Weltenbummler Pfister: Nur in Lesotho war er noch nicht

Aber was braucht man, um in diesem ganz speziellen Job erfolgreich zu sein - abgesehen von der fachlichen Kompetenz? Pfisters Konzept: "Punkt eins: Man muss Sprachen beherrschen, ohne Englisch und in Afrika Französisch brauchst du gar nicht anzufangen. Punkt zwei: Man muss sich anpassen, Respekt gegenüber der anderen Kultur und Religion haben. Man darf nicht die Welt nach seinen eigenen Maßstäben verändern wollen. Sonst hat man schon verloren. Punkt drei: Man muss konsequent, aber auch diplomatisch sein. Punkt vier: Es ist von Vorteil, einen einheimischen Co-Trainer zu haben. Wenn ich einen Co-Trainer aus Wanne-Eickel habe, wie will der mir erzählen, was da vor Ort los ist?" Damit ist er in all den Jahren gut gefahren. Und weit herumgekommen: In Afrika war er schon in jedem Land, nur Lesotho fehlt ihm noch, "vielleicht komme ich da noch mal hin".

Mitte Januar ist Pfister erst mal nach Südafrika gereist, zum Afrika-Cup, diesmal als Privatmann auf Einladung eines Sponsors. Man kennt ihn da, und er kennt jeden. Ein Heimspiel für den 75-Jährigen, mehr noch als die WM 2006. Nächstes Ziel: Trinidad und Tobago. Sein Vertrag als Nationaltrainer ist Ende vorigen Jahres ausgelaufen. Möglich, dass es trotzdem weitergeht. "Das würde mich freuen", sagt Pfister. Von seinem Bungalow in Trinidad blickt er aufs Meer, "ich fühle mich dort sehr wohl. Morgens kommt ein tropischer Regen, und dann fliegen die Papageien auf dem Balkon herum". Wer will da schon aufhören? Zumal die Rente auch teuer zu sein scheint. "Wenn ich in Europa bin, bekomme ich immer ohne Ende Strafzettel. In Afrika gibt es das nicht", sagt Pfister. "Für mich wird das hart, hier mal zu wohnen. Ich überlege schon, ob ich mir irgendwo auf einer Insel ein Haus kaufe." In der Schweiz spielt er manchmal Karten mit Freunden, und "ich tue das auch gerne, aber die kennen nicht mal Burundi. Die meinen immer, der Otto erzählt Märchen". Das sind die Momente, in denen es ihn wieder hinaustreibt. Raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer. Wenn man ihn anruft, hat er in fünf Minuten den Koffer gepackt. Rente mit 75? "Nichts für mich", sagt Pfister.

Das meinten DFB.de-User:

Danke für diesen Artikel, ich hoffe es gibt noch mehr Menschen, die sportlich Deutschland in der Welt repräsentieren! (Edda Sperling, Berlin)

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Der deutsche Fußball genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Die Erfolge der Nationalmannschaften und die Titelgewinne der Vereins auf internationaler Ebene haben zu diesem Renommee geführt. Diesem Ansehen wollen viele Spielerinnen und Spieler gerecht werden, die ihr Glück im Ausland versuchen. Dafür gibt es etliche Beispiele - manche prominente Namen sind dabei, aber auch eher unbekannte Spieler. DFB.de stellt einige von ihnen vor, in der Serie Made in Germany. Heute zum Auftakt: Weltenbummler Otto Pfister.

Er könnte es sich gut gehen lassen, die Füße hochlegen, Schach spielen, in den Bergen wandern, seinen Sohn in Paris besuchen, mit seiner Frau Ski fahren. Will er aber nicht, jedenfalls nicht dauerhaft. Otto Pfister ist 75 Jahre alt, und die Vorstellung, künftig ausschließlich in seiner Wohnung im Kanton St. Gallen zu sitzen und auf die Alpen zu schauen, bereitet ihm Unbehagen. "Es ist wirklich schön hier", sagt er. "Aber nach ein paar Wochen muss ich wieder raus in die Welt, dann werde ich kribbelig. Dann bekomme ich Fernweh."

"Ich bin unwahrscheinlich neugierig"

Pfister ist ein Handelsreisender in Sachen Fußball, in 136 Länder hat ihn sein Job schon geführt. Seit er vor 40 Jahren ein Engagement als Nationaltrainer Ruandas annahm, hat er in 20 Ländern gearbeitet – jedoch, bis auf einige DFB-Lehrgänge, nie in seinem Heimatland.

"Wirklich gereizt hat mich das auch nie", sagt der gebürtige Kölner, der als Teenager mit seinen Eltern in die Schweiz ausgewandert war. Anfragen gab es schon, auch Gespräche. Einmal saß er mit einem Vereinspräsidenten zusammen. Pfister sagte: "Die drei Ausländer, die ihr habt, müssen weg. Dafür brauchen wir Asprilla, Rincón und Abedi Pelé." Der Präsident sagte: "Die kenne ich nicht." Da stand Pfister auf und ging.

