Auf den Spuren von Julius Hirsch

DEPORTATION IM MÄRZ 1943 | 27 im deutschsprachigen Raum geprägt und sollte „eine neue Form einer sich wissenschaftlich verstehenden und rassistisch begründeten Ablehnung von Juden“ etablieren. 2 Die Verbreitung von Sozialdarwinismus und auf den Menschen übertragenen Rassetheo- rien hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung eines biologisch argumentierten, „modernen Antisemitismus“ geführt, der jüdische Menschen nicht als Glaubensgemeinschaft, sondern als vermeintliche Menschenrasse darstellte und somit auf die physische Vertreibung und letztendliche Ver- nichtung „der Juden an sich“ abzielte. Im frühen 20. Jahrhundert dienten antisemitische Stereotype als beliebtes Erklärungsmuster beispiels- weise für links-revolutionäre Bestrebungen in Europa, die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, die negativen Erscheinungen der Moderne und die wirtschaftlichen Krisen der 1920er Jahre. Unter der Annahme einer „jüdischen Weltverschwö- rung“wurde eine „endgültige Lösung der Judenfrage“ von vielen politischen Kräften herbeigesehnt. Bereits das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 verdeutlichte die Vision einer „Volksgemein- schaft“ als „Blutgemeinschaft“ 3 , die nur unter Aus- schluss jüdischer Bürger*innen (und weiterer Grup- pen) funktionieren könne: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“ 4 Deutschland sollte über eine durch historische Mythen unterfütterte Abstammungsgemeinschaft definiert werden, deren vermeintliche Natürlichkeit implizierte, dass Nicht-Angehörige dieser Gemein- schaft „per definitionem nicht assimiliert werden können.“ 5 Im Gegenteil stieg mit dem Verständnis Deutschlands als „Volks- oder Blutsgemeinschaft“ die Gefahr, „dass der Definition ethnischer Homo- genität auch die Gewaltpraxis ethnischer Exklusion, d.h. Ausgrenzung und Vertreibung“ 6 folgte. Dieser Logik folgend führten bereits kurz nach der Macht- übertragung an die Nationalsozialisten im Januar 1933 Propaganda, Gesetze, aber immer wieder auch physische Gewalt zu einer sozialen Situation, in der Antisemitismus ausgelebt werden durfte und sollte. VERTREIBUNGEN UND MASSENDEPORTATIONEN: INSTRUMENTE DER NS-POLITIK Angesichts der zahlreichen Gewaltaktionen und antisemitischen Gesetzesänderungen nach 1933 flohen bereits in den ersten Jahren der NS-Herrschaft

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