Sieben Siege, fünf Remis: Das gute Omen zum EM-Start

Aller Anfang ist ja sprichwörtlich schwer, doch Ausnahmen bestätigen auch diese Regel. Wenn Deutschland in eine Fußball-EM startet, so lehrt die Historie, ist mit allem zu rechnen – nur nicht mit einer Niederlage. Die Startbilanz aus zwölf Turnieren: sieben Siege und fünf Unentschieden. Eine Beruhigungspille vor dem Auftakt gegen Weltmeister Frankreich heute Abend (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV).

Die deutsche EM-Geschichte bei Endrunden begann 1972 in Antwerpen gegen Gastgeber Belgien. Leichter als es das Ergebnis (2:1) aussagt, fiel der Halbfinalsieg, für den der damalige Hauptverantwortliche für Tore sorgte: Gerd Müller traf mit Kopf und Fuß und bannte die Sorgen von Bundestrainer Helmut Schön, der auf die eigentlich "unbespielbare Steinwüste" im Stade Bosuil hingewiesen hatte.

Fußballmärchen gegen Jugoslawien

Vier Jahre später traf das DFB-Team als amtierender Welt- und Europameister wieder auf den Gastgeber, der nun Jugoslawien hieß. Am 17. Juni 1976 ereignete sich in Belgrad vor 70.000 Zuschauer*innen ein Fußballmärchen. Beim Stand von 1:2 wechselte Schön in einem der besten EM-Spiele aller Zeit den Debütanten Dieter Müller ein, der nicht nur mit dem ersten Ballkontakt nach 40 Sekunden ausglich, sondern in der Verlängerung zwei weitere Tore erzielte. "Wir haben wieder einen Müller", freute sich Franz Beckenbauer nach dem 4:2-Sieg.

1980 in Italien war der Auftakt erstmals kein Halbfinale, sondern ein Gruppenspiel. Es bot Gelegenheit zur Revanche für das verlorene Finale 1976 gegen die Tschechen und die Deutschen nutzten sie. Karl-Heinz Rummenigge entschied ein mäßiges Eröffnungsspiel in Rom vor nur 10.500 Zuschauern per Kopfballtor zum 1:0-Endstand. Das Echo war dennoch fatal. Frankreichs Sportblatt L'Equipe titelte: "Dieses Eröffnungsspiel war eines der unerträglichsten und zähesten aller Spiele dieser Art, von denen man seit fast 20 Jahren weiß, dass sie todlangweilig sind."

1984 war es nicht besser und vom Ergebnis her noch schlimmer. Der Titelverteidiger und Portugal trennten sich in Straßburg 0:0, die Hitze galt als mildernder Umstand. Bundestrainer Jupp Derwall fand weitere Gründe: "Wir haben die Nervosität, Unruhe und Verkrampftheit gezeigt, wie sie im ersten Spiel üblich ist."

Es war das erste von drei Remis in Folge. 1988 in Düsseldorf gegen Italien und 1992 in Norköpping gegen die Russen (damals GUS) verhinderten Freistoßtore eine Niederlage. Die Weltmeister Andreas Brehme und Thomas Häßler retteten jeweils ein 1:1, Häßler erst in letzter Minute. Das Ausland war beeindruckt: "Sie verlieren nie", seufzte etwa Frankreichs L'Equipe.

Scholl rettet Punkt zum EM-Auftakt 2000

1996 gab es wieder mal einen Sieg, gegen die Tschechen (2:0) trafen Andy Möller und Christian Ziege schon vor der Pause. Im Endspiel (2:1) sahen sich beide Teams übrigens wieder.

Selbst bei der unbestritten schlimmsten EM aus deutscher Sicht wurde eine Niederlage zum Auftakt verhindert. Das einzige Endrundentor 2000 in der Niederlande und Belgien rettete nach schwacher Leistung gegen Rumänien (1:1) einen Punkt. Torschütze: Mehmet Scholl. Der forderte: "Über dieses Spiel muss geredet werden. Wenn wir unsere Fehler nicht abstellen, dann sehe ich schwarz gegen England und Portugal." Er sah richtig, es blieb der einzige Punkt des Teams von Erich Ribbeck. Den Spott gab es gratis. "Der schlimme alte Feind. Deutschlands Mittdreißiger sahen aus, als wären sie in der Midlifecrisis", spottete The Sun.

