Reutlingens Ricciardi: "Noch nie so ein Spiel erlebt"

Hauptberuflich ist er Personal Trainer, seit Samstagabend kennt ihn ganz Fußball-Deutschland: Giuseppe Ricciardi vom Oberligisten SSV Reutlingen gelang das, wovon viele Amateurspieler träumen. Als Kapitän des Fünftligisten führte der 31-Jährige seine Mannschaft zum Erstrunden-Sieg im DFB-Pokal über den favorisierten Zweitligisten Karlsruher SC. Beim 3:1 erzielte Ricciardi alle drei Tore per Strafstoß. Der KSC dezimierte sich außerdem in einer der wohl kuriosesten Pokal-Begegnungen der vergangenen Jahre mit drei Platzverweisen selbst.

Seit 2013 spielt Ricciardi für den SSV. In der Jugend war er für den VfB Stuttgart am Ball, holte 2003 gemeinsam mit dem aktuellen Nationalspieler Mario Gomez (Besiktas Istanbul/Türkei) die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft durch ein 5:2 über Bayer 04 Leverkusen. "Auch wegen einiger Verletzungen hat es nicht für die Profi-Laufbahn gereicht", sagt Ricciardi.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Giuseppe Ricciardi mit dem Journalisten Thomas Ziehn über den überraschenden Pokal-Erfolg, Zweifel vom Elfmeterpunkt und eine Vorahnung.

DFB.de: Haben Sie schon realisiert, was passiert ist, Herr Ricciardi?

Giuseppe Ricciardi: Ich schätze, ein paar Tage benötige ich dafür noch. Direkt nach dem Spiel war ich sehr gelassen. In erster Linie habe ich mich für die Mannschaft und den Verein gefreut, dass wir positive Schlagzeilen schreiben. Danach sind alle zu mir gekommen und haben mich zu meinen Toren beglückwünscht. Erst da habe ich gemerkt, dass mir etwas gelungen war, das nicht alle Tage passiert.

DFB.de: Drei Elfmeter, drei Platzverweise: Schon einmal so eine Partie erlebt?

Ricciardi: Noch nie! Uns hat nahezu alles in die Karten gespielt. Schon bei der abschließenden Trainingseinheit und danach auch im Hotel war eine ganz spezielle Stimmung zu spüren. Jeder war in seinem Tunnel und hatte das Gefühl, dass wir den KSC schlagen können. Es gab nicht die Einstellung: Schön, dass wir im DFB-Pokal dabei sind. Wir wollten auch etwas erreichen. Die ersten Aktionen im Spiel haben dann gleich geklappt. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben. Dem KSC war anzumerken, dass er nach dem verpassten Aufstieg in die 1. Liga und den zwei Auftaktniederlagen in der Meisterschaft angeknackst war.

DFB.de: Wie viele Nachrichten haben Sie auf Ihr Handy bekommen?

Ricciardi: Es haben sich viele Freunde und Verwandte gemeldet. Über 100 Nachrichten mögen es wohl gewesen sein.

DFB.de: Ist mit Ihrem Dreierpack und dem Sieg über den KSC ein Traum in Erfüllung gegangen?

Ricciardi: Direkt vor dem Spiel mache ich mir über so etwas keine Gedanken. Einige Tage zuvor hatte ich allerdings mit unserem Torhüter Denis Grgic geflachst. Er sagte, dass es der Hammer wäre, wenn wir gleich in der Anfangsphase einen Elfmeter bekommen würden und fragte mich, wo ich hinschießen würde. Ich antwortete: Links unten. Nach der Begegnung haben wir uns angeschaut und mussten uns zwicken, dass es tatsächlich so gekommen war.

DFB.de: Als Defensivspezialist stehen Sie beim Toreschießen normalerweise nicht so häufig im Fokus. War es abgesprochen, dass Sie die Elfmeter schießen?

Ricciardi: Bei meinen Vereinen war ich häufig der erste Schütze. Es hat immer ganz gut geklappt. Ich kann mich nur an einen Versuch erinnern, der nicht reingegangen ist. Ein wenig Glück gehört bei jedem Strafstoß dazu.

DFB.de: Hatten Sie zu keinem Zeitpunkt Zweifel?

Ricciardi: Ich war so fokussiert, dass es diese Gedanken nicht gab. Erst danach wurde mir bewusst, dass die Verantwortung nicht gerade gering war. Hätte ich nicht getroffen, wäre uns möglicherweise eine einmalige Chance durch die Lappen gegangen. Spätestens beim zweiten Strafstoß wurde es zwischen KSC-Schlussmann René Vollath und mir zum Pokerspiel, in dem ich glücklicherweise die Oberhand behalten habe.

