Rehden gegen den FC Bayern: "Mehr geht nicht"

Als Wolfgang Niersbach die entscheidende Kugel in den Händen hält, bricht schon der erste Jubel im Klubheim aus. Zunächst noch verhalten. Aber einige Verantwortliche des BSV Schwarz-Weiß Rehden ahnen offenbar bereits, was dort steht. Es dauert noch ein paar Augenblicke. Dann ist tatsächlich das zu lesen, was alle lesen wollen: FC Bayern München. Dann wird der Lärm ohrenbetäubend, dann liegen sich alle in den Armen, dann verschwimmt auf dem Handyvideo alles - Chaos, Emotionen, Euphorie. Alles auf einmal, alles im Überfluss.

Von der einen auf die andere Sekunde hat sich die ruhige Welt des Regionalligisten aus dem Landkreis Diepholz auf den Kopf gestellt – weil der Triple-Gewinner der vergangenen Saison Anfang August in der ersten Runde des DFB-Pokals zu Gast sein wird. Weil ganz Deutschland dann auf Rehden blicken wird. Weil das Spiel heute (ab 20.30 Uhr) sogar live in der ARD gezeigt wird, und natürlich auch bei Sky.

"Es ist einfach unvorstellbar"

Als der erste Ansturm vorbei war, haben die Verantwortlichen sich an die Auswertung der Ereignisse begeben. Denn es war einiges passiert. Praktisch mit Bekanntgabe des Gegners war zunächst die Homepage zusammengebrochen - 700.000 Klicks alleine in der ersten Minute waren einfach zu viel. Nach drei Stunden und einem Serverumzug waren es mehr als eine Million.

"Es ist einfach unvorstellbar", sagt der Vorsitzende Friedrich Schilling rückblickend. In seinem normalen Leben betreibt der 60-Jährige eine Steuerberaterkanzlei und eine Immobilienfirma. Zudem ist er bei einem Betrieb aus Bremen involviert, der Bio-Honig vertreibt. Aber all das hat in den vergangenen Wochen in seinem Leben nur noch nebensächlich stattgefunden: "Es geht hier fast ausschließlich um den DFB-Pokal - und zwar nicht nur bei mir, sondern auch bei einigen meiner Kollegen."

1. Runde im DFB-Pokal - die besten Bilder des Wochenendes

Startender Traktor als "Einlaufmusik"

In Rehden leben knapp 2000 Menschen. Nach Osnabrück sind es 70 Kilometer, nach Bremen ungefähr 100. Wenn die Mannschaft zu ihren Meisterschaftsspielen die heimischen Waldsportstätten betritt, dröhnt nicht AC/DC, Tina Turner oder Queen aus den Boxen – sondern das Geräusch eines startenden Traktors. "Wir sind stolz darauf, dass wir aus einem Dorf kommen", sagt Schilling. "Dazu stehen wir. Deshalb haben wir uns vor einiger Zeit zu dieser sicher ungewöhnlichen Sache entschieden."

Es ist erst das zweite Mal in der knapp 65-jährigen Vereinsgeschichte, dass der BSV Schwarz-Weiß sich für den DFB-Pokal qualifiziert hat. Zuletzt war das 2003 der Fall. Und wie der Zufall es will, kam der Gegner ebenfalls aus München. Gegen 1860 gab es ein 1:5. Im Tor stand damals Marc Schilling, der Sohn des heutigen Vorsitzenden.

Die Regionalliga? "Eine ganz tolle Sache"

Zehn Jahre ist das inzwischen her, und in Rehden hat sich viel verändert. Der Verein ist aus der Verbandsliga bis in die vierthöchste deutsche Spielkasse geklettert. "Für uns ist die neue Regionalliga eine ganz tolle Sache", betont Friedrich Schilling. Wir müssen nicht zu weit reisen und haben dennoch jede Woche einen äußerst attraktiven Konkurrenten."

Seit gut einem Jahr wird das Team von Predrag Uzelac betreut. Der ehemalige Profi bekam die Auslosung live im Urlaub in Kroatien mit. Als er das Los sah, kippte der 46-Jährige beinahe aus seinen Badelatschen. "Wir hatten einfach unglaubliches Glück. Wir freuen uns wahnsinnig darauf", sagt Uzelac. "Wir spielen gegen die derzeit beste Vereinsmannschaft der Welt. Es ist das erste Pflichtspiel für Pep Guardiola. Mehr geht nicht."

