Bilgin Defterli: "So langsam werden wir ernst genommen"

Bilgin Defterli ist traurig. Das größte Spiel des Jahres verpasst die Torjägerin des 1. FC Köln. Denn eigentlich hätte die 31-Jährige am kommenden Mittwoch (ab 16 Uhr, live in der ARD) die türkische Frauenauswahl gegen das DFB-Team im EM-Qualifikationsspiel in Izmir auf den Platz führen sollen. Aber ein Kreuzbandriss, den sie am 27. November im Zweitligaspiel gegen den SC 07 Bad Neuenahr II erlitt, macht ihr einen Strich durch die Rechnung.

So bleibt Bilgin Defterli, die seit knapp acht Jahren in Deutschland spielt, nur noch, die Daumen zu drücken. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer stellt die Türkin den Frauenfußball in ihrer Heimat vor und zieht Vergleiche zu den deutschen Kolleginnen.

DFB.de: Bilgin Defterli, welches Ansehen genießt die deutschen Frauen-Nationalmannschaft in der Türkei?

Bilgin Defterli: Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft genießt großes Ansehen in der Türkei. Es ist bekannt, wie viele Titel die DFB-Auswahl gewonnen hat. Der Respekt vor diesen Leistungen ist groß. Außerdem wird Deutschland als Herz des Frauenfußballs gesehen. Hier ist der Frauenfußball angekommen und gesellschaftlich voll akzeptiert. Und in sportlicher Hinsicht wird die Entwicklung permanent vorangetrieben.

DFB.de: Wie wird sich das am Mittwoch im EM-Qualifikationsspiel äußern?

Bilgin Defterli: Ich gehe davon aus, dass einige Zuschauer kommen werden, eben weil sie die deutsche Mannschaft und die Stars des deutschen Frauenfußballs spielen sehen wollen.

DFB.de: Wie viele Fans werden zu der Begegnung erwartet?

Bilgin Defterli: Izmir ist eine schöne Stadt, es gibt viele Sonnenstunden, auch zu dieser Jahreszeit, so dass gute Voraussetzungen herrschen sollten, um ein tolles Fußballspiel zu sehen. Ich gehe davon aus, dass die Resonanz gut sein wird. Ich könnte mir vorstellen, dass zwischen 2000 und 2500 Zuschauer kommen.

DFB.de: Wie groß ist sonst das Interesse an der türkischen Frauen-Nationalmannschaft?

Bilgin Defterli: Sonst kommen relativ wenig Zuschauer zu unseren Spielen. Das sind mal 600, mal 700 Fans. Unser Zuschauerrekord liegt bei 1000 Besuchern, der wurde im EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien im vergangenen September aufgestellt.

DFB.de: Welchen Stellenwert genießt der türkische Frauenfußball, wie groß ist die gesellschaftliche Anerkennung?

Bilgin Defterli: Der Stellenwert ist noch nicht so groß. Aber die Zahl der Frauenteams in der Türkei wächst ständig. Der Nachwuchs wird immer stärker gefördert, gerade von Verbandsseite. Da beobachtet man zum Beispiel genau, was in Ländern wie Deutschland, den USA oder England passiert. Das sind Vorbilder, von denen man gerne lernt und sich etwas abschauen kann.

DFB.de: Wie kommt der Frauenfußball in der türkischen Männerwelt an?

Bilgin Defterli: In meiner Anfangszeit war das ein schwieriges Thema. Dass Frauen Fußball spielen, wurde damals gar nicht gern gesehen. Es herrschte ein Klischeedenken.

DFB.de: Müssen Sie sich rechtfertigen, als Frau Fußball zu spielen?

Bilgin Defterli: Zu Beginn war es sehr, sehr hart. Da habe ich immer mit den Jungs auf der Straße Fußball gespielt, während mich meine Eltern überall gesucht haben. Die Nachbarn haben das nämlich gar nicht gerne gesehen. Deswegen musste ich heimlich spielen. Als sich dann erste Erfolge einstellten, ich den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft hatte, wuchs auch die Anerkennung.

DFB.de: Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Bilgin Defterli: Bevor ich intensiv Fußball gespielt habe, war ich im Schulsport sehr aktiv. Mein Sportlehrer hat dann erkannt, dass ich vor allem im Fußball sehr talentiert bin. Er sagte meinen Eltern, dass sie mich fördern sollten.

