Knappmann: "Fußball ist größter Klebstoff"

Während der Corona-Krise ist auch bei Ex-Profi Christian Knappmann, Trainer beim Traditionsverein SC Westfalia Herne, Kreativität gefragt. Wie der 36 Jahre alte ehemalige Mittelstürmer mit der schwierigen Situation umgeht und warum er seinen Vertrag mitten in der Krise um drei Jahre verlängert, schildert "Knappi" im DFB.de-Interview.

DFB.de: Wie gehen Sie mit der Corona-Krise um, Herr Knappmann?

Christian Knappmann: Ich versuche, mich an die Regeln und Ratschläge der Experten zu halten, nehme die Sache sehr ernst.

DFB.de: Wann haben Sie Ihre Mannschaft zuletzt gesehen?

Knappmann: In der vergangenen Woche hatten wir das gesamte Team in Zweiergruppen in unserem Presseraum zusammengerufen. Mit dem geforderten räumlichen Abstand haben wir mit den Jungs die Anträge auf Kurzarbeit und die damit verbundenen finanziellen Folgen besprochen. Alle ziehen dabei voll mit.

DFB.de: Welche "Hausaufgaben" haben Sie den Spielern in der Zwangspause mit auf dem Weg gegeben?

Knappmann: Sie bekommen jede Woche neue Pläne, die sie abarbeiten müssen. Dazu zählt auch ein vernünftiges Ausdauer- und Kraftprogramm.

DFB.de: Wie sehr werden die Spieler kontrolliert und welche Aktionen haben Sie sich einfallen lassen?

Knappmann: Die Spieler sind alle intelligent genug, um zu wissen, dass es ihnen selbst schaden würde, wenn sie die geforderten Dinge nicht umsetzen. Dennoch ist Kontrolle besser als blindes Vertrauen. Die Bewegungsdaten werden per GPS überwacht und mit einer App in Zusammenarbeit mit meinem Co-Trainer ausgewertet. Schließlich kann ich nicht wissen, ob der Spieler tatsächlich seine Läufe macht - oder auf einem Mofa sitzt. (lacht) Aber ganz so viel Abgezockt- und Faulheit traue ich meinen Jungs auch nicht zu.

DFB.de: Gibt oder gab es in Ihrer Mannschaft Fälle von infizierten Spielern?

Knappmann: Zum Glück nicht. Keiner unserer Spieler ist infiziert oder kennt auch nur jemanden, der es ist. Bis jetzt ist gesundheitlich alles gut gegangen. In der Stadt Herne sind nach meinem Kenntnisstand bislang auch nur etwa 50 Fälle bekannt geworden.

DFB.de: Wie schützen Sie sich, um durch diese schwierige Zeit zu kommen?

Knappmann: Ich wasche mir regelmäßig die Hände, nutze Desinfektionsmittel und halte den geforderten Abstand zu meinen Mitmenschen ein. Außerdem gehe ich so oft es geht an die frische Luft, will damit auch ein psychisches Gleichgewicht herstellen.

DFB.de: Wie meinen Sie das?

Knappmann: Wenn man die Headlines in den Boulevardzeitungen liest, ist es schon schwer, nicht in Panik zu verfallen. Die seelischen Erkrankungen, die damit einhergehen, darf man nicht unterschätzen. Es gibt in unserer Gesellschaft nicht nur die Corona-Krise, sondern auch andere Krankheiten. Mein Vater befindet sich zurzeit in einer Klinik, leidet unter schweren Depressionen. Diese Menschen benötigen soziale Kontakte, um ihr Leben einigermaßen in den Griff zu bekommen. Es wäre respektlos, wenn man sich mit den Problemen dieser Menschen nicht auseinandersetzen würde.

DFB.de: Wie zuversichtlich sind Sie, dass in absehbarer Zeit wieder gespielt werden kann?

Knappmann: Wenn es in den Wochen nach Ostern wieder losgehen würde, wäre das super und würde vielen Menschen helfen. Fußball ist für mich der größte Klebstoff für unser gemeinschaftliches Zusammenleben. Der Fußball lenkt von Alltagsproblemen ab und schafft nebenbei ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

DFB.de: Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Corona-Krise für Ihren Klub allgemein ein?

