Jubilarin Hussein: "Auf die '100' hingefiebert"

100 Einsätze in der höchsten deutschen Spielklasse im Frauenfußball – diese bemerkenswerte Marke hat FIFA-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein mit der Spielleitung bei der Partie VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln (4:0) erreicht. Die Unparteiische absolvierte in Wolfsburg nicht nur ein Jubiläumsspiel, sondern eröffnete auch den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga mit dem ersten Geisterspiel. Im DFB.de-Interview spricht sie über das in doppelter Hinsicht bedeutsame Spiel.

DFB.de: Frau Hussein, am Freitag haben Sie Ihr 100. Spiel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga absolviert. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Ihnen diese Marke?

Dr. Riem Hussein: Auf die "100" habe ich ehrlich gesagt schon hingefiebert. Als ich zu Anfang der Saison festgestellt habe, dass mir tatsächlich nur noch wenige Spiele fehlten, wollte ich die Hundertermarke in dieser Saison knacken. (lacht) Ich freue mich sehr, dass ich schon so lange in dieser Spielklasse dabei sein darf. Das macht mich unglaublich stolz und entsprechend habe ich mich auch auf dieses 100. Spiel gefreut. Auch aufgrund der Umstände, dass es das erste Geisterspiel in der Frauen-Bundesliga war, war es ein ganz besonderes Spiel.

DFB.de: Können Sie sich denn noch an den 12. November 2006 zurückerinnern?

Hussein: Das war das Spiel Hamburger SV gegen den SC 07 Bad Neuenahr, richtig?

DFB.de: Richtig, es war Ihr Schiedsrichterinnen-Debüt in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga.

Hussein: Ich kann mich noch erinnern. Ich habe mich sehr über die Ansetzung gefreut, da die Wolfgang-Meyer-Sportanlage ein bekanntes Pflaster für mich war. Ich habe zu meiner aktiven Zeit als Spielerin auch gegen den Hamburger SV gespielt. Das Spiel ist super gelaufen. Ich hatte zwei Assistentinnen dabei, die ich schon lange kannte. Es ging 1:0 für Bad Neuenahr aus. Das war ein sehr, sehr rundes Spiel – zugleich war es natürlich eines aufregendes, weil es für mich die erste Spielleitung in der Frauen-Bundesliga war.

DFB.de: Sie haben es gerade angesprochen: Vor Ihrer steilen Schiedsrichterinnenkarriere spielten sie selbst in der 2. Frauen-Bundesliga. Dann entschieden Sie sich jedoch gegen das Fußballspielen und für das Pfeifen. Warum?

Hussein: Das war ein Prozess. Ich habe mit 20 Jahren – und damit eigentlich recht spät – meinen Schiedsrichterschein gemacht. Ich habe das Fußballspielen und Pfeifen zunächst parallel laufen lassen. Beim Pfeifen kam mir jedoch die Flexibilität sehr entgegen. Für meine Tätigkeit als Schiedsrichterin habe ich von Verbandsseite immer eine große Wertschätzung empfunden. Die Förderung war schon damals sehr gut. Es hat sich für mich eine tolle Perspektive geboten, den Sprung als Spielerin in die Frauen-Bundesliga hätte ich vermutlich trotz der Möglichkeit nach Wolfsburg zu wechseln nicht geschafft. Als Schiedsrichterin hatte ich plötzlich die Aussicht, in dieser Spielklasse Partien leiten zu dürfen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich mir noch gar nicht ausgemalt, dass ich mal bei einer Frauen-EM oder gar -WM auf dem Platz stehen könnte. Mit dem Pfeifen konnte ich im Leistungssport den nächsten Schritt gehen. Das hat mich sehr gereizt.

DFB.de: Sind sie heute mit ihren verbuchten 100 Einsätzen in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga froh, sich für das Pfeifen entschieden zu haben?

Hussein: Definitiv! Ich durfte durch das Pfeifen so viel erleben – in der FLYERALARM Frauen- Bundesliga, aber auch abseits davon: die Aufnahme auf die FIFA-Liste, die Teilnahme an der Frauen-WM und -EM, die Spielleitungen in der 3. Liga. Das sind alles Momente, die ich ansonsten nur von der Zuschauertribüne erlebt hätte. Ich wäre nie ein aktiver Teil davon gewesen. Das macht mich sehr stolz.

