Deutscher "Rumpelfußball" wird von Portugal zerlegt

Als am 20. Juni gegen 22.30 Uhr Bilanz gezogen wurde, war selbst dieses Ziel verfehlt worden. Im Stadion De Kuip zu Rotterdam wurde der deutsche "Rumpelfußball" (Zitat Beckenbauer) endgültig beerdigt. Gegen eine portugiesische B-Elf (mit neun Reservisten) unterlag Deutschland 0:3. Auch die DFB-Auswahl war nicht komplett: Ziege, Babbel und Jeremies hatten sich kurzfristig abgemeldet, aber unverzichtbar war ohnehin keiner in diesem Kader - außer vielleicht Oliver Kahn. Bei den Portugiesen machte der Reservist von Lazio Rom, Sergio Conceicao, auf sich aufmerksam. Er erzielte alle drei Tore und vollendete das schlechteste deutsche Abschneiden bei einem Turnier. 1:5 Tore und ein Punkt, vierter Platz, Aus.

"Unsere Kinder haben keine Vorbilder mehr", klagte die BZ, die Bild titelte: "Ihr seid eine Schande und die Fußball-Deppen der Nation." Innenminster Otto Schily saß auf der Tribüne und kleidete das Entsetzen einer ganzen Nation in Politikerworte: "Leider gibt es noch kein Gesetz, das solche Spiele verbietet." Erich Ribbeck trat am nächsten Morgen zurück, stilvoll und ohne Anschuldigungen: "Das ist zum einen die Konsequenz aus dem kastastrophalen Abschneiden der Mannschaft, für das ich die volle Verantwortung übernehme. Ich habe es nicht geschafft, aus den besten deutschen Fußballern eine richtige Mischung zu finden."

Diese Aufgabe sollte nun eigentlich Christoph Daum zufallen, aber es kam bekanntlich ganz anders. Wie so vieles im Fußball. Auch die Engländer mussten die Koffer packen – aus sportlichen Gründen. Eine in letzter Minute durch Elfmeter besiegelte 2:3-Pleite gegen Rumänien bedeutete das Aus. Kevin Keegan aber durfte bleiben. Gruppe B stellte die Ordnung der Fußballwelt auf den Kopf: Portugal und Rumänien zogen ins Viertelfinale ein. Aus Gruppe C schafften es mit Spanien und Jugoslawien dagegen die Favoriten. Aber wie. Jugoslawien wurde im ersten Spiel von der einstigen Teilrepublik Slowenien schier überrannt, nach 57 Minuten hieß es 0:3 – nach 90 dann 3:3. Spanien verlor zum Auftakt gegen Norwegen 0:1, aber Trainer Jose Camacho nicht seinen Gleichmut: "Fußball ist Fußball – ein Spiel, das man gewinnen oder verlieren kann." Kollege Nils Johann Semb dagegen verlor seine Linie und hob die Sperrstunde auf. Seine Sieger durften eine Nacht durchfeiern – und gewannen nichts mehr. Gegen Jugoslawien unterlagen sie 0:1, nun wurde dessen Trainer Vujadin Boskov übermütig. Er empfahl seinen Kritikern sich stärkere Brillen "mit höherer Dioptrinzahl" zuzulegen. Auch dann hätten einige vielleicht den Blitzauftritt von Matej Kezman übersehen, der in Lüttich einen EM-Rekord aufstellte: 37 Sekunden nach seiner Einwechslung flog er nach einem Foul vom Platz.

Spaniens Camacho: "Das Wichtigste ist, zu gewinnen"

Spanien kam im zweiten Anlauf zu seinem ersten Sieg, Raul und Etxeberria schossen die Tore beim mühsamen 2:1 über Slowenien. "Der Sieg hat uns am Leben gehalten, aber so zu siegen, nimmt uns die Hoffnung", philosophierte das Sportblatt Marca. Camacho blieb bei seinen Weisheiten: "Das Wichtigste ist zu gewinnen, und wir haben gewonnen. Wenn man gut spielt und verliert, zählt es nichts."

