Matthäus und seine wichtigsten Länderspiele: Endlich Weltmeister

Am 21. März wird Lothar Matthäus 60 Jahre alt. Grund genug für DFB.de, dem Welt- und Europameister, Rekordnationalspieler und Ehrenspielführer des DFB eine eigene Serie zu widmen: die Geschichte seiner zehn wichtigsten von 150 Länderspielen. Heute: der lang ersehnte WM-Titel beim Turnier 1990 in Italien.

Der Tag, an dem er endlich Weltmeister werden wird, beginnt mit einer eher ungewöhnlichen Spielersitzung. Teamchef Franz Beckenbauer schreibt elf Namen an die Tafel und sagt: "Diese Elf wird heute Weltmeister. Ohne Wenn und Aber." Natürlich steht der Name von Lothar Matthäus in der Aufstellung, der Kapitän ist von den Änderungen nach dem Halbfinalkrimi gegen England nicht betroffen. Nur Olaf Thon muss weichen, für ihn kommt Pierre Littbarski zurück in die Elf.

Kein Vergleich zu den Argentiniern, die wie bei der WM 1986 in Mexiko wieder der Finalgegner sind. Sie haben gleich vier Gesperrte zu ersetzen, außerdem fehlt der Stammtorhüter. Diego Maradona aber ist dabei, um ihn soll sich diesmal Guido Buchwald kümmern - und nicht Matthäus. Beckenbauer: "Den wichtigsten Mann stellt man nicht für eine Sonderaufgabe ab." Sichtbares Zeichen von Matthäus' um Längen gestiegenen Stellenwert seit der WM in Mexiko. Vom Wachhund zum Anführer, auf den nun der Gegner besonderes Augenmerk legen muss.

Schuhwechsel mit Folgen

So positiv die Vorzeichen für die Deutschen auch sind an jenem 8. Juli 1990 in Rom und so einseitig das Spiel auch verläuft, von der Anzeigetafel lässt es sich nicht ablesen. Mit 0:0 geht es in die Kabinen. Dort kommt es zu einem scheinbar belanglosen Vorgang von historischer Bedeutung. Matthäus muss seine Schuhe wechseln, und das wird Folgen haben. Lassen wir ihn selbst erzählen: "In der ersten Halbzeit ist mir der Stollen in meinem Schuh, den ich seit Jahren trug, weggebrochen. Also komplett weg, ein Teil der Sohle hing da richtig runter. So nach rund 35 Minuten passierte das. In der Halbzeit musste ich deshalb die Schuhe wechseln." So weit, so normal.

Bloß waren es nicht irgendwelche Schuhe. Er hatte sein Ersatzpaar 1988 ausgerechnet Maradona anlässlich eines Weltauswahlspiels geliehen und seitdem nie mehr getragen. Maradona "hatte eine ganz andere Art der Schnürung. Nicht immer überkreuz, sondern überkreuz, gerade hoch, erst dann wieder überkreuz. Die Schuhe sind dann lockerer geschnürt." Matthäus hat die "argentinische Schnürung" nie geändert, nun ist keine Zeit mehr dafür. Sie ist natürlich auch nicht irregulär, bloß fühlt sich der Schuh am Fuß nun ganz anders an als vor der Pause und in all den Jahren seiner Karriere. Das legt Matthäus Zurückhaltung auf, in jenem Moment, in dem er im Vordergrund hätte stehen können.

Matthäus: "Das Erfolgsgeheimnis heißt Beckenbauer"

Denn es kommt die 85. Minute. Nach einem Pass von Lothar Matthäus auf Rudi Völler (Völler: "Das haben wir im Training extra einstudiert") dringt der Wahl-Römer in den Strafraum ein und holt einen Elfmeter heraus, den nicht jeder Schiedsrichter gibt. Die Deutschen haben kein Problem damit, kurz vorher hätte es einen geben müssen für ein Foul an Klaus Augenthaler. Wer also soll schießen?