DFB.de: Was macht Riem Hussein heute nach 100. Spielleitungen anders als noch damals am 12. November 2006?

Hussein: Ich weiß nicht, ob ich noch so fit bin, wie damals. (lacht) Ich bin sicherlich routinierter, denn gewisse Spielsituationen habe ich bereits erlebt. Heute mache ich mir einen Zopf, damals hatte ich noch kurze Haare. (lacht) Die Übergänge sind so fließend. Aus Fehlern lernt man. Das kann ich bestätigen, denn Fehler habe auch ich gemacht. Ich versuche, mir immer wieder vor Augen zu führen, wie ich mit bestimmten Szenen umgegangen bin, aus Fehlern zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

DFB.de: Wir möchten natürlich auch einen Blick auf Ihr Jubiläumsspiel richten: Ihre Spielleitung bei der Partie VfL Wolfsburg gegen den 1.FC Köln war in zweierlei Hinsicht besonders: Es war Ihr 100. Spiel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und ebenfalls das erste Geisterspiel nach dem Restart. Wie haben Sie das Geisterspiel erlebt?

Hussein: Die Vorfreude war sehr groß und es macht einen sehr stolz, dass wir hier in Deutschland im Fußball so vorangehen. Mein Eindruck ist, dass die Abwicklung des Spiels am Freitag und die Umsetzung des Hygienekonzepts, super professionell und strukturiert lief. Da bin ich wirklich beeindruckt. Alle Beteiligten haben sich in ihren unterschiedlichen Funktionen nach meinem Empfinden absolut vorbildlich verhalten. So pünktlich habe ich selten angepfiffen. Jede wusste, wann sie wo zu sein hat und was zu tun ist. Alle Beteiligten haben die Situation sehr ernst genommen. Das war wirklich toll anzusehen.

DFB.de: Inwieweit hat sich Ihre letzte Spielleitung von einer Spielleitung vor der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie unterschieden?

Hussein: Alle Beteiligten wirkten auf mich sehr diszipliniert und jede war sich ihrer Verantwortung bewusst. Die ganze Welt schaut auf den Fußball in Deutschland. Eine Veränderung für uns Schiedsrichterinnen ist beispielsweise, dass der Schiedsrichterbeobachter nicht mehr vor Ort im Stadion ist. In der spielerischen Qualität konnte ich keinen Unterschied feststellen. Mein Eindruck war: Man kam ein stückweit zurück zu den Wurzeln, in dem man sich auf das besinnt, worum es geht: Fußball. Für uns Unparteiische geht es einfach darum, Spielsituationen zu erkennen und zu bewerten – mit oder ohne Zuschauer. Auch wenn die Zuschauer natürlich fehlen, weil auch sie ein wichtiger Teil des Ganzen sind. Auf dem Platz habe ich gemerkt, dass alle sehr froh waren, wieder Fußballspielen zu dürfen. Das haben sie auch mit einer sehr positiven Attitüde gezeigt. Das war ein sehr gelungener Auftakt.

DFB.de: Wie groß war Ihre Motivation das erste Geisterspiel überhaupt leiten zu dürfen?

Hussein: Letztendlich motiviert mich immer das Spiel selbst. Dass es um drei Punkte geht, das motiviert mich. Ich brauche kein Zuschaueraufkommen, um mich zu motivieren. Das Spiel und meine Leistung sind wichtig. Ich habe vor dem Spiel auch nochmal mit meinen Assistentinnen gesprochen, dass wir trotz dieser besonderen Umstände auf keinen Fall den Fokus von dem Spiel selbst abrücken dürfen. Es geht hier immer noch um Fußball. Wir waren sehr motiviert und gleichzeitig ein stückweit demütig. Wir haben so ein großes Privileg, auf dem Platz stehen zu dürfen. Ich bin froh und stolz, dass ich beim Restart dabei sein durfte.

DFB.de: Eine abschließende Frage, Frau Hussein. Sie sind zweifache Schiedsrichterin des Jahres und seit 2009 FIFA-Schiedsrichterin, haben sowohl an einer Frauen-WM als auch -EM teilgenommen. Welche Ziele verfolgen Sie noch?

Hussein: Ein Wunsch wäre es, einmal bei den Olympischen Spielen pfeifen zu dürfen. Außerdem möchte ich mich auf jeden Fall noch für die nächste Frauen-EM und -WM empfehlen. Am Ende des Tages bin ich jedoch froh um jedes weitere Spiel, dass ich pfeifen darf! Ich weiß, dass es jederzeit von heute auf morgen gesundheitlich oder verletzungsbedingt vorbei sein kann. Deswegen freue ich mich auf jeden Einsatz!