Am 21. Juni war auch der Ex-Profi von Real Madrid mit seinen Weisheiten am Ende und genoss schlicht die Faszination Fußball. "Ich habe schon viele schöne und aufregende Momente erlebt. Aber was hier geschehen ist, kann ich noch nicht realisieren." Gegen Jugoslawien lag Spanien nach 90 Minuten 2:3 zurück, dann pfiff der Schiedsrichter Elfmeter. Mendieta glich aus, aber es hätte nicht gereicht. Norwegen hatte seinen Punkt gegen Slowenien (0:0). Aber es gab fünf Minuten Nachspielzeit und als davon noch zwölf Sekunden übrig waren, traf Alfonso von der Strafraumgrenze. Am Ende waren beide Teams weiter, Norwegen schied wegen eines Tores aus.

"Die norwegischen Spieler bekamen die gerechte Strafe nach einer Demonstration von Anti-Fußball. Ein mieser Abschied", urteilte Aftenposten aus Oslo gnadenlos. Um wie viel entspannter verlief da doch die Gruppe D. Die Topfavoriten Gastgeber Niederlande und Weltmeister Frankreich gewannen ihre ersten beiden Spiele und waren vor dem Gipfeltreffen schon durch. Die von Frank Rijkaard trainierte Elf von "Oranje" hatte in der langen Zeit der Vorbereitung, man war ja automatisch qualifiziert, von 15 Tests nur zwei gewonnen. Aber als es darauf ankam, waren sie da. Gegen Tschechien (1:0) hatten sie in der hochmodernen Amsterdam-Arena, der ersten mit Schiebedach, noch einiges Glück. Erst ein umstrittener Elfmeter in vorletzter Minute brachte die Punkte. Frank de Boer traf und Johan Cruyff empfahl dem Verband: "Schickt dem Schiedsrichter einen Blumenstrauß. So einen Elfmeter gibt man nicht." Die frustrierten Tschechen, zweimal hatten sie den Pfosten getroffen, erhielten noch einen Platzverweis für den Schalker Latal. Er fehlte nun gegen Frankreich, das gleich zum Auftakt (3:0 gegen Dänemark) glänzte. "Diese Weltmeister wollen einen weiteren Titel als Bestätigung. Das haben sie mit ihrer Moral bewiesen", lobte ihr Trainer Roger Lemerre. Er schloss mit der Erkenntnis: "Als Weltmeister hat man den außergewöhnlichen Willen, gut zu sein." Es war auch die EM der Trainer-Philosophen.

Phantastischer Fußball im Gipfeltreffen zwischen Frankreich und Niederlande

Auch gegen die wackeren Tschechen waren die Franzosen gut genug (2:1), Thierry Henry und Kaiserslauterns Youri Djorkaeff schossen die Tore ins Viertelfinale. Trainer Roger Lemerres Freude war verflogen, als er in der Nacht vom Tod seines Vaters erfuhr. Mit dem Auto machte er sich auf die Heimreise, kehrte aber wieder zurück. Denn das Leben ging weiter und für Frankreich diese EM. Die Tschechen gingen mit Applaus, Weltstar Pavel Nedved vergab eine hundertprozentige Chance. "Aus zehn solcher Chancen mache ich neun Tore, leider war heute die zehnte."

Weit chancenloser waren die Dänen gegen die Niederländer (0:3), deren Tormaschine nach der Pause ins Rollen kam. Voraus ging eine auch für Außenstehende hörbare Standpauke von Rijkaard in der Halbzeit. "Danach sind wir regelrecht eingebrochen, wir hatten nicht mehr die Mittel, die Holländer in Gefahr zu bringen", sagte Dänen-Coach Bo Johansson. Am dritten Spieltag ging es nur noch um den Gruppensieg und den spielten die zweiten Garnituren Frankreichs und der Niederlande aus. Beim Reservistenball von Amsterdam gewann "Oranje" 3:2, obwohl "Les Bleus" zweimal führten. Rijkkard fühlte sich bestätigt: "Da waren einige Spieler auf dem Platz, die es ihrem Trainer zeigen wollten." Das Niveau dieser Partie war ein Versprechen auf das, was ab dem Viertelfinale noch kommen sollte – phantastischer Fußball.