"Wir wollen uns gut präsentieren"

Trotzdem ist Uzelac inzwischen auch etwas genervt von dem ganzen Hype. In Rehden gibt es seit Wochen kein anderes Thema mehr - auch in der Kabine nicht. Der Coach hat große Mühe, seine Mannschaft auf die wirklich wichtigen Dinge zu fokussieren: "Das Duell mit den Bayern ist ein Bonusspiel. Entscheidender ist für uns jedoch die Regionalliga. Da geht es erneut um den Klassenerhalt, das zählt."

Mit wilden Träumereien wollen sie erst gar nicht beginnen. Weder in Bezug auf die Meisterschaft, wo die Regionalliga das Maximum des Erreichbaren ist. Und im DFB-Pokal geht es sowieso nicht um den Einzug in die zweite Runde: "Wir wollen uns gut präsentieren, alles geben und Rehden würdevoll vertreten", sagt Uzelac. "Über eine Sensation machen wir uns keine Gedanken. Wir sind ein reiner Amateurverein."

Alle Spieler arbeiten tagsüber

Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten in der Regionalliga gehen alle Spieler tagsüber arbeiten. Uzelac konnte in der vergangenen Serie nicht einmal vormittags trainieren lassen. Er hätte wahrscheinlich alleine auf dem Platz gestanden. Dass der Klub überhaupt den Sprung in die Regionalliga geschafft hat, ist schon eine beachtliche Leistung - und vor allem ein Verdienst des umtriebigen Vorsitzenden Schilling.

Früher hat er selbst für den Verein gespielt, von der Jugend bis zum Ende seiner Zeit in der Herrenmannschaft. Inzwischen ist er seit 16 Jahren als Funktionär tätig. Viel Geld kann nicht bezahlt werden. Dafür wird den meisten Spielern eine Arbeitsstelle in der Umgebung besorgt. Die Stärke ist das Kollektiv, es gibt keine herausragenden Einzelspieler.

Krasser könnte der Unterschied zum deutschen Rekordmeister nicht sein. In Rehden spürt man es derzeit an jeder Ecke, in jedem Gespräch, in jedem Augenblick: Faszination DFB-Pokal, Faszination FC Bayern.

[sw]

[bild1]

Als Wolfgang Niersbach die entscheidende Kugel in den Händen hält, bricht schon der erste Jubel im Klubheim aus. Zunächst noch verhalten. Aber einige Verantwortliche des BSV Schwarz-Weiß Rehden ahnen offenbar bereits, was dort steht. Es dauert noch ein paar Augenblicke. Dann ist tatsächlich das zu lesen, was alle lesen wollen: FC Bayern München. Dann wird der Lärm ohrenbetäubend, dann liegen sich alle in den Armen, dann verschwimmt auf dem Handyvideo alles - Chaos, Emotionen, Euphorie. Alles auf einmal, alles im Überfluss.

Von der einen auf die andere Sekunde hat sich die ruhige Welt des Regionalligisten aus dem Landkreis Diepholz auf den Kopf gestellt – weil der Triple-Gewinner der vergangenen Saison Anfang August in der ersten Runde des DFB-Pokals zu Gast sein wird. Weil ganz Deutschland dann auf Rehden blicken wird. Weil das Spiel heute (ab 20.30 Uhr) sogar live in der ARD gezeigt wird, und natürlich auch bei Sky.

"Es ist einfach unvorstellbar"

Als der erste Ansturm vorbei war, haben die Verantwortlichen sich an die Auswertung der Ereignisse begeben. Denn es war einiges passiert. Praktisch mit Bekanntgabe des Gegners war zunächst die Homepage zusammengebrochen - 700.000 Klicks alleine in der ersten Minute waren einfach zu viel. Nach drei Stunden und einem Serverumzug waren es mehr als eine Million.

"Es ist einfach unvorstellbar", sagt der Vorsitzende Friedrich Schilling rückblickend. In seinem normalen Leben betreibt der 60-Jährige eine Steuerberaterkanzlei und eine Immobilienfirma. Zudem ist er bei einem Betrieb aus Bremen involviert, der Bio-Honig vertreibt. Aber all das hat in den vergangenen Wochen in seinem Leben nur noch nebensächlich stattgefunden: "Es geht hier fast ausschließlich um den DFB-Pokal - und zwar nicht nur bei mir, sondern auch bei einigen meiner Kollegen."

