Auf den Spuren von Julius Hirsch

Unter den Lebensgeschichten der im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sportler*innen ist die Biografie von Julius Hirsch heute historisch gründlich, ja vorbildlich erschlossen. Damit ist sie eine sel- tene Ausnahme. Bis in die 1980er und 1990er Jahre wussten wir fast gar nichts von den jüdischen Frauen und Männern, die als Aktive, Trainer*in- nen, Betreuer*innen, Funktionsträger*innen, Sponsoren oder Journa- list*innen den Sport in ihrer Zeit geprägt haben. Es hat mehrere Nachkriegsgenerationen gedauert, zumindest einige ihre Namen und Lebensgeschichten aus dem historischen Dunkel des Ver- gessens, Verschweigens und Verdrängens nach 1933 und noch einmal nach 1945 zu heben. Zu Tage kamen die Biografien von Welt- und Euro- pameister*innen, Olympiasieger*innen, Rekordhalter*innen, Pionier*in- nen, Botschafter*innen und Förder*innen ihrer Sportarten. Noch immer sind viele von ihnen nahezu unbekannt. Viele andere aber, und das ist ermutigend, sind heute Teil einer sehr leben- digen und vielfältigen Erinnerungskultur im Fußball. Dafür stehen Namen wie der Fußballpionier und Kicker-Gründer Walther Bensemann und der FC Bayern-Präsident Kurt Landauer, denen Bücher, Filme und Dokumen- tationen, Straßenbenennungen und Preise gewidmet sind. Eine Reihe wei- terer lokaler und regionaler Biografien sind inzwischen wiederentdeckt und teilweise aufgearbeitet, viele davon von Fans und Fußballanhängern. Die vorliegende Publikation ist ein Teil dieser Erinnerungskultur des Fußballs. Der Name des Karlsruher Kaufmanns und Nationalspielers Julius „Juller“ Hirsch ist heute im und zum Teil sogar über den Fußball hinaus ein Begriff. Neben der Benennung einer Straße in seiner Heimat- stadt Karlsruhe und von Sportanlagen in Pfinzbachtal, Berlin und Fürth hat dafür vor allem der 2005 vom Deutschen Fußball-Bund gestiftete Julius Hirsch Preis beigetragen, der jedes Jahr Menschen auszeichnet, die sich für Demokratie und Menschenwürde und gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung einsetzen. Anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation von Julius Hirsch am 1. März 1943 initiierte die DFB-Kulturstiftung einen historischen Work- shop und begab sich vom 21. bis 25. März 2018 mit einer buntgemisch- ten Gruppe aus Fußballfans und aktiven Menschen aus den Vereinen des DFB auf den Spuren von Julius Hirsch an den Ort seiner Ermordung, das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Denn während über die einzelnen biografischen, beruflichen und sportlichen Statio- nen seiner Lebensgeschichte in den letzten Jahren viel ermittelt wer- den konnte, ist über seinen Weg ins besetzte Polen und die Ankunft im Lager nur sehr wenig bekannt. Oftmals heißt es, mit der in Dortmund am 3. März 1943 abgestempelten Postkarte an seine Tochter Esther „verliert sich seine Spur“. VORWORT

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