Sandrock: "Bild der Fans positiver zeichnen"

Zwei festangestellte Fanbeauftragte beschäftigt jeder Bundesligaklub. Die Statuten schreiben es vor. Bis hinab in die Regionalligen sind Fanbeauftragte im Einsatz. DFB und DFL finanzieren zudem mehr als 50 sozialpädagogisch geleitete Fanprojekte im Land des Weltmeisters. Das Budget wurde vor zwei Jahren nochmal deutlich aufgestockt. Und Gewaltvorfälle im deutschen Fußball sind seit Jahren rückläufig. Die Stimmung zwischen Polizisten und Fans kann dennoch verbessert werden.

Die Zukunftswerkstätten, die von der Daniel-Nivel-Stiftung veranstaltet werden, sollen Hürden abbauen. Das Ziel: Polizisten und Fußballfans außerhalb der Stadien und fernab ritualisierter Abläufe ins Gespräch zu bringen. DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock hat in Nürnberg die letzte Zukunftswerkstatt vor der EURO eröffnet und spricht im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth darüber - und über eine funktionierende Grundidee.

DFB.de: Herr Sandrock, in Nürnberg trafen sich 75 Polizisten, Fans, Fanbeauftragte und Fanprojektleiter, um ins Gespräch zu kommen. Waren es denn gute Gespräche?

Helmut Sandrock: Ich mag die Methode der Zukunftswerkstätten. Es ist ja grundsätzlich förderlich, die Netzwerkpartner zum Dialog zusammenzubringen, auch wenn ich heute bedauere, dass keine Sprecher von Ultra-Fangruppen hier in Nürnberg teilnehmen wollten. Der Verfahrensablauf hat sich jedenfalls bewährt. Alle Polizeivertreter erscheinen in Zivil. Zuerst wird von beiden Seiten direkt Kritik formuliert. So war es auch hier, wo ein Polizeieinsatzleiter aus Nürnberg und anschließend Fanklubvorsitzende aus München und Düsseldorf sehr klar ihre Kritik an der Gegenseite formulierten. Diese Kritik bleibt auch erst mal stehen, es gibt nicht dieses reflexartige Einnehmen einer Kontrahaltung. Alle hören sich zunächst gegenseitig zu und lassen die Worte sacken. Anschließend erarbeiten die Teilnehmer in Workshops einen idealen Gegenentwurf, sie entwickeln eine Utopie, wie die Koexistenz von Polizei und Fußballfans idealerweise ausschauen könnte. Schließlich werden anwendbare Lösungen erarbeitet.

DFB.de: Trotz sinkender Fallzahlen und einer europaweit vorbildlichen Struktur der Fanarbeit klagen Polizei wie Fangruppen manchmal über das Verhältnis zueinander. Woran liegt das?

Sandrock: Das ist schwer zu erklären. Die Gruppe der gewaltbereiten Zuschauer im Stadion ist sicherlich sehr, sehr klein. Gerade bei jungen Leuten erkennen wir in den Stadien manchmal ein Protestverhalten, das vielleicht auch alterstypisch ist und sich in der Konfrontation mit der Polizei ausdrückt. Das geht aber über den Fußball hinaus, das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Ultra-Gruppen beziehen immer wieder Stellung zu sozialen Themen, das ist an manchen Orten vorbildlich, ich denke an die Beteiligung bei Typisierungskampagnen oder etwa in München an die Landauer-Choreographien (in Erinnerung an den früheren jüdischen Präsidenten des FC Bayern; Anm. d. Red.). Aber gleichzeitig kommt es gerade in Ultra-Gruppen auch immer wieder zur Verwendung von Pyro. Und bei aller Dialogbereitschaft, drei Themen sind absolut nicht verhandelbar: Pyro, Rassismus und Gewalt. Gerade bei Auswärtsspielen sehen wir immer noch zu viele Grenzüberschreitungen. Darüber müssen wir reden, es gibt keinen anderen probaten Ansatz.

