40 Tonnen Gepäck und 50 Mitarbeiter

Fast zwei Jahre Vorbereitung. Eine Aufgebotsbekanntgabe in knapp 3.000 Meter Höhe auf der Zugspitze, eine kurze Regeneration auf des Deutschen liebster Insel, zwei letzte Tests in Kaiserslautern und Gelsenkirchen, dann das Basiscamp im Tessin. Und dann geht’s los gegen Polen.

Die Stationen vor dem Tag X werden immer weniger.

20 Tage vor diesem ersten Spiel gegen die polnische Nationalmannschaft (8. Juni 2008, 20.45 Uhr, live im ZDF) im österreichischen Klagenfurt beginnt für den inneren Zirkel die wirklich ganz heiße Phase. Am Montag um 14.45 Uhr flog der Tross inklusive der Nationalspieler vom Rhein-Main-Flughafen nach Mallorca. Georg Behlau, der Leiter des Büros Nationalmannschaft, der vor zehn Jahren seine Laufbahn beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) begann, redet im aktuellen „DFB.de-Gespräch der Woche“ mit Internetredakteur Thomas Hackbarth über die Organisation hinter den Kulissen. Der 39 Jahre alte Behlau, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in der Nähe von Limburg lebt, bittet alle Fans um Verständnis, dass kein öffentliches Training auf Mallorca abgehalten wird. Er spricht über den Druck, der sogar noch größer ist als vor der WM im eigenen Land. Und darüber, dass das „Drumherum“ zwar „eine Bahn für den Erfolg vorbereiten kann“, aber das wirklich Wichtige – Gott sei dank - immer noch auf dem Platz geschieht. Behlau: „Wir schießen keine Tore.“

Frage: Nicht mehr lange bis zum ersten Spiel der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Welche Aufgabe standen denn in letzten Tagen noch an, Herr Behlau?

Georg Behlau: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, derzeit läuft vieles gleichzeitig. Das Material fürs Trainingslager auf Mallorca transportieren wir mit sechs vollgepackten LKW, das sind insgesamt 40 Tonnen. Der erste LKW ist schon am Donnerstag auf Mallorca eingetroffen. Meine Kollegen aus dem Büro der Nationalmannschaft haben gerade unser Ticketkontingent für die Spieler und Trainer sortiert, das wir von der UEFA abgeholt haben. Die Koffer von Rimowa und die Ausstattung des Modehauses Strenesse wurden angeliefert. Logisch, ich telefoniere mehrmals täglich mit adidas. Wir haben unsere Bürokoffer gepackt. Vor ihnen liegt das Organisations-Manual, also unser zentrales Handbuch, in dem ich nur die wichtigsten Dinge auf mittlerweile 103 Seiten zusammengetragen habe. Wann wir wo sind, das steht hier für jeden Tag bis zum Finale drin. Jeder Schritt zieht Folgen nach sich. Alles ist passgenau geplant und abgesprochen - wie wir im Flugzeug sitzen und wann wir fliegen, wo wir mit der Sicherheit absperren, wo wir den Bus hinstellen, wo die Medien platziert sind...

Frage: Wieviele Leute insgesamt arbeiten rund um die Nationalmannschaft, vom Zeugwart bis zum Physiotherapeuten?

Behlau: Das Büro der Nationalmannschaft, im Endeffekt die Koordinations- und Clearingstelle für alle Abläufe rund um die Mannschaft, hat drei Festangestellte. Rund ums Team arbeitet ein Stab von 30 Mitarbeitern, dazu kommt der Sicherheits- und Fahrdienst. Was früher „Damenprogramm“ war etwa für die Spielerfrauen, nennen wir inzwischen „Family & Friends“-Betreuung – die wiederum von zusätzlichen Kollegen geleistet wird.

Frage: Es wird Schnittstellen zur UEFA und zum Organisationskomitee geben.

Behlau: Richtig, uns werden von der UEFA Leute an die Seite gestellt, so dass wir final von etwa 50 Personen reden, die ab dem ersten Tag in Ascona rund um die Mannschaft arbeiten.

Frage: Insgesamt ein eingespieltes Team?

