Bilgin Defterlis türkische Träumereien

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Rot und weiß – Bilgin Defterli liebt diese Farben. Rot und Weiß – so sehen die Trikots des 1. FC Köln und der türkischen Nationalmannschaft aus. Rot und weiß – beides steht ihr gut, in der Kombination aber am besten. Bilgin Defterli ist Angreiferin, beim 1. FC Köln in der 2. Bundesliga und in der Auswahl ihres Heimatlandes. Dort ist sie sogar Spielführerin. Zum Treffen in Köln hat sie natürlich beide Trikots mitgebracht, das mit dem Halbmond mit Stern, Nummer 9, und das mit dem Geißbock, Nummer 11.

Bilgin Defterli erlebt fast täglich den unterschiedlichen Stellenwert des Fußballs am Rhein und am Bosporus. Nicht nur jetzt, da das EM-Qualifikationsspiele zwischen der DFB-Auswahl und der Türkei in Duisburg ansteht (ab 17 Uhr). "Deutschland ist das Herz des Frauenfußballs, hier ist er angekommen und gesellschaftlich voll akzeptiert. Die sportliche Entwicklung wird permanent vorangetrieben", sagt die 32-jährige. "In der Türkei ist die Bedeutung noch nicht so groß, aber es wird besser. Die Zahl der Frauen-Teams wächst ständig. Der Nachwuchs wird immer stärker gefördert, gerade von Verbandsseite. USA, England und vor allem Deutschland sind Vorbilder. Beim DFB kann man sich natürlich einiges abschauen."

Das belegt auch die Tabelle der zweiten Qualifikationsgruppe für die Europameisterschaft im kommenden Jahr. Deutschland: Platz eins, acht Siege, ein Unentschieden, 54:3 Tore. Türkei: letzter Platz, kein Sieg, ein Unentschieden, acht Niederlagen, 4:38 Tore. "Wir müssen zunächst einmal beweisen, dass wir mit Teams wie Rumänien und Kasachstan mithalten können", sagt Bilgin Defterli. "Aber man darf auch nicht vergessen, dass wir zum ersten Mal an einer Qualifikation teilnehmen."

Defterli: "Frauen und Fußball ging damals gar nicht"

Bilgin Defterli musste einiges durchmachen, um ihren Traum wahr werden zu lassen. "Ich habe schon sehr früh immer mit den Jungs auf der Straße in Istanbul gekickt. Das war nicht immer einfach, meine Eltern sind oft komisch angeschaut worden", erzählt sie. "Frauen und Fußball ging damals gar nicht. Aber ich habe mich durchgesetzt, und als ich irgendwann erfolgreich war, waren die Kritiker plötzlich Schulterklopfer."

Es war eine schwierige Zeit, als sie 2004 nach Deutschland kam. Aber sie hatte kaum eine andere Wahl. In der Türkei wurde der Spielbetrieb für Frauen komplett eingestellt. Bilgin Defterli jedoch wollte weiterspielen, sie war in der Form ihres Lebens - topfit. Zusammen mit ihrem Onkel hat sie alle Erst- und Zweitligisten in Deutschland per Mail oder Fax angeschrieben. Herausgekommen ist ein Engagement beim FSV Frankfurt.

"Ich kannte niemanden, ich konnte kein Wort deutsch, ich habe oft geweint, ich hatte häufig Heimweh." Wenn Bilgin Defterli an diese Zeiten zurückdenkt, verschwindet ihr strahlendes Lächeln. Sie wird ernst, nachdenklich, aber auch stolz. Denn sie hat die Geschichte durchgezogen. Zwei Jahre später ist sie zum FFC Brauweiler-Pulheim gewechselt. Zwei Abstiege aus der Bundes- in die Regionalliga, dann die Rückkehr in die 2. Bundesliga. Dann die Übernahme der Frauenfußball-Abteilung durch den 1. FC Köln. Es war eine ereignisreiche Zeit.