DFB.de: Bei den Strafstößen sind Sie dreimal cool geblieben. Sind Sie als gebürtiger Tübinger mit italienischer Abstammung auch privat immer so gelassen?

Ricciardi: Ich denke, man wird mit dem Alter automatisch gelassener. Mein neun Monate alter Sohn Noah hat bei mir noch einmal zusätzlich dazu beigetragen. Mit dem Fußball verbinde ich ausschließlich positive Drucksituationen. Das habe ich vor dem KSC-Spiel auch der Mannschaft gesagt.

DFB.de: Mit Sportdirektor Maurizio Gaudino und Trainer Georgi Donkov haben zwei Ex-Profis das Ruder beim SSV übernommen. Woran merken Sie das?

Ricciardi: Die Professionalität hat sich dadurch spürbar erhöht. Trainer Georgi Donkov stellt uns zum Beispiel optimal auf die Spiele ein. Sein Training zieht er von der ersten bis zur letzten Minute perfektionistisch durch. Bei ihm können wir uns alle etwas abschauen. Wir arbeiten hart. Nur so können wir etwas erreichen.

DFB.de: In der Meisterschaft stehen Sie wegen der prominenten Namen unter Druck, oder?

Ricciardi: Ich hoffe, dass wir mit dem Erfolg gegen Karlsruhe eine neue Euphorie entfacht haben. Vom Aufstieg reden wir nicht. Unser Fokus richtet sich immer nur auf die kommende Aufgabe. Wenn wir nach 25 Spieltagen oben mitmischen, sehen wir weiter. Uns muss bewusst sein, dass die Liga im Vergleich zum Pokal eine andere Nummer ist. Gegen den KSC waren wir krasser Außenseiter. In der Meisterschaft agieren die Gegner ganz anders gegen uns.

DFB.de: Haben Sie einen Wunschgegner für die zweite DFB-Pokalrunde?

Ricciardi: Den gibt es nicht. Wir freuen uns einfach, dass wir in der zweiten Runde noch dabei sind.

DFB.de: Sollte es wieder einen Elfmeter geben…

Ricciardi: …stehe ich in jedem Fall bereit.

[mspw]

Hauptberuflich ist er Personal Trainer, seit Samstagabend kennt ihn ganz Fußball-Deutschland: Giuseppe Ricciardi vom Oberligisten SSV Reutlingen gelang das, wovon viele Amateurspieler träumen. Als Kapitän des Fünftligisten führte der 31-Jährige seine Mannschaft zum Erstrunden-Sieg im DFB-Pokal über den favorisierten Zweitligisten Karlsruher SC. Beim 3:1 erzielte Ricciardi alle drei Tore per Strafstoß. Der KSC dezimierte sich außerdem in einer der wohl kuriosesten Pokal-Begegnungen der vergangenen Jahre mit drei Platzverweisen selbst.

Seit 2013 spielt Ricciardi für den SSV. In der Jugend war er für den VfB Stuttgart am Ball, holte 2003 gemeinsam mit dem aktuellen Nationalspieler Mario Gomez (Besiktas Istanbul/Türkei) die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft durch ein 5:2 über Bayer 04 Leverkusen. "Auch wegen einiger Verletzungen hat es nicht für die Profi-Laufbahn gereicht", sagt Ricciardi.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Giuseppe Ricciardi mit dem Journalisten Thomas Ziehn über den überraschenden Pokal-Erfolg, Zweifel vom Elfmeterpunkt und eine Vorahnung.

DFB.de: Haben Sie schon realisiert, was passiert ist, Herr Ricciardi?

Giuseppe Ricciardi: Ich schätze, ein paar Tage benötige ich dafür noch. Direkt nach dem Spiel war ich sehr gelassen. In erster Linie habe ich mich für die Mannschaft und den Verein gefreut, dass wir positive Schlagzeilen schreiben. Danach sind alle zu mir gekommen und haben mich zu meinen Toren beglückwünscht. Erst da habe ich gemerkt, dass mir etwas gelungen war, das nicht alle Tage passiert.

DFB.de: Drei Elfmeter, drei Platzverweise: Schon einmal so eine Partie erlebt?

