"Andy, unten links": Weltmeister Brehme wird 60

Wie ein Baby hielt er ihn fest, den goldenen WM-Pokal. Behutsam, liebevoll. Als der deutsche Mannschaftsbus am 8. Juli 1990 das Olympiastadion von Rom tief in der Nacht verließ, passte der Mann, dessen Elfmeter die DFB-Auswahl zum dritten Mal zum Weltmeister gemacht hatte, persönlich auf den Schatz auf, den sie gerade gewonnen hatten. Niemand hatte etwas dagegen in diesem Moment, er war in den richtigen Händen. Es hat in der Geschichte des deutschen Fußballs vielleicht noch genialere Fußballer als Andreas Brehme bei großen Turnieren gegeben, aber kaum einen wertvolleren. Das lässt sich auch 30 Jahre später anlässlich seines 60. Geburtstags feststellen, den Brehme heute feiert.

Von 1984 bis 1994 spielte der Hamburger Jung sechs Turniere in Folge, und nur 1986 gegen Marokko und bei seiner letzten WM in den USA, da war er schon 33, saß er mal auf der Bank. Ansonsten galt für seine Bundestrainer: Ein Brehme muss spielen, egal wo. Ob rechter oder linker Verteidiger oder im Mittelfeld, für Brehme war immer ein Platz. Nur in fünf seiner 86 Länderspiele wurde er eingewechselt. Für den kicker war er 1990 schlicht "der Mann, der alles kann". Teamchef Franz Beckenbauer urteilte: "Er ist unser vielseitigster Spieler."

Warum? Seine Beidfüßigkeit war sein großes Plus, aber ohne Disziplin, Schnelligkeit und Zweikampfstärke wäre er nie so weit gekommen. Und Deutschland auch nicht. Denn Brehme konnte auch Tore vorbereiten und schießen, gerade dann wenn es am wichtigsten war. Einen zuverlässigeren Vollstrecker von Standards hat es im DFB-Dress nie gegeben.

"Brehme ist der beste Fußballer der Welt"

Bei der WM 1986 schoss er das Team per Freistoß gegen Frankreich ins Finale mit Argentinien, wo seine Ecken zu beiden Toren führten. Zuvor gegen Mexiko traf er im Elfmeterschießen, mit links. Den Auftakt der EM 1988 rettete Brehme mit einem Freistoß zum 1:1 gegen Italien. Und 1990, bei seinem mit Abstand bestem Turnier, entschied sein Bogenschuss von der Strafraumgrenze das Achtelfinale gegen die Niederländer, ein Brehme-Freistoßtor trug zum Halbfinalsieg gegen die Engländer bei, wo er auch im Elfmeterschießen traf.

Und natürlich sein legendärer Elfmeter gegen die Argentinier, dessen Ausführung er den Schuhproblemen von Lothar Matthäus verdankte, sicherte den Titel. Den schoss er nun mit rechts. Einfach unberechenbar, dieser Typ. "Brehme ist der beste Fußballer der Welt", schrieb der Reporter des Daily Mirror bewundernd unmittelbar nach der WM 1990. DFB-Trainer Berti Vogts machte ein paar Wochen nach dem Turnier eine FIFA-Studie publik: "Die Auswertung sämtlicher Spielbeobachtungsbogen ergab, dass Andreas Brehme von allen 24 Endrundenmannschaften auf der linken Seite der effektivste und erfolgreichste WM-Spieler war. Mit deutlichem Abstand vor dem Brasilianer Branco und dem Engländer Pearce."

Im WM-Finale spielte Brehme 33 lange Pässe, alle kamen an. Rekord an diesem Abend. Die Perfektion, die in der Weltmeister-Auswahl von 2014 einen Philipp Lahm auszeichnete, prägte 1990 das Spiel des damaligen Mailänders.

Treffen mit Seeler: "Eine große Ehre"

Wie begann alles? Mit fünf trat er in die F-Jugend von Barmbek-Uhlenhorst ein, ein damals gar nicht so unbedeutender Hamburger Amateurklub, der es 1974 bis in die 2. Bundesliga Nord brachte. 1965 kam der große HSV vorbei und Klein-Andy durfte Uwe Seeler die Hand schütteln, "dies war für mich eine große Ehre". Und Ansporn, es auch mal so weit zu bringen wie "Uns Uwe". Unter der Aufsicht von Vater Bernd, der auch sein Trainer war, kam er für BU auf 560 Spiele in der Jugend, aus der Abschiedsurkunde, die sie Andy 1979 bastelten, gehen sechs Meisterschaften hervor.