Auch 2004 stand ein 1:1 auf der Anzeigetafel, darüber freuten sich alle im deutschen Lager. Nach mühsamer Qualifikation nur in der Außenseiterrolle, holte das Völler-Team in Porto ein 1:1 gegen Mitfavorit Niederlande. Lange führte das DFB-Team durch einen Freistoßtreffer von Torsten FringsZDF-Kommentator Johannes B. Kerner meldete erfreut in die Heimat: "Hallo Deutschland, merkt ihr was? Die Aufstellung stimmt und die Einstellung auch." In der 79. Minute ließ Ruud van Nistelrooy den Traum vom Sieg platzen. Die Euphorie blieb: Die Bild-Zeitung titelte: "Europa, da sind wir wieder!" Dumm nur, dass es danach bergab ging und das zweite Vorrundenaus in Folge eintrat.

2016: Boatengs spektakuläre Rettung und Schweinsteiger-Sprint

Seit 2008 finden deutsche EM-Spiele unter der Ägide von Joachim Löw statt und werden ausnahmslos gewonnen. 2008 in Klagenfurt schoss ausgerechnet Lukas Podolski sein Geburtsland Polen mit zwei Toren ab (2:0). 2012 köpfte Mario Gomez in Lwiw unmittelbar vor seiner geplanten Auswechslung das goldene Tor gegen Portugal (1:0). "Ich muss mit dem vierten Mann hart ins Gericht gehen. Ich wollte schon zwei Minuten früher wechseln, doch er hat so lange gebraucht", witzelte Löw nach dem Spiel. In Erinnerung blieb auch eine absurde Debatte über den Torschützen, dem Mehmet Scholl auf seine unverwechselbare Art Lauffaulheit unterstellte: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss".

2016 in Lille gab es einen harten Kampf mit der Ukraine (2:0), eine spektakuläre Rettungstat von Jerome Boateng und zwei Kopfballtorschützen, die keiner auf der Rechnung hatte. Hummels-Vertreter Shkodran Mustafi erzielte das erste deutsche Turniertor, Joker Bastian Schweinsteiger nach 30-Meter-Sprint in seinem Drei-Minuten-Einsatz das zweite. Im Anschluss war er "ein bisschen außer Atem". Und mitverantwortlich für den EM-Rekord von zwölf Startspielen ohne Niederlage. Schlägt's heute 13?

[um]

Aller Anfang ist ja sprichwörtlich schwer, doch Ausnahmen bestätigen auch diese Regel. Wenn Deutschland in eine Fußball-EM startet, so lehrt die Historie, ist mit allem zu rechnen – nur nicht mit einer Niederlage. Die Startbilanz aus zwölf Turnieren: sieben Siege und fünf Unentschieden. Eine Beruhigungspille vor dem Auftakt gegen Weltmeister Frankreich heute Abend (ab 21 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV).

Die deutsche EM-Geschichte bei Endrunden begann 1972 in Antwerpen gegen Gastgeber Belgien. Leichter als es das Ergebnis (2:1) aussagt, fiel der Halbfinalsieg, für den der damalige Hauptverantwortliche für Tore sorgte: Gerd Müller traf mit Kopf und Fuß und bannte die Sorgen von Bundestrainer Helmut Schön, der auf die eigentlich "unbespielbare Steinwüste" im Stade Bosuil hingewiesen hatte.

Fußballmärchen gegen Jugoslawien

Vier Jahre später traf das DFB-Team als amtierender Welt- und Europameister wieder auf den Gastgeber, der nun Jugoslawien hieß. Am 17. Juni 1976 ereignete sich in Belgrad vor 70.000 Zuschauer*innen ein Fußballmärchen. Beim Stand von 1:2 wechselte Schön in einem der besten EM-Spiele aller Zeit den Debütanten Dieter Müller ein, der nicht nur mit dem ersten Ballkontakt nach 40 Sekunden ausglich, sondern in der Verlängerung zwei weitere Tore erzielte. "Wir haben wieder einen Müller", freute sich Franz Beckenbauer nach dem 4:2-Sieg.

1980 in Italien war der Auftakt erstmals kein Halbfinale, sondern ein Gruppenspiel. Es bot Gelegenheit zur Revanche für das verlorene Finale 1976 gegen die Tschechen und die Deutschen nutzten sie. Karl-Heinz Rummenigge entschied ein mäßiges Eröffnungsspiel in Rom vor nur 10.500 Zuschauern per Kopfballtor zum 1:0-Endstand. Das Echo war dennoch fatal. Frankreichs Sportblatt L'Equipe titelte: "Dieses Eröffnungsspiel war eines der unerträglichsten und zähesten aller Spiele dieser Art, von denen man seit fast 20 Jahren weiß, dass sie todlangweilig sind."

