"Das passiert sonst keiner": Weggefährtinnen über "Natze"

Die Karriere endet, die Erinnerungen bleiben. Nadine Angerer hat nicht nur den Fans des deutschen Frauenfußballs zahlreiche unvergessliche Momente auf dem Platz geschenkt. Auch ihren Trainerinnen und Mitspielerinnen hat sie sich nachhaltig ins Gedächtnis gebracht. Die Weggefährtinnen erinnern sich, DFB.de präsentiert ihre Anekdoten.

"Ihr Hintern schmerzte"

Renate Lingor: "Eins vorweg: Natze ist ein super Typ. Ich habe mich stets bestens mit ihr verstanden. Ich mag es, wenn Menschen sind, wie sie sind, sich nicht verstellen. Und Natze steht zu ihrer Meinung. Deswegen haben wir auch oft lange und gute Gespräche geführt. Sie hat auch die Größe, am Ende einer Diskussion zu gestehen, dass sie überzeugt worden ist. Aber es gehört auch zu ihr, dass sie das Talent besitzt, Fettnäpfchen zielsicher anzusteuern. Zum Beispiel in Sachen Verletzungen. Es war, wenn ich mich richtig erinnere, auf einem Lehrgang in der Vorbereitung auf ein Turnier. Natze besuchte Smi (Sandra Smisek, Anm. d. Red.) und mich auf unserem Zimmer. Wir haben uns auf den Balkon gesetzt und ein bisschen gequatscht. Plötzlich springt sie wie von der Tarantel gestochen auf. Ihr Hintern schmerzte. Wie sich herausstellen sollte, hatten sich von dem Plastikstuhl, auf dem sie saß, Mikrofasern gelöst, die sich durch die Kleidung in ihr Fleisch bohrten. Da mussten die Ärzte ran. Nur mit Zugsalbe konnten sie die kleinen Splitter rausholen. Das muss ziemlich schmerzhaft gewesen sein. Man sollte auch nicht zu sehr ins Detail gehen oder zu bildhaft werden, aber die anderen hatten ihre Freude. Denn so etwas passiert keiner anderen."

"Iss endlich was Gescheites"

Ariane Hingst: "Dann packen wir mal EINE Story aus. Das war zu Potsdam-Zeiten, als wir beide unsere Physio-Ausbildung machten. Wir hatten uns noch vor dem Training unterhalten. Ich weiß nicht mehr, wem ich welche Rolle zuordnen muss. Aber eine von uns beiden erzählte, dass sie total hungrig sei. Manchmal lagen Schulende und Training so eng beieinander, dass Mahlzeiten so gut wie unmöglich waren. Und die andere sagte, dass sie total müde sei. Vom Lernen bis tief in die Nacht. Jedenfalls hatten wir unsere Trainingseinheit. Und im Abschlussspiel war’s dann soweit. Ari war der Meinung, dass Natze nicht schnell genug von hinten rausspielte. Und irgendwie begann dann eine ‚Diskussion‘. Die über den ganzen Platz stattfand. Wir haben uns laut angeschrien und es tatsächlich geschafft, das gesamte Spiel zu unterbrechen und man höre und staune: Schrödi (Turbine-Trainer Bernd Schröder, Anm. d. Red.) war sprachlos und stand nur am Rand und hat nichts gemacht und getan. Der Rest der Mannschaft war eh wie paralysiert. Kindergartenniveau erreichte es dann, als wir uns gegenseitig vorwarfen: "Jetzt iss endlich mal was Gescheites, dann zuckst Du nicht so rum." Oder: "Und Du geh erstmal nach Hause und schlaf Dich aus." Wir haben das tatsächlich ernst gemeint! Das Spiel wurde dann fortgesetzt und am Ende mussten wir einfach nur über uns beide lachen."