Knappmann: Je länger der Fußball aussetzen muss, umso schwerwiegender werden die Folgen sein. Dafür muss man wahrlich kein Prophet sein. Ich hoffe, dass es bald wieder losgeht, damit der Schaden überschaubar bleibt. Ein positiver Nebeneffekt der Corona-Krise könnte sein, dass Spielerberater zumindest in der Oberliga und darunter von der Bildfläche verschwinden und nicht mehr einen so großen Platz in unserem System einnehmen werden.

DFB.de: Sie haben mitten in der Krise Ihren Vertrag in Herne trotz Insolvenzantrag, neun Punkten Abzug und der mehr als 100 Kilometer Anfahrt von ihrem Wohnort Verl gleich um drei Jahre verlängert. Warum?

Knappmann: Unser Insolvenzverwalter Ulrich Zerrath und sein Kollege Lukas Rox haben den klaren Plan, dass unser Insolvenzverfahren am 30. Juni beendet sein soll. Ab dem 1. Juli wird Westfalia Herne erstmals ohne Schulden in eine Saison starten. Der neue kommissarische Vorstand um Ingo Brüggemann, Jörg Tottmann und Holger Stoye lassen mich arbeiten, geben mir volle Rückendeckung und alle Freiheiten, die ich bei keinem anderen Klub sonst bekommen würde. Ich genieße im Verein eine große Wertschätzung und kann meine Ideen eins zu eins umsetzen.

DFB.de: Sie sind inzwischen schon seit fast fünf Jahren in Herne tätig, könnten Rekordtrainer werden und Fritz Langner ablösen. Spielte das bei Ihren Überlegungen auch eine Rolle?

Knappmann: Im November 2015 habe ich als Spielertrainer angefangen, gehe mit Westfalia in meine fünfte Saison. Der Rekordgedanke war aber nicht ausschlaggebend für den Vertrag. Dennoch würde es mich stolz machen, sollte ich in die Annalen des Vereins eingehen und einen Eintrag in die Geschichtsbücher als Rekordtrainer bekommen.

DFB.de: Langner, der bei Westfalia Herne 202 Spiele an der Seitenlinie stand, galt als "harter Hund". Wie würden Sie Ihren Trainingsstil bezeichnen?

Knappmann: Es ist bekannt, dass ich während eines Spiels extrem emotional bin. Das ist im Trainingsbetrieb unter der Woche nicht anders. Alle anderen Dinge werden aber sehr analytisch abgearbeitet. Ich würde mich eher als Kumpel-Typ bezeichnen.

DFB.de: Als Spieler hatten Sie sich einst selbst als "Wandervogel" bezeichnet, standen im Seniorenbereich bei insgesamt 18 Vereinen unter Vertrag und hatten es nie länger als ein Jahr ausgehalten. In der Jugend hatten Sie elf Vereine. Warum jetzt diese Sesshaftigkeit als Trainer?

Knappmann: Zum Ende meiner aktiven Laufbahn durfte ich Ex-Profi Thomas Stickroth kennenlernen, der mittlerweile Co- und Mentaltrainer beim 1. FC Nürnberg ist. Mit ihm habe ich viel gesprochen und meine Laufbahn hinterfragt. Die vielen Wechsel haben mich gebremst und nicht nach vorne gebracht. Deswegen wollte ich das als Trainer auf gar keinen Fall wiederholen.

DFB.de: Das Vereinsheim der Westfalia heißt "Hans-Tilkowski-Haus". Wie groß war die Nähe zu dem im Januar verstorbenen Klubidol und deutschen WM-Torhüter von 1966?

Knappmann: Ich hatte Hans Tilkowski im Mai 2017 bei unserem 1:0-Testspielsieg gegen die Profis von Borussia Dortmund und bei einer Sportgala kennengelernt. Er war eine große Persönlichkeit, aber leider hatten wir nicht so viele Berührungspunkte.

DFB.de: Einst war Westfalia auf Augenhöhe mit den Topvereinen in Deutschland. Diese Zeiten liegen aber viele Jahrzehnte zurück. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Klub?

Knappmann: Westfalia bedeutet mir extrem viel. Der Verein hat mir als Trainerneuling die Möglichkeit gegeben, auf hohem Niveau zu arbeiten. Auch die Fans stehen brutal hinter mir. Wir wollen ein Top-Oberligist sein und werden das auch hinbekommen.