Beinahe wäre er dann zum HSV gegangen, wo Manager Günter Netzer ihm nach einem siebenwöchigen Probetraining einen Vertrag als Amateur anbot. Vater Bernd war dagegen, und so sah man sich um. Ein Anruf von Felix Magath stellte die Weichen, der damalige HSV-Kapitän vermittelte Brehme zu seinem Ex-Klub 1. FC Saarbrücken.

Seine ersten Schritte im Profifußball machte er 1980/1981 deshalb in der 2. Bundesliga Süd, wo ihn schließlich der 1. FC Kaiserslautern anlässlich einer Spielbeobachtung entdeckte. Wie so manche Karriere wurde auch seine dabei durch einen Zufall in die richtige Bahn gelenkt. Der damalige FCK-Präsident Jürgen Friedrich wollte sich in Saarbrücken eigentlich den Offenbacher Uwe Bein ansehen, doch dann fiel ihm dieser blonde Linksverteidiger auf. Auch Bein sollte zwar 1990 als Reservist Weltmeister werden, aber Brehme hatte es dem FCK-Boss auf Anhieb angetan. So lud er ihn im Herbst 1980 zu einem Europacupspiel an den berühmten Betzenberg ein, und fortan war Brehme vom "Betzefieber" infiziert.

Von Kaiserslautern über München nach Mailand

Es war Liebe auf den ersten Tribünenblick, wenn man so will. Von Beginn an war er Stammspieler und bald auch Publikumsliebling. Er passte einfach dahin. "Wenn du in Lautern ehrliche Arbeit ablieferst und nicht abhebst, hast du die Fans immer auf deiner Seite", stellte er schon bald fest. Zehn Jahre hat er dort in zwei Etappen (1981 bis 1986 und 1993 bis 1998) gespielt, zwei als Cheftrainer (2000 bis 2002) des ruhmreichen FCK kamen hinzu. Seine FCK-Bilanz: 242 Bundesligaspiele mit 43 Toren, 14 Europacupspiele (4) und 26 DFB-Pokalspiele (6) - macht summa summarum 282 Pflichtspiele und 53 Tore.

1984 wurde er Nationalspieler, natürlich weckte so einer Begehrlichkeiten - und 1986 holten ihn die Bayern. So konnte er auch mal Deutscher Meister werden (1987), nur nicht besonders glücklich unter dem jungen Jupp Heynckes. Also folgte er 1988 Lothar Matthäus von München nach Mailand, begleitet von guten Wünschen und nicht wenigen Zweifeln: "Ich weiß, dass alle nach meinem Weggang von München meinten, nun sei auch meine DFB-Karriere zu Ende." War sie nicht, denn er setzte sich in Italien ebenso durch wie als junger Kerl in der Bundesliga beim 1. FC Kaiserslautern. Die Inter-Fans wählten ihn gar zum "Spieler der Saison", und das Stadion, in dem die DFB-Auswahl fünf Spiele bestritt, war sein Wohnzimmer - das San Siro.

"Wenn du ihn reinmachst, sind wir Weltmeister"

Italia 1990 stand also in jeder Hinsicht unter einem guten Stern für den Blondschopf. Als die WM begann, hatte er schon zwei Jahre Italien auf dem Buckel, verstand Land und Leute. "Ich bin froh, den direkten Bezug zur gewohnten Umgebung zu haben, so ein Trainingslager vor der Haustür ist einfach optimal", sagte er in Erba, von wo aus er an freien Tagen mal schnell in seinen Wohnort Carimate fuhr. Als er zwei Tage nach den WM-Feierlichkeiten wieder dort ankam, hing ein großes Schild an seinem Garagentor: "Andreas, du bist ein Gott". Wer ihm da huldigte, hat er nie erfahren. Sein Lieblingslokal hingegen schmückte der italienische Wirt persönlich mit schwarz-rot-goldenen Fahnen. Heldenverehrung für einen Weltmeister.