"Alle lachten. Auch Natze"

Tina Theune: "Eigentlich war ständig irgendwas mit Natze los. Wir hatten sie schon in der U 16 gesichtet. Damals waren wir zu einem Austausch nach Clairefontaine eingeladen, um gegen Frankreich zu spielen. Wir hatten uns gerade auf dem Campus eingerichtet. Natze war mit Toni Schmale auf einem Zimmer. Die trug Rastalocken, war von Zuhause ausgezogen und lebte in einem Bauwagen – ein guter Typ. Und passte zu Natze. Das zeigte sich auch sehr schnell. Ich musste sie nämlich wieder trennen. Weil sie die Trinkflaschen, die sie mit auf das Zimmer genommen hatten, dazu benutzt hatten, kleine Wasserbomben zu basteln, mit denen sie dann die Spieler der französischen Männern-Nationalmannschaft bewarfen. Ein anderes Mal kam Natze nicht in der vorgeschriebenen Kleidung zum Treffen. Damals war es Pflicht, schicke Schuhe zu tragen. Wir mussten sie deswegen zum Einkaufen schicken. In der Mittagspause ist sie dann in einen Laden gegangen. Sie hatte blaue und schwarze Schuhe anprobiert. Gefielen ihr beide nicht. Deswegen hat sie je einen von ihnen gekauft. Keine Frage: Natze ist einfach ein herzerfrischender, außergewöhnlicher Charakter. Das war auch beim U 20-Nordic Cup 1995 so. Sie war als jüngste Spielerin mitgereist. Im Turnierverlauf kam sie nicht zum Einsatz, aber im Endspiel wollte ich sie dann doch noch mal bringen. Allerdings hatte ich den richtigen Moment verpasst, zum Schluss bot sich eigentlich keine Gelegenheit mehr zum Wechseln. Als es dann doch noch ging, waren nur noch zwei Minuten zu spielen. Ich hatte Natze deswegen gefragt, ob sie trotzdem auf den Platz wolle. Jaaaaaa, antwortete sie, sie war Feuer und Flamme, brannte auf ihren Einsatz. Rannte bei der Auswechselung einfach aufs Feld und wartete nicht, bis sie sich mit Claudia von Lanken an der Seitenauslinie abklatschen konnte. So trafen sie sich mitten auf dem Feld. Natze war in voller Fahrt, wollte Claudia abklatschen, aber haute daneben und zwar so fest, dass sie beinahe stürzte. Sehr zur Unterhaltung der gesamten Tribüne. Alle lachten. Auch Natze. Man muss sie einfach mögen! Mit ihren gereiften Führungsqualitäten, ihrer Unerschrockenheit, höchsten Belastbarkeit, Stärke, aber auch Hingabe an das Leben, mit der permanenten Lust auf Neues wird sie nun ihren ungewöhnlichen Weg weitergehen."

"Junges Reh ohne Schienbeinschoner"

Sandra Smisek: "Oje, wie soll ich 1000 und eine Nacht mit Natze auf eine Anekdote reduzieren. Es gibt dazu 1000 und eine Geschichten – 1000 und einen Fauxpas. Was mir jetzt als Erstes in den Sinn kam, war der U 20-Nordic Cup 1995. Da wurde Natze eingewechselt, sprang wie ein junges Reh zu ihrem Strafraum und wurde, kaum dort angekommen, wieder des Feldes verwiesen. Weil sie vergessen hatte, ihre Schienbeinschoner anzuziehen. Es gibt viel mehr über sie zu erzählen, das wissen wir alle. Mich hat sie immer inspiriert und mir imponiert."

"Ich habe es Natze nie erzählt"

