Borchers: "Die ganze Stadt spielt verrückt"

Der siebte Streich: Am 29. April (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) empfängt Drittligist Arminia Bielefeld den Bundesligazweiten VfL Wolfsburg im DFB-Pokalhalbfinale. So weit drangen zuvor nur sechs andere drittklassige Klubs vor. Drei von ihnen schafften sogar den Sprung ins Endspiel - den "Pott" geholt hat freilich keiner der Außenseiter in Berlin.

Seit Einführung der 3. Liga 2008 ist Bielefeld deren erster Vertreter in der Vorschlussrunde, letzter Drittligist davor im Semifinale war 2006 der damalige Regionalligist FC St. Pauli. Ein Team aus der vierten Liga oder darunter stand noch nie im DFB-Pokalhalbfinale. Umso bemerkenswerter ist die Leistung von Arminia und Co. - und für DFB.de Grund genug, um in einer Miniserie die bisherigen Sensationshalbfinalisten zu würdigen. Heute spricht Ronny Borchers im Interview über den Siegeszug seiner Offenbacher Kickers in der Pokalsaison 1989/1990.

Eigentlich hatte er schon abgeschlossen mit dem großen Fußball, da schrieb er noch einmal Geschichte. Ronny Borchers zog 1990 mit den Offenbacher Kickers, die damals in der Amateur-Oberliga Hessen spielten, ins Halbfinale des DFB-Pokals ein. Das war zuvor noch keinem drittklassigen Verein gelungen. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Arne Leyenberg erinnert sich der sechsmalige Nationalspieler an den Lauf des OFC, den DFB-Pokalsieg 1981 mit Eintracht Frankfurt - und er sagt, welche Chancen er Bielefeld gegen Wolfsburg gibt.

DFB.de: Herr Borchers, haben Sie den Sieg von Arminia Bielefeld im Viertelfinale des DFB-Pokals über Borussia Mönchengladbach gesehen?

Ronny Borchers: Ich war gerade im Auto auf der Heimfahrt vom Training. Im Radio habe ich mehr vom Spiel der Bayern in Leverkusen gehört, aber das Elfmeterschießen habe ich mitbekommen. Leider Gottes habe ich nichts im Fernsehen gesehen.

DFB.de: Kamen bei Ihnen Erinnerungen hoch? Mit Kickers Offenbach schalteten Sie 1989/1990 im Achtelfinale schließlich ebenfalls Mönchengladbach aus und zogen später als erste drittklassige Mannschaft ins Halbfinale ein.

Borchers: Wir spielten damals ja Amateur-Oberliga Hessen, nicht dritte Liga. Wir waren eher auf dem Niveau einer heutigen Regionalligamannschaft aus dem oberen Tabellendrittel. Gladbach war damals in Abstiegslaune, das kam uns gerade recht.

DFB.de: Mit dem OFC besiegten Sie damals nicht nur die Bundesligisten Mönchengladbach und Bayer Uerdingen, sondern auch den Zweitligisten MSV Duisburg. Was war das Erfolgsgeheimnis der Kickers?

Borchers: Wir haben damals professionell trainiert. Wir waren körperlich in der Lage mitzuhalten. So wie es die heutige Mannschaft des OFC aus der Regionalliga im DFB-Pokal auch getan hat. Sonst sind solche Erfolge gar nicht möglich.

DFB.de: In der Liga lief es dafür aber nicht gut beim OFC.

Borchers: Im Pokal haben wir alles gestemmt. Aber um in der Liga Meister zu werden, muss man 34 Spieltage lang stabil sein, eine Mannschaft muss homogen sein und die Spieler müssen miteinander können. Einer muss für den anderen da sein. Das war bei uns nachweislich nicht der Fall. Wir hatten sehr gute Einzelspieler, aber als Mannschaft haben wir nicht funktioniert. Im DFB-Pokal hatten wir eine ganz andere Motivation, da konnten wir uns entfalten, aber auf den klassischen Sportplätzen vor wenigen Zuschauern haben wir uns schwergetan.



Der siebte Streich: Am 29. April (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) empfängt Drittligist Arminia Bielefeld den Bundesligazweiten VfL Wolfsburg im DFB-Pokalhalbfinale. So weit drangen zuvor nur sechs andere drittklassige Klubs vor. Drei von ihnen schafften sogar den Sprung ins Endspiel - den "Pott" geholt hat freilich keiner der Außenseiter in Berlin.

Seit Einführung der 3. Liga 2008 ist Bielefeld deren erster Vertreter in der Vorschlussrunde, letzter Drittligist davor im Semifinale war 2006 der damalige Regionalligist FC St. Pauli. Ein Team aus der vierten Liga oder darunter stand noch nie im DFB-Pokalhalbfinale. Umso bemerkenswerter ist die Leistung von Arminia und Co. - und für DFB.de Grund genug, um in einer Miniserie die bisherigen Sensationshalbfinalisten zu würdigen. Heute spricht Ronny Borchers im Interview über den Siegeszug seiner Offenbacher Kickers in der Pokalsaison 1989/1990.

