René Klingbeil: Der Rocky aus dem Erzgebirge

Grätschen, Köpfen, Rennen, bis die Socken qualmen

Klingbeils Sprache ist Grätschen, Köpfen und Rennen, bis die Socken qualmen. Immer schon. Vom FC Berlin zieht es ihn als 17-Jähriger an den Niederrhein, zu Borussia Mönchengladbach. Er wohnt mit Sebastian Deisler, Jens Truckenbrod und Dexter Langen im berühmten Fohlenstall, macht sein Abitur und sich rasch einen Namen. Weil er vorangeht und nie aufgibt. Er debütiert in der U 18-Nationalmannschaft, wird Kapitän der Gladbacher A-Junioren. Erste Freundin, erster Profivertrag - es läuft.

Den Sprung in den Bundesliga-Kader schafft er indes nur im Training. Gespielt wird bei den Amateuren in der Oberliga, trainiert erst von Norbert Meier, dann von Holger Fach. Drei Jahre lang versucht er, sich für die erste Mannschaft zu empfehlen, doch irgendwann wird das Ziel zur Sackgasse. „Dann war es einfach Zeit für eine Luftveränderung. Meine Lehrzeit war zu Ende“, sagt Klingbeil.

Beförderung dank Thomas Doll

Thomas Doll holt ihn 2003 nach Hamburg, wieder zur zweiten Mannschaft. Wieder hinten anstellen. Klingbeil krempelt die Ärmel hoch, wie er das immer gemacht hat. „Ich habe mich hochgearbeitet, und ich hatte auch Glück“, sagt er. Mit Glück meint er die Beförderung Dolls zum HSV-Cheftrainer knapp ein Jahr später, denn der befördert auch seinen Schützling. Endlich im Profikader, „besser konnte es nicht laufen.“

Zweieinhalb Jahre hält Klingbeil für den HSV in der Bundesliga die Knochen hin, im UEFA-Cup und sogar zweimal in der Champions League gegen den FC Porto. „Diese Erinnerung nimmt mir keiner mehr. Es war einfach eine wunderbare Zeit mit all den Reisen und interessanten Menschen“, sagt er.

Einen Stammplatz hat er nur im ersten Jahr bei den Profis, dann stehen immer wieder andere vor ihm: Juan Pablo Sorin, Thimothée Atouba, Collin Benjamin, Guy Demel, Mehdi Mahdavikia. Als Huub Stevens 2007 nach Hamburg kommt, ist Klingbeils Zeit an der Alster vorbei. „So ist das eben im Fußball“, sagt er.

"Ich hing in der Luft"



[bild1]

Es gibt Lieder, die im Kopf Bilder entstehen lassen, so wie „No easy way out“ von Robert Tepper. Vermutlich würde kaum noch einer den Song kennen, wenn er nicht die Hymne zum Film Rocky IV gewesen wäre. Rocky Balboa, wie er sich durch den sibirischen Schnee kämpft, einen Baumstamm auf den Schultern, und dazu Tepper mit Liedzeilen wie: „Es gibt keinen einfachen Ausweg.“ Und: „Manche Dinge sind es wert, dafür zu kämpfen.“

René Klingbeil hört dieses Lied einmal in der Woche. Vor jedem Spiel mit Erzgebirge Aue. Es bringt ihn in Stimmung, sagt er. Der unermüdliche Kampf des scheinbar unterlegenen Boxers Rocky wirkt wie eine Schablone seiner eigenen Karriere. „Ich bin willensstark, einer, der sich reinhängt“, sagt Klingbeil im Gespräch mit DFB.de. Fußballerisch mögen einige besser sein, aber in Sachen Einsatz macht ihm so schnell keiner etwas vor.

"Ein Kämpfer, kein Lautsprecher"

Auch in Aue nicht, Klingbeils vierter Station als Profi. „René ist ein Kämpfer, kein Lautsprecher und genießt in der Mannschaft einen hohen Stellenwert. Ich schätze ihn sehr - als Spieler und als Menschen“, sagt Aues Trainer Rico Schmitt.