[mspw]

Während der Corona-Krise ist auch bei Ex-Profi Christian Knappmann, Trainer beim Traditionsverein SC Westfalia Herne, Kreativität gefragt. Wie der 36 Jahre alte ehemalige Mittelstürmer mit der schwierigen Situation umgeht und warum er seinen Vertrag mitten in der Krise um drei Jahre verlängert, schildert "Knappi" im DFB.de-Interview.

DFB.de: Wie gehen Sie mit der Corona-Krise um, Herr Knappmann?

Christian Knappmann: Ich versuche, mich an die Regeln und Ratschläge der Experten zu halten, nehme die Sache sehr ernst.

DFB.de: Wann haben Sie Ihre Mannschaft zuletzt gesehen?

Knappmann: In der vergangenen Woche hatten wir das gesamte Team in Zweiergruppen in unserem Presseraum zusammengerufen. Mit dem geforderten räumlichen Abstand haben wir mit den Jungs die Anträge auf Kurzarbeit und die damit verbundenen finanziellen Folgen besprochen. Alle ziehen dabei voll mit.

DFB.de: Welche "Hausaufgaben" haben Sie den Spielern in der Zwangspause mit auf dem Weg gegeben?

Knappmann: Sie bekommen jede Woche neue Pläne, die sie abarbeiten müssen. Dazu zählt auch ein vernünftiges Ausdauer- und Kraftprogramm.

DFB.de: Wie sehr werden die Spieler kontrolliert und welche Aktionen haben Sie sich einfallen lassen?

Knappmann: Die Spieler sind alle intelligent genug, um zu wissen, dass es ihnen selbst schaden würde, wenn sie die geforderten Dinge nicht umsetzen. Dennoch ist Kontrolle besser als blindes Vertrauen. Die Bewegungsdaten werden per GPS überwacht und mit einer App in Zusammenarbeit mit meinem Co-Trainer ausgewertet. Schließlich kann ich nicht wissen, ob der Spieler tatsächlich seine Läufe macht - oder auf einem Mofa sitzt. (lacht) Aber ganz so viel Abgezockt- und Faulheit traue ich meinen Jungs auch nicht zu.

DFB.de: Gibt oder gab es in Ihrer Mannschaft Fälle von infizierten Spielern?

Knappmann: Zum Glück nicht. Keiner unserer Spieler ist infiziert oder kennt auch nur jemanden, der es ist. Bis jetzt ist gesundheitlich alles gut gegangen. In der Stadt Herne sind nach meinem Kenntnisstand bislang auch nur etwa 50 Fälle bekannt geworden.

DFB.de: Wie schützen Sie sich, um durch diese schwierige Zeit zu kommen?

Knappmann: Ich wasche mir regelmäßig die Hände, nutze Desinfektionsmittel und halte den geforderten Abstand zu meinen Mitmenschen ein. Außerdem gehe ich so oft es geht an die frische Luft, will damit auch ein psychisches Gleichgewicht herstellen.

DFB.de: Wie meinen Sie das?

Knappmann: Wenn man die Headlines in den Boulevardzeitungen liest, ist es schon schwer, nicht in Panik zu verfallen. Die seelischen Erkrankungen, die damit einhergehen, darf man nicht unterschätzen. Es gibt in unserer Gesellschaft nicht nur die Corona-Krise, sondern auch andere Krankheiten. Mein Vater befindet sich zurzeit in einer Klinik, leidet unter schweren Depressionen. Diese Menschen benötigen soziale Kontakte, um ihr Leben einigermaßen in den Griff zu bekommen. Es wäre respektlos, wenn man sich mit den Problemen dieser Menschen nicht auseinandersetzen würde.

DFB.de: Wie zuversichtlich sind Sie, dass in absehbarer Zeit wieder gespielt werden kann?

Knappmann: Wenn es in den Wochen nach Ostern wieder losgehen würde, wäre das super und würde vielen Menschen helfen. Fußball ist für mich der größte Klebstoff für unser gemeinschaftliches Zusammenleben. Der Fußball lenkt von Alltagsproblemen ab und schafft nebenbei ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

DFB.de: Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Corona-Krise für Ihren Klub allgemein ein?