Behlau: Der innere Betreuerstab ist perfekt eingespielt. Die Kunst besteht darin, sich auf den Punkt sauber zu organisieren und zu kommunizieren. Denn jeder geht seiner Arbeit dezentral nach. Hier arbeiten viele Fachleute an einem Teilbereich des Projekts. Das müssen wir jeden Tag wieder in eine Form gießen. Ich springe normalerweise durch die Meetings der Fachabteilungen, gerade auch um Oliver Bierhoff und den Bundestrainer auf Informationsstand zu halten, ohne die beiden zu sehr von den wesentlichen, also den sportlichen Fragen abzulenken. Das verlangt von mir schnelle Entscheidungen und Fingerspitzengefühl. Was bringe ich selbst auf den Weg, was gebe ich weiter? Die Physiotherapeuten und die Ärzte sind autonom, haben einen eigenen direkten Kommunikationsweg, weil das natürlich auch Dinge sind, die den Trainer am meisten interessieren.

Frage: Seit Jürgen Klinsmanns Zeit als Bundestrainer bringt die Nationalmannschaft ihren eigenen Kraftraum mit, egal wo auf der Welt gespielt wird. Gilt dieses Prinzip, immer mit den gleichen Dienstleistern zu arbeiten, auch für andere Bereiche?

Behlau: In der Tat, das war damals unter Jürgen eine Neuerung. Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Firmen, die uns die benötigten Fitness- und Kraftgeräte zur Verfügung stellen, auch technisches Material, etwa die Videotechnik, die Flaireinrichtung für die Spieler-Lounge oder die Büromöbel. Wir wollen einfach vor Ort keine Überraschungen erleben. Unsere Spieler und Trainer sollen ein vertrautes Umfeld vorfinden.

Frage: Ich könnte mir vorstellen, dass im Zusammenspiel mit den einzelnen Partnern auch viel kommuniziert werden muss, etwa im Kontakt zu Adidas, zu Mercedes-Benz, zu Lufthansa, zum Reisebüro EuroLloyd DFB...

Behlau: Das ist eine der größten Aufgaben, dass man im Endeffekt alle einzelnen Teilbereiche wie bei einem Puzzle zu einem stimmigen Bild zusammensetzt. Bei den bewährten Fachleuten ist das kein Thema. Es sind die Leute, die erst vor Ort ins Spiel kommen, die wir genau unter- und anweisen müssen. In den letzten Wochen und Monaten hatte ich zahllose Gespräche, auch vor Ort, mit der Leitung des Giardino, unseres Hotels in Ascona, und auch mit dem Flughafen in Lugano. Entsprechend mit den Verantwortlichen in Klagenfurt, in Wien und in Basel, wo wir ganz nach Verlauf des Turniers antreten werden.

Frage: Welche Wichtigkeit hat das Teamhotel in der Erfolgsformel der Nationalmannschaft?

Behlau: Das Hotel ist natürlich von zentraler Bedeutung. Wir sind dafür verantwortlich, dass sich Trainerstab und Spieler in einem ruhigen Umfeld auf die Spiele vorbereiten können. Die UEFA hat die Teamhotels am Spielort auch gleichzeitig zu Sponsorenhotels emacht. Wir müssen also auch innerhalb des Hotels dafür sorgen, dass die Funktionsräume und Wohnflure, die von der Mannschaft benötigt werden und in denen sie sich aufhält, entsprechend Rückzugsmöglichkeiten bieten. Bei einem internationalen Turnier wie der Europameisterschaft ist die Begeisterung riesengroß. Fans wie auch die Sponsoren und sonstige Leute werden von einer großen Begeisterung bewegt, für sie ist es das Größte überhaupt einmal einem Spieler zu begegnen. Wir wollen die Spieler ja nicht wegschließen, aber wir sind sicher dafür da, Maßnahmen zu ergreifen damit wir uns in Ruhe und konzentriert vorbereiten können.

Frage: Hat Bundestrainer Joachim Löw den Tipp für das „Giardino“ gegeben, das Hotel, das Basislager der deutschen Mannschaft in Ascona?

