DFB-Auslandsexperte Obermann und (s)ein Projekt in Nepal

Mehr als ein halbes Jahr ist es mittlerweile her, als in Nepal die Erde bebte. Wieder und wieder. Die Medien waren voll mit Berichten über das Land in Südasien, die Naturkatastrophe rückte Nepal in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Fokus von Holger Obermann war das Land schon seit zweieinhalb Jahrzehnten.

Seit der Auslandsexperte des DFB zu Beginn der 90er-Jahre in Nepal mit dem Fußball die Welt verbessert hat, ist sein Kontakt dorthin nie abgerissen. Immer wieder war er in Nepal, immer mehr hat er den Menschen geholfen. Nach dem Beben war es wieder so, Obermann hat gehandelt, hat organisiert, hat geholfen. Und hat (s)ein Projekt wiederbelebt, das erst kurz vor dem Beben fertiggestellt wurde und danach wie vieles andere in Trümmern lag. Im Interview mit DFB.de erzählt Obermann die ganze Geschichte. Von Anfang an.

DFB.de: Herr Obermann, Sie haben von 1991 bis 1995 für vier Jahre im Auftrag von DOSB und DFB ein Langzeitprojekt in Nepal betreut. Welche Situation haben Sie vorgefunden, als Sie vor 25 Jahren in Kathmandu angekommen sind? Wie war es damals dort um das Land und den Fußball bestellt?

Holger Obermann: In Nepal waren wenige Monate vor meinem Eintreffen gerade erst blutige Unruhen zu Ende gegangen, das Volk hatte nach Demokratie gestrebt. Und in Folge der Unruhen schien das Land vorübergehend in noch größere Armut und Hoffnungslosigkeit zu verfallen. Welche Rolle konnte da der Sport spielen? Der deutsche Botschafter in Kathmandu, Dr. Schneller, sagte mir nach dem Eintreffen in Kathmandu: "Sie können in den nächsten Jahren mit Ihrem Fußballprojekt einen wesentlichen Beitrag in unserem Land leisten, die vornehmlich jungen Menschen brauchen neue Ziele. Da kommt der Fußball gerade zum richtigen Zeitpunkt."

DFB.de: Die völkerverbindende Kraft des Fußballs ist oft gepriesen. In Nepal haben Sie erlebt, wie der Fußball die Bevölkerung eines Landes verbunden hat. Können Sie dies näher beschreiben?

Obermann: Der Zulauf der fußballbegeisterten jungen Menschen war riesengroß. Alle sehnten sich danach, wieder Fußball zu spielen. Sogar bis in die Bergregionen des Himalaya hinauf. In Nepal gehört das Kastenwesen zur gesellschaftlichen Grundform. Die einen profitieren davon, die anderen leiden darunter, leben noch tiefer unter der Armutsgrenze als der Mittelstand der Bevölkerung. Aber Fußball wollten sie alle spielen, selbst die Mönche in den Klöstern. Ich begann wie in anderen Ländern zuvor mit dem Grundprinzip: über den Jugend- und den Schulfußball hinaus bis hin zum Neustart einer Liga, der Trainerausbildung und schließlich dem Neuaufbau der Nationalmannschaft. Die verantwortlichen Funktionäre und Trainer waren dabei sehr produktiv und hilfsbereit.

DFB.de: Sie haben fast in der ganzen Welt für den Fußball gearbeitet. Über Nepal gibt es von Ihnen das folgende Zitat: "Das Land ist mein zweites Zuhause geworden." Was fasziniert Sie so am "Dach der Welt", warum ist Ihnen ausgerechnet Nepal so sehr ans Herz gewachsen?

