Klinsmann über das All-Star-Spiel: "Schreit nach einer Fortsetzung"

Jürgen Klinsmann (55) wurde als Spieler 1990 in Italien Weltmeister, bei der EM 1996 in England hat er Deutschland als Kapitän zum Titel geführt. Bei der Heim-WM 2006 hat er als Trainer mit der deutschen Nationalmannschaft die Fans begeistert. Bei der Premiere der DFB-All-Stars hat er das deutsche Team im Spiel gegen die Azzurri Legends (3:3) als Kapitän aufs Feld geführt. Mit DFB.de spricht er über den Abend in Fürth und eine mögliche Zukunft solcher Legendenspiele.

DFB.de: Herr Klinsmann, Sie waren sofort begeistert für das Thema DFB-All-Stars. Warum glauben Sie, dass Spiele von Legenden-Mannschaften eine Bereicherung für den DFB und den Fußball insgesamt sind?

Jürgen Klinsmann: Seit zwei, drei Jahren ist es so, dass auf Klub-Ebene Legenden-Mannschaften gegründet werden und Spiele untereinander durchgeführt werden. Für Tottenham und Inter Mailand habe ich an solchen Spielen auch schon teilgenommen. Das war jeweils großartig. Die Grundidee ist einfach richtig gut. Solche Spiele verbinden mehrere Generationen von Spielern, und genauso von Fans, die mit diesen Spielern mitgelitten, mitgefiebert und sich mitgefreut haben. Außerdem gilt: Wir sagen immer, dass Fußball für alle da sei, für Amateure und Profis und für Alt und Jung. In der Realität stimmt das für die meisten Profis nicht. Wenn sie alt sind, ist nicht nur die Profikarriere vorbei, die meisten spielen dann überhaupt kein Fußball mehr. Deswegen finde ich es schön, dass der DFB – gemeinsam mit Italien – diese Initiative ergriffen hat. Und deswegen habe ich mich so auf den Abend in Fürth gefreut.

DFB.de: Jetzt ist das Spiel gespielt, Sie haben die Mannschaft als Kapitän geführt. Wie fällt Ihr Fazit der Premiere der DFB-All-Stars aus?

Klinsmann: Es hat sich alles erfüllt, was wir uns von diesem Spiel erhofft haben. Vor allem hat es richtig viel Spaß gemacht. Wir schlagen damit mehrere Fliegen mit einer Klappe, nicht nur zwei. Wir bringen die Spieler wieder zusammen, mehrerer Generationen. Wir bringen sie auch wieder näher zum DFB, zu ihrem Mutterverband. Und genauso die Fans. Für die Fans ist es einfach ein weiteres Angebot. Für uns war es schön zu erleben, wie groß die Identifikation noch ist. Es ist einfach eine Verbindung da, die über das Spielfeld hinausreicht. Die Spieler stehen für bestimmte Höhepunkte, und damit auch für die Fans für viele prägende Erlebnisse. Ob er bei der WM 1990 das Glück hatte, im Stadion zu sein, ob er 2006 in der Kneipe war oder 2014 zu Hause im Wohnzimmer. Vielfach verbinden die Fans mit den Spielern wertvolle Erinnerungen. Und wenn sie das motiviert, ins Stadion zu gehen und im besten Fall ihren Sohn, ihre Tochter oder das Enkelkind mit ins Stadion zu nehmen, dann war das Spiel schon deswegen ein großer Erfolg.

DFB.de: Und sportlich – wie bewerten Sie das 3:3 gegen die Azzurri Legends?

Klinsmann: Es ging natürlich in erster Linie um Spaß – aber alle, die da unten auf dem Platz waren, wollen gewinnen. Deswegen waren sie mal Profisportler, weil sie ehrgeizig sind und weil sie es nicht leiden können, Spiele zu verlieren. Diesen inneren Antrieb wird niemand von uns jemals verlieren – der ist einfach da.

DFB.de: Philipp Wollscheid hat mit der letzten Aktion den Ausgleich erzielt. Wie wichtig war das Tor zum 3:3 für Ihren Blick auf das Spiel?

Klinsmann: Auch ohne den Ausgleich wäre es ein toller Abend gewesen, aber so war es einfach ein perfektes Drehbuch. Mich hat es auch für den Philipp gefreut, mit seiner Jugend und insgesamt hat er unserer Mannschaft sehr gutgetan. Dass das Spiel dann Remis ausgeht, ist so etwas wie ein Sechser im Lotto. Ich glaube, dass es niemanden gibt, der das Stadion in Fürth unzufrieden verlassen hat.

DFB.de: Gab es Spieler, von denen Sie besonders beeindruckt waren?