Behlau: Jogi Löw kannte das Hotel und hat es empfohlen. Schon vor der WM 2006 hatten wir ein Auge auf den Kanton Tessin geworfen und waren, gemeinsam mit Manager Oliver Bierhoff, auf Stippvisite in Lugano. Das Flair im Tessin hat uns damals schon begeistert. Deshalb lag es nahe zur Europameisterschaft diese Location noch mal anzuschauen. Mit dem Giardino, seiner Größe und Exklusivität und seiner Lage im Dreieck Hotel-Trainingszentrum-Flughafen, zudem der Möglichkeit, das Medienzentrum direkt im Trainingszentrum Tenero unterzubringen, haben wir in der Summe sicher eine nahezu perfekte Wahl getroffen.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat entschieden, dass es auf Mallorca kein öffentliches Training geben wird. Gerade jetzt Mitte und Ende Mai sind viele Deutsche auf der Insel. Haben Sie Verständnis dafür, das doch einige Fans enttäuscht darüber sind?

Behlau: Ich kann das nachvollziehen, dass uns viele Fans gerne beim Training auf Mallorca zugeschaut hätten. Es gibt für uns aber viele gute Gründe, anders zu planen. Wir wissen, wie wichtig die Fans für uns sind. Aber sportlich und organisatorisch hätte ein öffentliches Trainings für uns keinen Sinn gemacht. Gleichzeitig bitte ich die Anhänger der deutschen Mannschaft zu bedenken, dass in der Kürze der EM-Vorbereitung ein gezieltes Regenerationstraining die wichtigste Aufgabe für den Bundestrainer ist. Ein öffentliches Training ist eine Veranstaltung, in der die Spieler nicht so konzentriert trainieren können wie es in der EM-Vorbereitungsphase nötig ist. Bedenken Sie außerdem den organisatorischen Aufwand. Bei den letzten öffentlichen Trainingseinheiten, etwa in Frankfurt, kamen 30.000 bis 40.000 Leute ins Stadion. Wir müssten für das Stadion in Mallorca Tickets drucken und eine faire und praktikable Mechanik der Verteilung entwickeln. Wir müssten für die entsprechende Sicherheit garantieren. Der zeitliche Aufwand wäre einfach zu groß. Wir wollen uns in den nächsten Tagen wirklich ausschließlich darauf konzentrieren, dass sportlich alles optimal läuft und andere Aktivitäten haben da leider keinen Platz.

Frage: Die ersten Tage auf Mallorca stehen ganz im Zeichen der Regeneration. Gibt es eine besondere Aktion auch um Interesse des Teambuilding?

Behlau: Wir werden in den ersten Tagen mit Sicherheit einen schönen, gemeinsamen Barbecue-Abend machen.

Frage: Verschwiegenheit ist in Ihrer Position sicher eine ganz wichtige Qualität. Wir fragen dennoch: Gibt es eine Geschichte, eine Anekdote über besondere Wünsche oder Ansprüche etwa eines Spielers, die Sie uns erzählen können?

Behlau: Verschwiegenheit und Loyalität haben oberste Priorität, wenn man rund um das Team arbeitet. Ich verstehe das journalistische Anliegen, aber mir ist nichts zu entlocken.

Frage: Schon 2006 haben Sie das Büro der Nationalmannschaft geleitet. Eine Männer-WM im eigenen Land, das sehen wir in unserer Generation vielleicht nicht mehr wieder. Trotzdem ist die Erwartungshaltung jetzt fast noch höher als vor zwei Jahren. Spüren Sie diesen Druck auch auf der organisatorischen Ebene?

Behlau: Es ist in der Tat eine ganz andere Ausgangssituation. Vor der WM 2006 hat doch - das ist bis heute meine Meinung - bis auf das Team selbst und das direkte Umfeld nie eine Mehrheit in der Öffentlichkeit an uns geglaubt. Dann sind wir im eigenen Land weit gekommen, schließlich bis ins Halbfinale, und daraus entfachte sich eine riesige Euphorie. Dazu kam sicher auch die sensationelle Art, wie sich das Team präsentiert hat. Nach der Stabübergabe von Klinsmann zu Joachim Löw, ist es unserem Team gelungen, diese Begeisterung durch eine sehr gute Qualifikation weiter anzufachen. Wir konnten das Ticket für Österreich und die Schweiz zum frühst möglichen Zeitpunkt lösen. Deshalb sind wir einer der Favoriten bei der Europmeisterschaft, aber sicher nicht der Top-Favorit. Was Ihre Frage betrifft: In der Tat, der Druck ist da. Nur ich glaube, wenn man die deutsche Nationalmannschaft organisieren darf, ist der Druck immer da. Seit dem ich mich erinnern kann, auch als kleiner Junge noch, ist es vor Weltmeisterschaften oder Europameisterschaft immer so gewesen, dass wenn Deutschland zu einem Turnier fährt, dann erwarten die Deutschen einfach Erfolg. Aber ich denke, wir sind selbstbewusst genug. Wir haben alles neben dem Platz getan, was möglich war.

