Uwe Rahn: Nur 19 Sekunden bis zum Tor gegen Schweden

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am Freitag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am Dienstag, 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF), in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: der Qualfikationsauftakt zur WM 1986.

19 Sekunden. Mehr liegt nicht zwischen dem Moment, in dem Uwe Rahn erstmals in einem Länderspiel das Spielfeld betritt, und dem Moment, in dem er sein erstes Tor für die deutsche Nationalmannschaft erzielt. Es ist der 17. Oktober 1984, es ist der Auftakt der Qualifikation zur WM 1986, es ist das zweite Spiel von Franz Beckenbauer als Teamchef, es ist das Heimspiel gegen Schweden.

74 Minuten ist das deutsche Team vergeblich angerannt auf dem tiefen Geläuf im Müngersdorfer Stadion in Köln. Immer noch steht es 0:0. Immer wieder hat sich Schwedens Torwart Thomas Ravelli erfolgreich in die Angriffe geworfen. Ein Kopfball von Hans-Peter Briegel landet am Pfosten. 61.000 Zuschauer scheinen bereits der Verzweiflung nah, als Beckenbauer sein Gespür für glückliche Entscheidungen nutzt und den Debütanten Rahn für Felix Magath ins Spiel schickt. Wer kann ahnen, dass dieser 22-Jährige mit der flachsblonden Mähne und dem Schnauzbart gleich zum Matchwinner avanciert? Wer kann ahnen, dass der Stürmer von Borussia Mönchengladbach zwei Jahre später Torschützenkönig der Bundesliga und Deutschlands Fußballer des Jahres wird?

Beckenbauer ungläubig, Faßbender wird "wahnsinnig"

An diesem Abend in Köln setzt sich Klaus Allofs, ebenfalls erst eingewechselt, in der 75. Minute auf der rechten Seite durch und zieht nach innen. Rahn startet in die Tiefe, zeigt mit der Hand an, wohin er den Ball haben will, Allofs passt punktgenau in den Lauf, und Rahn schiebt den Ball aus halbrechter Position am herausstürzenden Ravelli vorbei an den rechten Innenpfosten, von wo er den Weg über die Linie findet. Das 1:0 - mit dem ersten Ballkontakt im ersten Länderspiel.

Der Teamchef schüttelt an der Seitenlinie ungläubig lächelnd den Kopf, Heribert Faßbender brüllt ins ARD-Mikro: "Ich werd’ wahnsinnig." Kurz vor Schluss legt Karl-Heinz Rummenigge zum 2:0 nach, der Endstand. Der erste Schritt ist gemacht auf dem Weg nach Mexiko, wo Deutschland knapp zwei Jahre später Vizeweltmeister wird.

Die Saison seines Lebens: Torschützenkönig und Fußballer des Jahres

So gut es für Uwe Rahn im Nationalteam begonnen hat, so gut geht es zunächst weiter. In den nächsten drei Länderspielen trifft er weitere dreimal, zweimal beim 6:0 gegen Malta und einmal beim 4:1 gegen Bulgarien. Zur festen Größe aber wird er nicht. Nach seinem neunten Auftritt im DFB-Trikot, einem 2:2 gegen die Tschechoslowakei im November 1985, macht Rahn fast ein Jahr lang kein Länderspiel mehr. Bei der WM 1986 steht er zwar im Kader, kommt aber nicht zum Einsatz.

Der persönlichen Enttäuschung folgt die Saison seines Lebens. 24 Tore erzielt Rahn und damit mehr als jeder andere in der Bundesliga-Spielzeit 86/87. Sechs Monate später ist er Deutschlands Fußballer des Jahres und mit 25 auf dem Höhepunkt angekommen. "Man schwebt natürlich gerne oben auf den Wolken", sagt er in einem Interview, "aber ich weiß, dass es sehr schnell vorbei sein kann."

Dem Höhepunkt folgt der Karriereknick

Wie schnell, erlebt Rahn am eigenen Leib. Als der PSV Eindhoven den Torjäger aus Deutschland als Nachfolger für Ruud Gullit verpflichten will und ein Millionenangebot unterbreitet, lehnt Gladbach ab. Gleichzeitig verlässt mit Jupp Heynckes der Mann die Borussia, der Rahn 1980 nach Mönchengladbach geholt hatte und einer seiner größten Förderer war. Der Trainer geht zum FC Bayern und wird von Wolf Werner abgelöst. Rahns Leistungen lassen nach, in der Saison 87/88 hat er 25 Einsätze und trifft nur zwölfmal, im Jahr darauf gar nicht mehr. In der Nationalmannschaft ist nach 14 Länderspielen (5 Tore) Schluss, das 1:0 gegen Dänemark am 23. September 1987 ist seine letzte Partie.

