Christoph Kramer: "Dann spielt man und alles ist gut"

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In der 109. Minute des Achtelfinals gegen Algerien war es soweit: Christoph Kramer kam auf den Platz und erlebte seine ersten WM-Minuten. Der Gladbacher wurde für Bastian Schweinsteiger eingewechselt und half dabei, den Einzug ins Viertelfinale der WM 2014 perfekt zu machen. Im Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht der 23-Jährige über das Spiel gegen Algerien und seine Eindrücke des Turniers in Brasilien.

DFB.de: Herr Kramer, nach dem ersten WM-Spiel - dem 4:0 gegen Portugal - haben Sie auf dem Heimweg auf der Fähre ein Lied angestimmt. Haben Sie am Montag kurz überlegt, wieder die Stimme zu erheben? Immerhin gab es etwas zu feiern - Ihren ersten WM-Einsatz und den Einzug ins Viertelfinale...

Christoph Kramer: Es war schon zu spät, wir sind ja erst in der Nacht angekommen. Aber wenn wir am Freitag eine Runde weiterkommen, dann stimme ich noch mal eins an.

DFB.de: Das Lied nach dem Spiel gegen Portugal haben Sie gesungen, weil Sie nach Ihrer Länderspielpremiere in Hamburg gegen Polen um die obligatorische Einstandsrede für alle Debütanten herumgekommen sind. Ist damit eigentlich klar, dass Sie keine Rede mehr halten müssen?

Kramer: Das steht mal fest.

DFB.de: Sagen Sie das? Oder kommt dies von offizieller Seite?

Kramer: Das ist hochoffiziell. (lacht)

DFB.de: Die Mannschaft hat das Spiel gegen Algerien gewonnen, das Viertelfinale ist erreicht. An der Leistung des Teams gibt es allerdings Kritik. Wie relevant ist dies für Sie?

Kramer: Es stört nicht. Aber wir können jetzt viel darüber philosophieren, was wir hätten besser machen können. Unter dem Strich steht, dass wir in die Runde der letzten Acht eingezogen sind.

DFB.de: Lassen sich aus dem Spiel gegen Algerien Erkenntnisse für das Viertelfinale gegen Frankreich ziehen?

Kramer: Gegen Frankreich wird ein komplett anderes Spiel. Wir werden gegen Frankreich nicht permanent das Spiel machen und nicht permanent gegen einen ganz tief stehenden Gegner anrennen müssen. Das Spiel wird einen ganz anderen Verlauf nehmen. Zwei der größten Fußballnationen der Welt treten gegeneinander an - im Maracanã in Rio. Das wird ein tolles Fest, auf das ich mich sehr freue.

DFB.de: Sie wirken immer sehr überlegt, sehr cool. Aber mal ehrlich, wie hoch ging der Puls, als Sie von Bundestrainer Joachim Löw das Signal zur Einwechslung bekommen haben?

Kramer: Ich war sehr angespannt und aufgeregt, es gehen tausend und kein Gedanke durch den Kopf. Das alles ist aber weg, sobald ich auf dem Platz stehe. Warum das so ist, kann ich schlecht beschreiben. Dann ist auf einmal alles anders. Dann spielt man einfach sein Spiel, denkt nicht mehr viel nach und alles ist gut.

DFB.de: Was hat Ihnen der Bundestrainer vor der Einwechslung mit auf den Weg gegeben?

Kramer: Ehrlich? Keine Ahnung. Ich habe natürlich zugehört, aber ich weiß es nicht mehr. Irgendwie sind diese Augenblicke wie im Film. Da bekommt man nicht mehr viel mit.

DFB.de: Sie haben bei den meisten Spielen bisher Ihren Platz neben dem Platz. Gibt es auf der deutschen Bank eine feste Sitzreihenfolge? Wer sind Ihre Nachbarn? Wie geht es während der 90 Minuten auf der deutschen Bank zu?