Frage: Sie haben vor dieser Karrierestation sechs Jahre im Büro des damaligen Generalsekretärs Horst R. Schmidt gearbeitet. War das eine gute Schule für ihre heutige Aufgabe?

Behlau: Organisatorische Abläufe ähneln sich immer. Ich bin dankbar für die sechs Jahre lang dauernde Ausbildung, die ich im Generalsekretariat genießen durfte. Ich bin ein Verbandsmann, der das Geschäft von der Pike auf gelernt hat. Auch in meiner damaligen Rolle habe ich mich schon mit der Nationalmannschaft beschäftigt, etwas bei den verschiedenen Verträgen oder der Gestaltung des Länderspielkalenders. Diese Erfahrung gibt mir den Rückhalt, den Verband in seinen Abläufen und Zielsetzungen zu verstehen. Verbandsarbeit muss immer ganz anders sein als etwa für einen Bundesliga-Klub, denn hier ist die Interessenlage viel differenzierter. Über 80 Millionen Menschen in unserem Land drücken gerade jetzt der Nationalmannschaft die Daumen, dazu kommen die Ansprüche und Interessen des DFB, des Ligaverbands und der Heimatklubs der Spieler, sei es national oder international. Ein Einsatz in der Nationalmannschaft krönt eine Spielerkarriere. Ein Bundestrainer hat keinen normalen Job, egal in welchem Land. Und das gilt auch für uns alle, die wir im Umfeld arbeiten.

Weitere Informationen zur EURO 2008 finden Sie hier.

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Fast zwei Jahre Vorbereitung. Eine Aufgebotsbekanntgabe in knapp 3.000 Meter Höhe auf der Zugspitze, eine kurze Regeneration auf des Deutschen liebster Insel, zwei letzte Tests in Kaiserslautern und Gelsenkirchen, dann das Basiscamp im Tessin. Und dann geht’s los gegen Polen.

Die Stationen vor dem Tag X werden immer weniger.

20 Tage vor diesem ersten Spiel gegen die polnische Nationalmannschaft (8. Juni 2008, 20.45 Uhr, live im ZDF) im österreichischen Klagenfurt beginnt für den inneren Zirkel die wirklich ganz heiße Phase. Am Montag um 14.45 Uhr flog der Tross inklusive der Nationalspieler vom Rhein-Main-Flughafen nach Mallorca. Georg Behlau, der Leiter des Büros Nationalmannschaft, der vor zehn Jahren seine Laufbahn beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) begann, redet im aktuellen „DFB.de-Gespräch der Woche“ mit Internetredakteur Thomas Hackbarth über die Organisation hinter den Kulissen. Der 39 Jahre alte Behlau, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in der Nähe von Limburg lebt, bittet alle Fans um Verständnis, dass kein öffentliches Training auf Mallorca abgehalten wird. Er spricht über den Druck, der sogar noch größer ist als vor der WM im eigenen Land. Und darüber, dass das „Drumherum“ zwar „eine Bahn für den Erfolg vorbereiten kann“, aber das wirklich Wichtige – Gott sei dank - immer noch auf dem Platz geschieht. Behlau: „Wir schießen keine Tore.“

Frage: Nicht mehr lange bis zum ersten Spiel der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Welche Aufgabe standen denn in letzten Tagen noch an, Herr Behlau?

