"Die Endspielatmosphäre in Berlin ist einzigartig"

Als Spieler haben sie den DFB-Pokal schon gewonnen, als Trainer warten sie noch darauf: Jupp Heynckes und Bruno Labbadia wollen am Samstag (ab 20 Uhr, live in der ARD und bei Sky) in Berlin eine Premiere feiern.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit den Redakteuren Steffen Lüdeke und Gereon Tönnihsen reden die beiden Fußball-Lehrer über das große Spiel im Olympiastadion, über den Weg ins Finale und über gemeinsame Zeiten.

DFB.de: Herr Labbadia, Sie stehen zum dritten Mal im Finale von Berlin. Beschreiben Sie doch bitte mal, wie es sich anfühlt, dort zu sein.

Bruno Labbadia: Die Atmosphäre ist einzigartig. Es gibt zwei große Fan-Lager, die das Stadion wunderbar schmücken. Schon zwei Tage vorher merkt man in der Stadt, wie groß die Vorfreude ist. Deshalb haben wir vom ersten Spieltag der Pokalsaison an versucht, die Spieler zu emotionalisieren und ganz klar auf dieses Ziel Berlin zu fokussieren. Schon beim ersten Spiel in Falkensee stand auf der Tafel "Berlin 1.6.2013".

DFB.de: Herr Heynckes, haben sie Ihre Mannschaft mit ähnlichen Mitteln für die Pokalsaison motiviert?

Jupp Heynckes: Wir alle wissen, wie sich Berlin anfühlt, das Pokalfinale, diese unglaublich tolle Atmosphäre in dieser Stadt und rund um dieses Endspiel. (schmunzelt) Das kann süchtig machen. Wir freuen uns unheimlich auf das Finale.

DFB.de: Herr Heynckes, in Ihrer Titelsammlung als Trainer fehlt der DFB-Pokal. Sie haben jetzt die zweimal Champions League gewonnen, drei deutsche Meisterschaften und viele andere Titel. Wie wichtig ist es Ihnen, diese Sammlung mit dem DFB-Pokal zu komplettieren?

Heynckes: Es wäre schön für mich, natürlich. Ich will mit meiner Mannschaft diesen Titel gewinnen und damit das Triple. Aber wichtig, richtig wichtig, ist das für mich persönlich jetzt nicht mehr. Ich habe in meiner Laufbahn als Spieler und Trainer sehr viel erlebt. Ich bin auch so ein zufriedener Mensch.

DFB.de: Als Spieler haben Sie den Pokal schon gewonnen, 1973 mit Borussia Mönchengladbach. Wie lebendig ist Ihre Erinnerung daran?

Heynckes: Ich kann mich noch gut daran erinnern. Mein Gott, 35 Grad Hitze, 120 Minuten, das große Derby gegen den 1. FC Köln, und Günter Netzer macht das 2:1 für uns mit seinem Schuss in den Winkel. Das war ein legendäres DFB-Pokalfinale!

DFB.de: Herr Labbadia, Sie haben 1990 mit Kaiserslautern triumphiert.

Labbadia: Natürlich denke ich sehr gerne an dieses Spiel, in dem ich zweimal getroffen habe. Das war ein Wahnsinnsglücksgefühl. Wir waren in dem Jahr so gut wie abgestiegen, haben uns erst zwei Spieltage vor Schluss gerettet. Dann fährst du nach Berlin und gewinnst auch noch. Das war für uns eine Initialzündung. Mit diesem Team sind wir ein Jahr später auch noch Deutscher Meister geworden, was eigentlich unmöglich war.

DFB.de: Hoffen Sie auf eine ähnliche Entwicklung beim VfB?

Labbadia: Wenn du einen großen Erfolg feierst, kann es natürlich sein, dass die Spieler sagen: 'Hey, ich kann noch mehr erreichen.' Dass wir jetzt im Finale stehen, gibt uns definitiv einen Schub und wird uns weiterbringen. Auch die Spiele in der Europa League, die wir ja jetzt wieder erreicht haben, helfen uns enorm.

