Linda Bresonik: "Das wird der pure Wahnsinn sein"

Bresonik: Das ist mir noch nicht passiert, ich werde komischerweise nie heiser. Ich kann noch so viel rufen und schreien.

DFB.de: Am Sonntag steht das erste Spiel bei der WM an. Wenn Sie jetzt schon manchmal Probleme beim Einschlafen haben, wird das dann in der Nacht von Samstag und Sonntag klappen?

Bresonik: Ich bekomme das schon hin. Es geht ja endlich los. Vorher haben wir gezählt: Noch 75 Tage, noch 60 Tage, und jetzt ist die Zahl schon einstellig. Es ist eine positive Aufregung in mir, die Vorfreude überwiegt auch. Aber es kribbelt einfach, deshalb muss ich, wenn ich die Augen zumache, versuchen, an etwas anderes zu denken. Das gelingt mir vor Spielen aber sonst auch.

DFB.de: Wie schafft man es, angesichts dessen, was kommt, konzentriert zu bleiben?

Bresonik: Ich habe da kein Rezept. Ich merke nur, dass die Zuschauer meinen Adrenalinpegel nach oben treiben. Das ist positiv, das bringt mich voran.

DFB.de: Im ersten Spiel kommt es zum Duell mit Kanada. Ein unangenehmer Gegner oder vor allem ein guter Gradmesser?

Bresonik: Das lässt sich schwer beantworten. Aussuchen können wir es uns ja ohnehin nicht. Ich weiß auch nicht, ob es besser gewesen wäre, gegen die wuseligen Japanerinnen anzufangen oder gegen einen athletisch starken Gegner wie die USA. Das erste Spiel ist oft das schwierigste und sicher auch mit das wichtigste.

DFB.de: Warum?



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Die Nummer zehn aus der Viererkette: Linda Bresonik ist eine feste Größte im Defensivkonzept von DFB-Trainerin Silvia Neid. Die 27-Jährige vom FCR Duisburg hat schon eine Menge Erfahrung, ist zweimal Weltmeisterin geworden – und hat doch noch manchmal vor Spielen Probleme beim Einschlafen, wie sie im Gespräch mit DFB.de-Redakteur Gereon Tönnihsen erzählt.

DFB.de: Frau Bresonik, gibt es eine Frage, die Ihnen im Moment besonders oft gestellt wird?

Linda Bresonik: Es gibt zwei, zum einen: Ihr werdet doch Weltmeister, oder? Die andere ist die, ob ich lieber hinten rechts oder im Mittelfeld spiele.

DFB.de: Und was antworten Sie dann?

Bresonik: Auf die erste Frage, dass ich das erst am 17. Juli beantworten kann. Und auf die zweite, dass ich hinten rechts ganz gut zurechtkomme.

DFB.de: Sehen Sie Ihre Flexibilität als Vorteil an?

Bresonik: Ich finde, schon. Generell sind die Chancen dadurch höher, für ein Turnier nominiert zu werden. So eine Veranstaltung ist lang, es kann immer viel passieren, sich immer mal jemand verletzen. Für die Trainerin ist es doch gut, wenn sie weiß, dass sie eine Spielerin auf mehreren Positionen einsetzen kann. Und mir persönlich ist vor allem wichtig, dass ich spiele.

DFB.de: Das ist auch bei der WM Ihr großes Ziel. Träumen Sie manchmal schon davon?

Bresonik: Bei mir ist es eher so, dass ich kurz vor dem Einschlafen daran denke. Das ist meistens schlecht, weil ich dann nicht einschlafen kann, weil mein Bauch so kribbelt. Gerade wenn ich in den vergangenen Tagen an Berlin und das Eröffnungsspiel gegen Kanada gedacht habe. Dann habe ich mir Szenen vorgestellt, wie das Spiel verlaufen könnte.

DFB.de: Sind das positive Gedanken?

Bresonik: Ja, immer. Ich stelle mir jetzt keinen Fehlpass vor, sondern eher eine gelungene Flanke, einen Torabschluss oder wie ich Christine Sinclair den Ball abnehme. Und natürlich die Atmosphäre im Stadion. Wenn 75.000 Leute die Hymne singen, wird das der pure Wahnsinn sein. Ich fand das immer schon beeindruckend, wenn das 20.000 gemacht haben. Ich kann mir das noch gar nicht richtig vorstellen.

DFB.de: Nach mehr als zweieinhalb Monaten Vorbereitung – waren Sie schon mal so fit wie jetzt?

Bresonik: Ich glaube, ich war immer fit. Wenn wir ein Turnier begonnen haben, haben wir uns immer ausgiebig vorbereitet. Die Kondition war nie ein Problem.

DFB.de: Die Aufmerksamkeit ist bei diesem Turnier ungleich höher als bei den anderen. Empfinden Sie das als angenehm oder vielleicht auch als anstrengend?

Bresonik: Es ist neu für uns, man muss aber auch sagen, dass es das ist, was wir immer wollten. Jede Spielerin geht damit anders um. Aber insgesamt ist das eine tolle Sache. Diese Erfahrungen kann mir keiner mehr nehmen. Keine von uns wird so ein Turnier im eigenen Land als Spielerin noch mal erleben. Das sollten wir nicht vergessen.

DFB.de: In der Vorbereitung gab es in vier Spielen vier Siege und 15:0-Tore. Ist das gut, oder werden dadurch die ohnehin schon hohen Erwartungen noch weiter steigen?