Obermann: Mich hat vom ersten Tag an die große Zuneigung der Nepalesen für meine Arbeit begeistert. Ein Trainer aus dem Ausland steht symbolisch gesehen immer vor einem Berg, wenn er so starten muss wie ich damals in Nepal. Aber die Hilfsbereitschaft der Menschen war unwahrscheinlich. Und die fantastische Bergwelt mit dem Mount Everest als höchste Erhebung der Erde tat ein Übriges. Die Anhänglichkeit der Nepalesen wurde noch größer, als wir 1993 in Dhaka, Bangladesch, nach einem Sieg über den hohen Favoriten Indien die Südasien-Meisterschaft gewannen. Und als ich einmal in einer Pressekonferenz sagte, Nepal sei so etwas wie meine zweite Heimat, wurde das so in vielen späteren Berichten wiedergegeben. Nepal war unter vielen Aspekten für mich ganz besonders schön. Ich fühlte mich schon früh angenommen, auch meiner Frau ging es so. Sie hat dort den Buddhismus für sich entdeckt. Wir hatten in Nepal einfach eine spannende, interessante, erfüllende und insgesamt großartige Zeit.

DFB.de: Können Sie Ihre Gedanken und Empfindungen beschreiben, als Sie im April 2015 von dem verheerenden Erdbeben in Nepal gehört haben?

Obermann: Ich war tief betroffen, bestürzt, das ist doch klar. An mir sind viele Erinnerungen an die Zeit in Nepal mit zahlreichen Besuchen und Maßnahmen in den Jahren danach vorübergezogen. Mit dem Ende meines Langzeitprojektes war meine Engagement dort ja nicht vorbei. Die Kontakte haben sich in den Jahren nach meinem Projekt eher noch verstärkt. Wir konnten auch viele Besucher aus Nepal in Deutschland begrüßen und auf diese Weise etwas von der Gastfreundschaft zurückgeben. Drei besonders begabte junge Spieler habe ich sogar in die Frankfurter Fußballschule von Uwe Seeler und Wolfgang Overath vermitteln können, mit Hilfe deutscher Sponsoren. Und einer der Begabtesten, Rajiv Nepali, spielte auch beim SV Wehen und konnte bei der dortigen Firma Brita eine kaufmännische Ausbildung absolvieren. Völlig klar: Als ich am 21. April diese Nachricht von dem gewaltigen Erdbeben aus Nepal hörte, griff ich sofort nach dem Hörer und ging ins Internet, um Einzelheiten zu erfahren.

DFB.de: Sie waren noch kurz zuvor selber im Land. Vier Wochen vor dem Erdbeben haben Sie einen Fußballplatz in Nepal errichtet und eine Jugendfußballschule in Kopan, einem Ort vor den Toren der Hauptstadt Kathmandu, ins Leben gerufen. Sie müssen auch Sorgen um Ihr Projekt dort gehabt haben.

Obermann: Natürlich. Aber vor allem habe ich gehofft, dass die 50 Kinder der Fußballschule das Erdbeben gesund überstanden haben. Ich ging immer wieder ans Telefon oder online, um Neues zu erfahren. Es dauerte zwei Wochen, bis ich Gewissheit hatte: Die Kinder der Schule leben. Meine Freude darüber war natürlich gigantisch, ich war wahnsinnig erleichtert. Aber es gab auch viele schlechte Nachrichten. Die Mehrzahl der Häuser der Familien war zerstört, viele Elternteile hatten ihre Jobs verloren. Auch der Sportplatz hatte gelitten.

DFB.de: Können Sie die Geschichte dieses Platzes und der Jugendfußballschule erzählen? Wie kompliziert ist es, in Nepal einen Fußballplatz zu bauen? Die Errichtung hatten Sie finanziert, indem Sie Ihren Geldpreis aus dem Wettbewerb "Deutscher Fußball-Botschafter 2013" zur Verfügung gestellt haben.

Obermann: Ich hätte mir damals keinen besseren Verwendungszweck vorstellen können. Die Bauarbeiten wurden zwar immer wieder durch starke Monsunregen unterbrochen, doch mit Hilfe vieler einheimischer Helfer und auch Jugendlichen konnten wir dann doch die Anlage wenige Wochen vor dem Erdbeben fertigstellen und schließlich einweihen. Viel Prominenz war dabei, der Bürgermeister ist gekommen, auch das Fernsehen. Und 1000 Besucher aus den umliegenden Dörfern, in Volkstrachten gekleidet, waren gekommen. Es war ein richtiges Volksfest. Es war ein richtig toller Start, umso schlimmer war es, dass die Pracht nur einen Monat währte.

