Markus Schupp: "Aufstieg wäre ein Quantensprung"

DFB.de: Wer oder was hat Sie in Ihrer Zeit im Profifußball am stärksten geprägt?

Schupp: Ich habe überall meine positiven und negativen Erfahrungen gemacht. Sei es als junger Kerl, in Kaiserslautern mit einer No-Name-Mannschaft Meister zu werden, oder bei Bayern unter dem Trainer Franz Beckenbauer zu spielen. Oder in Wattenscheid mehr Verantwortung zu übernehmen. Oder unter Felix Magath zu arbeiten und zu erfahren, was der Körper alles verträgt. (lacht) Oder die unglaublich schöne Zeit bei Sturm Graz, als wir zweimal Meister wurden, den Pokal gewannen und drei Jahre in der Champions League gespielt haben. Oder einen Trainer wie Ivica Osim kennenzulernen, der fachlich und menschlich einfach klasse war. Oder Assistent von Huub Stevens beim HSV zu sein - auch eine überragende Zeit.

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Das Derby elektrisiert die Ostalb. FC Heidenheim gegen VfR Aalen, beste Heimmannschaft der 3. Liga gegen bestes Auswärtsteam, der ambitionierte Emporkömmling gegen die Überraschungsmannschaft der Saison. Die Aalener kommen am Samstag (ab 13.30 Uhr, live beim SWR) mit der Empfehlung von acht Siegen in Folge in die Voith-Arena, die mit 10.000 Zuschauern ausverkauft ist.

Auch für Markus Schupp ist es eine traumhafte Saison. Der 351-malige Bundesligaspieler, der mit Bayern München und dem 1. FC Kaiserslautern Deutscher Meister wurde, ist beim VfR in seinem ersten Jahr als Sportdirektor tätig. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Jochen Breideband spricht der 46-jährige Schupp über das Aalener Erfolgsrezept, strukturelle Defizite und prägende Erfahrungen aus der Vergangenheit.

DFB.de: Herr Schupp, der VfR Aalen will nicht vom Aufstieg reden. Nach einem Sieg in Heidenheim wäre das kaum noch zu vermeiden, oder?

Markus Schupp: Ich halte nichts von so weiten Ausblicken. Fans und Medien dürfen gerne Rechnungen anstellen, wir aber benötigen alle Konzentration für das Derby.

DFB.de: Ist Heidenheim zurzeit der dickste Brocken, den Ihre Mannschaft vorgesetzt bekommen kann?

Schupp: Das kann ich nach dem Spiel sagen. Heidenheim hat auf jeden Fall eine sehr gut funktionierende Mannschaft. Wenn man sie spielen lässt, zeigt sie sehr guten Fußball und erzielt auch die entsprechenden Tore.

DFB.de: Vor der Winterpause zeigten Sie sich zuversichtlich, mit Aalen die Liga spannend halten zu können. Jetzt ist die Konkurrenz bemüht, die Liga spannend zu halten. Was ist Aalens Erfolgsrezept?

Schupp: Die Homogenität in der Mannschaft. Wir haben einen ausgeprägten Teamgeist, eine sehr starke Kameradschaft, was heutzutage nicht mehr so häufig vorkommt. Viele Spieler treffen sich in ihrer Freizeit, auf dem Platz gibt es keine Schuldzuweisungen. Es herrscht sehr viel Respekt. Wir haben mit Ralph Hasenhüttl einen Trainer, der sehr auf den Umgang achtet.

DFB.de: Gibt es noch andere Gründe?

Schupp: Die Stimmung im Stadion ist deutlich besser geworden, bedingt natürlich durch den Erfolg, aber auch durch die neue, kleine Tribüne hinter dem Tor. In fünf Heimspielen haben wir sieben von zehn Treffern in diese Richtung erzielt. Vorher haben wir dort auf luftleeren Raum gespielt. Da gab es keinen Funken, der überspringen konnte. Mit der Tribüne ist das möglich.

DFB.de: Wie sehr ist der Verein vom aktuellen Erfolg überrascht?

Schupp: Damit konnte keiner rechnen. Wir sind ein kleiner Verein. Nach dem Klassenverbleib in der vergangenen Saison haben wir versucht, die Mannschaft so zu verstärken, dass wir nicht wieder gegen den Abstieg kämpfen. Wir sind ja nicht der FC Bayern, für den das Saisonziel verfehlt ist, wenn er nicht Meister wird.

DFB.de: Was muss sich in Aalen bewegen?

