Draxler: "Ich bin noch nicht auf dem Zenit"

DFB.de: Was ist das wertvollste Erinnerungsstück Ihrer Karriere?

Draxler: Ganz klar das Trikot, das ich selber beim WM-Finale in Rio getragen habe. Ich habe es mir von allen aus der Mannschaft unterschreiben lassen. Es hängt bei mir zu Hause, auf dieses Trikot bin ich sehr stolz.

DFB.de: Das dürfte schwer zu überbieten sein.

Draxler: Ganz schwer, fast unmöglich. Aber vielleicht kommt nach diesem Sonntag ein neues Trikot hinzu, das mir ähnlich viel bedeuten wird. Aber bis dahin haben wir noch einen weiten Weg zu gehen.

DFB.de: Dass dieser Weg noch gangbar ist, liegt auch an Ihnen. Sie sind im Elfmeterschießen gegen Italien angetreten und haben sehr entschlossen verwandelt. Können Sie Ihre Gedanken auf dem Weg zum Punkt beschreiben?

Draxler: Entschlossen trifft es sehr gut. Ich habe mir fest vorgenommen, den Ball hart und platziert in eine Ecke zu schießen. Ich wusste ja, dass ich eine gute Schusstechnik habe. Und wenn das gelingt, ist die Chance groß, dass der Ball auch reingeht. Viele versuchen, den Torhüter auszugucken, aber das ist nicht meins, nicht in dieser Situation.

DFB.de: Sie haben in die rechte Ecke geschossen. Wann haben Sie das entschieden?

Draxler: Das hat sich im Laufe des Elfmeterschießens fünf-, sechsmal geändert. Während ich die anderen Elfmeter beobachtet habe, habe ich mir immer neue Gedanken gemacht und die alten verworfen. Die letzte Entscheidung für die rechte Ecke ist dann kurz vor dem Schuss gefallen.

DFB.de: Und nachdem der Ball drin war: Was waren Ihre Gedanken auf dem Weg zurück zur Mittellinie?

Draxler: Man denkt nicht viel. Vor allem war ich erleichtert. Die ganze Anspannung ist dann erst mal kurz weg. Und danach drückt man einfach nur noch die Daumen und wünscht den Mitspielern für ihre Schüsse viel Glück. Und natürlich Manuel Neuer bei den Schüssen der Italiener.

DFB.de: Für ein Fazit ist es noch zu früh, dennoch: Können Sie die EM aus Sicht von Julian Draxler beschreiben?

Draxler: Es ist ganz schwer, das von der Mannschaft zu trennen. Erfolge und Misserfolge haben wir ja immer alle zusammen. Aber klar: Auch für mich persönlich läuft das Turnier bisher sehr positiv. Im Vergleich zu 2014 habe ich viele Spielanteile bekommen und auch recht gute Spiele gemacht. Für das Vertrauen vom Trainer bin ich sehr dankbar. Im Spiel gegen die Slowakei hatte ich bislang mein persönliches Highlight, ein Tor und eine Vorlage sind ja so schlecht nicht.



2012 im vorläufigen Kader, 2014 im endgültigen, 2016 häufig unter den ersten Elf. Dazu Torschütze, Vorlagengeber und Elfmeter-Verwandler. Mit jedem Turnier wird Julian Draxler wichtiger für die deutsche Nationalmannschaft. Und er hat noch viel vor. Vor dem EM-Halbfinale gegen Frankreich am Donnerstag (ab 21 Uhr, live im ZDF und im Fan-Club-Radio) spricht der 22 Jahre alte Offensivspieler vom VfL Wolfsburg im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke über seine Entwicklung und das Spiel gegen die Gastgeber.

DFB.de: Herr Draxler, nach dem Spiel gegen Italien haben Sie das Trikot von Gianluigi Buffon erbeutet. Allerdings hat auch Lukas Podolski mit einem Trikot des Torwarts der Italiener posiert. Wer von ihnen hat das Richtige?

Julian Draxler: Gute Frage. Ich war auf jeden Fall der Erste, der zu Sami (Khedira, Buffons Teamkollege bei Juventus Turin; Anm. d. Red.) gegangen ist und ihn gebeten hat, Gigi mal zu fragen...

DFB.de: Sie haben also einen Umweg gewählt.

Draxler: Die Italiener waren gerade in der Kurve, um sich von ihren Fans zu verabschieden. Nach dem Ausscheiden waren sie natürlich emotional. Und da wollte ich nicht selber hingehen, das wäre nicht angemessen gewesen. Mir schien es taktvoller, das über Sami abzuwickeln, die beiden kennen sich schließlich persönlich. Sami hat das dann gemacht.