1984 war es nicht besser und vom Ergebnis her noch schlimmer. Der Titelverteidiger und Portugal trennten sich in Straßburg 0:0, die Hitze galt als mildernder Umstand. Bundestrainer Jupp Derwall fand weitere Gründe: "Wir haben die Nervosität, Unruhe und Verkrampftheit gezeigt, wie sie im ersten Spiel üblich ist."

Es war das erste von drei Remis in Folge. 1988 in Düsseldorf gegen Italien und 1992 in Norköpping gegen die Russen (damals GUS) verhinderten Freistoßtore eine Niederlage. Die Weltmeister Andreas Brehme und Thomas Häßler retteten jeweils ein 1:1, Häßler erst in letzter Minute. Das Ausland war beeindruckt: "Sie verlieren nie", seufzte etwa Frankreichs L'Equipe.

Scholl rettet Punkt zum EM-Auftakt 2000

1996 gab es wieder mal einen Sieg, gegen die Tschechen (2:0) trafen Andy Möller und Christian Ziege schon vor der Pause. Im Endspiel (2:1) sahen sich beide Teams übrigens wieder.

Selbst bei der unbestritten schlimmsten EM aus deutscher Sicht wurde eine Niederlage zum Auftakt verhindert. Das einzige Endrundentor 2000 in der Niederlande und Belgien rettete nach schwacher Leistung gegen Rumänien (1:1) einen Punkt. Torschütze: Mehmet Scholl. Der forderte: "Über dieses Spiel muss geredet werden. Wenn wir unsere Fehler nicht abstellen, dann sehe ich schwarz gegen England und Portugal." Er sah richtig, es blieb der einzige Punkt des Teams von Erich Ribbeck. Den Spott gab es gratis. "Der schlimme alte Feind. Deutschlands Mittdreißiger sahen aus, als wären sie in der Midlifecrisis", spottete The Sun.

Auch 2004 stand ein 1:1 auf der Anzeigetafel, darüber freuten sich alle im deutschen Lager. Nach mühsamer Qualifikation nur in der Außenseiterrolle, holte das Völler-Team in Porto ein 1:1 gegen Mitfavorit Niederlande. Lange führte das DFB-Team durch einen Freistoßtreffer von Torsten FringsZDF-Kommentator Johannes B. Kerner meldete erfreut in die Heimat: "Hallo Deutschland, merkt ihr was? Die Aufstellung stimmt und die Einstellung auch." In der 79. Minute ließ Ruud van Nistelrooy den Traum vom Sieg platzen. Die Euphorie blieb: Die Bild-Zeitung titelte: "Europa, da sind wir wieder!" Dumm nur, dass es danach bergab ging und das zweite Vorrundenaus in Folge eintrat.

2016: Boatengs spektakuläre Rettung und Schweinsteiger-Sprint

Seit 2008 finden deutsche EM-Spiele unter der Ägide von Joachim Löw statt und werden ausnahmslos gewonnen. 2008 in Klagenfurt schoss ausgerechnet Lukas Podolski sein Geburtsland Polen mit zwei Toren ab (2:0). 2012 köpfte Mario Gomez in Lwiw unmittelbar vor seiner geplanten Auswechslung das goldene Tor gegen Portugal (1:0). "Ich muss mit dem vierten Mann hart ins Gericht gehen. Ich wollte schon zwei Minuten früher wechseln, doch er hat so lange gebraucht", witzelte Löw nach dem Spiel. In Erinnerung blieb auch eine absurde Debatte über den Torschützen, dem Mehmet Scholl auf seine unverwechselbare Art Lauffaulheit unterstellte: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss".

2016 in Lille gab es einen harten Kampf mit der Ukraine (2:0), eine spektakuläre Rettungstat von Jerome Boateng und zwei Kopfballtorschützen, die keiner auf der Rechnung hatte. Hummels-Vertreter Shkodran Mustafi erzielte das erste deutsche Turniertor, Joker Bastian Schweinsteiger nach 30-Meter-Sprint in seinem Drei-Minuten-Einsatz das zweite. Im Anschluss war er "ein bisschen außer Atem". Und mitverantwortlich für den EM-Rekord von zwölf Startspielen ohne Niederlage. Schlägt's heute 13?

###more###