1989 wechselt Rahn zum 1. FC Köln, wird dort zweimal Vizemeister, aber nicht Leistungsträger. Mit Hertha BSC steigt er 1991 aus der Bundesliga ab. Anschließend ist er ein halbes Jahr ohne Verein. Rahn trainiert bei seinem Ex-Klub Mönchengladbach mit, um sich fit zu halten. Platz im Kader ist dort nicht mehr für ihn. Kurze Gastspiele bei Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt beenden das Kapitel Bundesliga, die Urawa Red Diamonds in Japan sind die letzte Station seiner Karriere.

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Rahn: Seit Jahren aus der Öffentlichkeit verschwunden

"Rückblickend würde ich in meiner Endphase bei Borussia Mönchengladbach einiges anders machen", hat Rahn irgendwann in dieser schweren Zeit gesagt. Wer heute mit ihm über damals reden möchte, über die Anfänge in Mannheim, den Gewinn der Deutschen A-Jugendmeisterschaft 1980 mit dem SV Waldhof, den steilen Aufstieg bei der Borussia und den märchenhaften Einstand in der Nationalmannschaft, wer mit ihm reden möchte über die Gründe, warum er nach 1987 nicht mehr an seine Glanzform anknüpfen konnte, der hat schlechte Karten. Rahn hat sich seit vielen Jahren komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zu Weggefährten aus dem Profifußball hat er keinen Kontakt mehr.

Vor mehr als zwei Jahren hat sich ein WDR-Team auf Spurensuche begeben und einen Beitrag über Uwe Rahn gedreht. Titel: "Der verschwundene Fußballer des Jahres." Filmemacher und Sportschau-Kommentator Marc Schlömer bekam Rahn nicht vor die Kamera, aber kurz ans Telefon. "Für mich war Fußball ein Lebensabschnitt", sagte Rahn. Jetzt sehe seine Lebensplanung vor, seine Frau und deren beruflichen Werdegang zu unterstützen. Rahn lebte zu dieser Zeit in Italien. Mittlerweile ist der 51-Jährige nach Deutschland zurückgekehrt und lebt in Bayern.

Am Freitagabend spielt die deutsche Nationalmannschaft wieder in Köln (gegen Irland, ab 20.45 Uhr, live in der ARD), am Dienstagabend spielt sie wieder gegen Schweden (ab 20.45 Uhr, live im ZDF). Vielleicht denkt Uwe Rahn da mal wieder an die 19 Sekunden vom Herbst 1984 und sein erstes Länderspieltor.

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Zwei Spiele, zwei Punkte. Mitte Oktober kann die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft haben, aus den Spielen am Freitag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Köln gegen Irland und am Dienstag, 15. Oktober (ab 20.45 Uhr, live im ZDF), in Stockholm gegen Schweden genügen zwei Zähler. Im Angesicht des Qualifikationsendspurts bringt DFB.de eine Serie zu vergangenen Qualifikationsdramen und besonderen Spielen gegen Irland und Schweden. Heute: der Qualfikationsauftakt zur WM 1986.

19 Sekunden. Mehr liegt nicht zwischen dem Moment, in dem Uwe Rahn erstmals in einem Länderspiel das Spielfeld betritt, und dem Moment, in dem er sein erstes Tor für die deutsche Nationalmannschaft erzielt. Es ist der 17. Oktober 1984, es ist der Auftakt der Qualifikation zur WM 1986, es ist das zweite Spiel von Franz Beckenbauer als Teamchef, es ist das Heimspiel gegen Schweden.

74 Minuten ist das deutsche Team vergeblich angerannt auf dem tiefen Geläuf im Müngersdorfer Stadion in Köln. Immer noch steht es 0:0. Immer wieder hat sich Schwedens Torwart Thomas Ravelli erfolgreich in die Angriffe geworfen. Ein Kopfball von Hans-Peter Briegel landet am Pfosten. 61.000 Zuschauer scheinen bereits der Verzweiflung nah, als Beckenbauer sein Gespür für glückliche Entscheidungen nutzt und den Debütanten Rahn für Felix Magath ins Spiel schickt. Wer kann ahnen, dass dieser 22-Jährige mit der flachsblonden Mähne und dem Schnauzbart gleich zum Matchwinner avanciert? Wer kann ahnen, dass der Stürmer von Borussia Mönchengladbach zwei Jahre später Torschützenkönig der Bundesliga und Deutschlands Fußballer des Jahres wird?

Beckenbauer ungläubig, Faßbender wird "wahnsinnig"

An diesem Abend in Köln setzt sich Klaus Allofs, ebenfalls erst eingewechselt, in der 75. Minute auf der rechten Seite durch und zieht nach innen. Rahn startet in die Tiefe, zeigt mit der Hand an, wohin er den Ball haben will, Allofs passt punktgenau in den Lauf, und Rahn schiebt den Ball aus halbrechter Position am herausstürzenden Ravelli vorbei an den rechten Innenpfosten, von wo er den Weg über die Linie findet. Das 1:0 - mit dem ersten Ballkontakt im ersten Länderspiel.