DFB.de: Herr Heynckes, Sie haben als Spieler und als Trainer Titel gewonnen. Wie sehr hängt die Wahrnehmung des Erfolges mit der Funktion ab, in der man ihn errungen hat? Erlebt man Titel als Trainer oder als Spieler intensiver?

Heynckes: Egal, ob als Spieler oder Trainer – ich glaube, der erste Titel, den man erringt, wird immer einer der schönsten sein, den vergisst du dein Leben lang nicht.

DFB.de: Herr Labbadia, erzählen Sie Ihren Spielern von Ihren Erlebnissen im Pokal?

Labbadia: Das vermeide ich eigentlich. Das ist ja für mich selbst auch schon Lichtjahre entfernt, manche Spieler waren da noch gar nicht auf der Welt. Was man aber natürlich weitergeben und vermitteln kann, ist, wie besonders und außergewöhnlich es ist, in diesem Finale dabei zu sein, dieses große Ziel zu erreichen.

DFB.de: Kommt Europapokal-Erfahrung, also zu wissen, dass es in jedem Spiel um Alles oder Nichts geht, den Spielern auch im DFB-Pokal zugute?

Labbadia: Ich glaube, schon. Gerade in dieser Saison hatten wir ja einige solcher Erlebnisse, schon in der Gruppenphase. Wir mussten nach Bukarest, wussten, dass 60.000 Zuschauer da sind und dass wir unbedingt gewinnen mussten. Wenn du da bestehst, dann lernst du daraus. Auch für den DFB-Pokal.

Heynckes: Natürlich ist die Erfahrung, die eine Mannschaft hat, ein großer Vorteil. Wenn du einmal in Barcelona gewonnen, in Madrid und Manchester bestanden hast, dann kann dich nicht mehr viel umwerfen. Erfahrung ist wichtig, dazu Biss und Leidenschaft und gutes Teamwork – damit kannst du Titel gewinnen.

DFB.de: Was war für Sie der Schlüssel für die Finalteilnahme in diesem Jahr?

Heynckes: Unser entscheidendes Spiel in dieser Pokalsaison war sicherlich das Viertelfinale gegen Borussia Dortmund. Da war Spannung drin, unglaublicher Druck. Aber meine Mannschaft hat dem standgehalten, fantastisch gespielt und Dortmund 1:0 besiegt.

Labbadia: Wir sind in jedem Spiel sehr konzentriert an die Sache herangegangen. Wir haben zum Beispiel nur zwei Gegentore kassiert. Das spricht für die Mannschaft. Spiele gegen Zweitligisten können sehr undankbar sein, aber die Spieler haben nie nachgelassen. Wir wussten: Das ist der kürzeste Weg nach Europa – und in Berlin wartet ein riesiges Spiel. Das haben die Spieler komplett angenommen und verinnerlicht.

DFB.de: Gibt es Momente, die besonders hängen geblieben sind von dieser Pokalsaison?

Labbadia: Unser Halbfinale gegen Freiburg. Das Stadion war voll. Die Mannschaften stellten sich auf dem Platz auf, und in den Kurven sah man links und rechts die Choreografien der beiden Vereine. Ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich daran denke. Was da los war, war sensationell. Dafür spielt man Fußball, ein tolles Erlebnis.

Heynckes: Wie gerade erwähnt, das Topspiel gegen Dortmund. Die Allianz Arena brodelte, alles war möglich, es war eine unglaubliche Stimmung. Und wir haben uns durchgesetzt.

DFB.de: Der VfB hat in dieser Saison schon 51 Pflichtspiele bestritten. Ganz ehrlich, Herr Labbadia: Wie froh sind Sie, wenn die Saison vorbei ist?

Labbadia: Daran denke ich noch nicht. Natürlich war es nicht einfach, alle drei Tage zu spielen, auch für mich als Trainer nicht, weil ich mit der Mannschaft kaum noch Dinge trainieren konnte. Aber dadurch, dass wir jetzt noch so ein Highlight haben, freue ich mich unheimlich darüber, dass wir noch nicht Urlaub haben.

