Der Traum des Realisten: Enke hofft auf WM-Teilnahme

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Lautes Getöse und spektakuläre Gestik waren noch nie die Art von Robert Enke. Der Torhüter von Hannover 96 strahlt Ruhe aus und entspricht dabei so gar nicht dem Klischee des Strafraum-Einzelkämpfers. Aber Enke hat ein klares Ziel vor Augen: Mit 32 Jahren möchte er im kommenden Jahr in Südafrika bei seiner ersten WM dabei sein – als Deutschlands Nummer 1. Dirk Gieselmann, Redakteur von 11FREUNDE, schreibt über einen Torhüter, der sich seinen Blick für die Dinge abseits des Fußball­platzes bewahrt hat.

Die Episode liegt schon eine Weile zurück, aber sie sagt viel über den Menschen Robert Enke. Sie spielt nach einem harten Trainingstag, als der Torhüter eigentlich nur noch seine Ruhe haben wollte. Plötzlich klingelte sein Telefon. "Mensch, das ist ja toll, dass heute Abend bei euch eine Vernissage stattfindet", sagte seine Schwieger­mutter am anderen Ende der Leitung. Enke stutzte erst, dann schwante ihm: Der Künstler Jacques Gassmann, mit dem er und seine Frau Teresa in einer WG lebten, hatte wieder eine seiner speziellen Ideen gehabt. Doch statt dem Freigeist zu befehlen, seine Spontanparty abzusagen, gesellte er sich dazu und betrachtete in großer Runde die Gemälde seines Mitbewohners.

"Insgesamt war es eine sehr interessante Erfahrung", erinnert sich der National-Torhüter heute an die Zeit mit Gassmann, "mit chaotischen Momenten, aber viel Charme". Enke lächelt und das sagt mehr als viele Worte. Der heute 32-Jährige hat sich immer den Blick für die Dinge neben dem Fußballplatz bewahrt. Er liebt den Fußball, er ist ein leidenschaftlicher Profi. Aber er hat die Umwege und Abwege des Lebens kennen gelernt – und daraus seine eigene Philosophie entwickelt: Der Sport und die Karriere bedeuten ihm viel, aber nicht alles.

 

Wenn Enke sich heute einschätzen muss, hat er sich eigentlich immer weiterentwickelt. Er ist besser geworden, reifer, abgeklärter. Und doch geriet auch er zwischenzeitlich in einen Negativstrudel: Durchbruch in Gladbach, dann der Abstieg. Er ging nach Lissabon, nach Barcelona, Istanbul, verfolgt vom Pech. Beim CD Teneriffa, in der zweiten spanischen Spielklasse, fand er sich schließlich auf der Bank wieder. "Das Tal, das ich durchschritten habe, war ein sehr tiefes", sagt er. "Das war keine Krise, wie sie jeder Torwart mal erlebt, wenn er fünf- oder sechsmal danebengreift. Es hatte etwas Existenzielles." Was sollte er tun? Mit dem Kopf durch die Wand? Robert Enke nahm lieber die Tür.

Seine Tür war das Angebot von Hannover 96, einem Klub in der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga. Dort also, wo er einst aufgebrochen war, um internationale Titel zu gewinnen. Doch für Enke stand das nicht mehr im Vorder­grund, er wollte sich wieder auf das Training freuen, Mitglied einer Mannschaft sein. "Wenn man so eine Phase hinter sich gebracht hat", betont er, "erkennt man plötzlich wieder das Schöne am Profidasein".

 

Bescheidenheit und Bodenhaftung – Robert Enke entspricht nicht dem Klischee des draufgängerischen, unbequemen Strafraum-Einzel­käm­pfers. Wohl deshalb war die Nennung seines Namens nicht der erste Reflex, als es um die Nachfolge von Jens Lehmann oder zuvor Oliver Kahn ging. Man hatte sich an ein Alphatier gewöhnt und suchte dessen Tugenden nun auch in der neuen Generation. Enke entzieht sich solchen Vergleichen. Von ihm hört man keine markigen Sprüche. Auch dass er Mannschafts­kameraden am Kragen packt, wenn sie Fehler machen, ist nicht überliefert. "Es ist in solchen Situationen wichtiger, wie schnell man sich wieder auf das Spiel konzentrieren kann und dass man nicht die Nerven verliert", sagt er.