Georg Behlau: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, derzeit läuft vieles gleichzeitig. Das Material fürs Trainingslager auf Mallorca transportieren wir mit sechs vollgepackten LKW, das sind insgesamt 40 Tonnen. Der erste LKW ist schon am Donnerstag auf Mallorca eingetroffen. Meine Kollegen aus dem Büro der Nationalmannschaft haben gerade unser Ticketkontingent für die Spieler und Trainer sortiert, das wir von der UEFA abgeholt haben. Die Koffer von Rimowa und die Ausstattung des Modehauses Strenesse wurden angeliefert. Logisch, ich telefoniere mehrmals täglich mit adidas. Wir haben unsere Bürokoffer gepackt. Vor ihnen liegt das Organisations-Manual, also unser zentrales Handbuch, in dem ich nur die wichtigsten Dinge auf mittlerweile 103 Seiten zusammengetragen habe. Wann wir wo sind, das steht hier für jeden Tag bis zum Finale drin. Jeder Schritt zieht Folgen nach sich. Alles ist passgenau geplant und abgesprochen - wie wir im Flugzeug sitzen und wann wir fliegen, wo wir mit der Sicherheit absperren, wo wir den Bus hinstellen, wo die Medien platziert sind...

Frage: Wieviele Leute insgesamt arbeiten rund um die Nationalmannschaft, vom Zeugwart bis zum Physiotherapeuten?

Behlau: Das Büro der Nationalmannschaft, im Endeffekt die Koordinations- und Clearingstelle für alle Abläufe rund um die Mannschaft, hat drei Festangestellte. Rund ums Team arbeitet ein Stab von 30 Mitarbeitern, dazu kommt der Sicherheits- und Fahrdienst. Was früher „Damenprogramm“ war etwa für die Spielerfrauen, nennen wir inzwischen „Family & Friends“-Betreuung – die wiederum von zusätzlichen Kollegen geleistet wird.

Frage: Es wird Schnittstellen zur UEFA und zum Organisationskomitee geben.

Behlau: Richtig, uns werden von der UEFA Leute an die Seite gestellt, so dass wir final von etwa 50 Personen reden, die ab dem ersten Tag in Ascona rund um die Mannschaft arbeiten.

Frage: Insgesamt ein eingespieltes Team?

Behlau: Der innere Betreuerstab ist perfekt eingespielt. Die Kunst besteht darin, sich auf den Punkt sauber zu organisieren und zu kommunizieren. Denn jeder geht seiner Arbeit dezentral nach. Hier arbeiten viele Fachleute an einem Teilbereich des Projekts. Das müssen wir jeden Tag wieder in eine Form gießen. Ich springe normalerweise durch die Meetings der Fachabteilungen, gerade auch um Oliver Bierhoff und den Bundestrainer auf Informationsstand zu halten, ohne die beiden zu sehr von den wesentlichen, also den sportlichen Fragen abzulenken. Das verlangt von mir schnelle Entscheidungen und Fingerspitzengefühl. Was bringe ich selbst auf den Weg, was gebe ich weiter? Die Physiotherapeuten und die Ärzte sind autonom, haben einen eigenen direkten Kommunikationsweg, weil das natürlich auch Dinge sind, die den Trainer am meisten interessieren.

Frage: Seit Jürgen Klinsmanns Zeit als Bundestrainer bringt die Nationalmannschaft ihren eigenen Kraftraum mit, egal wo auf der Welt gespielt wird. Gilt dieses Prinzip, immer mit den gleichen Dienstleistern zu arbeiten, auch für andere Bereiche?

Behlau: In der Tat, das war damals unter Jürgen eine Neuerung. Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Firmen, die uns die benötigten Fitness- und Kraftgeräte zur Verfügung stellen, auch technisches Material, etwa die Videotechnik, die Flaireinrichtung für die Spieler-Lounge oder die Büromöbel. Wir wollen einfach vor Ort keine Überraschungen erleben. Unsere Spieler und Trainer sollen ein vertrautes Umfeld vorfinden.

Frage: Ich könnte mir vorstellen, dass im Zusammenspiel mit den einzelnen Partnern auch viel kommuniziert werden muss, etwa im Kontakt zu Adidas, zu Mercedes-Benz, zu Lufthansa, zum Reisebüro EuroLloyd DFB...