Knappmann: Je länger der Fußball aussetzen muss, umso schwerwiegender werden die Folgen sein. Dafür muss man wahrlich kein Prophet sein. Ich hoffe, dass es bald wieder losgeht, damit der Schaden überschaubar bleibt. Ein positiver Nebeneffekt der Corona-Krise könnte sein, dass Spielerberater zumindest in der Oberliga und darunter von der Bildfläche verschwinden und nicht mehr einen so großen Platz in unserem System einnehmen werden.

DFB.de: Sie haben mitten in der Krise Ihren Vertrag in Herne trotz Insolvenzantrag, neun Punkten Abzug und der mehr als 100 Kilometer Anfahrt von ihrem Wohnort Verl gleich um drei Jahre verlängert. Warum?

Knappmann: Unser Insolvenzverwalter Ulrich Zerrath und sein Kollege Lukas Rox haben den klaren Plan, dass unser Insolvenzverfahren am 30. Juni beendet sein soll. Ab dem 1. Juli wird Westfalia Herne erstmals ohne Schulden in eine Saison starten. Der neue kommissarische Vorstand um Ingo Brüggemann, Jörg Tottmann und Holger Stoye lassen mich arbeiten, geben mir volle Rückendeckung und alle Freiheiten, die ich bei keinem anderen Klub sonst bekommen würde. Ich genieße im Verein eine große Wertschätzung und kann meine Ideen eins zu eins umsetzen.

DFB.de: Sie sind inzwischen schon seit fast fünf Jahren in Herne tätig, könnten Rekordtrainer werden und Fritz Langner ablösen. Spielte das bei Ihren Überlegungen auch eine Rolle?

Knappmann: Im November 2015 habe ich als Spielertrainer angefangen, gehe mit Westfalia in meine fünfte Saison. Der Rekordgedanke war aber nicht ausschlaggebend für den Vertrag. Dennoch würde es mich stolz machen, sollte ich in die Annalen des Vereins eingehen und einen Eintrag in die Geschichtsbücher als Rekordtrainer bekommen.

DFB.de: Langner, der bei Westfalia Herne 202 Spiele an der Seitenlinie stand, galt als "harter Hund". Wie würden Sie Ihren Trainingsstil bezeichnen?

Knappmann: Es ist bekannt, dass ich während eines Spiels extrem emotional bin. Das ist im Trainingsbetrieb unter der Woche nicht anders. Alle anderen Dinge werden aber sehr analytisch abgearbeitet. Ich würde mich eher als Kumpel-Typ bezeichnen.

DFB.de: Als Spieler hatten Sie sich einst selbst als "Wandervogel" bezeichnet, standen im Seniorenbereich bei insgesamt 18 Vereinen unter Vertrag und hatten es nie länger als ein Jahr ausgehalten. In der Jugend hatten Sie elf Vereine. Warum jetzt diese Sesshaftigkeit als Trainer?

Knappmann: Zum Ende meiner aktiven Laufbahn durfte ich Ex-Profi Thomas Stickroth kennenlernen, der mittlerweile Co- und Mentaltrainer beim 1. FC Nürnberg ist. Mit ihm habe ich viel gesprochen und meine Laufbahn hinterfragt. Die vielen Wechsel haben mich gebremst und nicht nach vorne gebracht. Deswegen wollte ich das als Trainer auf gar keinen Fall wiederholen.

DFB.de: Das Vereinsheim der Westfalia heißt "Hans-Tilkowski-Haus". Wie groß war die Nähe zu dem im Januar verstorbenen Klubidol und deutschen WM-Torhüter von 1966?

Knappmann: Ich hatte Hans Tilkowski im Mai 2017 bei unserem 1:0-Testspielsieg gegen die Profis von Borussia Dortmund und bei einer Sportgala kennengelernt. Er war eine große Persönlichkeit, aber leider hatten wir nicht so viele Berührungspunkte.

DFB.de: Einst war Westfalia auf Augenhöhe mit den Topvereinen in Deutschland. Diese Zeiten liegen aber viele Jahrzehnte zurück. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Klub?

Knappmann: Westfalia bedeutet mir extrem viel. Der Verein hat mir als Trainerneuling die Möglichkeit gegeben, auf hohem Niveau zu arbeiten. Auch die Fans stehen brutal hinter mir. Wir wollen ein Top-Oberligist sein und werden das auch hinbekommen.