 

Eine stete Herausforderung: In 24 Spielen stand er vergangene Saison für Hannover 96 zwischen den Pfosten und kassierte dabei 47 Gegentore. Sein damaliger Vordermann Michael Tarnat weiß: "Ohne ihn hätten wir 100 Dinger kassiert." Doch Enke ist kein Sisyphos, der geduldig die Bälle aus dem Netz holt. "Nicht selten ist er in der Kabine explodiert", verrät Tarnat, "da konnte es richtig unangenehm werden für die Truppe." Immer wieder werden ihm Wechselabsichten unterstellt. Bayern, Stuttgart, zurück in Ausland: Viele meinen, Enke solle bei einem Topverein spielen. Das werde seine Chancen in der National­mann­schaft verbessern. "Bisher hat es mir nicht geschadet, in Hannover zu spielen", sagt Enke.

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Bundestrainer Joachim Löw lässt die endgültige Entscheidung für seine Nummer 1 noch offen. Enke? Adler? Wiese? Oder sogar Neuer? "Einige finden es besser, einer Konkurrenz-Situation ausgesetzt zu sein", sagt Enke, "andere brauchen die Sicherheit der Nummer 1. Ich brauche keine Konkurrenz-Situation." Aber er hat auch kein Problem damit, sich dem Wettbewerb zu stellen. Sich immer wieder zu beweisen. Im Verein, in der Nationalmannschaft, bei der Arbeit mit Torwart-Trainer Andreas Köpke. "Ich fühle mich gut, richtig gut", sagt er. Und er will seine Chance nutzen.

Und wenn es nicht klappen sollte? Wenn er plötzlich zu oft daneben greift und ein anderer die Nummer 1 werden würde? Er würde, sagt er, sich vermutlich in Südafrika auch auf die Ersatzbank setzen. "Einfach, weil es ein Riesen­ereig­nis wird – es wäre meine erste Weltmeisterschaft. Ich werde allerdings alles dafür tun, dass es nicht so kommt", sagt er. Die WM, der Traum des Realisten? Da lacht Robert Enke: "Wenn Sie das schreiben wollen, bitte. Es ist mein Traum, ja."

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Lautes Getöse und spektakuläre Gestik waren noch nie die Art von Robert Enke. Der Torhüter von Hannover 96 strahlt Ruhe aus und entspricht dabei so gar nicht dem Klischee des Strafraum-Einzelkämpfers. Aber Enke hat ein klares Ziel vor Augen: Mit 32 Jahren möchte er im kommenden Jahr in Südafrika bei seiner ersten WM dabei sein – als Deutschlands Nummer 1. Dirk Gieselmann, Redakteur von 11FREUNDE, schreibt über einen Torhüter, der sich seinen Blick für die Dinge abseits des Fußball­platzes bewahrt hat.

Die Episode liegt schon eine Weile zurück, aber sie sagt viel über den Menschen Robert Enke. Sie spielt nach einem harten Trainingstag, als der Torhüter eigentlich nur noch seine Ruhe haben wollte. Plötzlich klingelte sein Telefon. "Mensch, das ist ja toll, dass heute Abend bei euch eine Vernissage stattfindet", sagte seine Schwieger­mutter am anderen Ende der Leitung. Enke stutzte erst, dann schwante ihm: Der Künstler Jacques Gassmann, mit dem er und seine Frau Teresa in einer WG lebten, hatte wieder eine seiner speziellen Ideen gehabt. Doch statt dem Freigeist zu befehlen, seine Spontanparty abzusagen, gesellte er sich dazu und betrachtete in großer Runde die Gemälde seines Mitbewohners.

"Insgesamt war es eine sehr interessante Erfahrung", erinnert sich der National-Torhüter heute an die Zeit mit Gassmann, "mit chaotischen Momenten, aber viel Charme". Enke lächelt und das sagt mehr als viele Worte. Der heute 32-Jährige hat sich immer den Blick für die Dinge neben dem Fußballplatz bewahrt. Er liebt den Fußball, er ist ein leidenschaftlicher Profi. Aber er hat die Umwege und Abwege des Lebens kennen gelernt – und daraus seine eigene Philosophie entwickelt: Der Sport und die Karriere bedeuten ihm viel, aber nicht alles.

