Alexander Gerst: Den Sternen ganz nah

Keiner war 2014 so weit oben wie er, selbst die Weltmeister nicht. Alexander Gerst hat fast die Hälfte des Jahres auf der Raumstation ISS verbracht. Also: im Weltall. Rund 2500-mal hat er die Erde umrundet, fast 100 Experimente durchgeführt. Gerst war richtig weit weg, aber bei der WM war er genauso nah dran wie alle anderen. Doch dieser Fußball war nicht von dieser Welt.

Alexander Gerst flog, elegant und formschön, so waagerecht wie ein abgeschossener Pfeil, deutlich langsamer zwar, aber unaufhaltsam. Eine Torwartparade, wie sie kein Lehrbuch besser hätte darstellen können. Die harte Landung danach blieb aus. Gerst schwebte weiter, den Ball in der Hand, ehe er sich an der Wand abstieß. So sieht also Freizeit auf der ISS aus. Es wird gekickt. Schwerelos und technisch anspruchsvoll. Fallrückzieher funktionieren wie von selbst, und für einen Torwart kann es nichts Schöneres geben, als so zu einem Ball zu springen. Und ganz sicher zu wissen: Den kriege ich.

Glückwünsche aus dem All nach "Galactic Viewing"

Ein bisschen stand die Weltraummission des 38-Jährigen, der als elfter Deutscher im All war, auch im Zeichen des Fußballs – zumindest von Mitte Juni bis Mitte Juli. Schon als Gerst Ende Mai auf der Internationalen Raumstation angekommen war, sagte er, die Crew habe eine Anfrage an das Kontrollzentrum gerichtet, um die Spiele der Deutschen, der US-Amerikaner und der Russen sehen zu können. "Darauf freuen wir uns", sagte Gerst, der seinen Weltmeister-Tipp aber nur indirekt preisgab: "Ich bin mir sicher, dass der Beste gewinnt. Aber Sie können sich sicher vorstellen, für wen mein Herz schlägt."

Die Arbeitstage waren lang auf der Raumstation, doch die Crew nahm sich die Zeit zum "Galactic Viewing", zum Fußball gucken im All. Beim ersten Spiel gegen Portugal reichte es immerhin für 20 Minuten. "Astro-Alex" sah einen deutschen Sieg und twitterte: "Glückwunsch ans DFB-Team!" Das Spiel hatten sie auf einem Laptop verfolgt, sie hatten sich dabei festhalten müssen. Bier oder Cola zum Spiel gab es nicht. Kohlensäure und Schwerelosigkeit, das verträgt sich nicht. Tee hatten sie und Säfte, na gut, Hauptsache, es gab 400 Kilometer über der Erde überhaupt Fußball.

"Gratulation von der ISS für eine Top-Leistung"

Die Spannung stieg. 2:2 gegen Ghana und dann: das Spiel ums Weiterkommen, das Spiel gegen die USA. Ein besonderes: Löw gegen Klinsmann. Und Gerst gegen Wiseman und Swanson. Mit seinen beiden Kollegen schloss der deutsche Astronaut eine Wette ab. Sollten die USA gewinnen, dürften sie ihm eine US-Flagge auf den Kopf pinseln. Bei einem deutschen Sieg, so war es abgesprochen, dürfte Gerst den Kollegen seine Frisur verpassen. Also: eine Glatze. Thomas Müller machte seinen Landsmann im All damit für ein paar Minuten zum Frisör. Ein herkömmlicher Rasierer war es im Übrigen nicht. Eher eine Art Rasierer-Staubsauger. Sonst wären die Haare durch die ganze Station geflogen. Die US-Boys nahmen‘s sportlich. "Es war schön, heute Morgen aufzuwachen und sich nicht um sein Haar sorgen zu müssen", sagte Reid Wiseman. "Da ist nämlich keins."

Wetten gab es anschließend keine mehr. Die Russen waren schon nach der Vorrunde raus, die Amerikaner nach dem Achtelfinale. Blieben Gerst und die Deutschen. Am Finaltag twitterte er: "Super Leistung vom DFB-Team. Falls Deutschland gewinnt, widme ich die nächsten elf Erdumrundungen der deutschen Mannschaft!" Mehrere hundert Millionen sahen sich das große Spiel gegen Argentinien auf der Erde an, und im All drückte Gerst die Daumen. Mit Erfolg. Und der Astronaut war vorbereitet. Nach dem Spiel veröffentlichte er ein Foto von sich im Deutschland-Trikot. Und darauf: ein selbst gebastelter vierter Stern. "Gratulation von der ISS für eine Top-Leistung", stand darunter. "Als Experten in Sachen Sterne haben wir schon mal einen besorgt." Die beste Mannschaft hatte gewonnen, die, der sein Herz gehört, ein perfekter Abschluss.

Die deutsche WM-Mission war damit gelungen, Gersts persönliche ging noch gut vier Monate weiter. Am 10. November landete er wieder auf der Erde. Gesund, glücklich – und als Weltmeister.