Maren Meinert: "Bei den Olympischen Spielen 2000 sind wir nach dem Ende unseres Wettbewerbs noch ein bisschen länger in Sydney geblieben. Natze war auch dabei. Vor dem Turnier hatte sie gesagt, dass, wenn wir eine Medaille holen, sie einen Bungee-Sprung machen würde. Ich habe leichtsinnigerweise gesagt: Klar, das machen wir. Natze war das ernst. Ich hatte aber echt Schiss. Erst recht, als wir dann eines morgens ganz früh losgezogen sind. Natze hatte einen Sprungturm ausfindig gemacht. Wir also hin. Unterwegs merkte ich immer mehr, wie sehr das Natze machen will. Ich war in der Bredouille. Ich kann nicht mehr kneifen, dachte ich mir. Eine Galgenfrist gönnte sie mir jedoch. Wir gingen noch frühstücken. Dann hatte mein letztes Stündlein geschlagen. Wir liefen zu dem Krahn rüber. Mein letzter Gang. Doch nein. Von weitem erkannte ich: Das Ding hat gar nicht auf. Der Laden ist geschlossen. Das erkannte auch Natze. Ich schob sie deswegen direkt in den nächsten Modeladen. Das war ein guter Ersatz für sie. Das lenkte sie ab. Und ich war erleichtert. Wir haben gar nicht mehr geguckt, ob und wann der Bungee-Krahn aufmacht. Und ich habe Natze nie erzählt, wie glücklich ich darüber bin. Bis heute."

"Für jede Situation einen Plan"

Bettina Wiegmann: "Natze hat für jede Situation einen Plan. Immer schon gehabt. Ich erinnere mich zurück, das ist schon einige Jahre her, wir hatten in der Sportschule Hennef einen Kurzlehrgang mit der Nationalmannschaft, bevor wir dann über Frankfurt zu einem Auswärtsspiel weiterreisten. Beim Mittagessen in Frankfurt stellte Natze fest, dass sie einen Schlüssel in ihrer Jackentasche hatte, der nicht ihr gehörte. Nämlich den Zimmerschlüssel der Sportschule. Der ungefähr ein halbes Kilo wog. Kann man ja mal vergessen, so ein unscheinbares Ding. Aber macht nix. Natze hatte schon einen Plan. "Ich schreibe einen Brief!", verkündete sie mit einem Tonfall, der ihre Begeisterung über diese Idee verriet. Ihr Umfeld teilte diese nur bedingt. Wir empfahlen ihr – im Zeitalter des Telefons – vom Fernsprecher Gebrauch zu machen, um die Sportschule schnellstmöglich zu informieren, bevor die die Schlösser auswechseln. Und dann – ohne viele Worte – mit Schlüssel ab zur Post. Wie gesagt: Natze hatte immer einen Plan, nicht immer war es der naheliegende!"

"Das Motorblock-Branding"

Ursula Holl: "Im Rückblick muss ich sagen, dass Natze nie die großen Klopper gebracht hatte, wenn ich dabei war. In China hat sie mal ein Badezimmer unter Wasser gesetzt. Da ist das Klo übergelaufen. Keine Ahnung, wie sie das geschafft hat. Und einmal waren wir auf einem Lehrgang in Bitburg. Da gibt es eine Kart-Bahn in der Nähe. Natze wollte da unbedingt hin. Sie hat deswegen Tina Theune gefragt. Die war aber nicht so begeistert. Erst als sie ihr versicherte, dass da nichts passiert, durfte sie los. Ist dann auch tatsächlich fast nichts passiert. Nur ein Moment der Unachtsamkeit. Als sich Natze nämlich in ihrem Kart umdrehte und dabei auf dem Motorblock abstützte. Der war leider kochend heiß. Natze trug ein schmuckes Branding auf dem Unterarm davon. Als Belohnung dafür hat sie noch einen tollen Verband bekommen. Trainingsfrei erhielt Natze jedoch nicht. Aber sie ist ja auch alles andere als trainingsfaul. Zur EURO 2005 hatte sie sich nach einer hartnäckigen Ellenbogenverletzung wieder ans Team herangearbeitet. Sie war zum Turnier topfit. Spielte dann zwar nicht, feierte nach dem Titelgewinn aber umso beherzter mit. Im Überschwang der Gefühle vergaß sie bei der Siegerehrung jedoch, ein wenig Vorsicht walten zu lassen. Mit ihren Stollenschuhen latschte sie auf das Siegerpodest und rutschte prompt aus, knallte auf ihren Ellenbogen – und verletzte sich erneut daran."

