiel haben Sie eingeräumt, dass der Treffer Ihr Fehler gewesen sei, nicht aber, dass es falsch gewesen sei, rauszukommen. Worin lag der Fehler? Wie ist das Tor entstanden?

Neuer: Die Situation war nicht einfach für mich. Die Flanke von Piszczek war gut getreten, ich habe gesehen, dass Milik frei an den Ball kommen wird. Ich habe versucht, noch vor ihm an den Ball zu gelangen, aber der Stürmer hatte die bessere Ausgangsituation. Die Situation war so, dass Piszczek theoretisch auch auf das Tor hätte schießen können, deswegen konnte ich nicht zu offensiv agieren.

DFB.de: Fehler von Ihnen sind äußerst selten, auch Niederlagen erleben Sie so gut wie nie. Wird der Umgang mit Fehlern und Niederlagen schwerer, je seltener sie sind?

Neuer: Schwer zu sagen. Ich weiß ja, dass Niederlagen zum Sport gehören. Alle Fußballer haben Niederlagen einstecken müssen, wir alle können damit umgehen. Für den Kopf ist das kein Problem. Auch nicht die Niederlage gegen Polen. Wir stecken in der Nationalmannschaft in einer Phase, in der wir einen kleinen Neubeginn bewältigen müssen. Dabei kann eine Niederlage vielleicht sogar helfen.

DFB.de: Dann hat Sie das 0:2 in Polen nicht wahnsinnig belastet. Schlecht geschlafen haben Sie nicht?

Neuer: Nein, das nicht. Auch weil ich weiß, wie das Spiel gelaufen ist. Wir dürfen keine Augenwischerei betreiben, aber wir müssen auch keine Fehler suchen, wo keine Fehler gewesen sind. Wir wissen, wie wir gespielt haben und was auf dem Platz passiert ist. Darüber haben wir uns mannschaftsintern und mit den Trainer unterhalten. Diese interne Aufarbeitung ist gut und wichtig, alles andere müssen wir ausblenden.

DFB.de: Sie hatten gestern in Gelsenkirchen einen sehr schönen Termin: das „MANUS“ ist eröffnet worden, ein Kinder- und Jugendtreff im Gelsenkirchen Buer, der von der Manuel Neuer Kids Foundation betrieben wird. Was wird dort Kindern und Jugendlichen geboten?

Neuer: Wir haben seit vielen Jahren Projekte konzipiert, die den Kindern in ihrer Entwicklung helfen. Leider ist es so, dass im Ruhrgebiet viele benachteiligte Kinder leben, die Unterstützung benötigen. Wir wollen ihnen helfen, wir wollen Chancengleichheit herstellen. Vor zwei Jahren ist die Idee entstanden, mit dem MANUS eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen. Direkt neben meiner Grundschule haben wir dafür eine tolle Immobilie gefunden und so renoviert und saniert, dass es möglich ist, für die Kinder dort ein zweites Zuhause zu schaffen. Mir hat der Besuch gestern großen Spaß gemacht, ich finde, dass dort etwas Tolles entstanden ist.

DFB.de: Thema hinter den meisten Ihrer Projekte ist Chancengleichheit. Wissen Sie noch, wann in Ihrer Kindheit oder Jugend Sie zum ersten Mal registriert haben, dass nicht alle Menschen in Ihrem Umfeld die gleichen Chancen haben?

Neuer: Während der Kindheit bekommt man das mit, aber man kann dies noch nicht einordnen. Ich habe registriert, dass es Klassenkameraden gab, die das neue Schulbuch nicht bestellen konnten. Oder die an Klassenausflügen nicht teilnehmen konnten. Oder die oft mit der gleichen Kleidung in der Schule waren. Manche hatten auch nur selten etwas zu essen dabei. Als Kind hat man sich darüber keine großen Gedanken gemacht. Heute habe ich einen anderen Blick und weiß, woran es den Kindern damals gefehlt hat. Und dass es vielen heute genauso geht. Hier setzen wir an und versuchen, so vielen Kindern wie möglich zu helfen.

DFB.de: Schon vor der WM waren Sie ein Star, schon vor dem Titel hatten Sie viele Anfragen. Nach Brasilien hat sich alles noch einmal multipliziert, die Aufmerksamkeit, aber auch die Begehrlichkeiten. Alle Wünsche können Sie nicht erfüllen, Sie müssen auch oft "nein" sagen, wie schwer fällt Ihnen dies?

Neuer: Wir haben uns mit der Stiftung ganz bewusst auf einen Bereich spezialisiert. Wir kümmern uns um sozial benachteiligt Kinder in Deutschland, das ist eine große Aufgabe. Ich kann mich mit ihr voll identifizieren. Mir macht das großen Spaß, vor allem weil wir sehen, dass wir wirklich etwas bewirken.

DFB.de: Die Manuel Neuer Kids Foundation betreibt neben dem MANUS und etlichen kurzfristigen Projekten acht Langzeitprojekte. Nach welchen Kriterien werden diese ausgewählt. Wie sind Sie jeweils involviert?

Neuer: Ich bin in alles involviert. Ich stehe in ständigem Kontakt mit der Stiftung, auch bei der Planung des MANUS habe ich viele Dinge entschieden, beziehungsweise mit entschieden. Anders geht es auch nicht. Wenn man nicht weiß, was passiert, wenn man sich nicht interessiert und selber keine Entscheidungen trifft, dann sollte man sich erst gar nicht engagieren.

DFB.de: Sie kehren nicht zum ersten Mal nach Gelsenkirchen zurück. Auch mit der Nationalmannschaft haben Sie seit Ihrem Wechsel zum FC Bayern bereits hier gespielt, beim 6:2 gegen Österreich. Damals war es für Sie etwas ganz Besonderes, auf Schalke mal wieder ein Heimspiel zu haben. Gilt dies noch immer?

Neuer: Doch, schon. Erstmal freuen wir uns ganz grundsätzlich, dass wir zu Hause vor unseren Fans spielen. Nach dem Spiel in Polen wird uns das gut tun. Für mich persönlich ist es natürlich speziell und schön, dass das Spiel in Gelsenkirchen stattfindet. Ich freue mich auf ein Stück Heimat.

DFB.de: Ein Gelsenkirchener Junge wird die deutsche Nationalmannschaft, den Weltmeister, in Gelsenkirchen als Kapitän aufs Feld führen. Wie stolz macht Sie das?

Neuer: Klar macht mich das stolz, es wird ein toller Augenblick für mich. Auf dem Platz muss ich das alles aber ausblenden. Auch dass wir Weltmeister sind, hilft uns nicht. Es geht bei Null los. Wir haben gemerkt, dass wir nichts geschenkt bekommen, jeder will den Weltmeister schlagen.

DFB.de: Nach zwei Spieltagen liegt der Weltmeister lediglich auf Platz vier der Gruppe D, spüren Sie Druck?

Neuer: Druck ist grundsätzlich immer da. Und Druck ist gut, ich finde Druck nicht negativ. Jeder erwartet von uns in jedem Spiel, dass wir gewinnen und überzeugend Fußball spielen. Dem müssen wir uns stellen, wir wissen aber, dass andere Mannschaften auch Fußball spielen können. Aber natürlich sind wir selbstbewusst, wir wissen was wir können. Das Spiel gegen Irland wird keine leichte Aufgabe, aber wir werden einen guten Plan haben. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die drei Punkte einfahren werden.