DFB.de: Und dann?

Draxler: Kam er wieder aus der Kabine raus - mit zwei Trikots in der Hand. Eins für Poldi und eins für mich. Welcher von uns beiden jetzt das Originaltrikot hat, lässt sich schwer feststellen. Aber so wichtig ist mir das auch nicht, eigentlich ist das egal. Im Endeffekt geht es nur um die Erinnerung.

DFB.de: Ihr erstes Trikot war eins von Olaf Thon, das Sie als Kind zum Geburtstag geschenkt bekommen haben, ihr aktuellstes ist das von Buffon. Was liegt zwischen Thon und Buffon? Welche Trikots haben Sie im Laufe Ihrer Karriere noch eingeheimst?

Draxler: Einige, mittlerweile. Es gibt ein paar, auf die ich sehr stolz bin. In der Champions League habe ich nach dem Spiel gegen Inter Mailand das Trikot von Thiago Motta bekommen, für mich war das ein Riesenhighlight, weil es damals mein erstes oder zweites Champions-League-Spiel gewesen war. Im Halbfinale der Champions League gegen Manchester United ist damals dann Michael Carrick hinzugekommen. Was habe ich noch? Lampard, Drogba, Pirlo.

DFB.de: Große Namen.

Draxler: Ja. Ich frage wirklich nur sehr, sehr selten, aber wenn, dann geht es um die absoluten Superstars.

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DFB.de: Was ist das wertvollste Erinnerungsstück Ihrer Karriere?

Draxler: Ganz klar das Trikot, das ich selber beim WM-Finale in Rio getragen habe. Ich habe es mir von allen aus der Mannschaft unterschreiben lassen. Es hängt bei mir zu Hause, auf dieses Trikot bin ich sehr stolz.

DFB.de: Das dürfte schwer zu überbieten sein.

Draxler: Ganz schwer, fast unmöglich. Aber vielleicht kommt nach diesem Sonntag ein neues Trikot hinzu, das mir ähnlich viel bedeuten wird. Aber bis dahin haben wir noch einen weiten Weg zu gehen.

DFB.de: Dass dieser Weg noch gangbar ist, liegt auch an Ihnen. Sie sind im Elfmeterschießen gegen Italien angetreten und haben sehr entschlossen verwandelt. Können Sie Ihre Gedanken auf dem Weg zum Punkt beschreiben?

Draxler: Entschlossen trifft es sehr gut. Ich habe mir fest vorgenommen, den Ball hart und platziert in eine Ecke zu schießen. Ich wusste ja, dass ich eine gute Schusstechnik habe. Und wenn das gelingt, ist die Chance groß, dass der Ball auch reingeht. Viele versuchen, den Torhüter auszugucken, aber das ist nicht meins, nicht in dieser Situation.

DFB.de: Sie haben in die rechte Ecke geschossen. Wann haben Sie das entschieden?

Draxler: Das hat sich im Laufe des Elfmeterschießens fünf-, sechsmal geändert. Während ich die anderen Elfmeter beobachtet habe, habe ich mir immer neue Gedanken gemacht und die alten verworfen. Die letzte Entscheidung für die rechte Ecke ist dann kurz vor dem Schuss gefallen.

DFB.de: Und nachdem der Ball drin war: Was waren Ihre Gedanken auf dem Weg zurück zur Mittellinie?

Draxler: Man denkt nicht viel. Vor allem war ich erleichtert. Die ganze Anspannung ist dann erst mal kurz weg. Und danach drückt man einfach nur noch die Daumen und wünscht den Mitspielern für ihre Schüsse viel Glück. Und natürlich Manuel Neuer bei den Schüssen der Italiener.

DFB.de: Für ein Fazit ist es noch zu früh, dennoch: Können Sie die EM aus Sicht von Julian Draxler beschreiben?

Draxler: Es ist ganz schwer, das von der Mannschaft zu trennen. Erfolge und Misserfolge haben wir ja immer alle zusammen. Aber klar: Auch für mich persönlich läuft das Turnier bisher sehr positiv. Im Vergleich zu 2014 habe ich viele Spielanteile bekommen und auch recht gute Spiele gemacht. Für das Vertrauen vom Trainer bin ich sehr dankbar. Im Spiel gegen die Slowakei hatte ich bislang mein persönliches Highlight, ein Tor und eine Vorlage sind ja so schlecht nicht.