[nb]

Die Karriere endet, die Erinnerungen bleiben. Nadine Angerer hat nicht nur den Fans des deutschen Frauenfußballs zahlreiche unvergessliche Momente auf dem Platz geschenkt. Auch ihren Trainerinnen und Mitspielerinnen hat sie sich nachhaltig ins Gedächtnis gebracht. Die Weggefährtinnen erinnern sich, DFB.de präsentiert ihre Anekdoten.

"Ihr Hintern schmerzte"

Renate Lingor: "Eins vorweg: Natze ist ein super Typ. Ich habe mich stets bestens mit ihr verstanden. Ich mag es, wenn Menschen sind, wie sie sind, sich nicht verstellen. Und Natze steht zu ihrer Meinung. Deswegen haben wir auch oft lange und gute Gespräche geführt. Sie hat auch die Größe, am Ende einer Diskussion zu gestehen, dass sie überzeugt worden ist. Aber es gehört auch zu ihr, dass sie das Talent besitzt, Fettnäpfchen zielsicher anzusteuern. Zum Beispiel in Sachen Verletzungen. Es war, wenn ich mich richtig erinnere, auf einem Lehrgang in der Vorbereitung auf ein Turnier. Natze besuchte Smi (Sandra Smisek, Anm. d. Red.) und mich auf unserem Zimmer. Wir haben uns auf den Balkon gesetzt und ein bisschen gequatscht. Plötzlich springt sie wie von der Tarantel gestochen auf. Ihr Hintern schmerzte. Wie sich herausstellen sollte, hatten sich von dem Plastikstuhl, auf dem sie saß, Mikrofasern gelöst, die sich durch die Kleidung in ihr Fleisch bohrten. Da mussten die Ärzte ran. Nur mit Zugsalbe konnten sie die kleinen Splitter rausholen. Das muss ziemlich schmerzhaft gewesen sein. Man sollte auch nicht zu sehr ins Detail gehen oder zu bildhaft werden, aber die anderen hatten ihre Freude. Denn so etwas passiert keiner anderen."

"Iss endlich was Gescheites"

Ariane Hingst: "Dann packen wir mal EINE Story aus. Das war zu Potsdam-Zeiten, als wir beide unsere Physio-Ausbildung machten. Wir hatten uns noch vor dem Training unterhalten. Ich weiß nicht mehr, wem ich welche Rolle zuordnen muss. Aber eine von uns beiden erzählte, dass sie total hungrig sei. Manchmal lagen Schulende und Training so eng beieinander, dass Mahlzeiten so gut wie unmöglich waren. Und die andere sagte, dass sie total müde sei. Vom Lernen bis tief in die Nacht. Jedenfalls hatten wir unsere Trainingseinheit. Und im Abschlussspiel war’s dann soweit. Ari war der Meinung, dass Natze nicht schnell genug von hinten rausspielte. Und irgendwie begann dann eine ‚Diskussion‘. Die über den ganzen Platz stattfand. Wir haben uns laut angeschrien und es tatsächlich geschafft, das gesamte Spiel zu unterbrechen und man höre und staune: Schrödi (Turbine-Trainer Bernd Schröder, Anm. d. Red.) war sprachlos und stand nur am Rand und hat nichts gemacht und getan. Der Rest der Mannschaft war eh wie paralysiert. Kindergartenniveau erreichte es dann, als wir uns gegenseitig vorwarfen: "Jetzt iss endlich mal was Gescheites, dann zuckst Du nicht so rum." Oder: "Und Du geh erstmal nach Hause und schlaf Dich aus." Wir haben das tatsächlich ernst gemeint! Das Spiel wurde dann fortgesetzt und am Ende mussten wir einfach nur über uns beide lachen."