DFB.de: Die VfB-Saison verlief eher unruhig, dennoch wurden sportliche Ziele erreicht: Im Europapokal wurde überwintert, außerdem steht der Klub im Pokalfinale, ist damit auch in der kommenden Saison europäisch dabei. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Labbadia: Es war eine schwierige Saison, in der wir aber, mit Ausnahme der Bundesliga, fast das Optimale herausgeholt haben. Wir wollen jetzt den nächsten Schritt machen und den Anschluss an die ersten Sechs in der Liga schaffen. Ich glaube, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind. Die Mannschaft entwickelt sich. Wir hatten einen Umbruch, mussten Spieler abgeben, haben den Etat um ein Drittel gesenkt – und sind trotzdem im Europapokal dabei.

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Saison des FC Bayern?

Labbadia: Da muss man gar nicht viele Worte verlieren: Die Bayern haben eine gigantische Saison gespielt, die Konstanz war beeindruckend. Sie treten sehr geschlossen auf, als echte Einheit. Davor kann man nur den Hut ziehen.

DFB.de: Und Sie, Herr Heynckes, was sagen Sie zum VfB?

Heynckes: Wenn man bedenkt, dass der VfB so viele Spiele in dieser Saison absolviert hat, dass sie in der Europa League sehr weit gekommen und jetzt im DFB-Pokalfinale sind – das ist eine unglaubliche Leistung. Bruno Labbadia und seine Mannschaft haben Tolles geleistet. Und der VfB fährt jetzt nach Berlin, um das noch zu toppen. Das ist klar.

DFB.de: Herr Labbadia, Sie haben neulich mit Blick aufs Finale gesagt: 'Hoch werden wir sicher nicht gewinnen.' Lebt es sich für Sie angenehm als Außenseiter?

Labbadia: (lacht) Ich wäre lieber in der Rolle von Bayern München. Schon als Spieler war ich gerne der Favorit, bin gerne vorneweg gegangen.

Heynckes: Was soll ich sagen? Natürlich haben wir eine überragende Saison hinter uns, natürlich sind wir Favorit, wie immer. Aber in einem Spiel kann vieles passieren. Wir werden höllisch aufpassen.

DFB.de: Dennoch: Kann es für den VfB ein Vorteil sein, dass die Mannschaft weniger Druck hat?

Labbadia: Ach, das ist doch positiver Druck. Wenn Sie mal mit so einem großen Klub wie dem VfB gegen den Abstieg spielen müssen, ihn in der Winterpause mit nur zwölf Punkten übernehmen, das ist Druck. Aber jetzt verspüre ich vor allem Vorfreude.

Heynckes: Druck braucht man, um Leistung zu bringen. Ich bin froh, dass meine Mannschaft Druck hat, da haben wir immer die besten Spiele gemacht. Wir wissen damit umzugehen.

DFB.de: Was stimmt Sie denn optimistisch?

Labbadia: Dass immer alles möglich ist und dass man in einem Spiel immer wieder alles schaffen kann. Wir stehen im Finale – und das wollen wir natürlich auch gewinnen.

Heynckes: Meine Mannschaft hat in dieser Saison Großartiges geleistet. So eine Dominanz hat es noch nie gegeben. Jetzt haben wir nach elf Monaten noch genau 90 oder 120 Minuten vor uns. Auch da werden wir nochmals alles geben.

DFB.de: Welche Eindrücke nehmen Sie aus den Bundesligaspielen gegeneinander in dieser Saison mit?

Labbadia: Beim 6:1 haben wir 35 Minuten nahezu alles richtig gemacht, auch wenn sich das bei diesem Ergebnis komisch anhört, aber danach haben die Bayern jeden Fehler von uns gnadenlos bestraft. Das haben sie sehr gut gemacht. Im Rückspiel war es insgesamt enger, wir waren taktisch sehr diszipliniert, aber auch da sind wir durch einen individuellen Fehler, den man sich gegen so einen Gegner einfach nicht leisten darf, auf die Verliererstraße geraten.

Heynckes: Das waren schöne Ergebnisse – aber sie helfen uns hier in Berlin überhaupt nicht. Das ist ein anderes Spiel. Da geht‘s um alles oder nichts, da herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Wir freuen uns riesig drauf, uns nochmals zu beweisen.