Matthäus hat im Viertelfinale gegen die Tschechen (1:0) verwandelt, auch im Halbfinale gegen England, das ins Elfmeterschießen ging. Er ist Schütze Nummer eins - aber mit den falschen Schuhen am Fuß fühlt er sich unwohl: "Das Gefühl totaler Sicherheit war nicht da." So lässt er nach kurzem Blickkontakt mit Franz Beckenbauer seinem Freund Andreas Brehme den Vortritt, den Schuss auszuführen, auf den die ganze Welt schaut. Matthäus nämlich hat gelernt: "Im Pokalfinale 1984 habe ich einen Elfmeter verschossen, den ich nicht schießen wollte, Jupp Heynckes hat mich dazu gedrängt. 1990 war ich stärker und konnte deswegen Verantwortung übernehmen, in dem ich Verantwortung abgegeben habe. Mir wird häufig unterstellt, dass ich Angst hatte. Das ist falsch. Es wäre wahnsinnig egoistisch gewesen, hätte ich dennoch geschossen." Auch Verzicht macht Helden.

Das Ende ist bekannt, Brehme versenkt den Ball unten links wenige Zentimeter neben dem Pfosten - und kurz darauf ist Deutschland zum dritten Mal Weltmeister. Um 22.03 Uhr stemmt Matthäus den Goldpokal als Erster in die Höhe. Es ist, wie für alle anderen im deutschen Kader auch, der Höhepunkt seiner Karriere. In der Stunde des Triumphes sagt er: "Wir haben 90 Minuten auf ein Tor gespielt und sind somit verdient Weltmeister geworden. Das Erfolgsgeheimnis heißt erst mal Franz Beckenbauer, der den deutschen Fußball wieder dahin gebracht hat, wo er hingehört, nämlich an die Weltspitze. Wir haben spielerische Maßstäbe gesetzt, und ich glaube, wir können den erfolgreichen Weg weitergehen."

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Am 21. März wird Lothar Matthäus 60 Jahre alt. Grund genug für DFB.de, dem Welt- und Europameister, Rekordnationalspieler und Ehrenspielführer des DFB eine eigene Serie zu widmen: die Geschichte seiner zehn wichtigsten von 150 Länderspielen. Heute: der lang ersehnte WM-Titel beim Turnier 1990 in Italien.

Der Tag, an dem er endlich Weltmeister werden wird, beginnt mit einer eher ungewöhnlichen Spielersitzung. Teamchef Franz Beckenbauer schreibt elf Namen an die Tafel und sagt: "Diese Elf wird heute Weltmeister. Ohne Wenn und Aber." Natürlich steht der Name von Lothar Matthäus in der Aufstellung, der Kapitän ist von den Änderungen nach dem Halbfinalkrimi gegen England nicht betroffen. Nur Olaf Thon muss weichen, für ihn kommt Pierre Littbarski zurück in die Elf.

Kein Vergleich zu den Argentiniern, die wie bei der WM 1986 in Mexiko wieder der Finalgegner sind. Sie haben gleich vier Gesperrte zu ersetzen, außerdem fehlt der Stammtorhüter. Diego Maradona aber ist dabei, um ihn soll sich diesmal Guido Buchwald kümmern - und nicht Matthäus. Beckenbauer: "Den wichtigsten Mann stellt man nicht für eine Sonderaufgabe ab." Sichtbares Zeichen von Matthäus' um Längen gestiegenen Stellenwert seit der WM in Mexiko. Vom Wachhund zum Anführer, auf den nun der Gegner besonderes Augenmerk legen muss.

