Rockenbach da Silva: "Höherklassig spielen"

Die Straßen von Camboriú irgendwann in den 90ern. Thiago hat die Schule geschwänzt. Das tut er öfter mal. Denn da ist diese eine Liebe: der Fußball. Er dribbelt und schießt, bis es dunkel wird, und das ist im Süden Brasiliens nicht gerade früh. Die Mutter wird nicht begeistert sein, das weiß er. Dafür ist auf seinen Vater Verlass, der weiß, wie das ist, wenn einen das Spiel nicht loslässt, und er beruhigt seine Frau.

Gilmar ist Profi gewesen, hat erst für Botafogo Rio de Janeiro gespielt und dann noch ein paar Jahre in Saudi-Arabien. Ist es nicht die Straße, ist es der Strand, wo sein Sohn Thiago den Ball mit Füßen tritt, manchmal ist es auch die Futsal-Halle. „Ich habe eigentlich immer und überall gespielt, wenn es gerade ging“, sagt er im Gespräch mit DFB.de.

"Thiago ist ein wichtiger Baustein"

Das tut er auch mit 25 noch. Mittlerweile schimpft aber keiner mehr, wenn er mal wieder Fußball spielt. Auch die Mutter nicht. Denn ihr Sohn verdient sein Geld damit. Wie einst der Vater. Thiago Rockenbach da Silva ist Profi beim FC Rot-Weiß Erfurt in der 3. Liga. Neben dem Heidenheimer Cassio da Silva ist er der einzige Brasilianer in der dritthöchsten deutschen Spielklasse.

Er ist seit zweieinhalb Jahren gesetzt in der Landeshauptstadt Thüringens, hinter den Spitzen, er trägt die Nummer zehn, die Fans lieben ihn. „Er bringt uns nach vorne“, sagt Erfurts Trainer Rainer Hörgl. Das ist durchaus zweideutig zu verstehen, Mannschaft und Verein. „Thiago ist ein wichtiger Baustein meiner Mannschaft, er hat eine große Ausdauer, eine gute Technik, ist schuss- und kopfballstark und weiß, sich durchzusetzen.“

Mit 15 Probetraining beim HSV

Nicht nur auf dem Platz. Das lernt man wohl, wenn man als Teenager in ein anderes, ein fremdes Land geht, um dort Profifußballer zu werden. Und vielleicht wäre Thiago noch heute in Hamburg, wenn alles so gekommen wäre, wie einst angedacht. Mit 15 zeigte er im Probetraining, was er drauf hat. Sie wollten ihn haben beim HSV, der Brasilianer wollte bleiben, doch der Deal scheiterte: Als nicht-europäischer Spieler unter 18 Jahren durfte er noch nicht im Spielbetrieb eingesetzt werden.

Einziger möglicher Ausweg: Ahnenforschung, Pass besorgen. Denn der talentierte Junge hat, wie sein etwas ungelenk daher kommender Name Thiago Rockenbach da Silva andeutet, deutsche Vorfahren. „Mein Ururgroßvater ist vor 150 Jahren ausgewandert“, erzählt er. Doch die bürokratischen Hürden sind zu hoch. Thiago muss in Brasilien bleiben, nachdem er auch bei Benfica Lissabon sein Glück vergeblich versucht hat.

Nächste Ausfahrt Bremen. Auch hier spielt der 17-Jährige im Jahr 2002 vor, wieder gefällt er. Jugendmanager Wolf Werner hat eine gute Idee: Rockenbach da Silva kommt als Sprachschüler nach Deutschland und spielt nebenbei Fußball. Das ist erlaubt und nicht einmal falsch, denn Rockenbach da Silva macht einen Sprachkurs und noch einige weitere. Mittlerweile hört man kaum noch einen Akzent. „Man grenzt sich in einem anderen Land selbst aus, wenn man die Sprache nicht lernt“, sagt er.

Schnee mag er immer noch nicht

Von Beginn an fühlt er sich wohl bei Werder: „Ich fand das alles spannend, was hier passiert ist.“ Neues Land, neue Kollegen, alles neu. Sein Trainer Dieter Eilts kümmert sich um ihn, die neue Sprache beherrscht er schnell. Zum ersten Mal sieht der Junge aus Südamerika Schnee. Noch heute tut er sich schwer, wenn es kalt ist, das sei nicht optimal für ihn, „aber ich habe mich damit arrangiert“. Auch auf dem Platz.

Zweimal hintereinander wird der Brasilianer bester Torschütze der Bremer A-Junioren. Er bekommt einen Profivertrag, trainiert unter Thomas Schaaf mit den Bundesliga-Spielern. Eingesetzt wird er jedoch nur bei den Amateuren. Rockenbachs Problem hat einen prominenten Namen: Diego. Sein Landsmann ist Werders Spielmacher und einer der besten Kicker der Liga. An ihm führt kein Weg vorbei.