Klinsmann: Cannavaro war schon stark, der Typ ist einfach faszinierend, ein Fels in der Brandung. Auch Pirlo. Wie er das Spiel dirigiert, in einer Ruhe, in einer Gelassenheit. Das sind schon tolle Fußballer. Totti nicht zu vergessen. Wenn er seine Trickkiste auspackt oder mit seinen Diagonalpässen das Spiel verlagert. Das ist auch heute noch ein Genuss.

DFB.de: Und bei den DFB-All-Stars?

Klinsmann: Auch bei uns gibt es eine ganze Reihe von Spielern, die wirklich noch erstaunlich viel draufhaben. Aus Trainerperspektive war es für mich schön, meine Jungs von 2006 wieder zu sehen. David Odonkor ist rauf und runter gerannt ohne Ende, er ist fast noch schneller geworden als früher. Auch Oliver Neuville. Was der für einen Biss hatte. Bei ihm dachte ich oft, jetzt geht nichts mehr, jetzt ist er tot. Und in der nächsten Sekunde ist er wieder abgezogen und hat den nächsten Sprint gemacht, Wahnsinn. Überhaupt: Wie sich alle reingehängt haben, war einfach stark. Da könnte ich jeden nennen, Michael Schulz vielleicht ganz besonders, aber im Grunde wirklich alle. Bei allen war zu spüren, dass sie ihre Grenzen kennenlernen und sie überwinden wollten. Ein paar Tage lang werden bei Vielen viele Knochen wehtun. Aber niemand wird das bereuen.

DFB.de: Wie ist Ihre Vorstellung der Zukunft von All-Star-Spielen? War das heute etwas Einmaliges?

Klinsmann: Für mich könnten All-Stars-Spiele eine neue Stufe des Clubs der Nationalspieler werden. Ich kann mir da viele Modelle vorstellen: Vier-Nationen-Turniere, kleine Europameisterschaften. Insbesondere im Golf, aber auch im Tennis gibt es wahnsinnig erfolgreiche Senioren-Touren. Warum sollte etwas Vergleichbares nicht auch im Fußball funktionieren? Vielleicht wird man eines Tages sagen, dass das Spiel gegen die Azzurri Legends der erste Schritt zu einer solchen Entwicklung war. Das Spiel gegen die Azzurri Legends schreit nach einer Fortsetzung. Ich kann für alle Spieler sprechen: Es war ein großes Vergnügen! Und alle kommen gerne wieder!

[sl]

Jürgen Klinsmann (55) wurde als Spieler 1990 in Italien Weltmeister, bei der EM 1996 in England hat er Deutschland als Kapitän zum Titel geführt. Bei der Heim-WM 2006 hat er als Trainer mit der deutschen Nationalmannschaft die Fans begeistert. Bei der Premiere der DFB-All-Stars hat er das deutsche Team im Spiel gegen die Azzurri Legends (3:3) als Kapitän aufs Feld geführt. Mit DFB.de spricht er über den Abend in Fürth und eine mögliche Zukunft solcher Legendenspiele.

DFB.de: Herr Klinsmann, Sie waren sofort begeistert für das Thema DFB-All-Stars. Warum glauben Sie, dass Spiele von Legenden-Mannschaften eine Bereicherung für den DFB und den Fußball insgesamt sind?

Jürgen Klinsmann: Seit zwei, drei Jahren ist es so, dass auf Klub-Ebene Legenden-Mannschaften gegründet werden und Spiele untereinander durchgeführt werden. Für Tottenham und Inter Mailand habe ich an solchen Spielen auch schon teilgenommen. Das war jeweils großartig. Die Grundidee ist einfach richtig gut. Solche Spiele verbinden mehrere Generationen von Spielern, und genauso von Fans, die mit diesen Spielern mitgelitten, mitgefiebert und sich mitgefreut haben. Außerdem gilt: Wir sagen immer, dass Fußball für alle da sei, für Amateure und Profis und für Alt und Jung. In der Realität stimmt das für die meisten Profis nicht. Wenn sie alt sind, ist nicht nur die Profikarriere vorbei, die meisten spielen dann überhaupt kein Fußball mehr. Deswegen finde ich es schön, dass der DFB – gemeinsam mit Italien – diese Initiative ergriffen hat. Und deswegen habe ich mich so auf den Abend in Fürth gefreut.

DFB.de: Jetzt ist das Spiel gespielt, Sie haben die Mannschaft als Kapitän geführt. Wie fällt Ihr Fazit der Premiere der DFB-All-Stars aus?

