Auf den Spuren von Julius Hirsch

DEPORTATION NACH AUSCHWITZ | STUTTGART | KARLSRUHE | 35 nenresten an die von hier abgegangenen Deportati- onen. Die neue Synagoge der Jüdischen Gemeinde befindet sich seit 1952 wieder in der Hospitalstraße – unmittelbar nach Kriegsende war der Synagogen- platz in der Hospitalstraße 36 zunächst als Abladeort von Trümmern benutzt worden. Knapp 200 Juden und Jüdinnen waren ab 1945 nach Stuttgart zurück- gekehrt, viele von ihnen wirkten am Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde mit, verließen die Stadt und Deutschland in den folgenden Jahren jedoch. KARLSRUHE HAUPTBAHNHOF 1. MÄRZ 1943 Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialis- ten wurde die ehemalige Landeshauptstadt Badens zur Hauptstadt des gleichnamigen Gaus. In Karlsruhe befand sich dementsprechend von Frühjahr 1933 an mit der Staatspolizeileitstelle auch die zentrale Koordinationsstelle der Gestapo für den gesamten Gau Baden – über die ihr untergeordneten Gestapo- Außendienststellen wurden später die Deportationen der jüdischen Bevölkerung aus der Region organisiert. Ab 1938 hatte die Staatspolizeileitstelle Karlsruhe ihren Sitz in der Villa Reiss, welches heute zu den Gebäuden des Bundesgerichtshofes gehört. Im Jahr 1933 lebten über 3.300 jüdische Bürger*in- nen in Karlsruhe, mindestens 1.000 von ihnen wur- den im Holocaust ermordet. Es existierten jeweils eine große orthodoxe und liberale Synagoge in der Stadt, welche beide im Zuge der Pogromnacht im November 1938 zerstört wurden. Auch die bei- den jüdischen Sportvereine, der Turnclub Karlsruhe (TCK 03) und der Sportclub Hakoah (hebräisch für „Stärke“), der sich vor allem auf Fußball fokussierte, wurden 1938 aufgelöst. Im Zuge der Pogromnacht sollten zudem alle jüdischen Männer zwischen 16 und 60 Jahren in „Schutzhaft“ genommen werden, sie wurden zum Teil durch eine jubelnde Menge von mehreren hundert Karlsruher*innen über den Markt- platz ins Polizeipräsidium getrieben und dort miss- handelt. Etwa 400 bis 500 Karlsruher Juden wurden daraufhin in das Konzentrationslager Dachau bei München verschleppt. Die systematischen Deportationen der jüdischen Bevölkerung aus der Region um Karlsruhe fingen bereits im Oktober 1940 an, als rund 6.500 Men- schen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland ins unbesetzte Frankreich deportiert wurden. Bereits damals wurden die Karlsruher Jüdinnen und Juden stundenlang am Hauptbahnhof unter Bewachung festgehalten, bevor sie in einen Zug steigen muss- ten. Auch die weiteren Deportationen spielten sich vor den Augen der Bevölkerung am Karlsruher Hauptbahnhof ab. Am 1. März 1943 sollten sich ins- gesamt zwölf Personen, darunter der bekannte Fuß- baller Julius Hirsch, auf Anordnung der Gestapo zur Deportation dort einfinden – vier Menschen erschie- nen nicht. Julius Hirsch jedoch bestieg vermutlich gegen Mittag den aus Stuttgart kommenden Depor- tationszug, der ihn nach Auschwitz bringen sollte. Stadtrundgang zur Geschichte Karlsruhes im Nationalsozialismus.

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