25 Jahre EM-Titel: Viermal England und wieder zurück

Am Nachmittag des 8. Juni 1996 packt Hubert Ilgart seine Sachen. Zahnbürste, frische Unterwäsche und Deutschland-Klamotten sind neben einem großen Zelt im Kofferraum seines blauen Mercedes C180 sicher verstaut. Ein letzter Kontrollblick ins Handschuhfach: Check! Die Tickets sind dabei. Dann geht’s los. Hubert setzt sich ans Lenkrad, schaut rüber zu Kumpel und Beifahrer Frank Karpa und gibt Gas. Noch 860 Kilometer bis Manchester.

Die Vorfreude bei Hubert ist riesig, während er im Morgengrauen durch die menschenleeren Straßen von Manchester kurvt. Die Stille fühlt sich irgendwie unwirklich an. In zwölf Stunden wird er mit 37.300 anderen Fußballfans im Old Trafford den EM-Auftakt der deutschen Mannschaft gegen die Tschechische Republik verfolgen. Einen richtigen Plan, wie die Freunde Tag und Nacht in Manchester verbringen, haben sie ohnehin nicht. Fest steht nur, dass sie nach einer Nacht zurück in die Heimat müssen. Das Urlaubskonto soll nicht überzogen werden.

Zelten am Old Trafford

Am Stadion angekommen, soll zunächst ein Schlafplatz gefunden werden. "Wir konnten doch einfach Privatleute fragen", sagt Hubert und lacht, "damals ging das noch. Und im Zweifel hatten wir das Zelt dabei." Die Taktik geht auf. 500 Meter vom Stadion entfernt schließen die Deutschen Bekanntschaft mit einem Vereinsmitglied des ortsansässigen Cricket-Clubs, der ihnen erlaubt, ihr Zelt unweit des Vereinsheims aufzuschlagen.

Dort sollten sie noch einige Nächte verbringen. Denn klar war, dass die beiden für die Gruppenspiele gegen Russland und Italien wiederkehren würden. Das Zelt und ihre Klamotten ließen sie in der Zwischenzeit unbewacht auf dem Vereinsgelände stehen. Doch die erneute Abfahrt nach Manchester eine Woche später findet unter Protest statt. Nur einen Tag vor der Begegnung gegen Russland ereignet sich in Manchesters Innenstadt ein Bombenanschlag bei dem 212 Leute verletzt wurden. "Unsere Frauen waren nicht begeistert", gesteht Hubert, aber die Freunde lassen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Nach der erfolgreichen Gruppenphase und einem erfolgreichen Abstecher zum deutschen Teamhotel Mottram Hall, bei dem sie ein unterschriebenes Trikot von Ersatztorwart Oliver Reck erstehen, geht es für Hubert erstmal wieder zurück. Um nur drei Tage später mit seinem Kumpel Wilfried Eickels wieder retour auf die Insel zu fahren. Das Viertel- und Halbfinale vergehen wie im Rausch. Vor allem das Spiel gegen die Three Lions mit dem dramatischen Elfmeterschießen geht Hubert bis heute unter die Haut. Eine halbe Stunde nach Abpfiff hat er noch einen Piepton im Ohr, so laut sei das gellende Pfeifkonzert der Gastgeber gewesen.

Nachts zurück nach Aachen

Und weil Hubert das zweite Finalticket seiner Frau Beate versprochen hatte, geht es nach dem Spiel mal wieder mitten durch die Nacht zurück nach Aachen. Am Tag des hat Hubert kein gutes Gefühl. Mit seiner Frau und drei Freunden sitzt er mal wieder hinter dem Lenkrad und bringt die Gruppe nach London. Bei Oliver Bierhoffs Golden Goal sei den meisten Fans im Stadion zunächst gar nicht klar gewesen, was das bedeuten würde. Doch spätestens als Jürgen Klinsmann den Pokal in den Londoner Nachthimmel streckt, ist der Jubel grenzenlos und Huberts schlechtes Gefühl vom Morgen verflogen.

Im Juni 2003 reisen Hubert, seine Frau und die gemeinsamen Kinder mit einem Wohnmobil nach Glasgow zum EM-Qualifikationsspiel zwischen Schottland und Deutschland. Die Rückfahrt möchte Hubert nutzen, um seinen Kindern zu zeigen, wo ihr Vater im Sommer 1996 sein Zelt aufgeschlagen hat. Die Geschichte vom EM-Triumph hängt ihnen wahrscheinlich schon zum Halse raus, so oft hat Hubert davon erzählt. Am Gelände des Cricket-Clubs in Manchester angekommen, muss er jedoch enttäuscht und wehmütig feststellen, dass er nichts mehr wiedererkennt. Alles sieht anders aus. Kein Vereinsheim. Keine Wiese zum Zelten. Aber in seinen Gedanken lebt der Sommer von 1996 weiter. Mit Zelt, jeder Menge Autobahnkilometer und dem Europameisterschaftstitel.

