Karsten Heine: "Ein Sachsen-Derby hat schon was"

DFB.de: Sie trauen Berlin also vielleicht sogar die Europa League zu?

Heine: So weit möchte ich nicht gehen. Sicherlich wird man auch den einen oder anderen Rückschlag wegstecken müssen. Wenn es die Hertha schafft, sich über die gesamte Saison von den Abstiegsplätzen fernzuhalten, kann man vielleicht den nächsten Schritt gehen.

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Nach misslungenem Saisonstart erklärte Gerd Schädlich Anfang Oktober überraschend seinen Rücktritt als Trainer des Chemnitzer FC. Als Nachfolger wurde Karsten Heine bestimmt. Sein Vertrag als Trainer der zweiten Mannschaft von Hertha BSC Berlin war im Sommer ausgelaufen. Nun unterschrieb der 58-Jährige beim Drittligisten in Chemnitz einen Kontrakt bis 2015. Seine gewissenhafte Arbeitsweise, aber auch seine Erfahrungen in der Nachwuchsarbeit haben den Vereinsvorsitzenden Dr. Mathias Hänel überzeugt.

Im exklusiven DFB.de-Interview spricht Karsten Heine mit dem Journalisten Oliver Jensen über den schwachen Saisonstart des CFC, das bevorstehende Derby gegen Rasenballsport Leipzig (Samstag ab 14 Uhr, live im MDR) und über seine Vergangenheit bei Hertha BSC Berlin.

DFB.de: Herr Heine, die Menschen in Chemnitz träumten vom Aufstieg und erleben nun stattdessen eher Abstiegskampf. Haben Sie bereits die Ursachen für den verpatzten Saisonstart ergründen können?

Karsten Heine: Die Mannschaft ist nach einigen Jahren, in denen es steil nach oben ging, in eine Phase der Stagnation geraten. Der Start hat nicht geklappt wie gewünscht. Dafür gibt es natürlich mehrere Gründe, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte. Im Umfeld macht sich Enttäuschung breit. Das wirkt sich bei einigen Spielern auf die Leistung aus. So eine Phase haben die meisten noch nie zuvor erlebt. Nun ist es wichtig, schnellstmöglich wieder in die Spur zu kommen, um zumindest im gesicherten Mittelfeld zu landen.

DFB.de: Sie spüren bei Ihren Spielern also eine gewisse Unsicherheit?

Heine: Natürlich haben die letzten Ergebnisse nicht gerade für Selbstvertrauen gesorgt. Wie gesagt: Das gesamte Umfeld war auf einen anderen Saisonverlauf eingestellt. Aber all das ist Vergangenheit. Für mich zählt nur die Zeit, seitdem ich hier meinen Dienst angetreten habe. Die Mannschaft arbeitet hervorragend, und ich bin davon überzeugt, dass wir uns dort unten wieder herausspielen werden.

DFB.de: Sie sprachen das Umfeld an. Befürchten Sie, dass die Fans jetzt nach drei Niederlagen in Folge unruhig werden könnten?

Heine: Bei einem Teil der Fans ist die Unzufriedenheit groß. Das ist auch völlig verständlich. Schließlich sind die Fans davon ausgegangen, die Mannschaft würde um den Aufstieg spielen. Wir müssen auf dem Platz zeigen, dass die Truppe gewillt ist, sich dort unten wieder herauszuspielen. Dann werden die Zuschauer wieder an uns glauben. Aber natürlich brauchen wir auch dazu die Unterstützung des Publikums.

DFB.de: Ihr Stürmer Anton Fink hat in der vergangenen Saison 20 Tore erzielt. Nun traf er in 13 Spielen erst viermal. Wie abhängig ist Ihre Mannschaft von seiner Treffsicherheit?

Heine: Es ist ohnehin problematisch, wenn eine Mannschaft von einem Spieler abhängig ist. Tore schießen wird schließlich niemandem verboten. Wenn es beim Toni jetzt nicht so läuft, müssen andere für ihn einspringen. Ich kann nur sagen, dass er im Training sehr hart arbeitet und wir natürlich hoffen, dass auch er bald wieder das eine oder andere Tor macht.

DFB.de: Bei Ihrem Debüt gegen Wacker Burghausen gab es ein 0:1. Welche Erkenntnisse haben Sie dort gewonnen?