DFB.de: Nach dem Erdbeben sind Sie erneut aktiv geworden. Sie haben in Deutschland Spenden gesammelt, Sie wollten sicherstellen, dass die Menschen in Kopan wieder Fußball spielen können. Und sie waren erfolgreich. Wie haben Sie es geschafft, die notwenigen Gelder so schnell zusammen zu bekommen?

Obermann: Wie bei Hilfsaktionen in anderen Ländern, beispielsweise nach dem Taliban-Regime in Afghanistan oder den Zerstörungen nach dem Tsunami in Sri Lanka konnte ich auf eine große Spendenbereitschaft zurückgreifen, etwa von meinen Projektträgern DFB und dem DOSB, Vereinen wie Eintracht Frankfurt oder Bayern München und wie so oft in vorausgegangenen Jahren von der Franz Beckenbauer-Stiftung, der FIFA und der UEFA. Ohne diese Mithilfe wären die viele Hilfsprojekte nicht möglich gewesen. Auch nicht ohne die vielen kleine Mittel, die ich erhalten habe. Zum Beispiel die Spende der Sportgemeinschaft "Team United" in Köppern (Hessen), die sich für die Integration behinderter Jugendlicher einsetzt. Eine Kaffeetafel mit einem Fußballturnier erbrachte eine ansehnliche Spende. Auch Spenden meiner Nachbarschaft in Friedrichsdorf im Taunus halfen. Ich kann mich dafür nur aufrichtig bedanken, diese Hilfsbereitschaft rührt mich immer wieder.

DFB.de: Jetzt, sechs Monate nach dem Beben, wird auf Ihrem "Football Ground" wieder Fußball gespielt. Ihnen muss das Herz aufgehen, bei den Bildern, die Sie aus Nepal erhalten haben.

Obermann: Ich kann wieder ruhiger schlafen. Den Jungens und Mädchen geht es gut, das ist die Hauptsache. Und der Platz ist inzwischen auch repariert. Natürlich freut mich das. Obwohl sich die allgemeine Notlage in diesem hart geprüften Land noch nicht viel gebessert hat, geht das Leben wieder voran. Die Wiedererrichtung des Platzes ist ein Zeichen dafür. Und mehr als das, der Platz hat nicht nur Symbolkraft. Die Menschen sind es gewohnt, für ihr täglich Brot hart zu arbeiten, meistens bis an die Grenzen der Belastbarkeit heran. Das Benzin ist knapp, die Lebensmittel sind teuer geworden, der Winter steht bevor. Ein bisschen Freude kann dann die Lust am Fußball vermitteln. Und das ist viel wert.

DFB.de: Warum ist es aus Ihrer Sicht gerade nach Katastrophen oder in Krisenregionen so wichtig, den Menschen das Fußballspielen zu ermöglichen?

Obermann: Wie gesagt: weil der Fußball Freude vermittelt. Wenn heute im Fernsehen Bilder aus Katastrophen-Gebieten gezeigt werden, geschieht es immer wieder, dass Kinder zu sehen sind, die im Hintergrund dem Ball nachjagen. Ihre Begeisterung zeigt sich auch in Notstandsgebieten, das habe ich immer wieder erlebt. Beispielsweise in Jordanien. Viele tausend Flüchtlinge, zum Großteil aus dem benachbarten Syrien, leben dort in Zeltlagern dichtgedrängt beieinander. Doch immer wieder sieht man dort Fußball spielende Kinder, nur mit dem Notdürftigsten ausgestattet. Fußball schafft Lebensfreude und Hoffnung. Zusammen zu spielen, sich gemeinsam daran zu erfreuen - das sind ganz wertvolle Impulse für ein besseres Morgen. Ich könnte einen ganzen Abend darüber plaudern.

DFB.de: Sie sind 79 Jahre alt – und noch immer engagieren Sie sich mit großem Aufwand für den Fußball. Sie könnten auch den Ruhestand genießen. Können Sie beschreiben, welche Motivation Sie antreibt?

Obermann: Auch darüber könnte ich stundenlang erzählen. Wenn ich es zusammenfasse, dann liefert dieser Satz wohl die beste Antwort: Ich bin immer noch dabei, zurückzugeben, was ich in meinem Leben von den Menschen erhalten habe.