DFB.de: 1991 haben der Trainer Heynckes und der Spieler Labbadia mal zusammengearbeitet.

Labbadia: Er hat mich damals zu den Bayern geholt.

Heynckes: Bruno war ein unglaublich ehrgeiziger Spieler und erfolgreicher Torjäger, der sich nie mit etwas zufrieden gegeben hat, er wollte immer mehr. Eine Eigenschaft, die er sich bis heute auch als Trainer bewahrt hat.

Labbadia: Ich habe es sehr bedauert, dass sich der Klub schon einige Wochen später von ihm getrennt hat, weil ich ihn für einen sehr guten Trainer halte. Es war damals eine schwierige Zeit bei den Bayern. Man sieht am Beispiel Jupp Heynckes, dass ein Trainer mit den Jahren immer besser werden kann. Er ist nie stehen geblieben, hat sich immer weiterentwickelt, hat Erfahrungen gesammelt. Und es spricht für seine Qualität, dass er sich so lange auf dem Niveau halten konnte.

DFB.de: Sie können die Komplimente gerne zurückgeben, Herr Heynckes.

Heynckes: Bruno liefert in Stuttgart großartige Arbeit ab. Was er, bei nicht immer einfachen Bedingungen geschafft hat, muss erst mal einer erreichen. Er lebt Fußball, er ist ehrgeizig, er wird als Trainer noch viel erreichen. Muss ja nicht schon heute sein … (lacht)

DFB.de: Was wäre in Stuttgart los, wenn der VfB den Pokal gewinnen würde?

Labbadia: Die Stuttgarter können richtig feiern. Das kann ich Ihnen versichern. Wenn man sich anschaut, was hier bei der WM 2006 oder nach der Meisterschaft 2007 los war, kann man sich vorstellen, wie die Stimmung hier wäre. Dafür würde ich auch gerne den Urlaub noch um ein paar Tage verschieben.

DFB aktuell, das Stadionheft zum Pokalfinale, gibt es ab Freitag und ist dann auf DFB.de zu lesen und bestellen.

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Als Spieler haben sie den DFB-Pokal schon gewonnen, als Trainer warten sie noch darauf: Jupp Heynckes und Bruno Labbadia wollen am Samstag (ab 20 Uhr, live in der ARD und bei Sky) in Berlin eine Premiere feiern.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit den Redakteuren Steffen Lüdeke und Gereon Tönnihsen reden die beiden Fußball-Lehrer über das große Spiel im Olympiastadion, über den Weg ins Finale und über gemeinsame Zeiten.

DFB.de: Herr Labbadia, Sie stehen zum dritten Mal im Finale von Berlin. Beschreiben Sie doch bitte mal, wie es sich anfühlt, dort zu sein.

Bruno Labbadia: Die Atmosphäre ist einzigartig. Es gibt zwei große Fan-Lager, die das Stadion wunderbar schmücken. Schon zwei Tage vorher merkt man in der Stadt, wie groß die Vorfreude ist. Deshalb haben wir vom ersten Spieltag der Pokalsaison an versucht, die Spieler zu emotionalisieren und ganz klar auf dieses Ziel Berlin zu fokussieren. Schon beim ersten Spiel in Falkensee stand auf der Tafel "Berlin 1.6.2013".

DFB.de: Herr Heynckes, haben sie Ihre Mannschaft mit ähnlichen Mitteln für die Pokalsaison motiviert?

Jupp Heynckes: Wir alle wissen, wie sich Berlin anfühlt, das Pokalfinale, diese unglaublich tolle Atmosphäre in dieser Stadt und rund um dieses Endspiel. (schmunzelt) Das kann süchtig machen. Wir freuen uns unheimlich auf das Finale.

DFB.de: Herr Heynckes, in Ihrer Titelsammlung als Trainer fehlt der DFB-Pokal. Sie haben jetzt die zweimal Champions League gewonnen, drei deutsche Meisterschaften und viele andere Titel. Wie wichtig ist es Ihnen, diese Sammlung mit dem DFB-Pokal zu komplettieren?