Warum er trotzdem nie in der Bundesliga zum Zuge kam? „Ich weiß auch nicht, was gefehlt hat. Ich habe auf jeden Fall immer mein Bestes gegeben.“ 2007 entschließt er sich zum Wechsel. „Einen Verein wie Werder Bremen verlässt man nicht einfach so. Allein durch das Training mit all den Stars lernt man unheimlich viel“, sagt er. „Aber ich kam einfach nicht zum Spielen.“

Feste Größe von Beginn an

Drittligist Rot-Weiß Erfurt verpflichtet den offensiven Mittelfeldspieler. Von Beginn an ist er eine feste Größe, „obwohl die erste Zeit schon hart war, denn die Leute dachten, nur weil ich Profi bei Werder Bremen war, würde ich den Laden fast alleine schmeißen“. Doch Thiago Rockenbach da Silva hatte genau so viele Bundesliga-Einsätze auf dem Konto wie viele seiner Mitspieler: null. Womöglich ändert sich das bald. Sein Vertrag läuft aus, und einige Anfragen gibt es bereits.

„Ich habe in den vergangenen drei Jahren gezeigt, was ich kann. Ich hoffe, dass ich in der kommenden Saison höherklassig spiele“, sagt er. Und fügt an: „Am liebsten wäre mir, ich würde es mit Erfurt schaffen. Ich fühle mich sehr wohl hier, doch dazu müssten wir jetzt eine Serie starten. Dann kann noch was gehen.“

Aufstieg oder Abschied

Sein Trainer Rainer Hörgl gibt sich, was den Verbleib seines Spielmachers angeht, keinen Illusionen hin: „Ich glaube nicht, dass wir ihn halten können, wenn wir nicht aufsteigen. Er ist jetzt 25. Aus sportlichen Gründen könnte ich ihn verstehen. Aber er weiß auch, was er hier aufgeben würde: Er ist anerkannt, fühlt sich wohl. Er muss selbst abwägen, was für ihn richtig ist.“

Nach Ostern, sagt Hörgl, werde man mehr wissen. Rockenbach selbst sagt: „Ich muss meine Ziele verfolgen.“ Der Straßenfußballer von einst ist erwachsen geworden.

Zur Person: Thiago Rockenbach da Silva

Thiago Rockenbach da Silva, geboren am 1. Februar 1985, kam 2002 vom brasilianischen Klub Maricilio Dias zu Werder Bremen, wo er erst bei den Junioren und anschließend bei den Amateuren spielte. 2007 wechselte er zum FC Rot-Weiß Erfurt. Mit seiner neuen Mannschaft schaffte er ein Jahr später die Qualifikation für die 3. Liga. Die Bilanz des Brasilianers: 112 Einsätze in der Regionalliga (24 Tore), 62 in der 3. Liga (neun Tore).

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Die Straßen von Camboriú irgendwann in den 90ern. Thiago hat die Schule geschwänzt. Das tut er öfter mal. Denn da ist diese eine Liebe: der Fußball. Er dribbelt und schießt, bis es dunkel wird, und das ist im Süden Brasiliens nicht gerade früh. Die Mutter wird nicht begeistert sein, das weiß er. Dafür ist auf seinen Vater Verlass, der weiß, wie das ist, wenn einen das Spiel nicht loslässt, und er beruhigt seine Frau.

Gilmar ist Profi gewesen, hat erst für Botafogo Rio de Janeiro gespielt und dann noch ein paar Jahre in Saudi-Arabien. Ist es nicht die Straße, ist es der Strand, wo sein Sohn Thiago den Ball mit Füßen tritt, manchmal ist es auch die Futsal-Halle. „Ich habe eigentlich immer und überall gespielt, wenn es gerade ging“, sagt er im Gespräch mit DFB.de.

"Thiago ist ein wichtiger Baustein"

Das tut er auch mit 25 noch. Mittlerweile schimpft aber keiner mehr, wenn er mal wieder Fußball spielt. Auch die Mutter nicht. Denn ihr Sohn verdient sein Geld damit. Wie einst der Vater. Thiago Rockenbach da Silva ist Profi beim FC Rot-Weiß Erfurt in der 3. Liga. Neben dem Heidenheimer Cassio da Silva ist er der einzige Brasilianer in der dritthöchsten deutschen Spielklasse.

Er ist seit zweieinhalb Jahren gesetzt in der Landeshauptstadt Thüringens, hinter den Spitzen, er trägt die Nummer zehn, die Fans lieben ihn. „Er bringt uns nach vorne“, sagt Erfurts Trainer Rainer Hörgl. Das ist durchaus zweideutig zu verstehen, Mannschaft und Verein. „Thiago ist ein wichtiger Baustein meiner Mannschaft, er hat eine große Ausdauer, eine gute Technik, ist schuss- und kopfballstark und weiß, sich durchzusetzen.“

Mit 15 Probetraining beim HSV

Nicht nur auf dem Platz. Das lernt man wohl, wenn man als Teenager in ein anderes, ein fremdes Land geht, um dort Profifußballer zu werden. Und vielleicht wäre Thiago noch heute in Hamburg, wenn alles so gekommen wäre, wie einst angedacht. Mit 15 zeigte er im Probetraining, was er drauf hat. Sie wollten ihn haben beim HSV, der Brasilianer wollte bleiben, doch der Deal scheiterte: Als nicht-europäischer Spieler unter 18 Jahren durfte er noch nicht im Spielbetrieb eingesetzt werden.

