Der Weltmeister aus Argentinien

Jochen Leisenheimer ist das einzige Mitglied im Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola, das in Argentinien lebt. Die WM nutzte der 53-Jährige zu einer Reise ins benachbarte Brasilien. Dort begleitete er die DFB-Auswahl und feierte den Titelgewinn in Rio. Nach seiner Rückkehr gab es jedoch Ärger – mit seiner kleinen Tochter.

Bittere Miene, angesäuerter Blick, vorwurfsvoller Ton, himmelblau-weiß-gestreiftes Trikot. Die Heimkehr von Jochen Leisenheimer nach der WM hatte so gar nichts mit der Stimmung auf der Fanmeile in Berlin gemein. Allerdings bereiteten dem Fan Club-Mitglied auch nicht Hunderttausende diesen Empfang, sondern eine einzige Person: Maia, seine neun Jahre alte Tochter.

"Sie ist Deutsch-Argentinierin, aber beim Fußball schlägt ihr Herz stärker für Argentinien", entschuldigt sie ihr Papa. Der lebt seit 2000 in Argentinien und hat dort seine Frau kennengelernt. Mutter und Tochter hatten gemeinsam mit dem Rest des argentinischen Teils der Familie das WM-Finale in Buenos Aires vor dem Fernseher verfolgt. Alle im Trikot der Albiceleste. Verständlich, dass die Kleine enttäuscht war. Allerdings auch nicht so sehr, dass bleibende Missstimmungen hätten entstehen können. Der gewiefte Vater wusste sein Töchterlein zu besänftigen: "Du hast doch auch einen deutschen Pass." Sprich: Du bist doch auch Weltmeisterin.

Ein Clásico

Mehr Diplomatie brauchte Leisenheimer in seiner Wahlheimat nicht walten zu lassen. Bei aller Enttäuschung erkannten doch viele die Leistung der Deutschen an. "Die Spiele zwischen Deutschland und Argentinien werden hier als Clásico empfunden. Diesen Vergleichen wird immer entgegengefiebert. Drumherum gibt es keine Dissonanzen oder Irritationen. Das Verhältnis zwischen deutschen und argentinischen Fans ist nicht angespannt", erklärt er.

Insofern fühlt sich Leisenheimer auch nicht in einer Stellvertreterrolle, um den deutschen Fußball zu erläutern, zu rechtfertigen oder gar zu verteidigen. "Ich bin kein Botschafter", sagt der Unternehmer im Bereich Import und Vertrieb. Er erlebt die argentinischen Fans als "sehr fachkundig", mit denen man "angeregte Gespräche" führen kann. Das heißt: "Ich bin nicht derjenige, der überzeugen muss." Die deutsche Mannschaft liefert ihm genug gute Argumente. "Ich empfinde den deutschen Fußball derzeit als attraktiv und sehenswert", sagt er. "Die WM 2006 war der Knackpunkt. Die Spielweise, die damals von Jürgen Klinsmann eingeführt wurde, wurde unter Joachim Löw beispiellos fortgesetzt."

Und einmal von der Leine gelassen, steigert er sich in eine Schwärmerei: "Götze ist genial. Özil auch. Neuer ist sensationell–gerade, was er gegen Algerien gezeigt hat. Ich mag Klose. Ach, ich mag eigentlich die gesamte Mannschaft. Und diese organisierte Spielweise, die der Bundestrainer etabliert hat." So in etwa könnte es klingen, wenn der Deutsche mit den Argentiniern über Fußball redet.

Zum WM-Finale in Rio ist Jochen Leisenheimer mit einem argentinischen Freund angereist. "Wir sind dann gemeinsam zum Spiel gezogen", erzählt er. "Das Spiel war ja bombastisch, aber auch die Stimmung davor. Mit den Massen zu laufen. Es waren ja über 100.000 Argentinier in Rio. Gerade die Stunde vor dem Anpfiff war sensationell, einfach einzigartig."

Und Leisenheimer kann es einordnen. Seit 1991 ist er für seine Firma im Ausland tätig. Er lebte in Mexiko, Venezuela und Chile. Trotzdem begleitet er die DFB-Auswahl regelmäßig zu Weltmeisterschaften. In Mexiko, Italien, den USA und Frankreich war er dabei. Für das Endspiel der WM 2010 hatte er ein Ticket, stornierte es aber, nachdem die deutsche Mannschaft den Einzug ins Finale verpasste. Sein erstes Länderspiel überhaupt sah er bei der WM 1974, das 4:2 gegen Schweden in Düsseldorf, "ein Konfirmationsgeschenk".

Ein Geschenk des Himmels war hingegen der Tipp eines Bekannten während der WM. Da war Jochen Leisenheimer nämlich einen Moment ratlos, wie er vom Viertelfinale in Rio zum Halbfinale nach Belo Horizonte kommen sollte. Die Lösung: mal beim Fan Club anklopfen. Und der konnte seinem Mitglied natürlich helfen. "Ich war sehr happy", sagt er. So konnte er sein Follow-Your-Team-Ticket nutzen, das er seit dem Achtelfinale besaß. Dass er während des Halbfinals auch noch neben Giovane Elber sitzen würde, konnte er natürlich nicht wissen. "Der war für Deutschland", erzählt Leisenheimer, "und seine Tochter für Brasilien." Eine Konstellation, die an seine eigene erinnert. Aber mit der guten Laune, die ein 7:1 im WM-Halbfinale gegen Brasilien oder ein Titelgewinn bei der WM entfacht, kann man solche Probleme leicht lösen. In Buenos Aires und überall.

