Andreas Voss nach Begegnung mit dem Tod: "Glück im Unglück"

Voss: Ich wusste erst überhaupt nicht, was los ist. Meine Frau hat mich dann ganz langsam mit der Realität konfrontiert. Ich habe mir später Bilder angeschaut, und das war wirklich ein ganz schöner Schock. Erst da ist mir das Ausmaß richtig bewusst geworden. Es ist mir noch immer unbegreiflich, wie das passieren konnte.

DFB.de: Wie ist Ihr Sohn mit den Ereignissen umgegangen?

Voss: Meine Frau hat mit ihm gesprochen. Mit fünf Jahren hat er natürlich fast alles mitbekommen. Er hat viele Fragen gestellt: "Was ist denn, wenn Papa nicht mehr aufwacht? Ist er dann tot?" Was soll man darauf antworten? Erst nach fünf Wochen durfte ich meine Kinder wiedersehen. Das war schon extrem. Wir wollten ihnen den Anblick ersparen, wie ich da liege, angeschlossen an zahlreiche Schläuche.

DFB.de: Kehrt nun langsam wieder der Alltag zurück?

Voss: Ja, so allmählich. Grundsätzlich hat mich die Sache schon verändert. Ich bin entspannter geworden. Und ich bin dankbar dafür, dass es mir wieder so gut geht. Außerdem bin ich dankbar für das überwältigende Feedback aus der Fußballerszene. Auf allen Kanälen und von unglaublichen vielen Menschen wurde und wird mir noch immer Mut zugesprochen. Das hilft mir unheimlich. Zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich mir das alles mal ganz in Ruhe angeschaut. Das war schon berührend. Aber jetzt muss der Blick auch wieder nach vorne gehen. Seit Anfang des Jahres merke ich, dass die Normalität langsam zurückkehrt – und das ist auch gut so.

DFB.de: Wie macht sich das bemerkbar?

Voss: Ich kann Ihnen ein ganz konkretes Beispiel nennen: Ich bin ja wirklich fußballverrückt. Und die zweite Hälfte der Weltmeisterschaft habe ich komplett verpasst. Ich habe also einen der größten Momente der deutschen Fußballgeschichte nicht mitbekommen. Meine Frau hatte mir zwar die Spiele aufgenommen, aber ich habe noch keine Zeit gefunden, sie mir anzusehen. Kürzlich habe ich dann mit meinem Schwiegervater den Film "Die Mannschaft" gesehen. Das war in vielfacher Hinsicht sehr emotional. Und ich freue mich darauf, demnächst endlich auch wieder auf dem Platz stehen zu können.

DFB.de: Als Trainer beim Landesligisten Viktoria Goch?



Die Ärzte hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Im vergangenen Sommer hat der ehemalige U 21-Nationalspieler Andreas Voss einige Tage mit dem Tod gerungen. Eine Virusinfektion hatte bei dem 35-Jährigen dazu geführt, dass das Herz nur noch mit 20 Prozent seiner ursprünglichen Kraft geschlagen hatte. In Folge dessen hatte ein Organ nach dem anderen seinen Dienst eingestellt.

"Die Ärzte haben meiner Frau damals gesagt, dass sie stündlich mit der schlimmsten aller Nachrichten rechnen müsse", sagt der zweifache Vater (Noah 5 Jahre, Amelie 1 Jahr). Aber fast wie durch ein Wunder erholte sich der Körper wieder. Mittlerweile geht es Voss so gut, dass er im Sommer als Trainer beim Landesligisten Viktoria Goch einsteigen wird.

Im DFB.de-Interview spricht der ehemalige Profi von Bayer 04 Leverkusen, dem VfL Wolfsburg sowie dem MSV Duisburg über seine Begegnung mit dem Tod, über die dramatischen Ereignisse und über die verpasste Weltmeisterschaft in Brasilien.

DFB.de: Herr Voss, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen heute?

Andreas Voss: Den Umständen entsprechend sehr gut. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Man darf nicht vergessen, dass mir die Ärzte vor ein paar Monaten nur noch minimale Überlebenschancen gegeben haben. Meiner Frau hatten sie bereits angedeutet, dass sie stündlich mit einem Anruf rechnen solle, dass es vorbei ist. Vor diesem Hintergrund kann ich mit den Einschränkungen sehr gut leben, die mich wahrscheinlich für immer begleiten werden.

DFB.de: Welche sind das?

Voss: In erster Linie Schwerhörigkeit auf beiden Ohren. Deshalb trage ich die Hörgeräte. Außerdem sind einige Hautpartien abgestorben, die noch ersetzt werden müssen. Dafür muss ich nochmals operiert werden. Zudem fehlt mir noch die nötige Grundfitness. Aber daran arbeite ich.

DFB.de: Warum haben Sie diese Nachwirkungen?

Voss: Ich habe hammerstarke Medikamente bekommen. Das sind ganz normale Nebenwirkungen. Die Ärzte haben zum Glück alles versucht, mich am Leben zu erhalten. Dafür bin ich wirklich dankbar. Rückblickend muss man sagen, dass ich großes Glück im Unglück hatte.

DFB.de: Was ist damals überhaupt genau passiert?

Voss: Im Sommer musste ich zu einem Routineeingriff ins Krankenhaus. Dann bin ich wieder nach Hause gekommen. Aber ich habe gemerkt, dass es mir täglich schlechter ging. Ich weiß noch genau, dass ich am 30. Juni – also am Tag des WM-Achtelfinals gegen Algerien – erneut ins Krankenhaus musste. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. Ich bin davon ausgegangen, dass ich vielleicht schon abends wieder nach Hause kann, spätestens ein oder zwei Tage später.