Schuhwechsel mit Folgen

So positiv die Vorzeichen für die Deutschen auch sind an jenem 8. Juli 1990 in Rom und so einseitig das Spiel auch verläuft, von der Anzeigetafel lässt es sich nicht ablesen. Mit 0:0 geht es in die Kabinen. Dort kommt es zu einem scheinbar belanglosen Vorgang von historischer Bedeutung. Matthäus muss seine Schuhe wechseln, und das wird Folgen haben. Lassen wir ihn selbst erzählen: "In der ersten Halbzeit ist mir der Stollen in meinem Schuh, den ich seit Jahren trug, weggebrochen. Also komplett weg, ein Teil der Sohle hing da richtig runter. So nach rund 35 Minuten passierte das. In der Halbzeit musste ich deshalb die Schuhe wechseln." So weit, so normal.

Bloß waren es nicht irgendwelche Schuhe. Er hatte sein Ersatzpaar 1988 ausgerechnet Maradona anlässlich eines Weltauswahlspiels geliehen und seitdem nie mehr getragen. Maradona "hatte eine ganz andere Art der Schnürung. Nicht immer überkreuz, sondern überkreuz, gerade hoch, erst dann wieder überkreuz. Die Schuhe sind dann lockerer geschnürt." Matthäus hat die "argentinische Schnürung" nie geändert, nun ist keine Zeit mehr dafür. Sie ist natürlich auch nicht irregulär, bloß fühlt sich der Schuh am Fuß nun ganz anders an als vor der Pause und in all den Jahren seiner Karriere. Das legt Matthäus Zurückhaltung auf, in jenem Moment, in dem er im Vordergrund hätte stehen können.

Matthäus: "Das Erfolgsgeheimnis heißt Beckenbauer"

Denn es kommt die 85. Minute. Nach einem Pass von Lothar Matthäus auf Rudi Völler (Völler: "Das haben wir im Training extra einstudiert") dringt der Wahl-Römer in den Strafraum ein und holt einen Elfmeter heraus, den nicht jeder Schiedsrichter gibt. Die Deutschen haben kein Problem damit, kurz vorher hätte es einen geben müssen für ein Foul an Klaus Augenthaler. Wer also soll schießen?

Matthäus hat im Viertelfinale gegen die Tschechen (1:0) verwandelt, auch im Halbfinale gegen England, das ins Elfmeterschießen ging. Er ist Schütze Nummer eins - aber mit den falschen Schuhen am Fuß fühlt er sich unwohl: "Das Gefühl totaler Sicherheit war nicht da." So lässt er nach kurzem Blickkontakt mit Franz Beckenbauer seinem Freund Andreas Brehme den Vortritt, den Schuss auszuführen, auf den die ganze Welt schaut. Matthäus nämlich hat gelernt: "Im Pokalfinale 1984 habe ich einen Elfmeter verschossen, den ich nicht schießen wollte, Jupp Heynckes hat mich dazu gedrängt. 1990 war ich stärker und konnte deswegen Verantwortung übernehmen, in dem ich Verantwortung abgegeben habe. Mir wird häufig unterstellt, dass ich Angst hatte. Das ist falsch. Es wäre wahnsinnig egoistisch gewesen, hätte ich dennoch geschossen." Auch Verzicht macht Helden.

Das Ende ist bekannt, Brehme versenkt den Ball unten links wenige Zentimeter neben dem Pfosten - und kurz darauf ist Deutschland zum dritten Mal Weltmeister. Um 22.03 Uhr stemmt Matthäus den Goldpokal als Erster in die Höhe. Es ist, wie für alle anderen im deutschen Kader auch, der Höhepunkt seiner Karriere. In der Stunde des Triumphes sagt er: "Wir haben 90 Minuten auf ein Tor gespielt und sind somit verdient Weltmeister geworden. Das Erfolgsgeheimnis heißt erst mal Franz Beckenbauer, der den deutschen Fußball wieder dahin gebracht hat, wo er hingehört, nämlich an die Weltspitze. Wir haben spielerische Maßstäbe gesetzt, und ich glaube, wir können den erfolgreichen Weg weitergehen."

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