Auf den Spuren von Julius Hirsch

diesen grausamen, bis zur Befreiung am 8. Mai 1945 dauernden Aufenthalt und kehrten am 16. Juni nach Karlsruhe zurück. Gottfried Fuchs, Hirschs ehemalige Fußballkamerad, der seit 1928 mit seiner Familie recht wohlhabend in Berlin lebte, floh 1937 zunächst in die Schweiz, dann nach Paris und schließlich imMai 1940 über Großbri- tannien nach Kanada.Geradezu„in letzterMinute“ent- kam er dem Völkermord, dem fast alle europäischen Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Einladungen und Ehrungen seines früheren Karlsruher Vereins KFV lehnte Fuchs mit Hinweis auf die Ermordung seines Teamkollegen und Freundes Julius Hirsch ab. Gott- fried Fuchs starb am 25. Februar 1972 in Montreal. SPÄTE ERINNERUNG In den zwölf Jahren NS-Herrschaft sorgten die Ver- eine auch dafür, dass die Erinnerung an die Juden aus dem Gedächtnis der deutschen Fußballgeschichte getilgt wurde. Selbst vormals verdiente und hochde- korierte Mitglieder wurden nach ihremAusschluss nur selten von ihren Vereinen namentlich verabschiedet oder ihnen gar für ihre bisherigen Verdienste gedankt. Besonders perfide war die nachträgliche Fälschung der eigenen Klubgeschichte. Nach 1933 wurden in einigen Klubs die Namen jüdischer Vereinsgründer aus Festschriften entfernt, Gedenkplatten ausge- tauscht oder sogar ihre Konterfeis nachträglich aus Fotos herausretuschiert. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blie- ben die ehemaligen jüdischen Spieler, Trainer, Funk- tionäre, Journalisten oder Förderer im deutschen Fußball lange fast völlig vergessen. Das änderte sich grundlegend erst ab Mitte der 1990er Jahre. Ange- stoßen durch die Initiative einzelner Vereinsmitglie- der und Fans, durch die Forschungen von Autoren und Journalisten begannen die Vereine und auch der DFB, sich kritisch mit ihrer Rolle zwischen 1933 und 1945 auseinanderzusetzen. Nachdem der DFB 2001 eine unabhängige Studie zu seiner Verbands- geschichte in Auftrag gegeben hatte, die 2005 von Nils Havemann unter dem Titel „Fußball unterm Hakenkreuz“ veröffentlicht wurde, erschienen zwi- schen 2002 und 2007 weitere Studien zur Geschichte von Borussia Dortmund, Schalke 04, dem 1. FC Kai- serslautern, Eintracht Frankfurt und dem Hamburger SV im Nationalsozialismus. Auch die Lebensgeschichte von Julius Hirsch war lange Zeit vergessen. 1992 begab sich der Autor Werner Skrentny auf die Spurensuche, traf sich mit Hirschs Sohn Heinold, und verfasste 1993 den Aufsatz „Der Tod des ,Juller‘ Hirsch“ in einem Sam- melband über die Oberliga Süd. 1998 wurde die Sporthalle des Ludwig-Marum-Gymnasiums in Pfinztal-Berghausen nach Julius Hirsch benannt. Anfang 2000 waren die von Heinold Hirsch sorg- fältig verwahrten Lebenszeugnisse seines Vaters in der DFB-Jubiläumsausstellung „Der Ball ist rund“ im Gasometer Oberhausen zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. 2005 schließlich stiftete der DFB den Julius Hirsch Preis in Erinnerung an die zahlreichen, vor allem jüdischen Opfer unter seinen Spielern, Trainern und Vereinsmitgliedern, die seit April 1933 ausgeschlossen wurden. Der Preis zeichnet jähr- lich Menschen aus, die sich im und um den Fußball öffentlich für Demokratie und Menschenwürde und gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitis- mus einsetzen. 2012 führte Werner Skrentny seine jahrelangen his- torischen Recherchen in der umfassenden Biografie „Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet“ zusammen. Ein Jahr später weihte die Stadt Karlsruhe unweit des alten „Stadions an der Telegraphenkaserne“, wo Julius Hirsch und Gottfried Fuchs hunderte von Toren für ihren KFV erzielt hatten, die „Julius- Hirsch-Straße“ und den „Gottfried-Fuchs-Platz“ ein. Fans, Medien und Öffentlichkeit erinnern sich heute ihrer verlorenen Helden. Dennoch: Der Umgang mit der Geschichte von Julius Hirsch steht stellvertre-

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