Vermutlich hätte es ohnehin nicht gepasst, glaubt er: "Das ist irgendwie nicht meine Welt." Er braucht das Exotische, das Unperfekte, will Abenteuer erleben, auch noch mit Mitte Siebzig. "Das", sagt er, "hat mich immer angetrieben. Und ich bin unwahrscheinlich neugierig."

Otto und Winnetou

Als Kind schon las er Bücher von Karl May oder Sven Hedin, stellte sich ferne Länder vor, Abenteurer und Helden. Romantische Vorstellungen eines kleinen Jungen. Losgelassen haben ihn diese Bilder nie. "Ich kann mein Hobby zum Beruf machen, sehe fremde Länder und bekomme auch noch Geld dafür", sagt er. "Das ist doch ein Traum." Und obendrein kann er auch noch Top-Fußballer trainieren: Samuel Eto'o, Emmanuel Adebayor, Anthony Yeboah, Abedi Pelé. Die Geschichte, in der Letztgenannter auf einem Stuhl sitzt und gleichzeitig zwei Bälle auf seinen Füßen jongliert und sich dabei nicht mal anstrengen muss, erzählt Pfister heute noch gerne. Mit Adebayor wettete er mal um eine Cola, dass der es nicht schaffen würde, von zehn Schüssen aus 16 Metern neun an die Latte zu setzen. Adebayor gewann. "Wenn man solche Jungs im Training hat, möchte man am liebsten gar nicht aufhören. Ich muss dann immer aufpassen, dass ich nicht überziehe", sagt Pfister.

Vor 40 Jahren war das noch ein bisschen anders. Pfister kam als Entwicklungshelfer nach Ruanda, damals musste ein Nationaltrainer noch die Bälle selber aufpumpen, Schuhe und Trikots besorgen. Und helfen, Strukturen aufzubauen, eine Liga, eine Nationalmannschaft. Viel hat sich seitdem getan, in Ruanda und auf dem ganzen Kontinent. Afrikas Fußball ist eindeutig im Kommen. Eines sei gleichgeblieben, damals wie heute, sagt der deutsche Trainer: "Die Freude am Spiel ist auf jeden Fall ausgeprägter als anderswo. Und viele haben ein natürliches Talent." Eto'o, sagt Pfister, sei so einer: "Als wir 2008 mit Kamerun das Finale um den Afrika-Cup verloren haben, kam Sammy zu mir auf mein Zimmer. Ich war völlig fertig, weil wir dieses Spiel nun wirklich nicht hätten verlieren müssen. Sammy war schon wieder ganz normal drauf. Er sagte: ,Trainer, wenn du aus so einem Elend kommst, wie ich, dann kann dich ein verlorenes Fußballspiel nicht erschüttern.' Eto'o und viele andere neigen einfach nicht so sehr zur Demoralisierung oder Euphorie wie wir Deutschen. Deshalb sind sie aber nicht weniger professionell." Pfister hält den Kontakt zu seinen "Buben", wie er sie nennt. Adebayor hat er neulich in London besucht, auch Eto'o in dessen feudaler Wohnung mitten in Moskau ("ein Wohnzimmer, so groß wie ein Restaurant, und in der Mitte ein Swimming Pool").

Streik vor WM-Beginn

Pfister hat in Burkina-Faso trainiert, in Bangladesch, im Libanon, in Ghana, im Sudan, um nur einige Stationen zu nennen. Erfolg gehabt hat er fast überall. Mit Ghana und Kamerun schaffte er es ins Finale des Afrika-Cups. Mit Ghana wurde er U 17-Weltmeister, mit der Elfenbeinküste U 19-Afrikameister, mit Zamalek Kairo Sieger im Afrikapokal, außerdem Meister, Pokalsieger. "Ghana ist meine zweite Heimat und das einzige Land auf der Welt, in dem ich keinen Pass brauche. Da erkennt man mich auch so", sagt er. Und schiebt nach: "Dafür kennt mich in Deutschland kaum einer." Pfister war lange vor allem in Afrika und im arabischen Raum eine Größe. Im Juni 2006 jedoch bestimmten der deutsche Trainer und das Team aus Togo die internationalen Schlagzeilen. Es drohte ein WM-Streik.

Die Spieler der Togolesen waren schon in ihrem WM-Quartier in Wangen im Allgäu, als sie sich weigerten, zu trainieren - vier Tage vor dem ersten Spiel. Die Prämien für die WM-Qualifikation waren noch nicht gezahlt worden. Pfister kontaktierte umgehend die Verbandsoberen. Die kamen - und hatten das Geld nicht. Pfister trat daraufhin zurück. "Was sollte ich auch machen ohne Spieler?", sagt er. Erst zwei Tage später, als die FIFA aushalf und die Spieler wieder mitmachen wollten, kehrte der Coach zurück. "Vielleicht haben uns gerade diese zwei Tage so kurz vor Turnierbeginn gefehlt." Togo schied nach der Vorrunde aus. Trotzdem: "ein tolles Erlebnis".