DFB.de: Wie haben Ihre Eltern, wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?P

Bilgin Defterli: Nachdem ich einem Fußballverein beigetreten war, erkannten auch meine Eltern mein Talent und unterstützten mich. Von da an freuten sich auch die Nachbarn und jubelten mit. Doch viele Menschen haben immer noch Vorurteile, sie sind der Meinung, Frauen könnten kein Fußball spielen. Doch wenn sie sich mal ein Spiel angeschaut haben, sind sie überrascht und überzeugt vom Frauenfußball. So langsam werden wir ernst genommen.

DFB.de: Wie groß ist das Interesse der türkischen Frauen insgesamt am Fußball?

Bilgin Defterli: Vor allem junge Frauen, die in den Vereinen spielen, haben großes Interesse am Fußball. Durch die WM in Deutschland im vergangenen Jahr, die auch in der Türkei im Fernsehen zu sehen war, konnten sie viele internationale Spielerinnen kennenlernen und sich diese zum Vorbild nehmen. Aber auch generell schauen viele Frauen die Spiele der großen türkischen Klubs und werden teilweise vom Verband sogar mit Freikarten unterstützt.

DFB.de: Wie ist es in der Türkei aufgenommen worden, dass ein Spiel von Fenerbahce nur vor Frauen und Kindern ausgetragen wurde? Hatte man mit einer solchen Resonanz gerechnet?

Bilgin Defterli: Die Erwartungen vor diesem Spiel waren nicht sehr groß, und alle waren sehr erstaunt, dass so viele kamen. Vor allem wie intensiv die Frauen mitgefiebert und mitgesungen haben, war äußerst beeindruckend. Sie kannten alle Vereinslieder. Es herrschte eine besondere Atmosphäre. Mittlerweile genießen die Frauen den Fußball auch als Ereignis im Stadion, anstatt die Spiele nur zu Hause vor dem Fernseher zu schauen.

DFB.de: Wie weit ist der türkische Frauenfußball im Vergleich zum deutschen?

Bilgin Defterli: Das ist noch ein sehr großer Unterschied. Das Spiel der Deutschen ist wesentlich schneller und kraftbetonter, wobei der türkische Frauenfußball eher durch die technischen Fähigkeiten geprägt ist. Vor allem im Bereich der Nachwuchsförderung muss der türkische Frauenfußball noch viel nachholen. Besonders die großen Vereine in der Türkei, mit den guten Strukturen und Möglichkeiten, müssen den Frauenfußball mehr fördern.

DFB.de: Wie ist das Niveau in der Topliga?

Bilgin Defterli: Das Niveau der ersten Liga in der Türkei würde ich auf ein Level zwischen der 2. Bundesliga und der Regionalliga in Deutschland einordnen. Die erste Liga in der Türkei ist in zwei Gruppen zu je sieben Mannschaften unterteilt. Darunter gibt es eine zweite Liga.

DFB.de: Seit wann gibt es die türkische Frauen-Nationalmannschaft?

Bilgin Defterli: Die türkische Frauen-Nationalmannschaft hat 1987 ihr erstes Länderspiel bestritten.

DFB.de: Wie bewerten Sie die bisherigen Leistungen in der EM-Qualifikation?

Bilgin Defterli: Leider haben wir nur einen Punkt und sind Letzter in unserer Gruppe. Von daher ist es wichtig, gute Leistungen zu bringen und zunächst einmal zu zeigen, dass wir gegen Mannschaften wie Rumänien oder Kasachstan mithalten können. Aber wir bewerten das realistisch. Es ist das erste Mal, dass wir in der Qualifikation für ein großes Turnier dabei sind. Ich denke aber, dass sich in den kommenden Jahren noch etwas entwickeln wird. Der Türkische Fußball-Verband ist in der Nachwuchsförderung aktiv, das sieht man auch daran, dass in diesem Jahr in Antalya die U 19-Frauen-EM ausgetragen wird.

DFB.de: Welche Erwartungen haben Sie für das Spiel am Mittwoch?

Bilgin Defterli: Zunächst einmal bin ich sehr traurig, dass ich nicht dabei sein kann. Ich hoffe es wird ein gutes Spiel, aber Deutschland ist natürlich der klare Favorit. Und ich wünsche mir, dass das Ergebnis nicht zu hoch ausfällt.