Heynckes: Es wäre schön für mich, natürlich. Ich will mit meiner Mannschaft diesen Titel gewinnen und damit das Triple. Aber wichtig, richtig wichtig, ist das für mich persönlich jetzt nicht mehr. Ich habe in meiner Laufbahn als Spieler und Trainer sehr viel erlebt. Ich bin auch so ein zufriedener Mensch.

DFB.de: Als Spieler haben Sie den Pokal schon gewonnen, 1973 mit Borussia Mönchengladbach. Wie lebendig ist Ihre Erinnerung daran?

Heynckes: Ich kann mich noch gut daran erinnern. Mein Gott, 35 Grad Hitze, 120 Minuten, das große Derby gegen den 1. FC Köln, und Günter Netzer macht das 2:1 für uns mit seinem Schuss in den Winkel. Das war ein legendäres DFB-Pokalfinale!

DFB.de: Herr Labbadia, Sie haben 1990 mit Kaiserslautern triumphiert.

Labbadia: Natürlich denke ich sehr gerne an dieses Spiel, in dem ich zweimal getroffen habe. Das war ein Wahnsinnsglücksgefühl. Wir waren in dem Jahr so gut wie abgestiegen, haben uns erst zwei Spieltage vor Schluss gerettet. Dann fährst du nach Berlin und gewinnst auch noch. Das war für uns eine Initialzündung. Mit diesem Team sind wir ein Jahr später auch noch Deutscher Meister geworden, was eigentlich unmöglich war.

DFB.de: Hoffen Sie auf eine ähnliche Entwicklung beim VfB?

Labbadia: Wenn du einen großen Erfolg feierst, kann es natürlich sein, dass die Spieler sagen: 'Hey, ich kann noch mehr erreichen.' Dass wir jetzt im Finale stehen, gibt uns definitiv einen Schub und wird uns weiterbringen. Auch die Spiele in der Europa League, die wir ja jetzt wieder erreicht haben, helfen uns enorm.

DFB.de: Herr Heynckes, Sie haben als Spieler und als Trainer Titel gewonnen. Wie sehr hängt die Wahrnehmung des Erfolges mit der Funktion ab, in der man ihn errungen hat? Erlebt man Titel als Trainer oder als Spieler intensiver?

Heynckes: Egal, ob als Spieler oder Trainer – ich glaube, der erste Titel, den man erringt, wird immer einer der schönsten sein, den vergisst du dein Leben lang nicht.

DFB.de: Herr Labbadia, erzählen Sie Ihren Spielern von Ihren Erlebnissen im Pokal?

Labbadia: Das vermeide ich eigentlich. Das ist ja für mich selbst auch schon Lichtjahre entfernt, manche Spieler waren da noch gar nicht auf der Welt. Was man aber natürlich weitergeben und vermitteln kann, ist, wie besonders und außergewöhnlich es ist, in diesem Finale dabei zu sein, dieses große Ziel zu erreichen.

DFB.de: Kommt Europapokal-Erfahrung, also zu wissen, dass es in jedem Spiel um Alles oder Nichts geht, den Spielern auch im DFB-Pokal zugute?

Labbadia: Ich glaube, schon. Gerade in dieser Saison hatten wir ja einige solcher Erlebnisse, schon in der Gruppenphase. Wir mussten nach Bukarest, wussten, dass 60.000 Zuschauer da sind und dass wir unbedingt gewinnen mussten. Wenn du da bestehst, dann lernst du daraus. Auch für den DFB-Pokal.

Heynckes: Natürlich ist die Erfahrung, die eine Mannschaft hat, ein großer Vorteil. Wenn du einmal in Barcelona gewonnen, in Madrid und Manchester bestanden hast, dann kann dich nicht mehr viel umwerfen. Erfahrung ist wichtig, dazu Biss und Leidenschaft und gutes Teamwork – damit kannst du Titel gewinnen.

DFB.de: Was war für Sie der Schlüssel für die Finalteilnahme in diesem Jahr?

Heynckes: Unser entscheidendes Spiel in dieser Pokalsaison war sicherlich das Viertelfinale gegen Borussia Dortmund. Da war Spannung drin, unglaublicher Druck. Aber meine Mannschaft hat dem standgehalten, fantastisch gespielt und Dortmund 1:0 besiegt.