Mehr als drei Tore pro Spiel

Schon die Vorrunde hatte nie erreichte 3,123 Tore pro Spiel gesehen. Im Viertelfinale steigerte sich das auf 3,5, weil bei fast allen Teams die Spielfreude dominierte. Gerade in K.o.-Spielen ein eher seltenes Phänomen, aber bei der EURO 2000 häufig anzutreffen. Die Auftaktpartie war da noch die Ausnahme. Doch auch hier gewann die mutigere und bessere Mannschaft: Portugal schickte die Türken heim (2:0), die unmittelbar nach dem Rückstand einen Elfmeter verschossen – was dieses Turnier auch auszeichnen sollte. So viele Tore auch fielen, am Elfmeterpunkt versagten vielen Schützen die Nerven. Hier war es der Türke Arif, der an Vitor Baia scheiterte. Alleiniger Sündenbock war er nicht, denn es gab ja noch Alpay Özan. War er 1996 noch dafür gescholten worden, keine Notbremse gezogen zu haben, was seinem Team ein Gegentor, ihm aber den Fair-Play-Preis eingebracht hatte, war nun das Gegenteil der Fall.

Wegen seiner Tätlichkeit an Gomes spielten die Türken 70 Minuten in Unterzahl. "Oh weh, Arif! Alpay, was hast Du gemacht? Zwei Amateure haben unseren Rückflug gebucht", zeterte die türkische Presse. Portugal avancierte dagegen zum echten Turnierfavoriten, sehr zur Freude der Reporter von Diario de Noticias (Lissabon): "Ruhm für Portugal! Eine Tonnenladung von Talenten erreicht das Halbfinale, was ihr vor vier Jahren versagt blieb." Nuno Gomes ist mit seinen beiden Toren der Held des Tages, aber auch Spielmacher Luis Figo wird verherrlicht – eine Zeitung findet seine Leistung "figomenial".

Hagi als Rumäniens Buhmann

Rumäniens Superstar Gheorghe Hagi dagegen banden sie keine Lorbeerkränze am Abend des 24. Juni in Brüssel. Der Exzentriker leistete sich beim Stand von 0:2 gegen Italien zuerst ein Brutalo-Foul (Gelb) an Conte, der heimreisen musste, dann eine Schwalbe (Gelb-Rot) und beraubte sein Team aller Chancen. Francesco Totti und Filippo Inzaghi hatten schon vor der Pause mit ihren Toren die Weichen gestellt. Zoffs Italien beeindruckte: vier Spiele, vier Siege und kein 1:0. Das Ende des Minimalismus führte zu schierer Euphorie im Stiefelstaat: „Das

Halbfinale ist das Reich der Großen. Italien ist im Paradies“ (Gazetta dello Sport). Verbandspräsident Luciano Nicolai bot Dino Zoff spontan einen neuen Vertrag bis 2002 an, aber „der Schweiger aus Friaul“ mahnte: „Zum Jubel ist es zu früh. Die schweren Gegner kommen noch.“

Das sollte sich am nächsten Tag zeigen, als man das Gefühl bekam die Finalisten gesehen zu haben. Die Niederländer nahmen überforderte Jugoslawen regelrecht auseinander (6:1). Patrick Kluivert erzielte drei Tore, Marc Overmars zwei, ein Eigentor kam hinzu – und die Jugoslawen durften erst in der Schlussminute jubeln, als Milosevic der Ehrentreffer gelang. „Erniedrigung ohne Ende. Es war das schlechteste Spiel der Jugoslawen seit 20 Jahren“, schrieb die Belgrader Zeitung Danas. Die Holländer dagegen überzeugten sogar Chefkritiker Johan Cruyff, der 1974 noch in der vermeintlich besten Oranje-Elf im WM-Finale gestanden hatte. „Das war fantastischer Fußball. Wir wollen vergessen, was ich letzte Woche gesagt habe.“

Raul patzt vom Punkt

Bliebe noch die Neuauflage des EM-Finales von 1984 zwischen Frankreich und Spanien, das sich seinen dramatischen Höhepunkt bis zur letzten Sekunde aufsparte. Die Franzosen führten dank Treffern von Zinedine Zidane (33.) und Youri Djorkaeff (44.) bei einem Gegentor Mendietas (38., Elfmeter) mit 2:1, als Spanien einen zweiten Elfmeter bekam.