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Bilgin Defterli ist traurig. Das größte Spiel des Jahres verpasst die Torjägerin des 1. FC Köln. Denn eigentlich hätte die 31-Jährige am kommenden Mittwoch (ab 16 Uhr, live in der ARD) die türkische Frauenauswahl gegen das DFB-Team im EM-Qualifikationsspiel in Izmir auf den Platz führen sollen. Aber ein Kreuzbandriss, den sie am 27. November im Zweitligaspiel gegen den SC 07 Bad Neuenahr II erlitt, macht ihr einen Strich durch die Rechnung.

So bleibt Bilgin Defterli, die seit knapp acht Jahren in Deutschland spielt, nur noch, die Daumen zu drücken. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer stellt die Türkin den Frauenfußball in ihrer Heimat vor und zieht Vergleiche zu den deutschen Kolleginnen.

DFB.de: Bilgin Defterli, welches Ansehen genießt die deutschen Frauen-Nationalmannschaft in der Türkei?

Bilgin Defterli: Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft genießt großes Ansehen in der Türkei. Es ist bekannt, wie viele Titel die DFB-Auswahl gewonnen hat. Der Respekt vor diesen Leistungen ist groß. Außerdem wird Deutschland als Herz des Frauenfußballs gesehen. Hier ist der Frauenfußball angekommen und gesellschaftlich voll akzeptiert. Und in sportlicher Hinsicht wird die Entwicklung permanent vorangetrieben.

DFB.de: Wie wird sich das am Mittwoch im EM-Qualifikationsspiel äußern?

Bilgin Defterli: Ich gehe davon aus, dass einige Zuschauer kommen werden, eben weil sie die deutsche Mannschaft und die Stars des deutschen Frauenfußballs spielen sehen wollen.

DFB.de: Wie viele Fans werden zu der Begegnung erwartet?

Bilgin Defterli: Izmir ist eine schöne Stadt, es gibt viele Sonnenstunden, auch zu dieser Jahreszeit, so dass gute Voraussetzungen herrschen sollten, um ein tolles Fußballspiel zu sehen. Ich gehe davon aus, dass die Resonanz gut sein wird. Ich könnte mir vorstellen, dass zwischen 2000 und 2500 Zuschauer kommen.

DFB.de: Wie groß ist sonst das Interesse an der türkischen Frauen-Nationalmannschaft?

Bilgin Defterli: Sonst kommen relativ wenig Zuschauer zu unseren Spielen. Das sind mal 600, mal 700 Fans. Unser Zuschauerrekord liegt bei 1000 Besuchern, der wurde im EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien im vergangenen September aufgestellt.

DFB.de: Welchen Stellenwert genießt der türkische Frauenfußball, wie groß ist die gesellschaftliche Anerkennung?

Bilgin Defterli: Der Stellenwert ist noch nicht so groß. Aber die Zahl der Frauenteams in der Türkei wächst ständig. Der Nachwuchs wird immer stärker gefördert, gerade von Verbandsseite. Da beobachtet man zum Beispiel genau, was in Ländern wie Deutschland, den USA oder England passiert. Das sind Vorbilder, von denen man gerne lernt und sich etwas abschauen kann.

DFB.de: Wie kommt der Frauenfußball in der türkischen Männerwelt an?

Bilgin Defterli: In meiner Anfangszeit war das ein schwieriges Thema. Dass Frauen Fußball spielen, wurde damals gar nicht gern gesehen. Es herrschte ein Klischeedenken.

DFB.de: Müssen Sie sich rechtfertigen, als Frau Fußball zu spielen?

Bilgin Defterli: Zu Beginn war es sehr, sehr hart. Da habe ich immer mit den Jungs auf der Straße Fußball gespielt, während mich meine Eltern überall gesucht haben. Die Nachbarn haben das nämlich gar nicht gerne gesehen. Deswegen musste ich heimlich spielen. Als sich dann erste Erfolge einstellten, ich den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft hatte, wuchs auch die Anerkennung.

DFB.de: Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Bilgin Defterli: Bevor ich intensiv Fußball gespielt habe, war ich im Schulsport sehr aktiv. Mein Sportlehrer hat dann erkannt, dass ich vor allem im Fußball sehr talentiert bin. Er sagte meinen Eltern, dass sie mich fördern sollten.