Domstadt, Rhein und Geißbockheim

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Nun also Domstadt, Rhein, Geißbockheim. Hier fühlt sie sich jetzt zu Hause. Köln ist zu ihrem Klein-Istanbul geworden. Sie hat Freunde gefunden, viele kommen ebenfalls aus der Türkei. Beim FC ist sie mit 32 Jahren eine der wenigen erfahrenen Spielerinnen im Kader. Aber zuletzt war sie lange verletzt. Ein Kreuzbandriss, eine der schlimmsten Verletzungen für einen Fußballer: "Ich war traurig, weil ich lange nicht bei der Mannschaft sein konnte. Ich bin körperlich fit. Aber ich muss es mir auch wieder zutrauen, in die Zweikämpfe zu gehen."

In den Testspielen vor Saisonstart hat das schon ganz gut geklappt. Sechs Tore in sieben Begegnungen sind eine ordentliche Ausbeute. "Aber das waren eben nur Freundschaftsspiele. In der Meisterschaft geht es anders zur Sache." Bilgin Defterli spricht da natürlich aus Erfahrung. Aber für Marcus Kühn, den Sportlichen Leiter der FC-Frauen steht es kaum zur Diskussion, dass die Angreiferin zu alter Stärke zurückfinden kann: "Sie ist für zehn bis 15 Tore gut. Ich habe selten eine Spielerin erlebt, die nach solch einer Verletzung so schnell zurückgekommen ist. Aber Bilgin muss sich dem Konkurrenzkampf stellen." Und der ist groß in Köln, man träumt vom Bundesliga-Aufstieg.

Davon träumt auch Bilgin Defterli. Sie träumt oft, und der Fußball spielt dabei häufig eine zentrale Rolle: "Ich bin dann Torschützenkönig. Mit dem FC bin ich in der Bundesliga. Mit der Türkei nehme ich an Welt- und Europameisterschaften teil." Dass das nicht realistisch ist, weiß sie natürlich auch. Dafür hat sie im Leben schon zu viel erlebt, Höhen und Tiefen.

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Rot und weiß – Bilgin Defterli liebt diese Farben. Rot und Weiß – so sehen die Trikots des 1. FC Köln und der türkischen Nationalmannschaft aus. Rot und weiß – beides steht ihr gut, in der Kombination aber am besten. Bilgin Defterli ist Angreiferin, beim 1. FC Köln in der 2. Bundesliga und in der Auswahl ihres Heimatlandes. Dort ist sie sogar Spielführerin. Zum Treffen in Köln hat sie natürlich beide Trikots mitgebracht, das mit dem Halbmond mit Stern, Nummer 9, und das mit dem Geißbock, Nummer 11.

Bilgin Defterli erlebt fast täglich den unterschiedlichen Stellenwert des Fußballs am Rhein und am Bosporus. Nicht nur jetzt, da das EM-Qualifikationsspiele zwischen der DFB-Auswahl und der Türkei in Duisburg ansteht (ab 17 Uhr). "Deutschland ist das Herz des Frauenfußballs, hier ist er angekommen und gesellschaftlich voll akzeptiert. Die sportliche Entwicklung wird permanent vorangetrieben", sagt die 32-jährige. "In der Türkei ist die Bedeutung noch nicht so groß, aber es wird besser. Die Zahl der Frauen-Teams wächst ständig. Der Nachwuchs wird immer stärker gefördert, gerade von Verbandsseite. USA, England und vor allem Deutschland sind Vorbilder. Beim DFB kann man sich natürlich einiges abschauen."

Das belegt auch die Tabelle der zweiten Qualifikationsgruppe für die Europameisterschaft im kommenden Jahr. Deutschland: Platz eins, acht Siege, ein Unentschieden, 54:3 Tore. Türkei: letzter Platz, kein Sieg, ein Unentschieden, acht Niederlagen, 4:38 Tore. "Wir müssen zunächst einmal beweisen, dass wir mit Teams wie Rumänien und Kasachstan mithalten können", sagt Bilgin Defterli. "Aber man darf auch nicht vergessen, dass wir zum ersten Mal an einer Qualifikation teilnehmen."