Im zweiten Jahr spielt der 28-jährige Klingbeil im Erzgebirge in der 3. Liga - und erstmals um den Aufstieg. Nach dem 2:0 im Nachholspiel gegen die SpVgg Unterhaching sind es nach zwei Dritteln der Saison auf den FC Ingolstadt auf Platz drei nur noch drei Punkte Rückstand. „Die Konstellation ist interessant“, sagt Außenverteidiger Klingbeil und meint das nicht so distanziert, wie es klingt.

Über den Aufstieg sollen andere reden

Ob man in der Mannschaft schon vom Aufstieg redet? „Zwei, drei Worte verliert man mal“, sagt er nur. „Es kann alles ganz schnell gehen. Die 40-Punkte-Marke haben wir nach dem Sieg gegen Haching immerhin schon geknackt.“ 40 Punkte? „Ja, das heißt, dass wir nicht mehr nach unten schauen müssen.“

Dann sagt er immerhin noch: „Wer ist schon abgeneigt aufzusteigen? Unser Kader hat durchaus Qualität, um in der zweiten Liga bestehen zu können. Wenn es denn so weit kommt.“ Dann ist Schluss mit Aufstiegsgerede. Das sollen andere machen.

Grätschen, Köpfen, Rennen, bis die Socken qualmen

Klingbeils Sprache ist Grätschen, Köpfen und Rennen, bis die Socken qualmen. Immer schon. Vom FC Berlin zieht es ihn als 17-Jähriger an den Niederrhein, zu Borussia Mönchengladbach. Er wohnt mit Sebastian Deisler, Jens Truckenbrod und Dexter Langen im berühmten Fohlenstall, macht sein Abitur und sich rasch einen Namen. Weil er vorangeht und nie aufgibt. Er debütiert in der U 18-Nationalmannschaft, wird Kapitän der Gladbacher A-Junioren. Erste Freundin, erster Profivertrag - es läuft.

Den Sprung in den Bundesliga-Kader schafft er indes nur im Training. Gespielt wird bei den Amateuren in der Oberliga, trainiert erst von Norbert Meier, dann von Holger Fach. Drei Jahre lang versucht er, sich für die erste Mannschaft zu empfehlen, doch irgendwann wird das Ziel zur Sackgasse. „Dann war es einfach Zeit für eine Luftveränderung. Meine Lehrzeit war zu Ende“, sagt Klingbeil.

Beförderung dank Thomas Doll

Thomas Doll holt ihn 2003 nach Hamburg, wieder zur zweiten Mannschaft. Wieder hinten anstellen. Klingbeil krempelt die Ärmel hoch, wie er das immer gemacht hat. „Ich habe mich hochgearbeitet, und ich hatte auch Glück“, sagt er. Mit Glück meint er die Beförderung Dolls zum HSV-Cheftrainer knapp ein Jahr später, denn der befördert auch seinen Schützling. Endlich im Profikader, „besser konnte es nicht laufen.“

Zweieinhalb Jahre hält Klingbeil für den HSV in der Bundesliga die Knochen hin, im UEFA-Cup und sogar zweimal in der Champions League gegen den FC Porto. „Diese Erinnerung nimmt mir keiner mehr. Es war einfach eine wunderbare Zeit mit all den Reisen und interessanten Menschen“, sagt er.

Einen Stammplatz hat er nur im ersten Jahr bei den Profis, dann stehen immer wieder andere vor ihm: Juan Pablo Sorin, Thimothée Atouba, Collin Benjamin, Guy Demel, Mehdi Mahdavikia. Als Huub Stevens 2007 nach Hamburg kommt, ist Klingbeils Zeit an der Alster vorbei. „So ist das eben im Fußball“, sagt er.

[bild2]

"Ich hing in der Luft"

Ein Wechsel zum 1. FC Kaiserslautern zerschlägt sich in letzter Minute, weil der Klub den Trainer Wolfgang Wolf gegen den Trainer Kjetil Rekdal tauscht und der nicht mehr an dem Außenverteidiger interessiert ist. Er kennt ihn nicht.