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DFB.de: Bei Ihrem Solo mit Übersteiger und Körpertäuschung im Spiel gegen die Slowakei vor der Vorlage auf Gomez: Handeln Sie in solchen Situationen instinktiv, wie entsteht so eine Aktion konkret?

Draxler: Viel hängt vom Verhalten des Verteidigers ab. Wie reagiert er bei der ersten Körpertäuschung? Man hat auch im Hinterkopf, wie er sich im Spiel vorher bei ähnlichen Situationen bewegt hat. Manchmal entwickelt es sich im Laufe des Spiels, dass man irgendwann weiß: So komme ich vorbei.

DFB.de: Angst davor, hängen zu bleiben, haben Sie nicht?

Draxler: Nein. Das ist ja das, was der Bundestrainer von mir verlangt. Wenn wir so lange kombinieren, dass einer der Außenspieler in die Position kommt, dann bringt es ja nichts, wenn wir wieder abbrechen und hintenrum spielen. Dann hätten wir uns das ganze Kombinieren sparen können. Es war in meinem Kopf, dass der Bundestrainer diese Eins-gegen-Eins-Situationen sehen will. Und es war ja auch nicht das erste Mal, dass ich das so gemacht habe. Diese Situationen sind ja genau meine Stärke.

DFB.de: Was ist Voraussetzung dafür, dass Sie den Mut haben, in Eins-gegen-Eins-Situationen zu gehen?

Draxler: Neben dem Vertrauen des Bundestrainers auch die Rückendeckung der Mannschaft. Auch das Wissen, dass das Team gut steht. Es hilft, wenn man weiß, dass ein Ballverlust nicht gleich in einen gefährlichen Konter mündet. Wir sind da immer sehr gut aufgestellt, dadurch dass unsere Verteidiger früh vorschieben und zuordnen auf die gegnerischen Stürmer. Es brennt daher fast nie etwas an - auch für uns Offensive ist das sehr wichtig.

DFB.de: Kennen Sie die Leitlinien der neuen Spielauffassung der DFB?

Draxler: Nicht im Detail, aber ich weiß, dass in dieser Richtung etwas entwickelt wurde.

DFB.de: In der Offensive soll ein stärkerer Akzent auf das Dribbling gelegt werden, auf Spieler, die die Fähigkeit besitzen, sich im Eins-gegen-Eins durchzusetzen. Talente sollen künftig mehr in dieser Richtung geschult werden.

Draxler: Das halte ich für sinnvoll. Aus mehreren Gründen. Unabhängig davon, dass es der Mannschaft hilft, ist es doch auch für die Zuschauer cool. Wenn man Spieler auf dem Platz hat, die auch mal ein, zwei Gegenspieler aussteigen lassen können. Auch für die Fans sind solche Szenen doch Highlights.

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DFB.de: Erfolgreich kann ja immer nur beides zusammen sein. Eine Mannschaft mit elf Dribblern würde es nicht weit bringen.

Draxler: Absolut. Die Mischung bei der Nationalmannschaft ist genau richtig. Wenn ich mir einen Spieler wie Toni Kroos anschaue, dann ist das Wahnsinn, wie er das Spiel ordnet, wie er das Tempo diktiert. Und was für Bälle er spielt. Toni spielt 500 Pässe - und davon kommen 495 an. Wir haben einige Spieler, die in dieser Hinsicht überragende Fähigkeiten haben. Aber das andere Element wird eben auch benötigt, insofern ist es bestimmt nicht verkehrt, das Augenmerk auch wieder darauf zu legen, dass die Außenstürmer an ihren Gegenspielern vorbeikommen.

DFB.de: Nach Ihrer Gala gegen die Slowakei hatten viele damit gerechnet, dass Sie auch gegen Italien von Beginn an spielen würden. Wie sehr haben Sie sich gewundert, als der Bundestrainer Ihnen sagte, dass Sie gegen Italien zunächst draußen bleiben müssen?

Draxler: Natürlich will man den Schwung aus dem vorigen Spiel mitnehmen, man nimmt sich viel vor. Und kann das dann zunächst nicht umsetzen. Aber ich konnte die Überlegungen des Bundestrainers auch verstehen, keine Frage.

DFB.de: Dann waren Sie nicht sauer?

Draxler: Das sowieso nicht. Für mich war es auch einleuchtend. Wenn man gegen Italien mit einer Fünferkette spielt, dann fällt vorne eine Position weg. Wir können schließlich nicht mit zwölf Mann spielen. Ich habe seine Entscheidung akzeptiert, aber ich habe ihm auch gleich gesagt, dass ich voll da bin, falls irgendetwas im Spiel nicht gut läuft. Und dass er sich keine Gedanken machen muss, dass meine Motivation durch diese Entscheidung leiden könnte. Und unter dem Strich kann man sagen: Wir sind gegen Italien ins Halbfinale eingezogen, der Bundestrainer hat alles richtig gemacht.