Heine: Wir sind mutig aufgetreten und haben das Spiel in den ersten Minuten bestimmt. Leider haben wir uns dann durch gewisse Umstände aus dem Spiel bringen lassen. Das zeigt die Instabilität der Mannschaft. Wir haben zu viele Standards produziert, die Burghausen stark gemacht haben. In der zweiten Halbzeit spielten wir gut, haben 30 Minuten hinten nichts zugelassen. Nur leider haben wir vorne kein Tor erzielt und sind in einen Konter gelaufen.

DFB.de: Am Samstag ist nun der Tabellenzweite RB Leipzig zu Gast.

Heine: Ich kenne RB Leipzig aus der Regionalliga gut. Ich habe immer gerne gegen diese Mannschaft gespielt. Sie spielen einen tollen Fußball. Für mich ist es keineswegs überraschend, dass sie dort oben stehen. Man kann dieser Mannschaft nur gratulieren. Zumal sie ohne große Neuzugänge in die Saison gegangen sind. Wir sind natürlich der große Außenseiter. Das ist in unserer Situation sicherlich kein Nachteil.

DFB.de: RB Leipzig hat einen hohen Etat und optimale Trainingsbedingungen. Kann man da als Trainer des Chemnitzer FC neidisch werden?

Heine: Nein. Man muss einfach respektieren, dass Leipzig besondere Möglichkeiten hat und das Beste daraus macht. Sie haben nicht nur eine tolle Mannschaft, sie investieren auch viel in den Nachwuchs und stellen nun ein tolles Nachwuchsleistungszentrum hin.

DFB.de: Liegt in der Tatsache, dass es sich beim Spiel gegen Leipzig um ein Sachsen-Derby handelt, eine besondere Brisanz?

Heine: Eine gewisse Brisanz ist natürlich vorhanden. So lange das im Rahmen bleibt, also nicht zu Ausschreitungen führt, ist diese Rivalität sehr positiv. So ein Sachsen-Derby hat schon was. Ich hoffe, dass unsere Fans uns unterstützen und sich weniger mit RB Leipzig befassen.

DFB.de: Demnächst wird der Stadionumbau in Chemnitz beginnen. Zur Saisoneröffnung 2015 / 2016 sollen die Umbaumaßnahmen für bis zu 25 Millionen Euro abgeschlossen sein. Ihr Vertrag läuft bis Sommer 2015. Wird bis dahin der Aufstieg in die 2. Bundesliga erwartet?

Heine: Das ist der Wunsch. Es gäbe nichts Schöneres, als das Stadion mit einem Zweitligaspiel einzuweihen. Aber das liegt noch in weiter Ferne. Wir müssen wie gesagt nun erst einmal punkten, damit wir uns ins Mittelfeld absetzen können.

DFB.de: Sprechen wir abschließend noch einmal über Ihre letzte Trainerstation: Sie haben insgesamt rund 20 Jahre bei Hertha BSC gearbeitet, sind in dieser Zeit Amateur-, Co- und Interimstrainer der Profis gewesen. Waren Sie enttäuscht, als Ihr Vertrag im Sommer nicht verlängert wurde?

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Heine: Enttäuscht war ich nur, dass ich zu spät darüber informiert wurde. Mir wurde die Entscheidung erst im Mai mitgeteilt. Wenn man so lange bei einem Verein gearbeitet und seinen Job ordentlich gemacht hat, ist das etwas enttäuschend. Aber mittlerweile ist das Thema ausgeräumt. Und die Entscheidung des Vereins, jüngere Trainer nachzuziehen, ist ohnehin zu respektieren.

DFB.de: In der Bundesliga sorgt die Hertha als Aufsteiger für ordentlich Furore. Was trauen Sie Ihrem ehemaligen Verein zu?

Heine: Ich traue Jos Luhukay, vor dem ich als Trainer und Mensch Höchstachtung habe, alles zu. Ich drücke der Mannschaft die Daumen, dass sie vielleicht sogar bis zum Saisonende für Furore sorgt.

DFB.de: Sie trauen Berlin also vielleicht sogar die Europa League zu?

Heine: So weit möchte ich nicht gehen. Sicherlich wird man auch den einen oder anderen Rückschlag wegstecken müssen. Wenn es die Hertha schafft, sich über die gesamte Saison von den Abstiegsplätzen fernzuhalten, kann man vielleicht den nächsten Schritt gehen.