Einziger möglicher Ausweg: Ahnenforschung, Pass besorgen. Denn der talentierte Junge hat, wie sein etwas ungelenk daher kommender Name Thiago Rockenbach da Silva andeutet, deutsche Vorfahren. „Mein Ururgroßvater ist vor 150 Jahren ausgewandert“, erzählt er. Doch die bürokratischen Hürden sind zu hoch. Thiago muss in Brasilien bleiben, nachdem er auch bei Benfica Lissabon sein Glück vergeblich versucht hat.

Nächste Ausfahrt Bremen. Auch hier spielt der 17-Jährige im Jahr 2002 vor, wieder gefällt er. Jugendmanager Wolf Werner hat eine gute Idee: Rockenbach da Silva kommt als Sprachschüler nach Deutschland und spielt nebenbei Fußball. Das ist erlaubt und nicht einmal falsch, denn Rockenbach da Silva macht einen Sprachkurs und noch einige weitere. Mittlerweile hört man kaum noch einen Akzent. „Man grenzt sich in einem anderen Land selbst aus, wenn man die Sprache nicht lernt“, sagt er.

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Schnee mag er immer noch nicht

Von Beginn an fühlt er sich wohl bei Werder: „Ich fand das alles spannend, was hier passiert ist.“ Neues Land, neue Kollegen, alles neu. Sein Trainer Dieter Eilts kümmert sich um ihn, die neue Sprache beherrscht er schnell. Zum ersten Mal sieht der Junge aus Südamerika Schnee. Noch heute tut er sich schwer, wenn es kalt ist, das sei nicht optimal für ihn, „aber ich habe mich damit arrangiert“. Auch auf dem Platz.

Zweimal hintereinander wird der Brasilianer bester Torschütze der Bremer A-Junioren. Er bekommt einen Profivertrag, trainiert unter Thomas Schaaf mit den Bundesliga-Spielern. Eingesetzt wird er jedoch nur bei den Amateuren. Rockenbachs Problem hat einen prominenten Namen: Diego. Sein Landsmann ist Werders Spielmacher und einer der besten Kicker der Liga. An ihm führt kein Weg vorbei.

Warum er trotzdem nie in der Bundesliga zum Zuge kam? „Ich weiß auch nicht, was gefehlt hat. Ich habe auf jeden Fall immer mein Bestes gegeben.“ 2007 entschließt er sich zum Wechsel. „Einen Verein wie Werder Bremen verlässt man nicht einfach so. Allein durch das Training mit all den Stars lernt man unheimlich viel“, sagt er. „Aber ich kam einfach nicht zum Spielen.“

Feste Größe von Beginn an

Drittligist Rot-Weiß Erfurt verpflichtet den offensiven Mittelfeldspieler. Von Beginn an ist er eine feste Größe, „obwohl die erste Zeit schon hart war, denn die Leute dachten, nur weil ich Profi bei Werder Bremen war, würde ich den Laden fast alleine schmeißen“. Doch Thiago Rockenbach da Silva hatte genau so viele Bundesliga-Einsätze auf dem Konto wie viele seiner Mitspieler: null. Womöglich ändert sich das bald. Sein Vertrag läuft aus, und einige Anfragen gibt es bereits.

„Ich habe in den vergangenen drei Jahren gezeigt, was ich kann. Ich hoffe, dass ich in der kommenden Saison höherklassig spiele“, sagt er. Und fügt an: „Am liebsten wäre mir, ich würde es mit Erfurt schaffen. Ich fühle mich sehr wohl hier, doch dazu müssten wir jetzt eine Serie starten. Dann kann noch was gehen.“

Aufstieg oder Abschied

Sein Trainer Rainer Hörgl gibt sich, was den Verbleib seines Spielmachers angeht, keinen Illusionen hin: „Ich glaube nicht, dass wir ihn halten können, wenn wir nicht aufsteigen. Er ist jetzt 25. Aus sportlichen Gründen könnte ich ihn verstehen. Aber er weiß auch, was er hier aufgeben würde: Er ist anerkannt, fühlt sich wohl. Er muss selbst abwägen, was für ihn richtig ist.“

Nach Ostern, sagt Hörgl, werde man mehr wissen. Rockenbach selbst sagt: „Ich muss meine Ziele verfolgen.“ Der Straßenfußballer von einst ist erwachsen geworden.

Zur Person: Thiago Rockenbach da Silva

Thiago Rockenbach da Silva, geboren am 1. Februar 1985, kam 2002 vom brasilianischen Klub Maricilio Dias zu Werder Bremen, wo er erst bei den Junioren und anschließend bei den Amateuren spielte. 2007 wechselte er zum FC Rot-Weiß Erfurt. Mit seiner neuen Mannschaft schaffte er ein Jahr später die Qualifikation für die 3. Liga. Die Bilanz des Brasilianers: 112 Einsätze in der Regionalliga (24 Tore), 62 in der 3. Liga (neun Tore).