Klinsmann: Es hat sich alles erfüllt, was wir uns von diesem Spiel erhofft haben. Vor allem hat es richtig viel Spaß gemacht. Wir schlagen damit mehrere Fliegen mit einer Klappe, nicht nur zwei. Wir bringen die Spieler wieder zusammen, mehrerer Generationen. Wir bringen sie auch wieder näher zum DFB, zu ihrem Mutterverband. Und genauso die Fans. Für die Fans ist es einfach ein weiteres Angebot. Für uns war es schön zu erleben, wie groß die Identifikation noch ist. Es ist einfach eine Verbindung da, die über das Spielfeld hinausreicht. Die Spieler stehen für bestimmte Höhepunkte, und damit auch für die Fans für viele prägende Erlebnisse. Ob er bei der WM 1990 das Glück hatte, im Stadion zu sein, ob er 2006 in der Kneipe war oder 2014 zu Hause im Wohnzimmer. Vielfach verbinden die Fans mit den Spielern wertvolle Erinnerungen. Und wenn sie das motiviert, ins Stadion zu gehen und im besten Fall ihren Sohn, ihre Tochter oder das Enkelkind mit ins Stadion zu nehmen, dann war das Spiel schon deswegen ein großer Erfolg.

DFB.de: Und sportlich – wie bewerten Sie das 3:3 gegen die Azzurri Legends?

Klinsmann: Es ging natürlich in erster Linie um Spaß – aber alle, die da unten auf dem Platz waren, wollen gewinnen. Deswegen waren sie mal Profisportler, weil sie ehrgeizig sind und weil sie es nicht leiden können, Spiele zu verlieren. Diesen inneren Antrieb wird niemand von uns jemals verlieren – der ist einfach da.

DFB.de: Philipp Wollscheid hat mit der letzten Aktion den Ausgleich erzielt. Wie wichtig war das Tor zum 3:3 für Ihren Blick auf das Spiel?

Klinsmann: Auch ohne den Ausgleich wäre es ein toller Abend gewesen, aber so war es einfach ein perfektes Drehbuch. Mich hat es auch für den Philipp gefreut, mit seiner Jugend und insgesamt hat er unserer Mannschaft sehr gutgetan. Dass das Spiel dann Remis ausgeht, ist so etwas wie ein Sechser im Lotto. Ich glaube, dass es niemanden gibt, der das Stadion in Fürth unzufrieden verlassen hat.

DFB.de: Gab es Spieler, von denen Sie besonders beeindruckt waren?

Klinsmann: Cannavaro war schon stark, der Typ ist einfach faszinierend, ein Fels in der Brandung. Auch Pirlo. Wie er das Spiel dirigiert, in einer Ruhe, in einer Gelassenheit. Das sind schon tolle Fußballer. Totti nicht zu vergessen. Wenn er seine Trickkiste auspackt oder mit seinen Diagonalpässen das Spiel verlagert. Das ist auch heute noch ein Genuss.

DFB.de: Und bei den DFB-All-Stars?

Klinsmann: Auch bei uns gibt es eine ganze Reihe von Spielern, die wirklich noch erstaunlich viel draufhaben. Aus Trainerperspektive war es für mich schön, meine Jungs von 2006 wieder zu sehen. David Odonkor ist rauf und runter gerannt ohne Ende, er ist fast noch schneller geworden als früher. Auch Oliver Neuville. Was der für einen Biss hatte. Bei ihm dachte ich oft, jetzt geht nichts mehr, jetzt ist er tot. Und in der nächsten Sekunde ist er wieder abgezogen und hat den nächsten Sprint gemacht, Wahnsinn. Überhaupt: Wie sich alle reingehängt haben, war einfach stark. Da könnte ich jeden nennen, Michael Schulz vielleicht ganz besonders, aber im Grunde wirklich alle. Bei allen war zu spüren, dass sie ihre Grenzen kennenlernen und sie überwinden wollten. Ein paar Tage lang werden bei Vielen viele Knochen wehtun. Aber niemand wird das bereuen.

DFB.de: Wie ist Ihre Vorstellung der Zukunft von All-Star-Spielen? War das heute etwas Einmaliges?

Klinsmann: Für mich könnten All-Stars-Spiele eine neue Stufe des Clubs der Nationalspieler werden. Ich kann mir da viele Modelle vorstellen: Vier-Nationen-Turniere, kleine Europameisterschaften. Insbesondere im Golf, aber auch im Tennis gibt es wahnsinnig erfolgreiche Senioren-Touren. Warum sollte etwas Vergleichbares nicht auch im Fußball funktionieren? Vielleicht wird man eines Tages sagen, dass das Spiel gegen die Azzurri Legends der erste Schritt zu einer solchen Entwicklung war. Das Spiel gegen die Azzurri Legends schreit nach einer Fortsetzung. Ich kann für alle Spieler sprechen: Es war ein großes Vergnügen! Und alle kommen gerne wieder!

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