Eigentlich hatte er schon abgeschlossen mit dem großen Fußball, da schrieb er noch einmal Geschichte. Ronny Borchers zog 1990 mit den Offenbacher Kickers, die damals in der Amateur-Oberliga Hessen spielten, ins Halbfinale des DFB-Pokals ein. Das war zuvor noch keinem drittklassigen Verein gelungen. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Arne Leyenberg erinnert sich der sechsmalige Nationalspieler an den Lauf des OFC, den DFB-Pokalsieg 1981 mit Eintracht Frankfurt - und er sagt, welche Chancen er Bielefeld gegen Wolfsburg gibt.

DFB.de: Herr Borchers, haben Sie den Sieg von Arminia Bielefeld im Viertelfinale des DFB-Pokals über Borussia Mönchengladbach gesehen?

Ronny Borchers: Ich war gerade im Auto auf der Heimfahrt vom Training. Im Radio habe ich mehr vom Spiel der Bayern in Leverkusen gehört, aber das Elfmeterschießen habe ich mitbekommen. Leider Gottes habe ich nichts im Fernsehen gesehen.

DFB.de: Kamen bei Ihnen Erinnerungen hoch? Mit Kickers Offenbach schalteten Sie 1989/1990 im Achtelfinale schließlich ebenfalls Mönchengladbach aus und zogen später als erste drittklassige Mannschaft ins Halbfinale ein.

Borchers: Wir spielten damals ja Amateur-Oberliga Hessen, nicht dritte Liga. Wir waren eher auf dem Niveau einer heutigen Regionalligamannschaft aus dem oberen Tabellendrittel. Gladbach war damals in Abstiegslaune, das kam uns gerade recht.

DFB.de: Mit dem OFC besiegten Sie damals nicht nur die Bundesligisten Mönchengladbach und Bayer Uerdingen, sondern auch den Zweitligisten MSV Duisburg. Was war das Erfolgsgeheimnis der Kickers?

Borchers: Wir haben damals professionell trainiert. Wir waren körperlich in der Lage mitzuhalten. So wie es die heutige Mannschaft des OFC aus der Regionalliga im DFB-Pokal auch getan hat. Sonst sind solche Erfolge gar nicht möglich.

DFB.de: In der Liga lief es dafür aber nicht gut beim OFC.

Borchers: Im Pokal haben wir alles gestemmt. Aber um in der Liga Meister zu werden, muss man 34 Spieltage lang stabil sein, eine Mannschaft muss homogen sein und die Spieler müssen miteinander können. Einer muss für den anderen da sein. Das war bei uns nachweislich nicht der Fall. Wir hatten sehr gute Einzelspieler, aber als Mannschaft haben wir nicht funktioniert. Im DFB-Pokal hatten wir eine ganz andere Motivation, da konnten wir uns entfalten, aber auf den klassischen Sportplätzen vor wenigen Zuschauern haben wir uns schwergetan.

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DFB.de: Was ist das Besondere am Pokal, das Spieler derart motivieren kann?

Borchers: Die Atmosphäre. Das war damals in Offenbach, wo die Pokalhistorie mit dem Sieg 1970 ja extrem positiv besetzt war, genauso wie jetzt in Bielefeld. Ich habe dort Szenen aus den Tagen vor dem Gladbach-Spiel gesehen, wo Menschen ihre Tickets in die Kamera halten und sagen, obwohl ihre Frau an dem Tag Geburtstag hat, müssen sie trotzdem ins Stadion. Die Emotionen werden innerhalb der Stadt multipliziert. Die ganze Stadt spielt verrückt. Als Spieler wird man davon gepackt, man lässt sich mitreißen, es ist unvergleichlich schön. Und man ist so fixiert auf das Spiel, dass man sich nicht mehr so auf die Liga konzentriert.

DFB.de: Mit welcher Einstellung geht man als unterklassiger Spieler in so eine Partie? Will man dem Bundesligisten zeigen, dass man auch Fußballspielen kann?

Borchers: Der OFC war damals ja gerade erst abgestiegen - nicht real, weil er eine schlechte Mannschaft hatte, sondern weil ihm die Lizenz entzogen worden war. 80, 90 Prozent der Spieler sind weggegangen, man hat dann querbeet eingekauft, um direkt wieder aufzusteigen. Offenbach hatte also keine Zweitligamannschaft mehr, aber vom Flair, von der Atmosphäre, von den Zuschauern her lebte der Verein noch in der glorreichen Vergangenheit.

DFB.de: Wie waren Sie als ehemaliger Nationalspieler und Bundesligaprofi eigentlich in der Amateur-Oberliga Hessen gelandet?