[gt]

Keiner war 2014 so weit oben wie er, selbst die Weltmeister nicht. Alexander Gerst hat fast die Hälfte des Jahres auf der Raumstation ISS verbracht. Also: im Weltall. Rund 2500-mal hat er die Erde umrundet, fast 100 Experimente durchgeführt. Gerst war richtig weit weg, aber bei der WM war er genauso nah dran wie alle anderen. Doch dieser Fußball war nicht von dieser Welt.

Alexander Gerst flog, elegant und formschön, so waagerecht wie ein abgeschossener Pfeil, deutlich langsamer zwar, aber unaufhaltsam. Eine Torwartparade, wie sie kein Lehrbuch besser hätte darstellen können. Die harte Landung danach blieb aus. Gerst schwebte weiter, den Ball in der Hand, ehe er sich an der Wand abstieß. So sieht also Freizeit auf der ISS aus. Es wird gekickt. Schwerelos und technisch anspruchsvoll. Fallrückzieher funktionieren wie von selbst, und für einen Torwart kann es nichts Schöneres geben, als so zu einem Ball zu springen. Und ganz sicher zu wissen: Den kriege ich.

Glückwünsche aus dem All nach "Galactic Viewing"

Ein bisschen stand die Weltraummission des 38-Jährigen, der als elfter Deutscher im All war, auch im Zeichen des Fußballs – zumindest von Mitte Juni bis Mitte Juli. Schon als Gerst Ende Mai auf der Internationalen Raumstation angekommen war, sagte er, die Crew habe eine Anfrage an das Kontrollzentrum gerichtet, um die Spiele der Deutschen, der US-Amerikaner und der Russen sehen zu können. "Darauf freuen wir uns", sagte Gerst, der seinen Weltmeister-Tipp aber nur indirekt preisgab: "Ich bin mir sicher, dass der Beste gewinnt. Aber Sie können sich sicher vorstellen, für wen mein Herz schlägt."

Die Arbeitstage waren lang auf der Raumstation, doch die Crew nahm sich die Zeit zum "Galactic Viewing", zum Fußball gucken im All. Beim ersten Spiel gegen Portugal reichte es immerhin für 20 Minuten. "Astro-Alex" sah einen deutschen Sieg und twitterte: "Glückwunsch ans DFB-Team!" Das Spiel hatten sie auf einem Laptop verfolgt, sie hatten sich dabei festhalten müssen. Bier oder Cola zum Spiel gab es nicht. Kohlensäure und Schwerelosigkeit, das verträgt sich nicht. Tee hatten sie und Säfte, na gut, Hauptsache, es gab 400 Kilometer über der Erde überhaupt Fußball.

"Gratulation von der ISS für eine Top-Leistung"

Die Spannung stieg. 2:2 gegen Ghana und dann: das Spiel ums Weiterkommen, das Spiel gegen die USA. Ein besonderes: Löw gegen Klinsmann. Und Gerst gegen Wiseman und Swanson. Mit seinen beiden Kollegen schloss der deutsche Astronaut eine Wette ab. Sollten die USA gewinnen, dürften sie ihm eine US-Flagge auf den Kopf pinseln. Bei einem deutschen Sieg, so war es abgesprochen, dürfte Gerst den Kollegen seine Frisur verpassen. Also: eine Glatze. Thomas Müller machte seinen Landsmann im All damit für ein paar Minuten zum Frisör. Ein herkömmlicher Rasierer war es im Übrigen nicht. Eher eine Art Rasierer-Staubsauger. Sonst wären die Haare durch die ganze Station geflogen. Die US-Boys nahmen‘s sportlich. "Es war schön, heute Morgen aufzuwachen und sich nicht um sein Haar sorgen zu müssen", sagte Reid Wiseman. "Da ist nämlich keins."

Wetten gab es anschließend keine mehr. Die Russen waren schon nach der Vorrunde raus, die Amerikaner nach dem Achtelfinale. Blieben Gerst und die Deutschen. Am Finaltag twitterte er: "Super Leistung vom DFB-Team. Falls Deutschland gewinnt, widme ich die nächsten elf Erdumrundungen der deutschen Mannschaft!" Mehrere hundert Millionen sahen sich das große Spiel gegen Argentinien auf der Erde an, und im All drückte Gerst die Daumen. Mit Erfolg. Und der Astronaut war vorbereitet. Nach dem Spiel veröffentlichte er ein Foto von sich im Deutschland-Trikot. Und darauf: ein selbst gebastelter vierter Stern. "Gratulation von der ISS für eine Top-Leistung", stand darunter. "Als Experten in Sachen Sterne haben wir schon mal einen besorgt." Die beste Mannschaft hatte gewonnen, die, der sein Herz gehört, ein perfekter Abschluss.

Die deutsche WM-Mission war damit gelungen, Gersts persönliche ging noch gut vier Monate weiter. Am 10. November landete er wieder auf der Erde. Gesund, glücklich – und als Weltmeister.