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Abgesetzt und zurückgeholt

Einige Jahre zuvor war ihm das noch verwehrt geblieben. Mit der Nationalmannschaft Saudi-Arabiens hatte er sich für die WM 1998 qualifiziert. Beim Confed-Cup ein halbes Jahr davor verlor er gegen Brasilien 0:3. Anschließend fragte der saudi-arabische Prinz nach der Spielerliste für die WM, Pfister gab sie ihm, der Prinz wollte Änderungen vornehmen, Pfister weigerte sich. Kurz danach wurde Carlos Alberto Parreira installiert - und noch während der WM entlassen. Pfister, zwischenzeitlich zum Trainer der Olympiaauswahl gemacht, wurde zurückgeholt. Kurze Zeit später gewann er mit seinem Team den Arab Cup. Und stellte ihn persönlich seinem Prinzen auf den Tisch.

Viele amüsante Anekdoten kann der Trainer aus vier Jahrzehnten Einsatz in aller Welt erzählen. Kein Wunder, dass er gerade an einem Buch schreibt. Doch zu seiner Vita gehören auch schlimme Erfahrungen. Als Trainer im Libanon 2005 saß er in einem Café, als ein paar hundert Meter weiter eine Bombe explodierte, "ich wurde förmlich einen Meter hochgerissen". Die Bombe tötete Ex-Premierminister Rafiq al-Hariri und 22 weitere Menschen. Pfister verließ daraufhin das Land. Als er Mitte der 80er-Jahre im Kongo war, gab es wegen politischer Unruhen ab 16 Uhr Ausgangssperre, in Trinidad und Tobago, seiner bislang letzten Station, wurden nachts Drogenhändler gejagt. Wieder Ausgangssperre, wenn auch nur abends. "Das kann schon vorkommen, wenn man in exotischen Ländern ist", sagt Pfister. Er hat sich damit arrangiert - so lange keine Gefahr für Leib und Leben droht.

Anpassung und Anleitung

Aber was braucht man, um in diesem ganz speziellen Job erfolgreich zu sein - abgesehen von der fachlichen Kompetenz? Pfisters Konzept: "Punkt eins: Man muss Sprachen beherrschen, ohne Englisch und in Afrika Französisch brauchst du gar nicht anzufangen. Punkt zwei: Man muss sich anpassen, Respekt gegenüber der anderen Kultur und Religion haben. Man darf nicht die Welt nach seinen eigenen Maßstäben verändern wollen. Sonst hat man schon verloren. Punkt drei: Man muss konsequent, aber auch diplomatisch sein. Punkt vier: Es ist von Vorteil, einen einheimischen Co-Trainer zu haben. Wenn ich einen Co-Trainer aus Wanne-Eickel habe, wie will der mir erzählen, was da vor Ort los ist?" Damit ist er in all den Jahren gut gefahren. Und weit herumgekommen: In Afrika war er schon in jedem Land, nur Lesotho fehlt ihm noch, "vielleicht komme ich da noch mal hin".

Mitte Januar ist Pfister erst mal nach Südafrika gereist, zum Afrika-Cup, diesmal als Privatmann auf Einladung eines Sponsors. Man kennt ihn da, und er kennt jeden. Ein Heimspiel für den 75-Jährigen, mehr noch als die WM 2006. Nächstes Ziel: Trinidad und Tobago. Sein Vertrag als Nationaltrainer ist Ende vorigen Jahres ausgelaufen. Möglich, dass es trotzdem weitergeht. "Das würde mich freuen", sagt Pfister. Von seinem Bungalow in Trinidad blickt er aufs Meer, "ich fühle mich dort sehr wohl. Morgens kommt ein tropischer Regen, und dann fliegen die Papageien auf dem Balkon herum". Wer will da schon aufhören? Zumal die Rente auch teuer zu sein scheint. "Wenn ich in Europa bin, bekomme ich immer ohne Ende Strafzettel. In Afrika gibt es das nicht", sagt Pfister. "Für mich wird das hart, hier mal zu wohnen. Ich überlege schon, ob ich mir irgendwo auf einer Insel ein Haus kaufe." In der Schweiz spielt er manchmal Karten mit Freunden, und "ich tue das auch gerne, aber die kennen nicht mal Burundi. Die meinen immer, der Otto erzählt Märchen". Das sind die Momente, in denen es ihn wieder hinaustreibt. Raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer. Wenn man ihn anruft, hat er in fünf Minuten den Koffer gepackt. Rente mit 75? "Nichts für mich", sagt Pfister.

Das meinten DFB.de-User:

Danke für diesen Artikel, ich hoffe es gibt noch mehr Menschen, die sportlich Deutschland in der Welt repräsentieren! (Edda Sperling, Berlin)