Labbadia: Wir sind in jedem Spiel sehr konzentriert an die Sache herangegangen. Wir haben zum Beispiel nur zwei Gegentore kassiert. Das spricht für die Mannschaft. Spiele gegen Zweitligisten können sehr undankbar sein, aber die Spieler haben nie nachgelassen. Wir wussten: Das ist der kürzeste Weg nach Europa – und in Berlin wartet ein riesiges Spiel. Das haben die Spieler komplett angenommen und verinnerlicht.

DFB.de: Gibt es Momente, die besonders hängen geblieben sind von dieser Pokalsaison?

Labbadia: Unser Halbfinale gegen Freiburg. Das Stadion war voll. Die Mannschaften stellten sich auf dem Platz auf, und in den Kurven sah man links und rechts die Choreografien der beiden Vereine. Ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich daran denke. Was da los war, war sensationell. Dafür spielt man Fußball, ein tolles Erlebnis.

Heynckes: Wie gerade erwähnt, das Topspiel gegen Dortmund. Die Allianz Arena brodelte, alles war möglich, es war eine unglaubliche Stimmung. Und wir haben uns durchgesetzt.

DFB.de: Der VfB hat in dieser Saison schon 51 Pflichtspiele bestritten. Ganz ehrlich, Herr Labbadia: Wie froh sind Sie, wenn die Saison vorbei ist?

Labbadia: Daran denke ich noch nicht. Natürlich war es nicht einfach, alle drei Tage zu spielen, auch für mich als Trainer nicht, weil ich mit der Mannschaft kaum noch Dinge trainieren konnte. Aber dadurch, dass wir jetzt noch so ein Highlight haben, freue ich mich unheimlich darüber, dass wir noch nicht Urlaub haben.

DFB.de: Die VfB-Saison verlief eher unruhig, dennoch wurden sportliche Ziele erreicht: Im Europapokal wurde überwintert, außerdem steht der Klub im Pokalfinale, ist damit auch in der kommenden Saison europäisch dabei. Wie fällt Ihr Fazit aus?

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Labbadia: Es war eine schwierige Saison, in der wir aber, mit Ausnahme der Bundesliga, fast das Optimale herausgeholt haben. Wir wollen jetzt den nächsten Schritt machen und den Anschluss an die ersten Sechs in der Liga schaffen. Ich glaube, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind. Die Mannschaft entwickelt sich. Wir hatten einen Umbruch, mussten Spieler abgeben, haben den Etat um ein Drittel gesenkt – und sind trotzdem im Europapokal dabei.

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Saison des FC Bayern?

Labbadia: Da muss man gar nicht viele Worte verlieren: Die Bayern haben eine gigantische Saison gespielt, die Konstanz war beeindruckend. Sie treten sehr geschlossen auf, als echte Einheit. Davor kann man nur den Hut ziehen.

DFB.de: Und Sie, Herr Heynckes, was sagen Sie zum VfB?

Heynckes: Wenn man bedenkt, dass der VfB so viele Spiele in dieser Saison absolviert hat, dass sie in der Europa League sehr weit gekommen und jetzt im DFB-Pokalfinale sind – das ist eine unglaubliche Leistung. Bruno Labbadia und seine Mannschaft haben Tolles geleistet. Und der VfB fährt jetzt nach Berlin, um das noch zu toppen. Das ist klar.

DFB.de: Herr Labbadia, Sie haben neulich mit Blick aufs Finale gesagt: 'Hoch werden wir sicher nicht gewinnen.' Lebt es sich für Sie angenehm als Außenseiter?

Labbadia: (lacht) Ich wäre lieber in der Rolle von Bayern München. Schon als Spieler war ich gerne der Favorit, bin gerne vorneweg gegangen.

Heynckes: Was soll ich sagen? Natürlich haben wir eine überragende Saison hinter uns, natürlich sind wir Favorit, wie immer. Aber in einem Spiel kann vieles passieren. Wir werden höllisch aufpassen.