[sl]

Mehr als ein halbes Jahr ist es mittlerweile her, als in Nepal die Erde bebte. Wieder und wieder. Die Medien waren voll mit Berichten über das Land in Südasien, die Naturkatastrophe rückte Nepal in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Fokus von Holger Obermann war das Land schon seit zweieinhalb Jahrzehnten.

Seit der Auslandsexperte des DFB zu Beginn der 90er-Jahre in Nepal mit dem Fußball die Welt verbessert hat, ist sein Kontakt dorthin nie abgerissen. Immer wieder war er in Nepal, immer mehr hat er den Menschen geholfen. Nach dem Beben war es wieder so, Obermann hat gehandelt, hat organisiert, hat geholfen. Und hat (s)ein Projekt wiederbelebt, das erst kurz vor dem Beben fertiggestellt wurde und danach wie vieles andere in Trümmern lag. Im Interview mit DFB.de erzählt Obermann die ganze Geschichte. Von Anfang an.

DFB.de: Herr Obermann, Sie haben von 1991 bis 1995 für vier Jahre im Auftrag von DOSB und DFB ein Langzeitprojekt in Nepal betreut. Welche Situation haben Sie vorgefunden, als Sie vor 25 Jahren in Kathmandu angekommen sind? Wie war es damals dort um das Land und den Fußball bestellt?

Holger Obermann: In Nepal waren wenige Monate vor meinem Eintreffen gerade erst blutige Unruhen zu Ende gegangen, das Volk hatte nach Demokratie gestrebt. Und in Folge der Unruhen schien das Land vorübergehend in noch größere Armut und Hoffnungslosigkeit zu verfallen. Welche Rolle konnte da der Sport spielen? Der deutsche Botschafter in Kathmandu, Dr. Schneller, sagte mir nach dem Eintreffen in Kathmandu: "Sie können in den nächsten Jahren mit Ihrem Fußballprojekt einen wesentlichen Beitrag in unserem Land leisten, die vornehmlich jungen Menschen brauchen neue Ziele. Da kommt der Fußball gerade zum richtigen Zeitpunkt."

DFB.de: Die völkerverbindende Kraft des Fußballs ist oft gepriesen. In Nepal haben Sie erlebt, wie der Fußball die Bevölkerung eines Landes verbunden hat. Können Sie dies näher beschreiben?

Obermann: Der Zulauf der fußballbegeisterten jungen Menschen war riesengroß. Alle sehnten sich danach, wieder Fußball zu spielen. Sogar bis in die Bergregionen des Himalaya hinauf. In Nepal gehört das Kastenwesen zur gesellschaftlichen Grundform. Die einen profitieren davon, die anderen leiden darunter, leben noch tiefer unter der Armutsgrenze als der Mittelstand der Bevölkerung. Aber Fußball wollten sie alle spielen, selbst die Mönche in den Klöstern. Ich begann wie in anderen Ländern zuvor mit dem Grundprinzip: über den Jugend- und den Schulfußball hinaus bis hin zum Neustart einer Liga, der Trainerausbildung und schließlich dem Neuaufbau der Nationalmannschaft. Die verantwortlichen Funktionäre und Trainer waren dabei sehr produktiv und hilfsbereit.

DFB.de: Sie haben fast in der ganzen Welt für den Fußball gearbeitet. Über Nepal gibt es von Ihnen das folgende Zitat: "Das Land ist mein zweites Zuhause geworden." Was fasziniert Sie so am "Dach der Welt", warum ist Ihnen ausgerechnet Nepal so sehr ans Herz gewachsen?