Spezialist Mendieta war bereits ausgewechselt worden und es mangelte an Freiwilligen. Dann schnappte sich Raul Gonzales Blanco von Real Madrid den Ball. Der maximale Stressmoment in einer Fußballerkarriere – an seinem Schuss hängt das Weiterkommen seines Landes. Raul war dem Druck nicht gewachsen und schoss über das Tor von Fabien Barthez. „Es tut mir leid vor allem für unsere Fan und Kameraden. Aber ich war mir sicher, dass ich treffe“, klagte der spätere Schalker und weinte in sein Trikot. Dass ihn El Mundo einen „ausgelaugten Millionär“ nannte, hatte er dann doch nicht verdient. Es sollten noch ganz andere Elfmeter verschießen bei dieser EM. Keineswegs allesamt satte Millionäre.

Zidanes später Elfmeter

In Brüssel freilich bewahrte der einzige Elfmeterschütze des Tages die Nerven. Frankreich und Portugal waren am 28. Juni mit 1:1 in die Verlängerung gegangen und als diese noch drei Minuten dauern sollte, gab es einen Elfmeter für den Weltmeister, der mehr für das Spiel getan hatte. Was natürlich kein Grund ist, Elfmeter zu geben. Aber Schiedsrichter Benkö blieb nach der Torwart-Parade des Verteidigers Abel Xavier (später Hannover 96) keine andere Wahl.

Die Portugiesen wussten, dass dies bei der Golden Goal-Regel das sofortige Aus bedeuten könnte und bestürmten Benkö uns seinen slowakischen Assistenten, der das Handspiel angezeigt hatte, heftigst. Zwar völlig zu Unrecht, aber aus nachvollziehbarem Grund. Xavier blieb auch in den Katakomben uneinsichtig: „Ich kann doch meine Hand nicht abhacken. Auch im Fußball brauchst Du deine Hände. Zum Verteidigen, zum Schutz.“ Man solle ihm ein .Regelbuch schenken, witzelten die Reporter. Er wurde neun Monate gesperrt, Gomes deren sechs.

Zinedine Zidane ließ sich nicht beirren und entschied die hochklassige Partie und ganz nebenher auch das inoffizielle Duell der großen Spielmacher. Luis Figo konnte an diesem Tag Zidane das Wasser nicht reichen. Die Portugiesen gingen als schlechte Verlierer nach einer guten EM-Performance in die Annalen ein. Nuno Gomes sah noch nach dem Abpfiff die Rote Karte, was nicht den Regeln entsprach. Doch Benkö wollte „damit nur ausdrücken, dass ich mich von niemandem tätlich angreifen lasse.“ Gomes hatte ihn vor die Brust geschlagen.

Toldo lässt Oranje verzweifeln

All das war nichts gegen die Aufregung am Folgetag, als in Amsterdam Niederländer und Italien aufeinandertrafen. Italien fand zu alten Mustern zurück, zerstörte lieber als anzugreifen, schoss in zwei Stunden nur vier Mal aufs Tor und war schon nach 34 Minuten dezimiert: Zambrotta sah Gelb-Rot. Fünf Minuten später begann das einmalige Elfmeter-Drama in der EM-Historie. Frank de Boer scheiterte an Francesco Toldo. 50.000 stöhnen entsetzt auf, als Patrick Kluivert nach 61 Minuten einen zweiten Elfmeter vergab – er traf den Pfosten.

Auch in der Verlängerung fielen keine Tore und nun mussten die Niederländer das tun, was sie an diesem Tag offensichtlich nicht konnten: Elfmeterschießen. Nun, es endete 1:4. Von insgesamt sechs Elfmetern verwandelte „Oranje“ nur einen. Frank de Boer scheiterte gleich zwei Mal an Teufelskerl Toldo, der auch einen Schuss von Peter Bosvelt hielt, während Jaap Stam in Uli Hoeneß-Manier kraftvoll übers Tor schoss.