DFB.de: Dennoch: Kann es für den VfB ein Vorteil sein, dass die Mannschaft weniger Druck hat?

Labbadia: Ach, das ist doch positiver Druck. Wenn Sie mal mit so einem großen Klub wie dem VfB gegen den Abstieg spielen müssen, ihn in der Winterpause mit nur zwölf Punkten übernehmen, das ist Druck. Aber jetzt verspüre ich vor allem Vorfreude.

Heynckes: Druck braucht man, um Leistung zu bringen. Ich bin froh, dass meine Mannschaft Druck hat, da haben wir immer die besten Spiele gemacht. Wir wissen damit umzugehen.

DFB.de: Was stimmt Sie denn optimistisch?

Labbadia: Dass immer alles möglich ist und dass man in einem Spiel immer wieder alles schaffen kann. Wir stehen im Finale – und das wollen wir natürlich auch gewinnen.

Heynckes: Meine Mannschaft hat in dieser Saison Großartiges geleistet. So eine Dominanz hat es noch nie gegeben. Jetzt haben wir nach elf Monaten noch genau 90 oder 120 Minuten vor uns. Auch da werden wir nochmals alles geben.

DFB.de: Welche Eindrücke nehmen Sie aus den Bundesligaspielen gegeneinander in dieser Saison mit?

Labbadia: Beim 6:1 haben wir 35 Minuten nahezu alles richtig gemacht, auch wenn sich das bei diesem Ergebnis komisch anhört, aber danach haben die Bayern jeden Fehler von uns gnadenlos bestraft. Das haben sie sehr gut gemacht. Im Rückspiel war es insgesamt enger, wir waren taktisch sehr diszipliniert, aber auch da sind wir durch einen individuellen Fehler, den man sich gegen so einen Gegner einfach nicht leisten darf, auf die Verliererstraße geraten.

Heynckes: Das waren schöne Ergebnisse – aber sie helfen uns hier in Berlin überhaupt nicht. Das ist ein anderes Spiel. Da geht‘s um alles oder nichts, da herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Wir freuen uns riesig drauf, uns nochmals zu beweisen.

DFB.de: 1991 haben der Trainer Heynckes und der Spieler Labbadia mal zusammengearbeitet.

Labbadia: Er hat mich damals zu den Bayern geholt.

Heynckes: Bruno war ein unglaublich ehrgeiziger Spieler und erfolgreicher Torjäger, der sich nie mit etwas zufrieden gegeben hat, er wollte immer mehr. Eine Eigenschaft, die er sich bis heute auch als Trainer bewahrt hat.

Labbadia: Ich habe es sehr bedauert, dass sich der Klub schon einige Wochen später von ihm getrennt hat, weil ich ihn für einen sehr guten Trainer halte. Es war damals eine schwierige Zeit bei den Bayern. Man sieht am Beispiel Jupp Heynckes, dass ein Trainer mit den Jahren immer besser werden kann. Er ist nie stehen geblieben, hat sich immer weiterentwickelt, hat Erfahrungen gesammelt. Und es spricht für seine Qualität, dass er sich so lange auf dem Niveau halten konnte.

DFB.de: Sie können die Komplimente gerne zurückgeben, Herr Heynckes.

Heynckes: Bruno liefert in Stuttgart großartige Arbeit ab. Was er, bei nicht immer einfachen Bedingungen geschafft hat, muss erst mal einer erreichen. Er lebt Fußball, er ist ehrgeizig, er wird als Trainer noch viel erreichen. Muss ja nicht schon heute sein … (lacht)

DFB.de: Was wäre in Stuttgart los, wenn der VfB den Pokal gewinnen würde?

Labbadia: Die Stuttgarter können richtig feiern. Das kann ich Ihnen versichern. Wenn man sich anschaut, was hier bei der WM 2006 oder nach der Meisterschaft 2007 los war, kann man sich vorstellen, wie die Stimmung hier wäre. Dafür würde ich auch gerne den Urlaub noch um ein paar Tage verschieben.

DFB aktuell, das Stadionheft zum Pokalfinale, gibt es ab Freitag und ist dann auf DFB.de zu lesen und bestellen.