Sie ließ natürlich etwas nach im Laufe der Jahre, aus denen nun schon Jahrzehnte geworden sind, aber ganz ebbte sie nie ab. Wie oft passierte es ihm, dass er irgendwo im Urlaub Deutschen begegneten, die ihm zuriefen: "Andy, unten links." Da, wo der Elfmeter einschlug, der Schuss seines Lebens. Er hat bestimmt nicht seltener als Helmut Rahn, der 1954 das goldene 3:2 erzielte, davon erzählen müssen und tut es immer noch gern. Und jedes Mal dauerte es länger, bis er endlich anlaufen durfte nach dem Pfiff. Anfangs will er noch drei, vier Minuten gewartet haben, 2005 hat es im Interview mit der BZ schon "sieben, acht Minuten gedauert, das war das Schlimmste." In Wahrheit waren es eine Minute und 57 Sekunden, bis die argentinischen Proteste verpufft waren. Vergeht die Zeit nicht stets viel länger, wenn man auf die Erlösung wartet? Rudi Völler ließ ihn noch wissen: "Wenn du ihn reinmachst, sind wir Weltmeister." Er machte ihn rein, wie immer wenn es darauf ankam.

Abstieg, Aufstieg, Meister

Es blieb nicht sein letzter Erfolg im Fußball. 1991 kam der UEFA-Cup mit Inter dazu, 1996 der DFB-Pokal mit dem FCK, zu dem er 1993 zurückgekehrt war. Eine Woche zuvor allerdings waren die Pfälzer abgestiegen, was "an unserem Rasen lag, es war der schlechteste der ganzen Liga", wie er heute noch betont. Was anderen als Ausrede ausgelegt werden würde, nimmt man bei einem wie ihm für bare Münze. Denn wer ihn kennengelernt hat, hat garantiert einen Mann erlebt, der offen und direkt ist und die Wahrheit sagt. Nicht nur, wenn sie ihm passt. Ein gerader Typ aus dem Norden eben, der in dieser Hinsicht einiges gemein mit Uwe Seeler hat, dem er als Kind erstmals begegnet war.

Mit Kaiserslautern, die Geschichte ist längst legendär, wurde er dann noch zweimal in Folge Meister: 1997 in der 2. Bundesliga, 1998 in der Bundesliga. Als Aufsteiger - eine Sensation. Mit seinen damals 37 Jahren war er unter Otto Rehhagel zwar nur ein Edelreservist und doch unverzichtbar in der Kabine.

Erst Trainer, dann Geschäftsmann

Nach seiner Karriere, die er 1998 also als Meister beendete, versuchte sich Brehme als Trainer. Er stieg im Oktober 2000 bei seinem FCK als Nachfolger Otto Rehhagels ein und stellte 2001/2002 den Startrekord der Bundesliga (7 Siege) ein. Am Saisonende verpasste er jedoch den Einzug in den UEFA-Pokal knapp, 2002/2003 wurde er schon nach dem dritten Spieltag entlassen, wobei er selbst darum bat, aufgrund interner Turbulenzen. Nach nur 64 Spielen endete seine Bundesligakarriere als Trainer unerwartet früh. In dem Beruf arbeitete er nur noch kurz für Zweitligist SpVgg. Unterhaching (2004/2005), wo er zurücktrat, und als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni (2005/2006) beim VfB Stuttgart. Seit seiner Entlassung im Februar 2006 kam Brehme im Trainergeschäft nicht mehr unter. Langweilig wurde ihm nicht.

Danach arbeitete er unter anderem als Werbepartner und hatte seine eigene PR-Agentur in München. Heute ist er unter anderem Teilhaber einer Firma, die Rasen in Fußballstadien verlegt, und wenn er das auch nicht selbst macht, so mischt er immer noch mit im Spiel, das sein Leben bedeutete und ihm viele gute Freunde schenkte.

Zum runden Geburtstag wollte Andy Brehme die liebsten Weggefährten zu einer Feier am Gardasee einladen, Corona hat das Wiedersehen mit Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Giuseppe Bergomi, um nur einige zu nennen, durchkreuzt. Aber es kommen gewiss noch andere Geburtstage für den Mann, der fast alles kann.