"Alle lachten. Auch Natze"

Tina Theune: "Eigentlich war ständig irgendwas mit Natze los. Wir hatten sie schon in der U 16 gesichtet. Damals waren wir zu einem Austausch nach Clairefontaine eingeladen, um gegen Frankreich zu spielen. Wir hatten uns gerade auf dem Campus eingerichtet. Natze war mit Toni Schmale auf einem Zimmer. Die trug Rastalocken, war von Zuhause ausgezogen und lebte in einem Bauwagen – ein guter Typ. Und passte zu Natze. Das zeigte sich auch sehr schnell. Ich musste sie nämlich wieder trennen. Weil sie die Trinkflaschen, die sie mit auf das Zimmer genommen hatten, dazu benutzt hatten, kleine Wasserbomben zu basteln, mit denen sie dann die Spieler der französischen Männern-Nationalmannschaft bewarfen. Ein anderes Mal kam Natze nicht in der vorgeschriebenen Kleidung zum Treffen. Damals war es Pflicht, schicke Schuhe zu tragen. Wir mussten sie deswegen zum Einkaufen schicken. In der Mittagspause ist sie dann in einen Laden gegangen. Sie hatte blaue und schwarze Schuhe anprobiert. Gefielen ihr beide nicht. Deswegen hat sie je einen von ihnen gekauft. Keine Frage: Natze ist einfach ein herzerfrischender, außergewöhnlicher Charakter. Das war auch beim U 20-Nordic Cup 1995 so. Sie war als jüngste Spielerin mitgereist. Im Turnierverlauf kam sie nicht zum Einsatz, aber im Endspiel wollte ich sie dann doch noch mal bringen. Allerdings hatte ich den richtigen Moment verpasst, zum Schluss bot sich eigentlich keine Gelegenheit mehr zum Wechseln. Als es dann doch noch ging, waren nur noch zwei Minuten zu spielen. Ich hatte Natze deswegen gefragt, ob sie trotzdem auf den Platz wolle. Jaaaaaa, antwortete sie, sie war Feuer und Flamme, brannte auf ihren Einsatz. Rannte bei der Auswechselung einfach aufs Feld und wartete nicht, bis sie sich mit Claudia von Lanken an der Seitenauslinie abklatschen konnte. So trafen sie sich mitten auf dem Feld. Natze war in voller Fahrt, wollte Claudia abklatschen, aber haute daneben und zwar so fest, dass sie beinahe stürzte. Sehr zur Unterhaltung der gesamten Tribüne. Alle lachten. Auch Natze. Man muss sie einfach mögen! Mit ihren gereiften Führungsqualitäten, ihrer Unerschrockenheit, höchsten Belastbarkeit, Stärke, aber auch Hingabe an das Leben, mit der permanenten Lust auf Neues wird sie nun ihren ungewöhnlichen Weg weitergehen."

"Junges Reh ohne Schienbeinschoner"

Sandra Smisek: "Oje, wie soll ich 1000 und eine Nacht mit Natze auf eine Anekdote reduzieren. Es gibt dazu 1000 und eine Geschichten – 1000 und einen Fauxpas. Was mir jetzt als Erstes in den Sinn kam, war der U 20-Nordic Cup 1995. Da wurde Natze eingewechselt, sprang wie ein junges Reh zu ihrem Strafraum und wurde, kaum dort angekommen, wieder des Feldes verwiesen. Weil sie vergessen hatte, ihre Schienbeinschoner anzuziehen. Es gibt viel mehr über sie zu erzählen, das wissen wir alle. Mich hat sie immer inspiriert und mir imponiert."

"Ich habe es Natze nie erzählt"