DFB.de: Mit Blick auf statistisch niedrige Fallzahlen in den Stadien überrascht dennoch das Image von Fußballfans. Ärgert Sie dieser nicht nur positive Ruf?

Sandrock: Ich glaube, dass das Bild des Fußballfans in der Öffentlichkeit zu schlecht rüberkommt. Man sollte nicht den Fehler machen, alle über einen Kamm zu scheren. Die Fans sind und bleiben ein ganz wichtiger Bestandteil des Fußballs. Vereine, die Ligen, auch der DFB - wir sollten alle daran mitwirken, dieses Bild der Fans unserer Sportart positiver zu zeichnen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was Fans etwa auch im Umfeld eines Vereins alles Großartiges leisten. Gleichzeitig müssen wir auch immer wieder daran erinnern, dass leider einige wenige dafür sorgen, dass dieses öffentliche Bild des Fußballanhängers oft schlecht rüberkommt. Ich würde mir hier manchmal eine stärkere Selbstreflektion und auch Selbstregulierung in den Fanszenen wünschen.

DFB.de: Wie geht es Daniel Nivel?

Sandrock: Daniel Nivel geht es soweit gut. Wir hatten ihn, seine Frau Laurette und seine Familie zuletzt im Januar 2013 zum Länderspiel in Paris eingeladen. Damals war er zum ersten Mal überhaupt im Stade de France. Ich erinnere mich daran, das war eine wunderbare Begegnung. Über die Stiftung und direkt über den DFB planen wir ein Treffen für den Sommer. Dann wird unsere Nationalmannschaft wieder bei einem großen Turnier in Frankreich mitspielen. Und natürlich wollen wir dieses wichtige Anliegen, nämlich ein gutes und vor allem gewaltfreies Miteinander von Polizei und Fußballfans, wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Wir werden wohl noch vor der EURO eine Zukunftswerkstatt im Elsass veranstalten und somit auch für einen Transfer des Themas ins EM-Land Frankreich sorgen.

[th]

Zwei festangestellte Fanbeauftragte beschäftigt jeder Bundesligaklub. Die Statuten schreiben es vor. Bis hinab in die Regionalligen sind Fanbeauftragte im Einsatz. DFB und DFL finanzieren zudem mehr als 50 sozialpädagogisch geleitete Fanprojekte im Land des Weltmeisters. Das Budget wurde vor zwei Jahren nochmal deutlich aufgestockt. Und Gewaltvorfälle im deutschen Fußball sind seit Jahren rückläufig. Die Stimmung zwischen Polizisten und Fans kann dennoch verbessert werden.

Die Zukunftswerkstätten, die von der Daniel-Nivel-Stiftung veranstaltet werden, sollen Hürden abbauen. Das Ziel: Polizisten und Fußballfans außerhalb der Stadien und fernab ritualisierter Abläufe ins Gespräch zu bringen. DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock hat in Nürnberg die letzte Zukunftswerkstatt vor der EURO eröffnet und spricht im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth darüber - und über eine funktionierende Grundidee.

DFB.de: Herr Sandrock, in Nürnberg trafen sich 75 Polizisten, Fans, Fanbeauftragte und Fanprojektleiter, um ins Gespräch zu kommen. Waren es denn gute Gespräche?

Helmut Sandrock: Ich mag die Methode der Zukunftswerkstätten. Es ist ja grundsätzlich förderlich, die Netzwerkpartner zum Dialog zusammenzubringen, auch wenn ich heute bedauere, dass keine Sprecher von Ultra-Fangruppen hier in Nürnberg teilnehmen wollten. Der Verfahrensablauf hat sich jedenfalls bewährt. Alle Polizeivertreter erscheinen in Zivil. Zuerst wird von beiden Seiten direkt Kritik formuliert. So war es auch hier, wo ein Polizeieinsatzleiter aus Nürnberg und anschließend Fanklubvorsitzende aus München und Düsseldorf sehr klar ihre Kritik an der Gegenseite formulierten. Diese Kritik bleibt auch erst mal stehen, es gibt nicht dieses reflexartige Einnehmen einer Kontrahaltung. Alle hören sich zunächst gegenseitig zu und lassen die Worte sacken. Anschließend erarbeiten die Teilnehmer in Workshops einen idealen Gegenentwurf, sie entwickeln eine Utopie, wie die Koexistenz von Polizei und Fußballfans idealerweise ausschauen könnte. Schließlich werden anwendbare Lösungen erarbeitet.