Kramer: Die Reihenfolge ist seit dem ersten Spiel unverändert. Solange man die Spiele gewinnt oder zumindest nicht verliert, werden wir daran auch nichts ändern. Ein wenig abergläubig sind Fußballer dann doch. Bisher habe ich immer zwischen André Schürrle und Matthias Ginter Platz genommen. Gewisse Rituale entwickeln sich einfach. Es beginnt mit der Hymne, die wir laut mitsingen. Wir sind alle total angespannt, wir fiebern mit. Gefühlt springen wir jede Minute auf - bereit zum Jubel - schlagen dann die Hände über den Kopf zusammen oder springen vor Freude in die Luft. Wir reden viel, wir tauschen uns aus und wir drücken die Daumen.

DFB.de: Der Teamgeist wird überall gelobt. Wie erleben Sie diesen?

Kramer: Zur Mannschaft gehören alle 23 Spieler. Und Erfolg kann man nur haben, wenn sich alle den Zielen der Mannschaft unterordnen. Und genau das ist hier der Fall. Wie gut der Teamgeist ist, zeigt sich schon daran, dass Musti (Shkodran Mustafi, d. Red) nach seinem Muskelbündelriss hier bleibt. Seine Verletzung ist natürlich bitter, aber ich finde es ein starkes Zeichen, dass er nicht vorzeitig abreist. Auch für Lukas (Podolski, d. Red.) war es nie eine Option, den Weg zum Achtelfinale nach Porto Alegre nicht mitzumachen, obwohl klar war, dass er nicht spielen konnte.

DFB.de: Sie haben mehrfach betont, dass Sie Ihre Rolle gut kennen und weit davon entfernt sind, irgendetwas zu fordern. Dennoch: Aus der Bundesliga sind Sie es gewohnt, Ihren Arbeitsplatz auf dem Platz zu haben. Wie schwer fällt es Ihnen, die Füße still zu halten?

Kramer: Wir können die Bundesliga doch nicht mit der Nationalmannschaft vergleichen. Wenn ich in der Bundesliga mal nicht erste Wahl bin, dann bin ich durchaus enttäuscht. Hier ist das gar nicht so. Ich bin hier als Teil der deutschen Nationalmannschaft, darauf bin ich stolz, das ist eine Riesenehre. Für Enttäuschung ist da kein Platz.

DFB.de: Inklusive Vorbereitung ist das Team seit fünfeinhalb Wochen zusammen. Wie gelingt es, dass in dieser Zeit kein Lagerkoller aufkommt?

Kramer: Man muss schon sagen, dass es natürlich weltklasse geregelt ist mit dem Campo Bahia. Wenn man die anderen Nationen sieht, die in zwar schönen aber gewöhnlichen Hotels untergebracht sind, dann haben wir es erheblich besser getroffen. Hier verläuft sich alles ein wenig. Wir haben viele Möglichkeiten, zusammen Spaß zu haben und wir können uns aber auch aus dem Weg gehen. Die Lösung halte ich für ideal.

DFB.de: Den Tag nach dem Spiel gegen Algerien hat der Bundestrainer frei gegeben. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Kramer: Es war alles ein wenig ruhiger. Der Montag war für alle sehr intensiv, wir hatten nach dem Spiel noch den langen Flug und waren erst kurz vor zwei Uhr zurück im Campo. Es war viel Ruhe und viel Pflege angesagt, da habe ich mich eingereiht. Ich habe viel geschlafen und versucht, so gut es geht zu regenerieren.

DFB.de: Sie haben bislang im Turnier elf Minuten gespielt. Erleben Sie die WM dennoch als anstrengend?

Kramer: Ich merke schon Müdigkeit, diese Müdigkeit resultiert allerdings nicht aus körperlicher Anstrengung. Aber die Strapazen durch die Reisen sind durchaus zu merken. Es geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man jeden zweiten Tag im Flugzeug sitzt und die Klimazonen wechselt. Heute hatten wir in der Sonne fast 50 Grad, in Porto Alegre waren es zwölf Grad, im Flugzeug läuft dazwischen die Klimaanlage. Das ist für den Körper nicht ohne. Es ist aber nichts, was nicht zu bewältigen wäre. Nach einem Tag Regeneration sind die Akkus wieder geladen.

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DFB.de: Sie schauen hier viel Fußball. Gibt es fußballerisch etwas, dass sie bei dieser WM hier überrascht hat?