Maren Meinert: "Bei den Olympischen Spielen 2000 sind wir nach dem Ende unseres Wettbewerbs noch ein bisschen länger in Sydney geblieben. Natze war auch dabei. Vor dem Turnier hatte sie gesagt, dass, wenn wir eine Medaille holen, sie einen Bungee-Sprung machen würde. Ich habe leichtsinnigerweise gesagt: Klar, das machen wir. Natze war das ernst. Ich hatte aber echt Schiss. Erst recht, als wir dann eines morgens ganz früh losgezogen sind. Natze hatte einen Sprungturm ausfindig gemacht. Wir also hin. Unterwegs merkte ich immer mehr, wie sehr das Natze machen will. Ich war in der Bredouille. Ich kann nicht mehr kneifen, dachte ich mir. Eine Galgenfrist gönnte sie mir jedoch. Wir gingen noch frühstücken. Dann hatte mein letztes Stündlein geschlagen. Wir liefen zu dem Krahn rüber. Mein letzter Gang. Doch nein. Von weitem erkannte ich: Das Ding hat gar nicht auf. Der Laden ist geschlossen. Das erkannte auch Natze. Ich schob sie deswegen direkt in den nächsten Modeladen. Das war ein guter Ersatz für sie. Das lenkte sie ab. Und ich war erleichtert. Wir haben gar nicht mehr geguckt, ob und wann der Bungee-Krahn aufmacht. Und ich habe Natze nie erzählt, wie glücklich ich darüber bin. Bis heute."

"Für jede Situation einen Plan"

Bettina Wiegmann: "Natze hat für jede Situation einen Plan. Immer schon gehabt. Ich erinnere mich zurück, das ist schon einige Jahre her, wir hatten in der Sportschule Hennef einen Kurzlehrgang mit der Nationalmannschaft, bevor wir dann über Frankfurt zu einem Auswärtsspiel weiterreisten. Beim Mittagessen in Frankfurt stellte Natze fest, dass sie einen Schlüssel in ihrer Jackentasche hatte, der nicht ihr gehörte. Nämlich den Zimmerschlüssel der Sportschule. Der ungefähr ein halbes Kilo wog. Kann man ja mal vergessen, so ein unscheinbares Ding. Aber macht nix. Natze hatte schon einen Plan. "Ich schreibe einen Brief!", verkündete sie mit einem Tonfall, der ihre Begeisterung über diese Idee verriet. Ihr Umfeld teilte diese nur bedingt. Wir empfahlen ihr – im Zeitalter des Telefons – vom Fernsprecher Gebrauch zu machen, um die Sportschule schnellstmöglich zu informieren, bevor die die Schlösser auswechseln. Und dann – ohne viele Worte – mit Schlüssel ab zur Post. Wie gesagt: Natze hatte immer einen Plan, nicht immer war es der naheliegende!"

"Das Motorblock-Branding"

Ursula Holl: "Im Rückblick muss ich sagen, dass Natze nie die großen Klopper gebracht hatte, wenn ich dabei war. In China hat sie mal ein Badezimmer unter Wasser gesetzt. Da ist das Klo übergelaufen. Keine Ahnung, wie sie das geschafft hat. Und einmal waren wir auf einem Lehrgang in Bitburg. Da gibt es eine Kart-Bahn in der Nähe. Natze wollte da unbedingt hin. Sie hat deswegen Tina Theune gefragt. Die war aber nicht so begeistert. Erst als sie ihr versicherte, dass da nichts passiert, durfte sie los. Ist dann auch tatsächlich fast nichts passiert. Nur ein Moment der Unachtsamkeit. Als sich Natze nämlich in ihrem Kart umdrehte und dabei auf dem Motorblock abstützte. Der war leider kochend heiß. Natze trug ein schmuckes Branding auf dem Unterarm davon. Als Belohnung dafür hat sie noch einen tollen Verband bekommen. Trainingsfrei erhielt Natze jedoch nicht. Aber sie ist ja auch alles andere als trainingsfaul. Zur EURO 2005 hatte sie sich nach einer hartnäckigen Ellenbogenverletzung wieder ans Team herangearbeitet. Sie war zum Turnier topfit. Spielte dann zwar nicht, feierte nach dem Titelgewinn aber umso beherzter mit. Im Überschwang der Gefühle vergaß sie bei der Siegerehrung jedoch, ein wenig Vorsicht walten zu lassen. Mit ihren Stollenschuhen latschte sie auf das Siegerpodest und rutschte prompt aus, knallte auf ihren Ellenbogen – und verletzte sich erneut daran."