Der Teamchef schüttelt an der Seitenlinie ungläubig lächelnd den Kopf, Heribert Faßbender brüllt ins ARD-Mikro: "Ich werd’ wahnsinnig." Kurz vor Schluss legt Karl-Heinz Rummenigge zum 2:0 nach, der Endstand. Der erste Schritt ist gemacht auf dem Weg nach Mexiko, wo Deutschland knapp zwei Jahre später Vizeweltmeister wird.

Die Saison seines Lebens: Torschützenkönig und Fußballer des Jahres

So gut es für Uwe Rahn im Nationalteam begonnen hat, so gut geht es zunächst weiter. In den nächsten drei Länderspielen trifft er weitere dreimal, zweimal beim 6:0 gegen Malta und einmal beim 4:1 gegen Bulgarien. Zur festen Größe aber wird er nicht. Nach seinem neunten Auftritt im DFB-Trikot, einem 2:2 gegen die Tschechoslowakei im November 1985, macht Rahn fast ein Jahr lang kein Länderspiel mehr. Bei der WM 1986 steht er zwar im Kader, kommt aber nicht zum Einsatz.

Der persönlichen Enttäuschung folgt die Saison seines Lebens. 24 Tore erzielt Rahn und damit mehr als jeder andere in der Bundesliga-Spielzeit 86/87. Sechs Monate später ist er Deutschlands Fußballer des Jahres und mit 25 auf dem Höhepunkt angekommen. "Man schwebt natürlich gerne oben auf den Wolken", sagt er in einem Interview, "aber ich weiß, dass es sehr schnell vorbei sein kann."

Dem Höhepunkt folgt der Karriereknick

Wie schnell, erlebt Rahn am eigenen Leib. Als der PSV Eindhoven den Torjäger aus Deutschland als Nachfolger für Ruud Gullit verpflichten will und ein Millionenangebot unterbreitet, lehnt Gladbach ab. Gleichzeitig verlässt mit Jupp Heynckes der Mann die Borussia, der Rahn 1980 nach Mönchengladbach geholt hatte und einer seiner größten Förderer war. Der Trainer geht zum FC Bayern und wird von Wolf Werner abgelöst. Rahns Leistungen lassen nach, in der Saison 87/88 hat er 25 Einsätze und trifft nur zwölfmal, im Jahr darauf gar nicht mehr. In der Nationalmannschaft ist nach 14 Länderspielen (5 Tore) Schluss, das 1:0 gegen Dänemark am 23. September 1987 ist seine letzte Partie.

1989 wechselt Rahn zum 1. FC Köln, wird dort zweimal Vizemeister, aber nicht Leistungsträger. Mit Hertha BSC steigt er 1991 aus der Bundesliga ab. Anschließend ist er ein halbes Jahr ohne Verein. Rahn trainiert bei seinem Ex-Klub Mönchengladbach mit, um sich fit zu halten. Platz im Kader ist dort nicht mehr für ihn. Kurze Gastspiele bei Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt beenden das Kapitel Bundesliga, die Urawa Red Diamonds in Japan sind die letzte Station seiner Karriere.

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Rahn: Seit Jahren aus der Öffentlichkeit verschwunden

"Rückblickend würde ich in meiner Endphase bei Borussia Mönchengladbach einiges anders machen", hat Rahn irgendwann in dieser schweren Zeit gesagt. Wer heute mit ihm über damals reden möchte, über die Anfänge in Mannheim, den Gewinn der Deutschen A-Jugendmeisterschaft 1980 mit dem SV Waldhof, den steilen Aufstieg bei der Borussia und den märchenhaften Einstand in der Nationalmannschaft, wer mit ihm reden möchte über die Gründe, warum er nach 1987 nicht mehr an seine Glanzform anknüpfen konnte, der hat schlechte Karten. Rahn hat sich seit vielen Jahren komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zu Weggefährten aus dem Profifußball hat er keinen Kontakt mehr.

Vor mehr als zwei Jahren hat sich ein WDR-Team auf Spurensuche begeben und einen Beitrag über Uwe Rahn gedreht. Titel: "Der verschwundene Fußballer des Jahres." Filmemacher und Sportschau-Kommentator Marc Schlömer bekam Rahn nicht vor die Kamera, aber kurz ans Telefon. "Für mich war Fußball ein Lebensabschnitt", sagte Rahn. Jetzt sehe seine Lebensplanung vor, seine Frau und deren beruflichen Werdegang zu unterstützen. Rahn lebte zu dieser Zeit in Italien. Mittlerweile ist der 51-Jährige nach Deutschland zurückgekehrt und lebt in Bayern.

Am Freitagabend spielt die deutsche Nationalmannschaft wieder in Köln (gegen Irland, ab 20.45 Uhr, live in der ARD), am Dienstagabend spielt sie wieder gegen Schweden (ab 20.45 Uhr, live im ZDF). Vielleicht denkt Uwe Rahn da mal wieder an die 19 Sekunden vom Herbst 1984 und sein erstes Länderspieltor.