Und Klingbeil, der vor nicht allzu langer Zeit noch mit dem HSV auf internationaler Mission gewesen ist, steht plötzlich auf der Straße. Rund einen Monat lang. „Ich hing in der Luft. Überall fingen die Saisonvorbereitungen an, und ich saß zu Hause und wartete. Das war keine schöne Zeit“, sagt er. Bis sich Viking Stavanger meldet, ein Erstligist aus Norwegen.

Fußball als Familienausflug

„Vielleicht hätte ich noch warten sollen, ehe ich einen Vertrag unterschreibe. Aber ich war den Leerlauf so leid“, sagt er. Stavanger ist nicht gerade das, was er sich unter fußballerischer Weiterbildung vorgestellt hat. Aber es ist eine Aufgabe. „Es ist schon komisch: Nach Lautern konnte ich nicht gehen, weil ein Norweger mich nicht wollte, und dann gehe ich ausgerechnet nach Norwegen“, sagt er.

Dort muss er sich umstellen: Fußballspiele sind keine Demonstrationen von Leidenschaft, sondern meist Familienausflüge: „Wenn wir heute mit Aue in Sandhausen vor 2000 Leuten spielen, ist es dort lauter als in Stavanger vor 17.000.“

Stein, Schere, Papier zur Seitenwahl

Die Seitenwahl wird nicht durch Münzwurf, sondern durch das beliebte Spiel „Stein, Schere, Papier“ - auch bekannt als „schnick, schnack, schnuck“ - entschieden. Das sei dort Teil der Folklore, wie Klingbeil sagt: „Es gibt einfach nicht so viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Das ist ein Grund dafür, warum sie dieses Spiel so lieben. Nicht nur zur Seitenwahl, auch außerhalb des Platzes. Und der Verlierer musste Kaffee holen.“

Sportlich stellt sich rasch Erfolg ein. Klingbeil wird mit Stavanger Dritter, erreicht die UEFA-Cup-Qualifikation. Heimisch wird er in Norwegen gleichwohl nicht: „Ich habe mit meiner Frau auf einem Fjord in einer Holzhütte gewohnt. Das wäre sicher schön für den Urlaub gewesen, aber für ein Jahr ist das echt lang.“ Als gebürtiger Berliner kommt er in der skandinavischen Einsamkeit nicht zurecht.

Zudem macht er sich Sorgen um seine Karriere: „In Norwegen ist man halt nicht im Fokus der deutschen Vereine. Und ich wollte schon wieder dahin.“ Als man ihm in Stavanger einen Zweijahresvertrag anbietet, lehnt er ab. Und packt die Koffer.

"Ich wollte neu durchstarten"

Aue ruft - und damit die neue 3. Liga. „Der Verein wird solide geführt und hat sich sehr um mich bemüht“, sagt Klingbeil, wie Profis das halt öfter mal tun. In die alte Regionalliga wäre er nicht so gerne gewechselt, doch die neue dritte Spielklasse bietet für ihn interessante Möglichkeiten: „Ich wollte neu durchstarten, in der 3. Liga gibt es viele gute Mannschaften. Das Ausland ist für mich abgehakt, auch wenn die Erfahrung wertvoll für mich war.“

Im Erzgebirge ist der 28-Jährige angekommen, nach dem Abenteuer Norwegen ist die 17.000-Einwohnerstadt Aue für ihn „Weltklasse“. Ab und an zieht es ihn, seine Frau und seine drei Monate alte Tochter trotzdem nach wie vor in die Großstadt, nach Hamburg, wo die Klingbeils ein Haus haben.

Für Aue hat er im September letzten Jahres sein erstes (und bislang einziges) Tor als Profi geschossen. Er ist Stammspieler und Leistungsträger und hat seinen Vertrag gerade bis 2012 verlängert. „Ich will über kurz oder lang in die 2. Bundesliga“, sagt Klingbeil. „Am liebsten mit Aue. Dafür tue ich alles.“ Manche Dinge sind es wert, dafür zu kämpfen.