Behlau: Das ist eine der größten Aufgaben, dass man im Endeffekt alle einzelnen Teilbereiche wie bei einem Puzzle zu einem stimmigen Bild zusammensetzt. Bei den bewährten Fachleuten ist das kein Thema. Es sind die Leute, die erst vor Ort ins Spiel kommen, die wir genau unter- und anweisen müssen. In den letzten Wochen und Monaten hatte ich zahllose Gespräche, auch vor Ort, mit der Leitung des Giardino, unseres Hotels in Ascona, und auch mit dem Flughafen in Lugano. Entsprechend mit den Verantwortlichen in Klagenfurt, in Wien und in Basel, wo wir ganz nach Verlauf des Turniers antreten werden.

Frage: Welche Wichtigkeit hat das Teamhotel in der Erfolgsformel der Nationalmannschaft?

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Behlau: Das Hotel ist natürlich von zentraler Bedeutung. Wir sind dafür verantwortlich, dass sich Trainerstab und Spieler in einem ruhigen Umfeld auf die Spiele vorbereiten können. Die UEFA hat die Teamhotels am Spielort auch gleichzeitig zu Sponsorenhotels emacht. Wir müssen also auch innerhalb des Hotels dafür sorgen, dass die Funktionsräume und Wohnflure, die von der Mannschaft benötigt werden und in denen sie sich aufhält, entsprechend Rückzugsmöglichkeiten bieten. Bei einem internationalen Turnier wie der Europameisterschaft ist die Begeisterung riesengroß. Fans wie auch die Sponsoren und sonstige Leute werden von einer großen Begeisterung bewegt, für sie ist es das Größte überhaupt einmal einem Spieler zu begegnen. Wir wollen die Spieler ja nicht wegschließen, aber wir sind sicher dafür da, Maßnahmen zu ergreifen damit wir uns in Ruhe und konzentriert vorbereiten können.

Frage: Hat Bundestrainer Joachim Löw den Tipp für das „Giardino“ gegeben, das Hotel, das Basislager der deutschen Mannschaft in Ascona?

Behlau: Jogi Löw kannte das Hotel und hat es empfohlen. Schon vor der WM 2006 hatten wir ein Auge auf den Kanton Tessin geworfen und waren, gemeinsam mit Manager Oliver Bierhoff, auf Stippvisite in Lugano. Das Flair im Tessin hat uns damals schon begeistert. Deshalb lag es nahe zur Europameisterschaft diese Location noch mal anzuschauen. Mit dem Giardino, seiner Größe und Exklusivität und seiner Lage im Dreieck Hotel-Trainingszentrum-Flughafen, zudem der Möglichkeit, das Medienzentrum direkt im Trainingszentrum Tenero unterzubringen, haben wir in der Summe sicher eine nahezu perfekte Wahl getroffen.

Frage: Bundestrainer Joachim Löw hat entschieden, dass es auf Mallorca kein öffentliches Training geben wird. Gerade jetzt Mitte und Ende Mai sind viele Deutsche auf der Insel. Haben Sie Verständnis dafür, das doch einige Fans enttäuscht darüber sind?

Behlau: Ich kann das nachvollziehen, dass uns viele Fans gerne beim Training auf Mallorca zugeschaut hätten. Es gibt für uns aber viele gute Gründe, anders zu planen. Wir wissen, wie wichtig die Fans für uns sind. Aber sportlich und organisatorisch hätte ein öffentliches Trainings für uns keinen Sinn gemacht. Gleichzeitig bitte ich die Anhänger der deutschen Mannschaft zu bedenken, dass in der Kürze der EM-Vorbereitung ein gezieltes Regenerationstraining die wichtigste Aufgabe für den Bundestrainer ist. Ein öffentliches Training ist eine Veranstaltung, in der die Spieler nicht so konzentriert trainieren können wie es in der EM-Vorbereitungsphase nötig ist. Bedenken Sie außerdem den organisatorischen Aufwand. Bei den letzten öffentlichen Trainingseinheiten, etwa in Frankfurt, kamen 30.000 bis 40.000 Leute ins Stadion. Wir müssten für das Stadion in Mallorca Tickets drucken und eine faire und praktikable Mechanik der Verteilung entwickeln. Wir müssten für die entsprechende Sicherheit garantieren. Der zeitliche Aufwand wäre einfach zu groß. Wir wollen uns in den nächsten Tagen wirklich ausschließlich darauf konzentrieren, dass sportlich alles optimal läuft und andere Aktivitäten haben da leider keinen Platz.