Schupp: Im Nachwuchsbereich fehlt es an allen Ecken und Enden, vor allem an der Infrastruktur. Zurzeit haben wir keinen richtigen Unterbau. Die U 23 spielt in der Verbandsliga, der Sprung in die 3. Liga ist sehr groß. Wir wollen ein Ausbildungskonzept mit qualifizierten Trainern aufbauen und umsetzen. Ohne Hilfe von Stadt und Land ist das nicht zu bewältigen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Stadt noch mehr zum VfR bekennt. Durch den Fußball kann die Stadt Aalen auch überregional präsenter werden. Es gibt keine bessere Werbeplattform als den Fußball.

DFB.de: Was liegt denn genau im Argen?

Schupp: Wir haben keine Plätze. Wir haben das Stadion und noch einen Platz, der von unserem Hauptsponsor und der Stadt gebaut wurde. Dort trainieren die erste Mannschaft sowie ab und zu die U 23 und die U 19. Ansonsten gibt es zwei städtische Plätze und zwei Vereine in der direkten Umgebung, mit denen wir ein gutes Verhältnis haben und deren Plätze wir mitnutzen dürfen. Die Trainingszeiten müssen wir uns alle teilen. Ich weiß, dass es nicht so einfach ist für die Stadt. Es gibt ja nicht nur den VfR. Doch Heidenheim zum Beispiel hat uns deswegen strukturell überholt. Dort stehen die Stadtväter ganz stark hinter dem Verein.

DFB.de: Wie gewaltig wäre der Sprung in die 2. Bundesliga?

Schupp: Der Aufstieg wäre eine Sensation und ein Quantensprung. Sträuben würde sich keiner, gegen Teams wie St. Pauli, Dresden oder 1860 München zu spielen. Wir beschäftigen uns auch mit dem Thema, wir müssen uns ja um die Lizenz für die 2. Bundesliga und 3. Liga kümmern.

DFB.de: Sie waren Spieler und Trainer. Aalen ist ihre erste Station als Sportdirektor. Eine große Umstellung?

Schupp: Für mich persönlich nicht. Ich habe mir vorher viele Gedanken gemacht. Ich will nicht sagen, dass die Umstellung einfach war, aber sie war kein Problem. Ich kenne die Verantwortlichen und den Trainer in Aalen schon seit einigen Jahren, das hat die Sache erleichtert. Das Interessante an der Aufgabe als Sportdirektor ist, etwas zu entwickeln, gerade bei einem kleineren Verein. Ziehen wir mal den Vergleich zu Bayer Leverkusen: Dort sind die Bedingungen top, alles ist hervorragend organisiert, man bewegt sich in einem vorgegebenen Rahmen. In Aalen kann ich die Rahmenbedingungen mit meinen Erfahrungen und Ideen mitgestalten.

DFB.de: Trainer oder Sportdirektor - was gefällt Ihnen besser?

Schupp: Mir macht die Aufgabe als Sportdirektor sehr viel Spaß. Ich vermisse die tägliche Arbeit auf dem Platz nicht.

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DFB.de: Sie waren bei Bayern und dem HSV, sind mit Kaiserslautern Deutscher Meister geworden, haben Champions League gespielt. Wie sehr sind Sie verwöhnt?

Schupp: Für mich war das kein Problem. Bei dem, was man tut, ist aus meiner Sicht wichtig, dass man es von der Pike auf lernt. Ich habe als Trainer meine Lizenzen gemacht, dann bei Sturm Graz die U 19 trainiert und die Nachwuchsakademie aufgebaut. Bei Wacker Burghausen in der 2. Bundesliga habe ich anschließend keine leichten Bedingungen vorgefunden, so wie jetzt in Aalen. Aber dabei lernt man unheimlich viel. Ich habe ohnehin nicht die Einstellung: "Ich habe mal bei Bayern gespielt, darum muss ich dort als Trainer anfangen."

DFB.de: Wer oder was hat Sie in Ihrer Zeit im Profifußball am stärksten geprägt?

Schupp: Ich habe überall meine positiven und negativen Erfahrungen gemacht. Sei es als junger Kerl, in Kaiserslautern mit einer No-Name-Mannschaft Meister zu werden, oder bei Bayern unter dem Trainer Franz Beckenbauer zu spielen. Oder in Wattenscheid mehr Verantwortung zu übernehmen. Oder unter Felix Magath zu arbeiten und zu erfahren, was der Körper alles verträgt. (lacht) Oder die unglaublich schöne Zeit bei Sturm Graz, als wir zweimal Meister wurden, den Pokal gewannen und drei Jahre in der Champions League gespielt haben. Oder einen Trainer wie Ivica Osim kennenzulernen, der fachlich und menschlich einfach klasse war. Oder Assistent von Huub Stevens beim HSV zu sein - auch eine überragende Zeit.