Obermann: Mich hat vom ersten Tag an die große Zuneigung der Nepalesen für meine Arbeit begeistert. Ein Trainer aus dem Ausland steht symbolisch gesehen immer vor einem Berg, wenn er so starten muss wie ich damals in Nepal. Aber die Hilfsbereitschaft der Menschen war unwahrscheinlich. Und die fantastische Bergwelt mit dem Mount Everest als höchste Erhebung der Erde tat ein Übriges. Die Anhänglichkeit der Nepalesen wurde noch größer, als wir 1993 in Dhaka, Bangladesch, nach einem Sieg über den hohen Favoriten Indien die Südasien-Meisterschaft gewannen. Und als ich einmal in einer Pressekonferenz sagte, Nepal sei so etwas wie meine zweite Heimat, wurde das so in vielen späteren Berichten wiedergegeben. Nepal war unter vielen Aspekten für mich ganz besonders schön. Ich fühlte mich schon früh angenommen, auch meiner Frau ging es so. Sie hat dort den Buddhismus für sich entdeckt. Wir hatten in Nepal einfach eine spannende, interessante, erfüllende und insgesamt großartige Zeit.

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DFB.de: Können Sie Ihre Gedanken und Empfindungen beschreiben, als Sie im April 2015 von dem verheerenden Erdbeben in Nepal gehört haben?

Obermann: Ich war tief betroffen, bestürzt, das ist doch klar. An mir sind viele Erinnerungen an die Zeit in Nepal mit zahlreichen Besuchen und Maßnahmen in den Jahren danach vorübergezogen. Mit dem Ende meines Langzeitprojektes war meine Engagement dort ja nicht vorbei. Die Kontakte haben sich in den Jahren nach meinem Projekt eher noch verstärkt. Wir konnten auch viele Besucher aus Nepal in Deutschland begrüßen und auf diese Weise etwas von der Gastfreundschaft zurückgeben. Drei besonders begabte junge Spieler habe ich sogar in die Frankfurter Fußballschule von Uwe Seeler und Wolfgang Overath vermitteln können, mit Hilfe deutscher Sponsoren. Und einer der Begabtesten, Rajiv Nepali, spielte auch beim SV Wehen und konnte bei der dortigen Firma Brita eine kaufmännische Ausbildung absolvieren. Völlig klar: Als ich am 21. April diese Nachricht von dem gewaltigen Erdbeben aus Nepal hörte, griff ich sofort nach dem Hörer und ging ins Internet, um Einzelheiten zu erfahren.

DFB.de: Sie waren noch kurz zuvor selber im Land. Vier Wochen vor dem Erdbeben haben Sie einen Fußballplatz in Nepal errichtet und eine Jugendfußballschule in Kopan, einem Ort vor den Toren der Hauptstadt Kathmandu, ins Leben gerufen. Sie müssen auch Sorgen um Ihr Projekt dort gehabt haben.

Obermann: Natürlich. Aber vor allem habe ich gehofft, dass die 50 Kinder der Fußballschule das Erdbeben gesund überstanden haben. Ich ging immer wieder ans Telefon oder online, um Neues zu erfahren. Es dauerte zwei Wochen, bis ich Gewissheit hatte: Die Kinder der Schule leben. Meine Freude darüber war natürlich gigantisch, ich war wahnsinnig erleichtert. Aber es gab auch viele schlechte Nachrichten. Die Mehrzahl der Häuser der Familien war zerstört, viele Elternteile hatten ihre Jobs verloren. Auch der Sportplatz hatte gelitten.

DFB.de: Können Sie die Geschichte dieses Platzes und der Jugendfußballschule erzählen? Wie kompliziert ist es, in Nepal einen Fußballplatz zu bauen? Die Errichtung hatten Sie finanziert, indem Sie Ihren Geldpreis aus dem Wettbewerb "Deutscher Fußball-Botschafter 2013" zur Verfügung gestellt haben.

Obermann: Ich hätte mir damals keinen besseren Verwendungszweck vorstellen können. Die Bauarbeiten wurden zwar immer wieder durch starke Monsunregen unterbrochen, doch mit Hilfe vieler einheimischer Helfer und auch Jugendlichen konnten wir dann doch die Anlage wenige Wochen vor dem Erdbeben fertigstellen und schließlich einweihen. Viel Prominenz war dabei, der Bürgermeister ist gekommen, auch das Fernsehen. Und 1000 Besucher aus den umliegenden Dörfern, in Volkstrachten gekleidet, waren gekommen. Es war ein richtiges Volksfest. Es war ein richtig toller Start, umso schlimmer war es, dass die Pracht nur einen Monat währte.