[jh]

Am Nachmittag des 8. Juni 1996 packt Hubert Ilgart seine Sachen. Zahnbürste, frische Unterwäsche und Deutschland-Klamotten sind neben einem großen Zelt im Kofferraum seines blauen Mercedes C180 sicher verstaut. Ein letzter Kontrollblick ins Handschuhfach: Check! Die Tickets sind dabei. Dann geht’s los. Hubert setzt sich ans Lenkrad, schaut rüber zu Kumpel und Beifahrer Frank Karpa und gibt Gas. Noch 860 Kilometer bis Manchester.

Die Vorfreude bei Hubert ist riesig, während er im Morgengrauen durch die menschenleeren Straßen von Manchester kurvt. Die Stille fühlt sich irgendwie unwirklich an. In zwölf Stunden wird er mit 37.300 anderen Fußballfans im Old Trafford den EM-Auftakt der deutschen Mannschaft gegen die Tschechische Republik verfolgen. Einen richtigen Plan, wie die Freunde Tag und Nacht in Manchester verbringen, haben sie ohnehin nicht. Fest steht nur, dass sie nach einer Nacht zurück in die Heimat müssen. Das Urlaubskonto soll nicht überzogen werden.

Zelten am Old Trafford

Am Stadion angekommen, soll zunächst ein Schlafplatz gefunden werden. "Wir konnten doch einfach Privatleute fragen", sagt Hubert und lacht, "damals ging das noch. Und im Zweifel hatten wir das Zelt dabei." Die Taktik geht auf. 500 Meter vom Stadion entfernt schließen die Deutschen Bekanntschaft mit einem Vereinsmitglied des ortsansässigen Cricket-Clubs, der ihnen erlaubt, ihr Zelt unweit des Vereinsheims aufzuschlagen.

Dort sollten sie noch einige Nächte verbringen. Denn klar war, dass die beiden für die Gruppenspiele gegen Russland und Italien wiederkehren würden. Das Zelt und ihre Klamotten ließen sie in der Zwischenzeit unbewacht auf dem Vereinsgelände stehen. Doch die erneute Abfahrt nach Manchester eine Woche später findet unter Protest statt. Nur einen Tag vor der Begegnung gegen Russland ereignet sich in Manchesters Innenstadt ein Bombenanschlag bei dem 212 Leute verletzt wurden. "Unsere Frauen waren nicht begeistert", gesteht Hubert, aber die Freunde lassen sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Nach der erfolgreichen Gruppenphase und einem erfolgreichen Abstecher zum deutschen Teamhotel Mottram Hall, bei dem sie ein unterschriebenes Trikot von Ersatztorwart Oliver Reck erstehen, geht es für Hubert erstmal wieder zurück. Um nur drei Tage später mit seinem Kumpel Wilfried Eickels wieder retour auf die Insel zu fahren. Das Viertel- und Halbfinale vergehen wie im Rausch. Vor allem das Spiel gegen die Three Lions mit dem dramatischen Elfmeterschießen geht Hubert bis heute unter die Haut. Eine halbe Stunde nach Abpfiff hat er noch einen Piepton im Ohr, so laut sei das gellende Pfeifkonzert der Gastgeber gewesen.

Nachts zurück nach Aachen

Und weil Hubert das zweite Finalticket seiner Frau Beate versprochen hatte, geht es nach dem Spiel mal wieder mitten durch die Nacht zurück nach Aachen. Am Tag des hat Hubert kein gutes Gefühl. Mit seiner Frau und drei Freunden sitzt er mal wieder hinter dem Lenkrad und bringt die Gruppe nach London. Bei Oliver Bierhoffs Golden Goal sei den meisten Fans im Stadion zunächst gar nicht klar gewesen, was das bedeuten würde. Doch spätestens als Jürgen Klinsmann den Pokal in den Londoner Nachthimmel streckt, ist der Jubel grenzenlos und Huberts schlechtes Gefühl vom Morgen verflogen.

Im Juni 2003 reisen Hubert, seine Frau und die gemeinsamen Kinder mit einem Wohnmobil nach Glasgow zum EM-Qualifikationsspiel zwischen Schottland und Deutschland. Die Rückfahrt möchte Hubert nutzen, um seinen Kindern zu zeigen, wo ihr Vater im Sommer 1996 sein Zelt aufgeschlagen hat. Die Geschichte vom EM-Triumph hängt ihnen wahrscheinlich schon zum Halse raus, so oft hat Hubert davon erzählt. Am Gelände des Cricket-Clubs in Manchester angekommen, muss er jedoch enttäuscht und wehmütig feststellen, dass er nichts mehr wiedererkennt. Alles sieht anders aus. Kein Vereinsheim. Keine Wiese zum Zelten. Aber in seinen Gedanken lebt der Sommer von 1996 weiter. Mit Zelt, jeder Menge Autobahnkilometer und dem Europameisterschaftstitel.

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