1. Runde im DFB-Pokal - die besten Bilder des Wochenendes

Startender Traktor als "Einlaufmusik"

In Rehden leben knapp 2000 Menschen. Nach Osnabrück sind es 70 Kilometer, nach Bremen ungefähr 100. Wenn die Mannschaft zu ihren Meisterschaftsspielen die heimischen Waldsportstätten betritt, dröhnt nicht AC/DC, Tina Turner oder Queen aus den Boxen – sondern das Geräusch eines startenden Traktors. "Wir sind stolz darauf, dass wir aus einem Dorf kommen", sagt Schilling. "Dazu stehen wir. Deshalb haben wir uns vor einiger Zeit zu dieser sicher ungewöhnlichen Sache entschieden."

Es ist erst das zweite Mal in der knapp 65-jährigen Vereinsgeschichte, dass der BSV Schwarz-Weiß sich für den DFB-Pokal qualifiziert hat. Zuletzt war das 2003 der Fall. Und wie der Zufall es will, kam der Gegner ebenfalls aus München. Gegen 1860 gab es ein 1:5. Im Tor stand damals Marc Schilling, der Sohn des heutigen Vorsitzenden.

Die Regionalliga? "Eine ganz tolle Sache"

Zehn Jahre ist das inzwischen her, und in Rehden hat sich viel verändert. Der Verein ist aus der Verbandsliga bis in die vierthöchste deutsche Spielkasse geklettert. "Für uns ist die neue Regionalliga eine ganz tolle Sache", betont Friedrich Schilling. Wir müssen nicht zu weit reisen und haben dennoch jede Woche einen äußerst attraktiven Konkurrenten."

Seit gut einem Jahr wird das Team von Predrag Uzelac betreut. Der ehemalige Profi bekam die Auslosung live im Urlaub in Kroatien mit. Als er das Los sah, kippte der 46-Jährige beinahe aus seinen Badelatschen. "Wir hatten einfach unglaubliches Glück. Wir freuen uns wahnsinnig darauf", sagt Uzelac. "Wir spielen gegen die derzeit beste Vereinsmannschaft der Welt. Es ist das erste Pflichtspiel für Pep Guardiola. Mehr geht nicht."

[bild2]

"Wir wollen uns gut präsentieren"

Trotzdem ist Uzelac inzwischen auch etwas genervt von dem ganzen Hype. In Rehden gibt es seit Wochen kein anderes Thema mehr - auch in der Kabine nicht. Der Coach hat große Mühe, seine Mannschaft auf die wirklich wichtigen Dinge zu fokussieren: "Das Duell mit den Bayern ist ein Bonusspiel. Entscheidender ist für uns jedoch die Regionalliga. Da geht es erneut um den Klassenerhalt, das zählt."

Mit wilden Träumereien wollen sie erst gar nicht beginnen. Weder in Bezug auf die Meisterschaft, wo die Regionalliga das Maximum des Erreichbaren ist. Und im DFB-Pokal geht es sowieso nicht um den Einzug in die zweite Runde: "Wir wollen uns gut präsentieren, alles geben und Rehden würdevoll vertreten", sagt Uzelac. "Über eine Sensation machen wir uns keine Gedanken. Wir sind ein reiner Amateurverein."

Alle Spieler arbeiten tagsüber

Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten in der Regionalliga gehen alle Spieler tagsüber arbeiten. Uzelac konnte in der vergangenen Serie nicht einmal vormittags trainieren lassen. Er hätte wahrscheinlich alleine auf dem Platz gestanden. Dass der Klub überhaupt den Sprung in die Regionalliga geschafft hat, ist schon eine beachtliche Leistung - und vor allem ein Verdienst des umtriebigen Vorsitzenden Schilling.

Früher hat er selbst für den Verein gespielt, von der Jugend bis zum Ende seiner Zeit in der Herrenmannschaft. Inzwischen ist er seit 16 Jahren als Funktionär tätig. Viel Geld kann nicht bezahlt werden. Dafür wird den meisten Spielern eine Arbeitsstelle in der Umgebung besorgt. Die Stärke ist das Kollektiv, es gibt keine herausragenden Einzelspieler.

Krasser könnte der Unterschied zum deutschen Rekordmeister nicht sein. In Rehden spürt man es derzeit an jeder Ecke, in jedem Gespräch, in jedem Augenblick: Faszination DFB-Pokal, Faszination FC Bayern.