DFB.de: Trotz sinkender Fallzahlen und einer europaweit vorbildlichen Struktur der Fanarbeit klagen Polizei wie Fangruppen manchmal über das Verhältnis zueinander. Woran liegt das?

Sandrock: Das ist schwer zu erklären. Die Gruppe der gewaltbereiten Zuschauer im Stadion ist sicherlich sehr, sehr klein. Gerade bei jungen Leuten erkennen wir in den Stadien manchmal ein Protestverhalten, das vielleicht auch alterstypisch ist und sich in der Konfrontation mit der Polizei ausdrückt. Das geht aber über den Fußball hinaus, das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Ultra-Gruppen beziehen immer wieder Stellung zu sozialen Themen, das ist an manchen Orten vorbildlich, ich denke an die Beteiligung bei Typisierungskampagnen oder etwa in München an die Landauer-Choreographien (in Erinnerung an den früheren jüdischen Präsidenten des FC Bayern; Anm. d. Red.). Aber gleichzeitig kommt es gerade in Ultra-Gruppen auch immer wieder zur Verwendung von Pyro. Und bei aller Dialogbereitschaft, drei Themen sind absolut nicht verhandelbar: Pyro, Rassismus und Gewalt. Gerade bei Auswärtsspielen sehen wir immer noch zu viele Grenzüberschreitungen. Darüber müssen wir reden, es gibt keinen anderen probaten Ansatz.

DFB.de: Mit Blick auf statistisch niedrige Fallzahlen in den Stadien überrascht dennoch das Image von Fußballfans. Ärgert Sie dieser nicht nur positive Ruf?

Sandrock: Ich glaube, dass das Bild des Fußballfans in der Öffentlichkeit zu schlecht rüberkommt. Man sollte nicht den Fehler machen, alle über einen Kamm zu scheren. Die Fans sind und bleiben ein ganz wichtiger Bestandteil des Fußballs. Vereine, die Ligen, auch der DFB - wir sollten alle daran mitwirken, dieses Bild der Fans unserer Sportart positiver zu zeichnen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was Fans etwa auch im Umfeld eines Vereins alles Großartiges leisten. Gleichzeitig müssen wir auch immer wieder daran erinnern, dass leider einige wenige dafür sorgen, dass dieses öffentliche Bild des Fußballanhängers oft schlecht rüberkommt. Ich würde mir hier manchmal eine stärkere Selbstreflektion und auch Selbstregulierung in den Fanszenen wünschen.

DFB.de: Wie geht es Daniel Nivel?

Sandrock: Daniel Nivel geht es soweit gut. Wir hatten ihn, seine Frau Laurette und seine Familie zuletzt im Januar 2013 zum Länderspiel in Paris eingeladen. Damals war er zum ersten Mal überhaupt im Stade de France. Ich erinnere mich daran, das war eine wunderbare Begegnung. Über die Stiftung und direkt über den DFB planen wir ein Treffen für den Sommer. Dann wird unsere Nationalmannschaft wieder bei einem großen Turnier in Frankreich mitspielen. Und natürlich wollen wir dieses wichtige Anliegen, nämlich ein gutes und vor allem gewaltfreies Miteinander von Polizei und Fußballfans, wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Wir werden wohl noch vor der EURO eine Zukunftswerkstatt im Elsass veranstalten und somit auch für einen Transfer des Themas ins EM-Land Frankreich sorgen.

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