Bresonik: Das geht doch kaum noch. Im Grunde ist die Ausgangslage vor jedem Spiel bei uns gleich. Alle erwarten, dass wir gewinnen. Ob das bei einem Turnier ist, in einer Qualifikation oder einem Testspiel. Deshalb empfinde ich es nicht so, dass dadurch der Druck auf uns steigt. Im Gegenteil: Es ist gut zu sehen, was alles schon funktioniert, dass wir so viele Tore geschossen und kein Gegentor bekommen haben. Trotzdem weiß ich aber auch, dass die Mannschaft nicht abhebt, dass die Spielerinnen jetzt nicht denken, dass wir einfach so durch das Turnier marschieren. Das wird niemals passieren, dafür sind wir einfach nicht die Typen. Ich freue mich, dass wir die Spiele gewonnen haben, wir sind gut vorbereitet, und jetzt kann es losgehen.

DFB.de: Die Testspiele wurden allesamt zu Null gewonnen. Das spricht auch für das Abwehrverhalten, oder?

Bresonik: Am Anfang lief noch nicht alles so rund, wie wir uns das wünschen. Da haben wir ja auch noch relativ viel gewechselt, was im Turnier vermutlich nicht passieren wird. Gegner wie die Niederlande oder Italien haben sich aber auch nicht auf die WM vorbereitet und uns hinten daher auch nicht wahnsinnig gefordert. Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Norwegen war dann schon ein besserer Test. Aber letztlich ist Vorbereitung eben Vorbereitung. Entscheidend wird es, wenn am Sonntag das Spiel gegen Kanada angepfiffen wird.

DFB.de: Sie waren schon 2003 und 2007 bei der WM dabei. Können Sie sagen, wie sich der Frauenfußball in dieser Zeit entwickelt hat?

Bresonik: Die Spielerinnen sind viel athletischer worden. Früher hatten die US-Amerikanerinnen in diesem Bereich einen riesigen Vorsprung. Hier ist die Weltspitze ganz eindeutig enger zusammengerückt. Auch im technischen und taktischen Bereich ist der Frauenfußball besser geworden. Bei der WM wird man so viele taktische Systeme sehen wie noch nie.

DFB.de: Während der deutschen Spiele werden die Stadien alle voll sein. Ist es eigentlich schöner oder schwieriger, vor so vielen Zuschauern aufzulaufen?

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Bresonik: Ich finde es schöner. Wenn man einläuft, wenn man ins Stadion kommt, ist das ein großer Moment. Dann hat man einfach Bock, zu spielen. Man weiß, die sind da wegen uns. Das ist ein gigantisches Gefühl. Das spornt mich richtig an. Wenn wir einen Angriff starten und es immer lauter wird, je näher wir dem gegnerischen Tor kommen, bekomme ich das mit. Was natürlich schwieriger ist, ist die Kommunikation auf dem Platz. Dann höre ich gerade noch die Innenverteidigerin neben mir und vielleicht noch eine der beiden Spielerinnen auf der Sechs. Da muss man mehr mit Gesten kommunizieren. Oder eben lauter werden.

DFB.de: Heißt das, Sie kommen heiser vom Platz?

Bresonik: Das ist mir noch nicht passiert, ich werde komischerweise nie heiser. Ich kann noch so viel rufen und schreien.

DFB.de: Am Sonntag steht das erste Spiel bei der WM an. Wenn Sie jetzt schon manchmal Probleme beim Einschlafen haben, wird das dann in der Nacht von Samstag und Sonntag klappen?

Bresonik: Ich bekomme das schon hin. Es geht ja endlich los. Vorher haben wir gezählt: Noch 75 Tage, noch 60 Tage, und jetzt ist die Zahl schon einstellig. Es ist eine positive Aufregung in mir, die Vorfreude überwiegt auch. Aber es kribbelt einfach, deshalb muss ich, wenn ich die Augen zumache, versuchen, an etwas anderes zu denken. Das gelingt mir vor Spielen aber sonst auch.

DFB.de: Wie schafft man es, angesichts dessen, was kommt, konzentriert zu bleiben?

Bresonik: Ich habe da kein Rezept. Ich merke nur, dass die Zuschauer meinen Adrenalinpegel nach oben treiben. Das ist positiv, das bringt mich voran.

DFB.de: Im ersten Spiel kommt es zum Duell mit Kanada. Ein unangenehmer Gegner oder vor allem ein guter Gradmesser?

Bresonik: Das lässt sich schwer beantworten. Aussuchen können wir es uns ja ohnehin nicht. Ich weiß auch nicht, ob es besser gewesen wäre, gegen die wuseligen Japanerinnen anzufangen oder gegen einen athletisch starken Gegner wie die USA. Das erste Spiel ist oft das schwierigste und sicher auch mit das wichtigste.

DFB.de: Warum?

Bresonik: Wenn du im ersten Spiel verlierst, hast du im zweiten auf jeden Fall Druck. Das wollen wir vermeiden. Wir wollen drei Punkte holen, auch, damit wir uns nach dem Spiel gut fühlen, Selbstbewusstsein tanken. Kanada gehört zu den starken Gegnern mit einer gefährlichen Offensive, wenn man sie lässt, können sie guten Fußball spielen. Das wollen wir natürlich nicht zulassen. Ich denke, wenn wir gut stehen und alles beherzigen, was uns unsere Trainerin mit auf den Weg gibt, wird es schon schwer, uns zu schlagen.