Kramer: Alle reden immer von der extrem hohen Intensität der Spiele. Mich wundert bei dem Turnier eher, dass es nur Extreme gibt. Entweder die Mannschaften agieren in einer taktisch unglaublich stabilen Grundordnung, in der alles wie im Lehrbuch passiert. Oder wir sehen das Gegenteil davon. Es bedarf nicht viel, dann ist davon gar nichts mehr übrig. Es passiert ein Tor - und plötzlich wird es vogelwild. Manchmal wird es auch vogelwild, ohne dass es dafür einen sichtbaren Anlass geben würde. Auf einmal gibt es kein Mittelfeld mehr und auf dem Platz sieht es mehr nach einer Schlacht als nach Fußball aus. Ich finde, dass viele Spiele hier sehr, sehr wild sind.

DFB.de: Wie erklären Sie sich das?

Kramer: Bei dem warmen Wetter lässt irgendwann die Konzentration einfach nach. Dann werden die Abstände immer größer, die Mannschaftsteile stehen immer weiter auseinander. Das Feld ist dann nicht mehr kompakt. So war es auch beim Spiel USA gegen Belgien, das gerade zu Ende gegangen ist. Mit zunehmender Spielzeit wurde das Feld immer größer. In der Verlängerung stand Vicent Kompany am eigenen 16er und Romelu Lukaku am 16er des Gegners. Dann hat man auf einmal ein Feld von 70 Metern Länge, es ist viel Raum zu überbrücken und es muss viel Eins-gegen-Eins gespielt werden. Das führt zu dem, was ich mit offener Schlacht meinte.

DFB.de: Ist es nur eine Frage der Fitness, zu verhindern, dass die Abstände so groß werden?

Kramer: Je weiter man als Team hinten rausschiebt, desto kleiner wird das Spielfeld. Dazu gehört Mut, dazu gehört Disziplin, dazu gehört Fitness. Weil aus Fitness Konzentration resultiert und daraus, dass man es eben nicht wild werden lässt. Wenn man es bei dieser WM als Mannschaft schafft, über 90 Minuten kompakt und konzentriert zu bleiben, dann hat man eine sehr gute Möglichkeit, im Turnier sehr weit zu kommen.

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In der 109. Minute des Achtelfinals gegen Algerien war es soweit: Christoph Kramer kam auf den Platz und erlebte seine ersten WM-Minuten. Der Gladbacher wurde für Bastian Schweinsteiger eingewechselt und half dabei, den Einzug ins Viertelfinale der WM 2014 perfekt zu machen. Im Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht der 23-Jährige über das Spiel gegen Algerien und seine Eindrücke des Turniers in Brasilien.

DFB.de: Herr Kramer, nach dem ersten WM-Spiel - dem 4:0 gegen Portugal - haben Sie auf dem Heimweg auf der Fähre ein Lied angestimmt. Haben Sie am Montag kurz überlegt, wieder die Stimme zu erheben? Immerhin gab es etwas zu feiern - Ihren ersten WM-Einsatz und den Einzug ins Viertelfinale...

Christoph Kramer: Es war schon zu spät, wir sind ja erst in der Nacht angekommen. Aber wenn wir am Freitag eine Runde weiterkommen, dann stimme ich noch mal eins an.

DFB.de: Das Lied nach dem Spiel gegen Portugal haben Sie gesungen, weil Sie nach Ihrer Länderspielpremiere in Hamburg gegen Polen um die obligatorische Einstandsrede für alle Debütanten herumgekommen sind. Ist damit eigentlich klar, dass Sie keine Rede mehr halten müssen?

Kramer: Das steht mal fest.

DFB.de: Sagen Sie das? Oder kommt dies von offizieller Seite?

Kramer: Das ist hochoffiziell. (lacht)

DFB.de: Die Mannschaft hat das Spiel gegen Algerien gewonnen, das Viertelfinale ist erreicht. An der Leistung des Teams gibt es allerdings Kritik. Wie relevant ist dies für Sie?

Kramer: Es stört nicht. Aber wir können jetzt viel darüber philosophieren, was wir hätten besser machen können. Unter dem Strich steht, dass wir in die Runde der letzten Acht eingezogen sind.

DFB.de: Lassen sich aus dem Spiel gegen Algerien Erkenntnisse für das Viertelfinale gegen Frankreich ziehen?