DFB.de: Wie haben Ihre Eltern, wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?P

Bilgin Defterli: Nachdem ich einem Fußballverein beigetreten war, erkannten auch meine Eltern mein Talent und unterstützten mich. Von da an freuten sich auch die Nachbarn und jubelten mit. Doch viele Menschen haben immer noch Vorurteile, sie sind der Meinung, Frauen könnten kein Fußball spielen. Doch wenn sie sich mal ein Spiel angeschaut haben, sind sie überrascht und überzeugt vom Frauenfußball. So langsam werden wir ernst genommen.

DFB.de: Wie groß ist das Interesse der türkischen Frauen insgesamt am Fußball?

Bilgin Defterli: Vor allem junge Frauen, die in den Vereinen spielen, haben großes Interesse am Fußball. Durch die WM in Deutschland im vergangenen Jahr, die auch in der Türkei im Fernsehen zu sehen war, konnten sie viele internationale Spielerinnen kennenlernen und sich diese zum Vorbild nehmen. Aber auch generell schauen viele Frauen die Spiele der großen türkischen Klubs und werden teilweise vom Verband sogar mit Freikarten unterstützt.

DFB.de: Wie ist es in der Türkei aufgenommen worden, dass ein Spiel von Fenerbahce nur vor Frauen und Kindern ausgetragen wurde? Hatte man mit einer solchen Resonanz gerechnet?

Bilgin Defterli: Die Erwartungen vor diesem Spiel waren nicht sehr groß, und alle waren sehr erstaunt, dass so viele kamen. Vor allem wie intensiv die Frauen mitgefiebert und mitgesungen haben, war äußerst beeindruckend. Sie kannten alle Vereinslieder. Es herrschte eine besondere Atmosphäre. Mittlerweile genießen die Frauen den Fußball auch als Ereignis im Stadion, anstatt die Spiele nur zu Hause vor dem Fernseher zu schauen.

DFB.de: Wie weit ist der türkische Frauenfußball im Vergleich zum deutschen?

Bilgin Defterli: Das ist noch ein sehr großer Unterschied. Das Spiel der Deutschen ist wesentlich schneller und kraftbetonter, wobei der türkische Frauenfußball eher durch die technischen Fähigkeiten geprägt ist. Vor allem im Bereich der Nachwuchsförderung muss der türkische Frauenfußball noch viel nachholen. Besonders die großen Vereine in der Türkei, mit den guten Strukturen und Möglichkeiten, müssen den Frauenfußball mehr fördern.

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DFB.de: Wie ist das Niveau in der Topliga?

Bilgin Defterli: Das Niveau der ersten Liga in der Türkei würde ich auf ein Level zwischen der 2. Bundesliga und der Regionalliga in Deutschland einordnen. Die erste Liga in der Türkei ist in zwei Gruppen zu je sieben Mannschaften unterteilt. Darunter gibt es eine zweite Liga.

DFB.de: Seit wann gibt es die türkische Frauen-Nationalmannschaft?

Bilgin Defterli: Die türkische Frauen-Nationalmannschaft hat 1987 ihr erstes Länderspiel bestritten.

DFB.de: Wie bewerten Sie die bisherigen Leistungen in der EM-Qualifikation?

Bilgin Defterli: Leider haben wir nur einen Punkt und sind Letzter in unserer Gruppe. Von daher ist es wichtig, gute Leistungen zu bringen und zunächst einmal zu zeigen, dass wir gegen Mannschaften wie Rumänien oder Kasachstan mithalten können. Aber wir bewerten das realistisch. Es ist das erste Mal, dass wir in der Qualifikation für ein großes Turnier dabei sind. Ich denke aber, dass sich in den kommenden Jahren noch etwas entwickeln wird. Der Türkische Fußball-Verband ist in der Nachwuchsförderung aktiv, das sieht man auch daran, dass in diesem Jahr in Antalya die U 19-Frauen-EM ausgetragen wird.

DFB.de: Welche Erwartungen haben Sie für das Spiel am Mittwoch?

Bilgin Defterli: Zunächst einmal bin ich sehr traurig, dass ich nicht dabei sein kann. Ich hoffe es wird ein gutes Spiel, aber Deutschland ist natürlich der klare Favorit. Und ich wünsche mir, dass das Ergebnis nicht zu hoch ausfällt.