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Wie ein Baby hielt er ihn fest, den goldenen WM-Pokal. Behutsam, liebevoll. Als der deutsche Mannschaftsbus am 8. Juli 1990 das Olympiastadion von Rom tief in der Nacht verließ, passte der Mann, dessen Elfmeter die DFB-Auswahl zum dritten Mal zum Weltmeister gemacht hatte, persönlich auf den Schatz auf, den sie gerade gewonnen hatten. Niemand hatte etwas dagegen in diesem Moment, er war in den richtigen Händen. Es hat in der Geschichte des deutschen Fußballs vielleicht noch genialere Fußballer als Andreas Brehme bei großen Turnieren gegeben, aber kaum einen wertvolleren. Das lässt sich auch 30 Jahre später anlässlich seines 60. Geburtstags feststellen, den Brehme heute feiert.

Von 1984 bis 1994 spielte der Hamburger Jung sechs Turniere in Folge, und nur 1986 gegen Marokko und bei seiner letzten WM in den USA, da war er schon 33, saß er mal auf der Bank. Ansonsten galt für seine Bundestrainer: Ein Brehme muss spielen, egal wo. Ob rechter oder linker Verteidiger oder im Mittelfeld, für Brehme war immer ein Platz. Nur in fünf seiner 86 Länderspiele wurde er eingewechselt. Für den kicker war er 1990 schlicht "der Mann, der alles kann". Teamchef Franz Beckenbauer urteilte: "Er ist unser vielseitigster Spieler."

Warum? Seine Beidfüßigkeit war sein großes Plus, aber ohne Disziplin, Schnelligkeit und Zweikampfstärke wäre er nie so weit gekommen. Und Deutschland auch nicht. Denn Brehme konnte auch Tore vorbereiten und schießen, gerade dann wenn es am wichtigsten war. Einen zuverlässigeren Vollstrecker von Standards hat es im DFB-Dress nie gegeben.

"Brehme ist der beste Fußballer der Welt"

Bei der WM 1986 schoss er das Team per Freistoß gegen Frankreich ins Finale mit Argentinien, wo seine Ecken zu beiden Toren führten. Zuvor gegen Mexiko traf er im Elfmeterschießen, mit links. Den Auftakt der EM 1988 rettete Brehme mit einem Freistoß zum 1:1 gegen Italien. Und 1990, bei seinem mit Abstand bestem Turnier, entschied sein Bogenschuss von der Strafraumgrenze das Achtelfinale gegen die Niederländer, ein Brehme-Freistoßtor trug zum Halbfinalsieg gegen die Engländer bei, wo er auch im Elfmeterschießen traf.

Und natürlich sein legendärer Elfmeter gegen die Argentinier, dessen Ausführung er den Schuhproblemen von Lothar Matthäus verdankte, sicherte den Titel. Den schoss er nun mit rechts. Einfach unberechenbar, dieser Typ. "Brehme ist der beste Fußballer der Welt", schrieb der Reporter des Daily Mirror bewundernd unmittelbar nach der WM 1990. DFB-Trainer Berti Vogts machte ein paar Wochen nach dem Turnier eine FIFA-Studie publik: "Die Auswertung sämtlicher Spielbeobachtungsbogen ergab, dass Andreas Brehme von allen 24 Endrundenmannschaften auf der linken Seite der effektivste und erfolgreichste WM-Spieler war. Mit deutlichem Abstand vor dem Brasilianer Branco und dem Engländer Pearce."

Im WM-Finale spielte Brehme 33 lange Pässe, alle kamen an. Rekord an diesem Abend. Die Perfektion, die in der Weltmeister-Auswahl von 2014 einen Philipp Lahm auszeichnete, prägte 1990 das Spiel des damaligen Mailänders.

Treffen mit Seeler: "Eine große Ehre"

Wie begann alles? Mit fünf trat er in die F-Jugend von Barmbek-Uhlenhorst ein, ein damals gar nicht so unbedeutender Hamburger Amateurklub, der es 1974 bis in die 2. Bundesliga Nord brachte. 1965 kam der große HSV vorbei und Klein-Andy durfte Uwe Seeler die Hand schütteln, "dies war für mich eine große Ehre". Und Ansporn, es auch mal so weit zu bringen wie "Uns Uwe". Unter der Aufsicht von Vater Bernd, der auch sein Trainer war, kam er für BU auf 560 Spiele in der Jugend, aus der Abschiedsurkunde, die sie Andy 1979 bastelten, gehen sechs Meisterschaften hervor.