Borchers: Ich hatte ja schon aufgehört mit dem Profifußball, mein linkes Knie war mehr als belastet. In Offenbach habe ich Libero gespielt, dann hatte ich ja immer noch zwei Jungs davor, und im Training habe ich mich manches Mal zurückgenommen. Mensch, habe ich gedacht, hätte ich das doch schon früher gemacht. Das war eine tolle Zeit.

DFB.de: War Ihnen bewusst, dass Sie damals Geschichte schrieben, als Sie als erster drittklassiger Verein ins DFB-Pokalhalbfinale einzogen?

Borchers: Wir haben mit dem Gedanken gelebt, dass wir Außergewöhnliches geleistet hatten, das gab es noch nie. Wem das nicht bewusst war, der wurde an jeder Ecke in und um Offenbach daran erinnert. Mit dem Einzug ins Finale wollten wir das nächste Highlight setzen.

DFB.de: Aber dann scheiterten Sie am Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern.

Borchers: Wir waren nicht die schlechtere Mannschaft. Der normale Zuschauer auf der Tribüne konnte keinen Klassenunterschied erkennen. Stefan Kuntz hat dann einen Freistoß geschossen, und den Abklatscher hat Thomas Dooley verwandelt. Das war es.

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DFB.de: Kaiserslautern holte sogar den Titel im Finale gegen Werder Bremen.

Borchers: Werder Bremen hatte damals mit Portas den selben Trikotsponsor wie wir. Alleine deshalb wollten wir unbedingt ins Endspiel, das wurde forciert, die Gazetten berichteten bereits darüber. Portas-Chef Horst Jung war nach dem Abstieg erst eingestiegen, um den Verein am Leben zu halten.

DFB.de: Sie hatten zu diesem Zeitpunkt ja bereits den DFB-Pokal mit Offenbachs großem Rivalen Eintracht Frankfurt gewonnen. Im Endspiel 1981 machten sie eines Ihrer besten Spiele und besiegten Kaiserslautern 3:1.

Borchers: Das 2:0 hatte ich kurz vor der Halbzeit selbst geschossen nach einem sehr schönen Pass von Norbert Nachtweih. Das war ein emotionaler Knaller kurz vor der Pause - wir wussten, jetzt können wir es schaffen. In der zweiten Halbzeit hat Werner Lorant zu mir gepasst, ich weiter zu Bum-Kun Cha gespielt - und patsch, war das Ding gelaufen. Wir hatten damals eine außergewöhnliche Mannschaft. Wenn wir im Kopf frei waren, haben wir in der Regel gewonnen. Leider waren wir in der Liga nicht so stabil, um Meister zu werden. An diesem Tag aber lief alles rund.

DFB.de: Haben Sie Ihren Mitspielern in Offenbach neun Jahre später vom Pokalfinale in Berlin erzählt?

Borchers: Was interessiert es einen aktuellen Spieler, was vor Jahren einmal war? Das Finale ist eine andere Welt. Aber man braucht im Pokal schon Spieler in der Mannschaft, die ihre Erfahrungen weitergeben können. Da kann der Trainer erzählen, was er will, die Spieler haben ihren eigenen Kopf. Lucien Favre etwa ist es vor dem Spiel in Bielefeld nicht gelungen, seine Mannschaft einzustellen. Das ist verrückt. Eine so stabile Mannschaft wie Mönchengladbach, Dritter der Bundesliga, verliert bei einem Drittligisten. Das ist brutal und normalerweise nicht nachzuvollziehen. Da fehlt einem die Vorstellungskraft. Aber irgendwann hat bei den Spielern das negative Kopfkino begonnen.

DFB.de: Welche Chancen geben Sie den Bielefeldern nun im Halbfinale gegen Wolfsburg?

Borchers: Ich gehe davon aus, dass sich der Bundesligist durchsetzt. Das ist ja normal, das macht jeder. Bielefeld hat nur eine klitzekleine Chance. Wenn alles normal läuft, ist das eine klare Sache.

DFB.de: Sie sind mittlerweile Trainer in der sechsten Liga, in der Verbandsliga Hessen. Träumen Sie davon, mal mit dem FC Bensheim im DFB-Pokal zu starten?

Borchers: (lacht) Die Situation hatte ich als Trainer mit Wormatia Worms ja schon. 2012/2013 schlugen wir als Regionalligist den damaligen Zweitligisten Hertha BSC bei 40 Grad, in der nächsten Runde scheiterten wir erst im Elfmeterschießen am 1. FC Köln. Ich bin jetzt in Bensheim, um zu helfen, dass die Mannschaft in der Verbandsliga bleibt. Und bevor ich abends zu Hause Kartoffeln schäle oder den Staubsauger zur Hand nehmen muss, stehe ich lieber als Trainer auf dem Platz. Als ich die Mannschaft im Januar übernommen habe, war sie abgeschlagen Tabellenletzter - jetzt sind wir 14. Unser Ziel ist es, die nötigen Punkte zu sammeln.