Kramer: Gegen Frankreich wird ein komplett anderes Spiel. Wir werden gegen Frankreich nicht permanent das Spiel machen und nicht permanent gegen einen ganz tief stehenden Gegner anrennen müssen. Das Spiel wird einen ganz anderen Verlauf nehmen. Zwei der größten Fußballnationen der Welt treten gegeneinander an - im Maracanã in Rio. Das wird ein tolles Fest, auf das ich mich sehr freue.

DFB.de: Sie wirken immer sehr überlegt, sehr cool. Aber mal ehrlich, wie hoch ging der Puls, als Sie von Bundestrainer Joachim Löw das Signal zur Einwechslung bekommen haben?

Kramer: Ich war sehr angespannt und aufgeregt, es gehen tausend und kein Gedanke durch den Kopf. Das alles ist aber weg, sobald ich auf dem Platz stehe. Warum das so ist, kann ich schlecht beschreiben. Dann ist auf einmal alles anders. Dann spielt man einfach sein Spiel, denkt nicht mehr viel nach und alles ist gut.

DFB.de: Was hat Ihnen der Bundestrainer vor der Einwechslung mit auf den Weg gegeben?

Kramer: Ehrlich? Keine Ahnung. Ich habe natürlich zugehört, aber ich weiß es nicht mehr. Irgendwie sind diese Augenblicke wie im Film. Da bekommt man nicht mehr viel mit.

DFB.de: Sie haben bei den meisten Spielen bisher Ihren Platz neben dem Platz. Gibt es auf der deutschen Bank eine feste Sitzreihenfolge? Wer sind Ihre Nachbarn? Wie geht es während der 90 Minuten auf der deutschen Bank zu?

Kramer: Die Reihenfolge ist seit dem ersten Spiel unverändert. Solange man die Spiele gewinnt oder zumindest nicht verliert, werden wir daran auch nichts ändern. Ein wenig abergläubig sind Fußballer dann doch. Bisher habe ich immer zwischen André Schürrle und Matthias Ginter Platz genommen. Gewisse Rituale entwickeln sich einfach. Es beginnt mit der Hymne, die wir laut mitsingen. Wir sind alle total angespannt, wir fiebern mit. Gefühlt springen wir jede Minute auf - bereit zum Jubel - schlagen dann die Hände über den Kopf zusammen oder springen vor Freude in die Luft. Wir reden viel, wir tauschen uns aus und wir drücken die Daumen.

DFB.de: Der Teamgeist wird überall gelobt. Wie erleben Sie diesen?

Kramer: Zur Mannschaft gehören alle 23 Spieler. Und Erfolg kann man nur haben, wenn sich alle den Zielen der Mannschaft unterordnen. Und genau das ist hier der Fall. Wie gut der Teamgeist ist, zeigt sich schon daran, dass Musti (Shkodran Mustafi, d. Red) nach seinem Muskelbündelriss hier bleibt. Seine Verletzung ist natürlich bitter, aber ich finde es ein starkes Zeichen, dass er nicht vorzeitig abreist. Auch für Lukas (Podolski, d. Red.) war es nie eine Option, den Weg zum Achtelfinale nach Porto Alegre nicht mitzumachen, obwohl klar war, dass er nicht spielen konnte.

DFB.de: Sie haben mehrfach betont, dass Sie Ihre Rolle gut kennen und weit davon entfernt sind, irgendetwas zu fordern. Dennoch: Aus der Bundesliga sind Sie es gewohnt, Ihren Arbeitsplatz auf dem Platz zu haben. Wie schwer fällt es Ihnen, die Füße still zu halten?

Kramer: Wir können die Bundesliga doch nicht mit der Nationalmannschaft vergleichen. Wenn ich in der Bundesliga mal nicht erste Wahl bin, dann bin ich durchaus enttäuscht. Hier ist das gar nicht so. Ich bin hier als Teil der deutschen Nationalmannschaft, darauf bin ich stolz, das ist eine Riesenehre. Für Enttäuschung ist da kein Platz.

DFB.de: Inklusive Vorbereitung ist das Team seit fünfeinhalb Wochen zusammen. Wie gelingt es, dass in dieser Zeit kein Lagerkoller aufkommt?