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DFB.de: Nach dem Erdbeben sind Sie erneut aktiv geworden. Sie haben in Deutschland Spenden gesammelt, Sie wollten sicherstellen, dass die Menschen in Kopan wieder Fußball spielen können. Und sie waren erfolgreich. Wie haben Sie es geschafft, die notwenigen Gelder so schnell zusammen zu bekommen?

Obermann: Wie bei Hilfsaktionen in anderen Ländern, beispielsweise nach dem Taliban-Regime in Afghanistan oder den Zerstörungen nach dem Tsunami in Sri Lanka konnte ich auf eine große Spendenbereitschaft zurückgreifen, etwa von meinen Projektträgern DFB und dem DOSB, Vereinen wie Eintracht Frankfurt oder Bayern München und wie so oft in vorausgegangenen Jahren von der Franz Beckenbauer-Stiftung, der FIFA und der UEFA. Ohne diese Mithilfe wären die viele Hilfsprojekte nicht möglich gewesen. Auch nicht ohne die vielen kleine Mittel, die ich erhalten habe. Zum Beispiel die Spende der Sportgemeinschaft "Team United" in Köppern (Hessen), die sich für die Integration behinderter Jugendlicher einsetzt. Eine Kaffeetafel mit einem Fußballturnier erbrachte eine ansehnliche Spende. Auch Spenden meiner Nachbarschaft in Friedrichsdorf im Taunus halfen. Ich kann mich dafür nur aufrichtig bedanken, diese Hilfsbereitschaft rührt mich immer wieder.

DFB.de: Jetzt, sechs Monate nach dem Beben, wird auf Ihrem "Football Ground" wieder Fußball gespielt. Ihnen muss das Herz aufgehen, bei den Bildern, die Sie aus Nepal erhalten haben.

Obermann: Ich kann wieder ruhiger schlafen. Den Jungens und Mädchen geht es gut, das ist die Hauptsache. Und der Platz ist inzwischen auch repariert. Natürlich freut mich das. Obwohl sich die allgemeine Notlage in diesem hart geprüften Land noch nicht viel gebessert hat, geht das Leben wieder voran. Die Wiedererrichtung des Platzes ist ein Zeichen dafür. Und mehr als das, der Platz hat nicht nur Symbolkraft. Die Menschen sind es gewohnt, für ihr täglich Brot hart zu arbeiten, meistens bis an die Grenzen der Belastbarkeit heran. Das Benzin ist knapp, die Lebensmittel sind teuer geworden, der Winter steht bevor. Ein bisschen Freude kann dann die Lust am Fußball vermitteln. Und das ist viel wert.

DFB.de: Warum ist es aus Ihrer Sicht gerade nach Katastrophen oder in Krisenregionen so wichtig, den Menschen das Fußballspielen zu ermöglichen?

Obermann: Wie gesagt: weil der Fußball Freude vermittelt. Wenn heute im Fernsehen Bilder aus Katastrophen-Gebieten gezeigt werden, geschieht es immer wieder, dass Kinder zu sehen sind, die im Hintergrund dem Ball nachjagen. Ihre Begeisterung zeigt sich auch in Notstandsgebieten, das habe ich immer wieder erlebt. Beispielsweise in Jordanien. Viele tausend Flüchtlinge, zum Großteil aus dem benachbarten Syrien, leben dort in Zeltlagern dichtgedrängt beieinander. Doch immer wieder sieht man dort Fußball spielende Kinder, nur mit dem Notdürftigsten ausgestattet. Fußball schafft Lebensfreude und Hoffnung. Zusammen zu spielen, sich gemeinsam daran zu erfreuen - das sind ganz wertvolle Impulse für ein besseres Morgen. Ich könnte einen ganzen Abend darüber plaudern.

DFB.de: Sie sind 79 Jahre alt – und noch immer engagieren Sie sich mit großem Aufwand für den Fußball. Sie könnten auch den Ruhestand genießen. Können Sie beschreiben, welche Motivation Sie antreibt?

Obermann: Auch darüber könnte ich stundenlang erzählen. Wenn ich es zusammenfasse, dann liefert dieser Satz wohl die beste Antwort: Ich bin immer noch dabei, zurückzugeben, was ich in meinem Leben von den Menschen erhalten habe.