Ricciardi: Noch nie! Uns hat nahezu alles in die Karten gespielt. Schon bei der abschließenden Trainingseinheit und danach auch im Hotel war eine ganz spezielle Stimmung zu spüren. Jeder war in seinem Tunnel und hatte das Gefühl, dass wir den KSC schlagen können. Es gab nicht die Einstellung: Schön, dass wir im DFB-Pokal dabei sind. Wir wollten auch etwas erreichen. Die ersten Aktionen im Spiel haben dann gleich geklappt. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben. Dem KSC war anzumerken, dass er nach dem verpassten Aufstieg in die 1. Liga und den zwei Auftaktniederlagen in der Meisterschaft angeknackst war.

DFB.de: Wie viele Nachrichten haben Sie auf Ihr Handy bekommen?

Ricciardi: Es haben sich viele Freunde und Verwandte gemeldet. Über 100 Nachrichten mögen es wohl gewesen sein.

DFB.de: Ist mit Ihrem Dreierpack und dem Sieg über den KSC ein Traum in Erfüllung gegangen?

Ricciardi: Direkt vor dem Spiel mache ich mir über so etwas keine Gedanken. Einige Tage zuvor hatte ich allerdings mit unserem Torhüter Denis Grgic geflachst. Er sagte, dass es der Hammer wäre, wenn wir gleich in der Anfangsphase einen Elfmeter bekommen würden und fragte mich, wo ich hinschießen würde. Ich antwortete: Links unten. Nach der Begegnung haben wir uns angeschaut und mussten uns zwicken, dass es tatsächlich so gekommen war.

DFB.de: Als Defensivspezialist stehen Sie beim Toreschießen normalerweise nicht so häufig im Fokus. War es abgesprochen, dass Sie die Elfmeter schießen?

Ricciardi: Bei meinen Vereinen war ich häufig der erste Schütze. Es hat immer ganz gut geklappt. Ich kann mich nur an einen Versuch erinnern, der nicht reingegangen ist. Ein wenig Glück gehört bei jedem Strafstoß dazu.

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DFB.de: Hatten Sie zu keinem Zeitpunkt Zweifel?

Ricciardi: Ich war so fokussiert, dass es diese Gedanken nicht gab. Erst danach wurde mir bewusst, dass die Verantwortung nicht gerade gering war. Hätte ich nicht getroffen, wäre uns möglicherweise eine einmalige Chance durch die Lappen gegangen. Spätestens beim zweiten Strafstoß wurde es zwischen KSC-Schlussmann René Vollath und mir zum Pokerspiel, in dem ich glücklicherweise die Oberhand behalten habe.

DFB.de: Bei den Strafstößen sind Sie dreimal cool geblieben. Sind Sie als gebürtiger Tübinger mit italienischer Abstammung auch privat immer so gelassen?

Ricciardi: Ich denke, man wird mit dem Alter automatisch gelassener. Mein neun Monate alter Sohn Noah hat bei mir noch einmal zusätzlich dazu beigetragen. Mit dem Fußball verbinde ich ausschließlich positive Drucksituationen. Das habe ich vor dem KSC-Spiel auch der Mannschaft gesagt.

DFB.de: Mit Sportdirektor Maurizio Gaudino und Trainer Georgi Donkov haben zwei Ex-Profis das Ruder beim SSV übernommen. Woran merken Sie das?

Ricciardi: Die Professionalität hat sich dadurch spürbar erhöht. Trainer Georgi Donkov stellt uns zum Beispiel optimal auf die Spiele ein. Sein Training zieht er von der ersten bis zur letzten Minute perfektionistisch durch. Bei ihm können wir uns alle etwas abschauen. Wir arbeiten hart. Nur so können wir etwas erreichen.

DFB.de: In der Meisterschaft stehen Sie wegen der prominenten Namen unter Druck, oder?

Ricciardi: Ich hoffe, dass wir mit dem Erfolg gegen Karlsruhe eine neue Euphorie entfacht haben. Vom Aufstieg reden wir nicht. Unser Fokus richtet sich immer nur auf die kommende Aufgabe. Wenn wir nach 25 Spieltagen oben mitmischen, sehen wir weiter. Uns muss bewusst sein, dass die Liga im Vergleich zum Pokal eine andere Nummer ist. Gegen den KSC waren wir krasser Außenseiter. In der Meisterschaft agieren die Gegner ganz anders gegen uns.

DFB.de: Haben Sie einen Wunschgegner für die zweite DFB-Pokalrunde?

Ricciardi: Den gibt es nicht. Wir freuen uns einfach, dass wir in der zweiten Runde noch dabei sind.

DFB.de: Sollte es wieder einen Elfmeter geben…

Ricciardi: …stehe ich in jedem Fall bereit.