Kramer: Man muss schon sagen, dass es natürlich weltklasse geregelt ist mit dem Campo Bahia. Wenn man die anderen Nationen sieht, die in zwar schönen aber gewöhnlichen Hotels untergebracht sind, dann haben wir es erheblich besser getroffen. Hier verläuft sich alles ein wenig. Wir haben viele Möglichkeiten, zusammen Spaß zu haben und wir können uns aber auch aus dem Weg gehen. Die Lösung halte ich für ideal.

DFB.de: Den Tag nach dem Spiel gegen Algerien hat der Bundestrainer frei gegeben. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Kramer: Es war alles ein wenig ruhiger. Der Montag war für alle sehr intensiv, wir hatten nach dem Spiel noch den langen Flug und waren erst kurz vor zwei Uhr zurück im Campo. Es war viel Ruhe und viel Pflege angesagt, da habe ich mich eingereiht. Ich habe viel geschlafen und versucht, so gut es geht zu regenerieren.

DFB.de: Sie haben bislang im Turnier elf Minuten gespielt. Erleben Sie die WM dennoch als anstrengend?

Kramer: Ich merke schon Müdigkeit, diese Müdigkeit resultiert allerdings nicht aus körperlicher Anstrengung. Aber die Strapazen durch die Reisen sind durchaus zu merken. Es geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man jeden zweiten Tag im Flugzeug sitzt und die Klimazonen wechselt. Heute hatten wir in der Sonne fast 50 Grad, in Porto Alegre waren es zwölf Grad, im Flugzeug läuft dazwischen die Klimaanlage. Das ist für den Körper nicht ohne. Es ist aber nichts, was nicht zu bewältigen wäre. Nach einem Tag Regeneration sind die Akkus wieder geladen.

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DFB.de: Sie schauen hier viel Fußball. Gibt es fußballerisch etwas, dass sie bei dieser WM hier überrascht hat?

Kramer: Alle reden immer von der extrem hohen Intensität der Spiele. Mich wundert bei dem Turnier eher, dass es nur Extreme gibt. Entweder die Mannschaften agieren in einer taktisch unglaublich stabilen Grundordnung, in der alles wie im Lehrbuch passiert. Oder wir sehen das Gegenteil davon. Es bedarf nicht viel, dann ist davon gar nichts mehr übrig. Es passiert ein Tor - und plötzlich wird es vogelwild. Manchmal wird es auch vogelwild, ohne dass es dafür einen sichtbaren Anlass geben würde. Auf einmal gibt es kein Mittelfeld mehr und auf dem Platz sieht es mehr nach einer Schlacht als nach Fußball aus. Ich finde, dass viele Spiele hier sehr, sehr wild sind.

DFB.de: Wie erklären Sie sich das?

Kramer: Bei dem warmen Wetter lässt irgendwann die Konzentration einfach nach. Dann werden die Abstände immer größer, die Mannschaftsteile stehen immer weiter auseinander. Das Feld ist dann nicht mehr kompakt. So war es auch beim Spiel USA gegen Belgien, das gerade zu Ende gegangen ist. Mit zunehmender Spielzeit wurde das Feld immer größer. In der Verlängerung stand Vicent Kompany am eigenen 16er und Romelu Lukaku am 16er des Gegners. Dann hat man auf einmal ein Feld von 70 Metern Länge, es ist viel Raum zu überbrücken und es muss viel Eins-gegen-Eins gespielt werden. Das führt zu dem, was ich mit offener Schlacht meinte.

DFB.de: Ist es nur eine Frage der Fitness, zu verhindern, dass die Abstände so groß werden?

Kramer: Je weiter man als Team hinten rausschiebt, desto kleiner wird das Spielfeld. Dazu gehört Mut, dazu gehört Disziplin, dazu gehört Fitness. Weil aus Fitness Konzentration resultiert und daraus, dass man es eben nicht wild werden lässt. Wenn man es bei dieser WM als Mannschaft schafft, über 90 Minuten kompakt und konzentriert zu bleiben, dann hat man eine sehr gute Möglichkeit, im Turnier sehr weit zu kommen.