Defterli: "Frauen und Fußball ging damals gar nicht"

Bilgin Defterli musste einiges durchmachen, um ihren Traum wahr werden zu lassen. "Ich habe schon sehr früh immer mit den Jungs auf der Straße in Istanbul gekickt. Das war nicht immer einfach, meine Eltern sind oft komisch angeschaut worden", erzählt sie. "Frauen und Fußball ging damals gar nicht. Aber ich habe mich durchgesetzt, und als ich irgendwann erfolgreich war, waren die Kritiker plötzlich Schulterklopfer."

Es war eine schwierige Zeit, als sie 2004 nach Deutschland kam. Aber sie hatte kaum eine andere Wahl. In der Türkei wurde der Spielbetrieb für Frauen komplett eingestellt. Bilgin Defterli jedoch wollte weiterspielen, sie war in der Form ihres Lebens - topfit. Zusammen mit ihrem Onkel hat sie alle Erst- und Zweitligisten in Deutschland per Mail oder Fax angeschrieben. Herausgekommen ist ein Engagement beim FSV Frankfurt.

"Ich kannte niemanden, ich konnte kein Wort deutsch, ich habe oft geweint, ich hatte häufig Heimweh." Wenn Bilgin Defterli an diese Zeiten zurückdenkt, verschwindet ihr strahlendes Lächeln. Sie wird ernst, nachdenklich, aber auch stolz. Denn sie hat die Geschichte durchgezogen. Zwei Jahre später ist sie zum FFC Brauweiler-Pulheim gewechselt. Zwei Abstiege aus der Bundes- in die Regionalliga, dann die Rückkehr in die 2. Bundesliga. Dann die Übernahme der Frauenfußball-Abteilung durch den 1. FC Köln. Es war eine ereignisreiche Zeit.

Domstadt, Rhein und Geißbockheim

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Nun also Domstadt, Rhein, Geißbockheim. Hier fühlt sie sich jetzt zu Hause. Köln ist zu ihrem Klein-Istanbul geworden. Sie hat Freunde gefunden, viele kommen ebenfalls aus der Türkei. Beim FC ist sie mit 32 Jahren eine der wenigen erfahrenen Spielerinnen im Kader. Aber zuletzt war sie lange verletzt. Ein Kreuzbandriss, eine der schlimmsten Verletzungen für einen Fußballer: "Ich war traurig, weil ich lange nicht bei der Mannschaft sein konnte. Ich bin körperlich fit. Aber ich muss es mir auch wieder zutrauen, in die Zweikämpfe zu gehen."

In den Testspielen vor Saisonstart hat das schon ganz gut geklappt. Sechs Tore in sieben Begegnungen sind eine ordentliche Ausbeute. "Aber das waren eben nur Freundschaftsspiele. In der Meisterschaft geht es anders zur Sache." Bilgin Defterli spricht da natürlich aus Erfahrung. Aber für Marcus Kühn, den Sportlichen Leiter der FC-Frauen steht es kaum zur Diskussion, dass die Angreiferin zu alter Stärke zurückfinden kann: "Sie ist für zehn bis 15 Tore gut. Ich habe selten eine Spielerin erlebt, die nach solch einer Verletzung so schnell zurückgekommen ist. Aber Bilgin muss sich dem Konkurrenzkampf stellen." Und der ist groß in Köln, man träumt vom Bundesliga-Aufstieg.

Davon träumt auch Bilgin Defterli. Sie träumt oft, und der Fußball spielt dabei häufig eine zentrale Rolle: "Ich bin dann Torschützenkönig. Mit dem FC bin ich in der Bundesliga. Mit der Türkei nehme ich an Welt- und Europameisterschaften teil." Dass das nicht realistisch ist, weiß sie natürlich auch. Dafür hat sie im Leben schon zu viel erlebt, Höhen und Tiefen.