 

Wenn Enke sich heute einschätzen muss, hat er sich eigentlich immer weiterentwickelt. Er ist besser geworden, reifer, abgeklärter. Und doch geriet auch er zwischenzeitlich in einen Negativstrudel: Durchbruch in Gladbach, dann der Abstieg. Er ging nach Lissabon, nach Barcelona, Istanbul, verfolgt vom Pech. Beim CD Teneriffa, in der zweiten spanischen Spielklasse, fand er sich schließlich auf der Bank wieder. "Das Tal, das ich durchschritten habe, war ein sehr tiefes", sagt er. "Das war keine Krise, wie sie jeder Torwart mal erlebt, wenn er fünf- oder sechsmal danebengreift. Es hatte etwas Existenzielles." Was sollte er tun? Mit dem Kopf durch die Wand? Robert Enke nahm lieber die Tür.

Seine Tür war das Angebot von Hannover 96, einem Klub in der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga. Dort also, wo er einst aufgebrochen war, um internationale Titel zu gewinnen. Doch für Enke stand das nicht mehr im Vorder­grund, er wollte sich wieder auf das Training freuen, Mitglied einer Mannschaft sein. "Wenn man so eine Phase hinter sich gebracht hat", betont er, "erkennt man plötzlich wieder das Schöne am Profidasein".

 

Bescheidenheit und Bodenhaftung – Robert Enke entspricht nicht dem Klischee des draufgängerischen, unbequemen Strafraum-Einzel­käm­pfers. Wohl deshalb war die Nennung seines Namens nicht der erste Reflex, als es um die Nachfolge von Jens Lehmann oder zuvor Oliver Kahn ging. Man hatte sich an ein Alphatier gewöhnt und suchte dessen Tugenden nun auch in der neuen Generation. Enke entzieht sich solchen Vergleichen. Von ihm hört man keine markigen Sprüche. Auch dass er Mannschafts­kameraden am Kragen packt, wenn sie Fehler machen, ist nicht überliefert. "Es ist in solchen Situationen wichtiger, wie schnell man sich wieder auf das Spiel konzentrieren kann und dass man nicht die Nerven verliert", sagt er.

 

Eine stete Herausforderung: In 24 Spielen stand er vergangene Saison für Hannover 96 zwischen den Pfosten und kassierte dabei 47 Gegentore. Sein damaliger Vordermann Michael Tarnat weiß: "Ohne ihn hätten wir 100 Dinger kassiert." Doch Enke ist kein Sisyphos, der geduldig die Bälle aus dem Netz holt. "Nicht selten ist er in der Kabine explodiert", verrät Tarnat, "da konnte es richtig unangenehm werden für die Truppe." Immer wieder werden ihm Wechselabsichten unterstellt. Bayern, Stuttgart, zurück in Ausland: Viele meinen, Enke solle bei einem Topverein spielen. Das werde seine Chancen in der National­mann­schaft verbessern. "Bisher hat es mir nicht geschadet, in Hannover zu spielen", sagt Enke.

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Bundestrainer Joachim Löw lässt die endgültige Entscheidung für seine Nummer 1 noch offen. Enke? Adler? Wiese? Oder sogar Neuer? "Einige finden es besser, einer Konkurrenz-Situation ausgesetzt zu sein", sagt Enke, "andere brauchen die Sicherheit der Nummer 1. Ich brauche keine Konkurrenz-Situation." Aber er hat auch kein Problem damit, sich dem Wettbewerb zu stellen. Sich immer wieder zu beweisen. Im Verein, in der Nationalmannschaft, bei der Arbeit mit Torwart-Trainer Andreas Köpke. "Ich fühle mich gut, richtig gut", sagt er. Und er will seine Chance nutzen.

Und wenn es nicht klappen sollte? Wenn er plötzlich zu oft daneben greift und ein anderer die Nummer 1 werden würde? Er würde, sagt er, sich vermutlich in Südafrika auch auf die Ersatzbank setzen. "Einfach, weil es ein Riesen­ereig­nis wird – es wäre meine erste Weltmeisterschaft. Ich werde allerdings alles dafür tun, dass es nicht so kommt", sagt er. Die WM, der Traum des Realisten? Da lacht Robert Enke: "Wenn Sie das schreiben wollen, bitte. Es ist mein Traum, ja."