Auf den Spuren von Julius Hirsch

BIOGRAFIE JULIUS HIRSCH | 17 als auch von FIFA-Generalsekretär Ivo Schricker und von verschiedenen Fußballverbänden erhalten hatte. Schließlich musste er am 25. März 1934 Frankreich wieder verlassen. Weil er in Deutschland nur Mitglied bei jüdischen Vereinen werden durfte, übernahm er beim jüdischen Turnclub Karlsruhe 03 (TCK 03), einemVerein im Sportbund „Schild“ des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten, die Aufgabe als ehrenamtli- cher Trainer in der Fußballabteilung. Ab dem 1. April 1934 verdiente er seinen Lebensun- terhalt als Vertreter für Manufakturwaren undWäsche. Anders als in seiner früheren leitenden Funktion war er als Handlungsreisender in Deutschland unterwegs. Am 18. Mai 1937 wurde er bei der jüdischen Firma Vogel & Bernheimer Zellstoff- und Papierfabriken mit Werken in Ettlingen und Maxau als Hilfslohnbuchhal- ter eingestellt, verlor diesen Posten aber bereits am 30. Juni 1938 wieder, da die Firma am 1. April 1938 arisiert worden war. Nachdem ein im Juli 1938 unternommener Ver- such, sich bei einem Verein der Schweizer National- liga als Trainer zu bewerben, ohne Erfolg geblieben war, brach Julius Hirsch im August 1938 erneut nach Frankreich auf, um seine dort lebende Schwester Rosa Einstein zu besuchen, aber auch um sich nach einer neuen Existenzmöglichkeit umzusehen. Dort kam es auch zum letzten Treffen mit seinem zwischenzeitlich emigrierten Freund und ehemaligen Mitspieler Gott- fried Fuchs.Am3. November 1938 verließ er Paris wie- der, kam aber nicht in Karlsruhe an. Stattdessen erhielt seine Frau von ihm einen verworrenen Brief, den er aus einer französischen psychiatrischen Klinik abgeschickt hatte. Es stellte sich heraus, dass Julius Hirsch in einem sehr schlechten Gemütszustand Paris verlassen hatte. Zutiefst verzweifelt und deprimiert über die eigene aussichtslose Situation, zugleich in Furcht vor der Rückkehr nach Nazi-Deutschland, in ein Land, in dem Jüdinnen und Juden systematisch diskriminiert, ent- rechtet und verfolgt wurden, verübte er einen Selbst- mordversuch. Erste Hilfe erhielt er in einem Kranken- haus in Commercy, das ihn am 4. November 1938 an die Klinik Fains-les Sources bei Bar-le-Duc überstellte. Dort besuchte ihn Ende Dezember sein Schwager Alfons Hauser. Im Februar 1939 holte ihn seine Frau nach Karlsruhe zurück. Als im Jahre 1939 im Nürnber- ger Kicker-Verlag das Sammelalbum „Die deutschen Nationalspieler“ erschien, fehlten darin die Einträge für Hirsch und Fuchs: Als Juden waren sie aus den Annalen des deutschen Fußballs gestrichenworden.Nach seiner Rückkehr wurde Julius Hirsch als Hilfsarbeiter vomstäd- tischen Tiefbauamt zwangsverpflichtet. Er musste auf einem Schuttplatz am Stadtrand von Karlsruhe arbeiten und ab September 1941 wie alle Jüdinnen und Juden ab dem sechsten Lebensjahr den gelben Stern tragen. DEPORTATION Am 22. Oktober 1940 ließ der badische Gauleiter Robert Wagner die badischen Jüdinnen und Juden, darunter 905 Menschen aus Karlsruhe, nach Südfrank- reich deportieren. Sie kamen dort zunächst u.a. in das Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen. Nur wenige über- lebten die spätere Deportation in die Vernichtungs- lager. Julius Hirsch entging dem Transport nach Gurs, weil er mit einer „arischen“ Frau verheiratet war. Aus- genommen von der Verschleppung blieben neben den Jüdinnen und Juden, die in einer „Mischehe“ leb- ten, auch jene Menschen, die die Nazis als „Mischlinge ersten Grades“ ansahen. In der Annahme, ihre beiden Kinder dadurch schützen zu können, ließ sich das Ehe- paar Hirsch scheiden. Die Ehe wurde laut Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 2. Dezember 1942 geschieden. Julius Hirsch zog in die Kronenstraße 62, hielt sich trotz der Scheidung aber täglich bei seiner Familie auf. Seine Frau nahm wieder ihren Mädchen- namen Hauser an. ImApril 1943 traten die Kinder zum evangelischen Glauben über und ließen sich taufen. Mit der „Fabrikaktion“ im Frühjahr 1943 wurden die zuvor von den Transporten zurückgestellten jüdi- schen Menschen endgültig aus dem Deutschen Reich deportiert. Julius Hirsch unterrichtete seine Familie bei einem Besuch Ende Februar 1943, dass

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