Beinahe wäre er dann zum HSV gegangen, wo Manager Günter Netzer ihm nach einem siebenwöchigen Probetraining einen Vertrag als Amateur anbot. Vater Bernd war dagegen, und so sah man sich um. Ein Anruf von Felix Magath stellte die Weichen, der damalige HSV-Kapitän vermittelte Brehme zu seinem Ex-Klub 1. FC Saarbrücken.

Seine ersten Schritte im Profifußball machte er 1980/1981 deshalb in der 2. Bundesliga Süd, wo ihn schließlich der 1. FC Kaiserslautern anlässlich einer Spielbeobachtung entdeckte. Wie so manche Karriere wurde auch seine dabei durch einen Zufall in die richtige Bahn gelenkt. Der damalige FCK-Präsident Jürgen Friedrich wollte sich in Saarbrücken eigentlich den Offenbacher Uwe Bein ansehen, doch dann fiel ihm dieser blonde Linksverteidiger auf. Auch Bein sollte zwar 1990 als Reservist Weltmeister werden, aber Brehme hatte es dem FCK-Boss auf Anhieb angetan. So lud er ihn im Herbst 1980 zu einem Europacupspiel an den berühmten Betzenberg ein, und fortan war Brehme vom "Betzefieber" infiziert.

Von Kaiserslautern über München nach Mailand

Es war Liebe auf den ersten Tribünenblick, wenn man so will. Von Beginn an war er Stammspieler und bald auch Publikumsliebling. Er passte einfach dahin. "Wenn du in Lautern ehrliche Arbeit ablieferst und nicht abhebst, hast du die Fans immer auf deiner Seite", stellte er schon bald fest. Zehn Jahre hat er dort in zwei Etappen (1981 bis 1986 und 1993 bis 1998) gespielt, zwei als Cheftrainer (2000 bis 2002) des ruhmreichen FCK kamen hinzu. Seine FCK-Bilanz: 242 Bundesligaspiele mit 43 Toren, 14 Europacupspiele (4) und 26 DFB-Pokalspiele (6) - macht summa summarum 282 Pflichtspiele und 53 Tore.

1984 wurde er Nationalspieler, natürlich weckte so einer Begehrlichkeiten - und 1986 holten ihn die Bayern. So konnte er auch mal Deutscher Meister werden (1987), nur nicht besonders glücklich unter dem jungen Jupp Heynckes. Also folgte er 1988 Lothar Matthäus von München nach Mailand, begleitet von guten Wünschen und nicht wenigen Zweifeln: "Ich weiß, dass alle nach meinem Weggang von München meinten, nun sei auch meine DFB-Karriere zu Ende." War sie nicht, denn er setzte sich in Italien ebenso durch wie als junger Kerl in der Bundesliga beim 1. FC Kaiserslautern. Die Inter-Fans wählten ihn gar zum "Spieler der Saison", und das Stadion, in dem die DFB-Auswahl fünf Spiele bestritt, war sein Wohnzimmer - das San Siro.

"Wenn du ihn reinmachst, sind wir Weltmeister"

Italia 1990 stand also in jeder Hinsicht unter einem guten Stern für den Blondschopf. Als die WM begann, hatte er schon zwei Jahre Italien auf dem Buckel, verstand Land und Leute. "Ich bin froh, den direkten Bezug zur gewohnten Umgebung zu haben, so ein Trainingslager vor der Haustür ist einfach optimal", sagte er in Erba, von wo aus er an freien Tagen mal schnell in seinen Wohnort Carimate fuhr. Als er zwei Tage nach den WM-Feierlichkeiten wieder dort ankam, hing ein großes Schild an seinem Garagentor: "Andreas, du bist ein Gott". Wer ihm da huldigte, hat er nie erfahren. Sein Lieblingslokal hingegen schmückte der italienische Wirt persönlich mit schwarz-rot-goldenen Fahnen. Heldenverehrung für einen Weltmeister.