[dfb]

Jochen Leisenheimer ist das einzige Mitglied im Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola, das in Argentinien lebt. Die WM nutzte der 53-Jährige zu einer Reise ins benachbarte Brasilien. Dort begleitete er die DFB-Auswahl und feierte den Titelgewinn in Rio. Nach seiner Rückkehr gab es jedoch Ärger – mit seiner kleinen Tochter.

Bittere Miene, angesäuerter Blick, vorwurfsvoller Ton, himmelblau-weiß-gestreiftes Trikot. Die Heimkehr von Jochen Leisenheimer nach der WM hatte so gar nichts mit der Stimmung auf der Fanmeile in Berlin gemein. Allerdings bereiteten dem Fan Club-Mitglied auch nicht Hunderttausende diesen Empfang, sondern eine einzige Person: Maia, seine neun Jahre alte Tochter.

"Sie ist Deutsch-Argentinierin, aber beim Fußball schlägt ihr Herz stärker für Argentinien", entschuldigt sie ihr Papa. Der lebt seit 2000 in Argentinien und hat dort seine Frau kennengelernt. Mutter und Tochter hatten gemeinsam mit dem Rest des argentinischen Teils der Familie das WM-Finale in Buenos Aires vor dem Fernseher verfolgt. Alle im Trikot der Albiceleste. Verständlich, dass die Kleine enttäuscht war. Allerdings auch nicht so sehr, dass bleibende Missstimmungen hätten entstehen können. Der gewiefte Vater wusste sein Töchterlein zu besänftigen: "Du hast doch auch einen deutschen Pass." Sprich: Du bist doch auch Weltmeisterin.

Ein Clásico

Mehr Diplomatie brauchte Leisenheimer in seiner Wahlheimat nicht walten zu lassen. Bei aller Enttäuschung erkannten doch viele die Leistung der Deutschen an. "Die Spiele zwischen Deutschland und Argentinien werden hier als Clásico empfunden. Diesen Vergleichen wird immer entgegengefiebert. Drumherum gibt es keine Dissonanzen oder Irritationen. Das Verhältnis zwischen deutschen und argentinischen Fans ist nicht angespannt", erklärt er.

Insofern fühlt sich Leisenheimer auch nicht in einer Stellvertreterrolle, um den deutschen Fußball zu erläutern, zu rechtfertigen oder gar zu verteidigen. "Ich bin kein Botschafter", sagt der Unternehmer im Bereich Import und Vertrieb. Er erlebt die argentinischen Fans als "sehr fachkundig", mit denen man "angeregte Gespräche" führen kann. Das heißt: "Ich bin nicht derjenige, der überzeugen muss." Die deutsche Mannschaft liefert ihm genug gute Argumente. "Ich empfinde den deutschen Fußball derzeit als attraktiv und sehenswert", sagt er. "Die WM 2006 war der Knackpunkt. Die Spielweise, die damals von Jürgen Klinsmann eingeführt wurde, wurde unter Joachim Löw beispiellos fortgesetzt."

Und einmal von der Leine gelassen, steigert er sich in eine Schwärmerei: "Götze ist genial. Özil auch. Neuer ist sensationell–gerade, was er gegen Algerien gezeigt hat. Ich mag Klose. Ach, ich mag eigentlich die gesamte Mannschaft. Und diese organisierte Spielweise, die der Bundestrainer etabliert hat." So in etwa könnte es klingen, wenn der Deutsche mit den Argentiniern über Fußball redet.

Zum WM-Finale in Rio ist Jochen Leisenheimer mit einem argentinischen Freund angereist. "Wir sind dann gemeinsam zum Spiel gezogen", erzählt er. "Das Spiel war ja bombastisch, aber auch die Stimmung davor. Mit den Massen zu laufen. Es waren ja über 100.000 Argentinier in Rio. Gerade die Stunde vor dem Anpfiff war sensationell, einfach einzigartig."

Und Leisenheimer kann es einordnen. Seit 1991 ist er für seine Firma im Ausland tätig. Er lebte in Mexiko, Venezuela und Chile. Trotzdem begleitet er die DFB-Auswahl regelmäßig zu Weltmeisterschaften. In Mexiko, Italien, den USA und Frankreich war er dabei. Für das Endspiel der WM 2010 hatte er ein Ticket, stornierte es aber, nachdem die deutsche Mannschaft den Einzug ins Finale verpasste. Sein erstes Länderspiel überhaupt sah er bei der WM 1974, das 4:2 gegen Schweden in Düsseldorf, "ein Konfirmationsgeschenk".

Ein Geschenk des Himmels war hingegen der Tipp eines Bekannten während der WM. Da war Jochen Leisenheimer nämlich einen Moment ratlos, wie er vom Viertelfinale in Rio zum Halbfinale nach Belo Horizonte kommen sollte. Die Lösung: mal beim Fan Club anklopfen. Und der konnte seinem Mitglied natürlich helfen. "Ich war sehr happy", sagt er. So konnte er sein Follow-Your-Team-Ticket nutzen, das er seit dem Achtelfinale besaß. Dass er während des Halbfinals auch noch neben Giovane Elber sitzen würde, konnte er natürlich nicht wissen. "Der war für Deutschland", erzählt Leisenheimer, "und seine Tochter für Brasilien." Eine Konstellation, die an seine eigene erinnert. Aber mit der guten Laune, die ein 7:1 im WM-Halbfinale gegen Brasilien oder ein Titelgewinn bei der WM entfacht, kann man solche Probleme leicht lösen. In Buenos Aires und überall.