Der 1,96 Meter-Riese Toldo stand ratlos vor dem Resultat seiner Magie: „Ich kann mir nicht erklären, wie ich sie so verunsichern konnte, dass sie gleich fünf Elfmeter vergeben konnten.“ Der Heimat war es egal. Tuttosport schrieb: „Ihr seid Helden! Dieser Kampf wird als Legende in die Geschichte des Fußballs eingehen. Jetzt steht nur noch Zinedine Zidane zwischen Italien und dem EM-Titel!“

Holland leckt seine Wunden

Was die Welt von Italiens Abkehr vom schönen Fußball hielt, störte sie nicht. Eine Brüsseler Zeitung schrieb von „einer bezaubernden Hässlichkeit, zynisch vollendet und grausam rein.“

Holland leckte derweil seine Wunden, Frank Rijkaard trat frustriert zurück. Gleichsam mit einem philosophischen Statement: „Wir sind in Holland als Kollektiv gut, wenn man hingegen einen Elfmeter schießt ist man ganz allein. Wir wachsen damit auf, dass unser Selbstvertrauen als Gruppe wächst und verfügen über weniger Individualisten. Vielleicht liegt es daran.“ Zum vierten Mal in den letzten fünf Turnieren waren die Niederlande auf diese Weise ausgeschieden – da wird Nachdenken über die Ursachen erlaubt sein.

Dem Finale blieb ein Elfmeterschießen erspart. Das hätte diese EM auch nicht verdient gehabt. Aber auch Frankreich und Italien machten es am 2. Juli 2000 in Rotterdam noch mal richtig spannend. Italien zeigte nach torloser erster Hälfte, von 9000 Tifosi angefeuert, plötzlich wieder sein mutiges Gesicht. Delvecchio gelang nach 55 Minuten mit einem Volleyschuss die verdiente Führung.

Italien fehlen 32 Sekunden

Roger Lemerre lief die Zeit davon und in seinen Bemühungen, den von Nesta organisierten Defensivwall zu knacken, setzte er letztlich vier Stürmer gleichzeitig ein. Zwei davon hatten das Zeug zu Retter und beide kamen sie von der Bank. Es lief bereits die Nachspielzeit, als Sylvain Wiltord Alessandro Nesta respektlos tunnelte und Toldo überwand. 32 Sekunden vor Schluss. Von diesem Schock erholte sich Italien nicht mehr.

David Trezeguet, schon Vorbereiter des 1:1, wurde in der Verlängerung zum ganz großen Helden der Grande Nation. In der 103. Minute schoss er das Golden Goal, das erstmals einen Weltmeister auch zum Europameister machte.

Lemerre atmete durch: „Es war Schwerstarbeit. Aber wir haben gegen die beste Abwehr der Welt zwei Tore erzielt.“ Kollege Dino Zoff ernannte seine Elf zum moralischen Sieger, ehe auch er zu den Fußballweisheiten griff: „Aber wir haben verloren – und das zählt nun einmal.“

Fußball als Sieger des Turniers

Der Fußball aber hatte gewonnen. Ein großartiges Turnier fand einen würdigen Champion. 2,74 Tore pro Spiel bedeuteten EM-Rekord seit die Endrunde in Turnierform gespielt wird (ab 1980) und zum zweite Mal knackte die Besucherzahl die Millionenmarke (1.102.850). Deutsche Ohren mochten es vielleicht nicht so gerne hören, aber Widerspruch legte niemand ein als UEFA-Generalsekretär Gerhard Aigner Bilanz zog: „Das war die beste Euro aller Zeiten.“ Südeuropa dominierte und damit das was diese Breiten ausmacht: Temperament, Phantasie. Kreativität, Feuer. Ins All-Star-Team schafften es fünf Franzosen, drei Italiener, zwei Portugiesen und zwei Spanier. Von Deutschen war 2000 nicht die Rede.

Fernsehjournalist Marcel Reif prophezeite in einer BZ-Kolumne: „In fünf, eher in zehn Jahren, kann Deutschland international wieder Anschluss finden.“ sein mit dem was wir hier erreicht haben.“ Ähnlich äußerte sich Ex-Bundestrainer Berti Vogts, Paul Breitner und wer sonst alles gefragt wurde. 2002 stand Deutschland bereits wieder im WM-Finale, mit sieben Spielern die 2000 so enttäuscht hatten.