Sie ließ natürlich etwas nach im Laufe der Jahre, aus denen nun schon Jahrzehnte geworden sind, aber ganz ebbte sie nie ab. Wie oft passierte es ihm, dass er irgendwo im Urlaub Deutschen begegneten, die ihm zuriefen: "Andy, unten links." Da, wo der Elfmeter einschlug, der Schuss seines Lebens. Er hat bestimmt nicht seltener als Helmut Rahn, der 1954 das goldene 3:2 erzielte, davon erzählen müssen und tut es immer noch gern. Und jedes Mal dauerte es länger, bis er endlich anlaufen durfte nach dem Pfiff. Anfangs will er noch drei, vier Minuten gewartet haben, 2005 hat es im Interview mit der BZ schon "sieben, acht Minuten gedauert, das war das Schlimmste." In Wahrheit waren es eine Minute und 57 Sekunden, bis die argentinischen Proteste verpufft waren. Vergeht die Zeit nicht stets viel länger, wenn man auf die Erlösung wartet? Rudi Völler ließ ihn noch wissen: "Wenn du ihn reinmachst, sind wir Weltmeister." Er machte ihn rein, wie immer wenn es darauf ankam.

Abstieg, Aufstieg, Meister

Es blieb nicht sein letzter Erfolg im Fußball. 1991 kam der UEFA-Cup mit Inter dazu, 1996 der DFB-Pokal mit dem FCK, zu dem er 1993 zurückgekehrt war. Eine Woche zuvor allerdings waren die Pfälzer abgestiegen, was "an unserem Rasen lag, es war der schlechteste der ganzen Liga", wie er heute noch betont. Was anderen als Ausrede ausgelegt werden würde, nimmt man bei einem wie ihm für bare Münze. Denn wer ihn kennengelernt hat, hat garantiert einen Mann erlebt, der offen und direkt ist und die Wahrheit sagt. Nicht nur, wenn sie ihm passt. Ein gerader Typ aus dem Norden eben, der in dieser Hinsicht einiges gemein mit Uwe Seeler hat, dem er als Kind erstmals begegnet war.

Mit Kaiserslautern, die Geschichte ist längst legendär, wurde er dann noch zweimal in Folge Meister: 1997 in der 2. Bundesliga, 1998 in der Bundesliga. Als Aufsteiger - eine Sensation. Mit seinen damals 37 Jahren war er unter Otto Rehhagel zwar nur ein Edelreservist und doch unverzichtbar in der Kabine.

Erst Trainer, dann Geschäftsmann

Nach seiner Karriere, die er 1998 also als Meister beendete, versuchte sich Brehme als Trainer. Er stieg im Oktober 2000 bei seinem FCK als Nachfolger Otto Rehhagels ein und stellte 2001/2002 den Startrekord der Bundesliga (7 Siege) ein. Am Saisonende verpasste er jedoch den Einzug in den UEFA-Pokal knapp, 2002/2003 wurde er schon nach dem dritten Spieltag entlassen, wobei er selbst darum bat, aufgrund interner Turbulenzen. Nach nur 64 Spielen endete seine Bundesligakarriere als Trainer unerwartet früh. In dem Beruf arbeitete er nur noch kurz für Zweitligist SpVgg. Unterhaching (2004/2005), wo er zurücktrat, und als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni (2005/2006) beim VfB Stuttgart. Seit seiner Entlassung im Februar 2006 kam Brehme im Trainergeschäft nicht mehr unter. Langweilig wurde ihm nicht.

Danach arbeitete er unter anderem als Werbepartner und hatte seine eigene PR-Agentur in München. Heute ist er unter anderem Teilhaber einer Firma, die Rasen in Fußballstadien verlegt, und wenn er das auch nicht selbst macht, so mischt er immer noch mit im Spiel, das sein Leben bedeutete und ihm viele gute Freunde schenkte.

Zum runden Geburtstag wollte Andy Brehme die liebsten Weggefährten zu einer Feier am Gardasee einladen, Corona hat das Wiedersehen mit Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Giuseppe Bergomi, um nur einige zu nennen, durchkreuzt. Aber es kommen gewiss noch andere Geburtstage für den Mann, der fast alles kann.

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