DFB.de: Daraus ist nichts geworden…

Voss: Nein. Man hat eine bakterielle Infektion bei mir festgestellt. Anstatt besser wurde es immer schlimmer. Ich wurde einige Tage ins künstliche Koma versetzt. Das Problem war, dass ein Organ nach dem anderen die Arbeit eingestellt hat. Wie gesagt: Die Ärzte waren kurz davor, die Hoffnung aufzugeben. Ich bin dann in die Düsseldorfer Uni-Klinik verlegt worden. Dort hat mich nur noch eine Herz-Lungen-Maschine am Leben gehalten. Das war der Zeitpunkt, als die Ärzte meine Frau Daniela damit konfrontiert haben, dass es jeden Moment vorbei sein kann. Für sie war das natürlich der absolute Horror. Wir haben zwei Kinder. Mein Sohn Noah war damals fünf Jahre, meine Tochter Amelie noch nicht mal eins.

DFB.de: Wie ging es dann weiter?

Voss: Mein Herz hat nur noch mit seiner 20-prozentigen Kraft geschlagen. Die meisten Organe hatten aufgegeben. Aber dann hat sich mein Herz langsam erholt. Die Ärzte haben mir hinterher erzählt, dass das möglicherweise an meinem großen Überlebenswillen lag und daran, dass ich vorher körperlich ziemlich fit war. Nach und nach haben dann auch die Organe wieder die Arbeit aufgenommen. Nach drei Tagen hat man mich dann langsam wieder aus dem Koma geholt.

DFB.de: Wie ging es Ihnen dann?

Voss: Ich wusste erst überhaupt nicht, was los ist. Meine Frau hat mich dann ganz langsam mit der Realität konfrontiert. Ich habe mir später Bilder angeschaut, und das war wirklich ein ganz schöner Schock. Erst da ist mir das Ausmaß richtig bewusst geworden. Es ist mir noch immer unbegreiflich, wie das passieren konnte.

DFB.de: Wie ist Ihr Sohn mit den Ereignissen umgegangen?

Voss: Meine Frau hat mit ihm gesprochen. Mit fünf Jahren hat er natürlich fast alles mitbekommen. Er hat viele Fragen gestellt: "Was ist denn, wenn Papa nicht mehr aufwacht? Ist er dann tot?" Was soll man darauf antworten? Erst nach fünf Wochen durfte ich meine Kinder wiedersehen. Das war schon extrem. Wir wollten ihnen den Anblick ersparen, wie ich da liege, angeschlossen an zahlreiche Schläuche.

DFB.de: Kehrt nun langsam wieder der Alltag zurück?

Voss: Ja, so allmählich. Grundsätzlich hat mich die Sache schon verändert. Ich bin entspannter geworden. Und ich bin dankbar dafür, dass es mir wieder so gut geht. Außerdem bin ich dankbar für das überwältigende Feedback aus der Fußballerszene. Auf allen Kanälen und von unglaublichen vielen Menschen wurde und wird mir noch immer Mut zugesprochen. Das hilft mir unheimlich. Zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich mir das alles mal ganz in Ruhe angeschaut. Das war schon berührend. Aber jetzt muss der Blick auch wieder nach vorne gehen. Seit Anfang des Jahres merke ich, dass die Normalität langsam zurückkehrt – und das ist auch gut so.

DFB.de: Wie macht sich das bemerkbar?

Voss: Ich kann Ihnen ein ganz konkretes Beispiel nennen: Ich bin ja wirklich fußballverrückt. Und die zweite Hälfte der Weltmeisterschaft habe ich komplett verpasst. Ich habe also einen der größten Momente der deutschen Fußballgeschichte nicht mitbekommen. Meine Frau hatte mir zwar die Spiele aufgenommen, aber ich habe noch keine Zeit gefunden, sie mir anzusehen. Kürzlich habe ich dann mit meinem Schwiegervater den Film "Die Mannschaft" gesehen. Das war in vielfacher Hinsicht sehr emotional. Und ich freue mich darauf, demnächst endlich auch wieder auf dem Platz stehen zu können.

DFB.de: Als Trainer beim Landesligisten Viktoria Goch?

Voss: In der Traditionsmannschaft des MSV Duisburg. Aber vor allem als Trainer, das ist richtig. Eigentlich sollte ich dort ja schon im Sommer beginnen. Aber dann ist ja alles anders gekommen. Ich bin jetzt mit den Verantwortlichen so verblieben, dass ich zur neuen Saison einsteigen werde.

DFB.de: Was ist dort möglich?

Voss: Zunächst geht es darum, dass wir die Landesliga halten. Aber das sollte nur unser kurzfristiges Ziel sein. Der Verein hat vor einigen Jahren schon mal Oberliga gespielt. Das muss unsere Perspektive sein. Ich möchte nicht ewig in der Landesliga unterwegs sein. Das ist nicht mein Anspruch. Wir wollen bei Viktoria Goch etwas aufbauen.

DFB.de: Was sind Ihre persönlichen Ziele?

Voss: Wie gesagt: Ganz kurzfristig möchte ich endlich auf den Rasen zurückkehren. Ich merke, dass mir der Fußball fehlt. Nach oben hin habe ich mir keine Grenzen gesetzt. Ich würde gerne 2017 am Fußball-Lehrer-Lehrgang teilnehmen. Alles Weitere wird man dann sehen.