Frage: Die ersten Tage auf Mallorca stehen ganz im Zeichen der Regeneration. Gibt es eine besondere Aktion auch um Interesse des Teambuilding?

Behlau: Wir werden in den ersten Tagen mit Sicherheit einen schönen, gemeinsamen Barbecue-Abend machen.

Frage: Verschwiegenheit ist in Ihrer Position sicher eine ganz wichtige Qualität. Wir fragen dennoch: Gibt es eine Geschichte, eine Anekdote über besondere Wünsche oder Ansprüche etwa eines Spielers, die Sie uns erzählen können?

Behlau: Verschwiegenheit und Loyalität haben oberste Priorität, wenn man rund um das Team arbeitet. Ich verstehe das journalistische Anliegen, aber mir ist nichts zu entlocken.

Frage: Schon 2006 haben Sie das Büro der Nationalmannschaft geleitet. Eine Männer-WM im eigenen Land, das sehen wir in unserer Generation vielleicht nicht mehr wieder. Trotzdem ist die Erwartungshaltung jetzt fast noch höher als vor zwei Jahren. Spüren Sie diesen Druck auch auf der organisatorischen Ebene?

Behlau: Es ist in der Tat eine ganz andere Ausgangssituation. Vor der WM 2006 hat doch - das ist bis heute meine Meinung - bis auf das Team selbst und das direkte Umfeld nie eine Mehrheit in der Öffentlichkeit an uns geglaubt. Dann sind wir im eigenen Land weit gekommen, schließlich bis ins Halbfinale, und daraus entfachte sich eine riesige Euphorie. Dazu kam sicher auch die sensationelle Art, wie sich das Team präsentiert hat. Nach der Stabübergabe von Klinsmann zu Joachim Löw, ist es unserem Team gelungen, diese Begeisterung durch eine sehr gute Qualifikation weiter anzufachen. Wir konnten das Ticket für Österreich und die Schweiz zum frühst möglichen Zeitpunkt lösen. Deshalb sind wir einer der Favoriten bei der Europmeisterschaft, aber sicher nicht der Top-Favorit. Was Ihre Frage betrifft: In der Tat, der Druck ist da. Nur ich glaube, wenn man die deutsche Nationalmannschaft organisieren darf, ist der Druck immer da. Seit dem ich mich erinnern kann, auch als kleiner Junge noch, ist es vor Weltmeisterschaften oder Europameisterschaft immer so gewesen, dass wenn Deutschland zu einem Turnier fährt, dann erwarten die Deutschen einfach Erfolg. Aber ich denke, wir sind selbstbewusst genug. Wir haben alles neben dem Platz getan, was möglich war.

Frage: Sie haben vor dieser Karrierestation sechs Jahre im Büro des damaligen Generalsekretärs Horst R. Schmidt gearbeitet. War das eine gute Schule für ihre heutige Aufgabe?

Behlau: Organisatorische Abläufe ähneln sich immer. Ich bin dankbar für die sechs Jahre lang dauernde Ausbildung, die ich im Generalsekretariat genießen durfte. Ich bin ein Verbandsmann, der das Geschäft von der Pike auf gelernt hat. Auch in meiner damaligen Rolle habe ich mich schon mit der Nationalmannschaft beschäftigt, etwas bei den verschiedenen Verträgen oder der Gestaltung des Länderspielkalenders. Diese Erfahrung gibt mir den Rückhalt, den Verband in seinen Abläufen und Zielsetzungen zu verstehen. Verbandsarbeit muss immer ganz anders sein als etwa für einen Bundesliga-Klub, denn hier ist die Interessenlage viel differenzierter. Über 80 Millionen Menschen in unserem Land drücken gerade jetzt der Nationalmannschaft die Daumen, dazu kommen die Ansprüche und Interessen des DFB, des Ligaverbands und der Heimatklubs der Spieler, sei es national oder international. Ein Einsatz in der Nationalmannschaft krönt eine Spielerkarriere. Ein Bundestrainer hat keinen normalen Job, egal in welchem Land. Und das gilt auch für uns alle, die wir im Umfeld arbeiten.

Weitere Informationen zur EURO 2008 finden Sie hier.