DFB.de: Haben Sie gehört, was Bundestrainer Joachim Löw am Montag auf der Pressekonferenz über Sie gesagt hat?

Draxler: Nein.

DFB.de: Wir zitieren: "Ich verspreche mir in den zwei noch möglichen Spielen gute Turnierleistungen von ihm. Er wird noch sehr, sehr wichtig in den kommenden Jahren für die Nationalmannschaft."

Draxler: Das freut mich. Für mich ist es eine große Ehre, wenn der Bundestrainer so etwas sagt. Und es macht mich stolz. Ich habe viel und hart dafür gearbeitet, dass ich an den Punkt komme, dass ich auch in der Nationalmannschaft eine wichtige Position bekleiden kann. Aber ich bin noch nicht alt, ich bin erst 22 und habe noch viele Jahre vor mir. Und ich habe große Lust, noch besser zu werden und mich noch weiterzuentwickeln. Ich bin noch nicht auf dem Zenit.

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DFB.de: Am Donnerstag steht das Spiel gegen Frankreich an. Halbfinale gegen den Gastgeber - Sie kennen die Situation von der WM 2014. Stimmen Sie zu, dass das Halbfinale gegen Brasilien für Sie persönlich das größte Erlebnis im Rahmen der WM in Brasilien gewesen ist?

Draxler: Nur bedingt. Vielleicht, weil es für Deutschland ein Jahrhundertspiel war, das 7:1. Und weil ich im Laufe des Spiels noch für Sami Khedira eingewechselt wurde. Natürlich war das ein persönliches Highlight. Aber wenn man die Spieler fragt, die damals fast alle Spiele gemacht haben, dann sagen alle, dass es nichts Größeres gibt als den Triumph in einem WM-Finale. Aber natürlich war dieses Halbfinale grandios, fantastisch. Es war eine ganz besondere und sehr eigene Geschichte.

DFB.de: Wie beeindruckt waren Sie damals von der Kulisse in Belo Horizonte? Die Hymnen, die gelbe Wand im Stadion.

Draxler: Das war krass. Da hat man schon gedacht, dass wir einen Sahnetag erwischen müssen, wenn wir hier bestehen wollen. In den ersten zehn Minuten haben die Brasilianer wahnsinnig viel Druck entfacht. Aber dann haben wir uns so dermaßen in einen Rausch gespielt, das war noch krasser, noch unglaublicher.

DFB.de: Glauben Sie, dass so etwas am Donnerstag wiederholbar ist?

Draxler: Nein. Das wird es so schnell nicht wieder geben, ein so hohes Ergebnis im Halbfinale einer WM oder einer EM. Erst Recht nicht, wenn zwei so große Nationen aufeinandertreffen. Gegen Frankreich gehe ich von einem sehr engen Spiel aus, in dem wahrscheinlich Kleinigkeiten den Ausschlag geben werden.

DFB.de: Wie schätzen Sie die Mannschaft der Franzosen ein?

Draxler: Ich bin der Meinung, dass sie bei dieser EM noch nicht alles gezeigt haben. Sie sind zwar verdient im Halbfinale und haben bislang nicht enttäuscht. Aber sie haben noch mehr Potenzial. Sie haben tolle Einzelspieler und sind auch mannschaftlich geschlossen. Für uns wird es darauf ankommen, sie an ihrem Spiel zu hindern und mit unserer Art das Geschehen zu diktieren.

DFB.de: Mats Hummels fehlt Gelb-gesperrt, Mario Gomez und Sami Khedira sind verletzt. Auch Bastian Schweinsteiger ist angeschlagen. Fürchten Sie, dass sich dadurch die Statik im deutschen Spiel ändern könnte?

Draxler: Unsere Spielidee wird die gleiche bleiben, dafür sind die Ausfälle nicht relevant. Aber wenn wir über diese vier Spieler sprechen, dann sprechen wir über absolute Weltklasse. Auch über sehr erfahrene Spieler, die es gewohnt sind, in solchen Drucksituationen zu bestehen. Wir müssen nicht so tun, als würden die Ausfälle nicht wehtun. Aber unser Kader hat insgesamt wahnsinnig viel Qualität. Egal, wer jetzt reinkommt - alle sind bereit. Ich bin sicher, dass es uns als Mannschaft gelingt, die Ausfälle aufzufangen.

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