[sal]

100 Einsätze in der höchsten deutschen Spielklasse im Frauenfußball – diese bemerkenswerte Marke hat FIFA-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein mit der Spielleitung bei der Partie VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln (4:0) erreicht. Die Unparteiische absolvierte in Wolfsburg nicht nur ein Jubiläumsspiel, sondern eröffnete auch den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga mit dem ersten Geisterspiel. Im DFB.de-Interview spricht sie über das in doppelter Hinsicht bedeutsame Spiel.

DFB.de: Frau Hussein, am Freitag haben Sie Ihr 100. Spiel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga absolviert. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Ihnen diese Marke?

Dr. Riem Hussein: Auf die "100" habe ich ehrlich gesagt schon hingefiebert. Als ich zu Anfang der Saison festgestellt habe, dass mir tatsächlich nur noch wenige Spiele fehlten, wollte ich die Hundertermarke in dieser Saison knacken. (lacht) Ich freue mich sehr, dass ich schon so lange in dieser Spielklasse dabei sein darf. Das macht mich unglaublich stolz und entsprechend habe ich mich auch auf dieses 100. Spiel gefreut. Auch aufgrund der Umstände, dass es das erste Geisterspiel in der Frauen-Bundesliga war, war es ein ganz besonderes Spiel.

DFB.de: Können Sie sich denn noch an den 12. November 2006 zurückerinnern?

Hussein: Das war das Spiel Hamburger SV gegen den SC 07 Bad Neuenahr, richtig?

DFB.de: Richtig, es war Ihr Schiedsrichterinnen-Debüt in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga.

Hussein: Ich kann mich noch erinnern. Ich habe mich sehr über die Ansetzung gefreut, da die Wolfgang-Meyer-Sportanlage ein bekanntes Pflaster für mich war. Ich habe zu meiner aktiven Zeit als Spielerin auch gegen den Hamburger SV gespielt. Das Spiel ist super gelaufen. Ich hatte zwei Assistentinnen dabei, die ich schon lange kannte. Es ging 1:0 für Bad Neuenahr aus. Das war ein sehr, sehr rundes Spiel – zugleich war es natürlich eines aufregendes, weil es für mich die erste Spielleitung in der Frauen-Bundesliga war.

DFB.de: Sie haben es gerade angesprochen: Vor Ihrer steilen Schiedsrichterinnenkarriere spielten sie selbst in der 2. Frauen-Bundesliga. Dann entschieden Sie sich jedoch gegen das Fußballspielen und für das Pfeifen. Warum?

Hussein: Das war ein Prozess. Ich habe mit 20 Jahren – und damit eigentlich recht spät – meinen Schiedsrichterschein gemacht. Ich habe das Fußballspielen und Pfeifen zunächst parallel laufen lassen. Beim Pfeifen kam mir jedoch die Flexibilität sehr entgegen. Für meine Tätigkeit als Schiedsrichterin habe ich von Verbandsseite immer eine große Wertschätzung empfunden. Die Förderung war schon damals sehr gut. Es hat sich für mich eine tolle Perspektive geboten, den Sprung als Spielerin in die Frauen-Bundesliga hätte ich vermutlich trotz der Möglichkeit nach Wolfsburg zu wechseln nicht geschafft. Als Schiedsrichterin hatte ich plötzlich die Aussicht, in dieser Spielklasse Partien leiten zu dürfen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich mir noch gar nicht ausgemalt, dass ich mal bei einer Frauen-EM oder gar -WM auf dem Platz stehen könnte. Mit dem Pfeifen konnte ich im Leistungssport den nächsten Schritt gehen. Das hat mich sehr gereizt.

DFB.de: Sind sie heute mit ihren verbuchten 100 Einsätzen in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga froh, sich für das Pfeifen entschieden zu haben?

Hussein: Definitiv! Ich durfte durch das Pfeifen so viel erleben – in der FLYERALARM Frauen- Bundesliga, aber auch abseits davon: die Aufnahme auf die FIFA-Liste, die Teilnahme an der Frauen-WM und -EM, die Spielleitungen in der 3. Liga. Das sind alles Momente, die ich ansonsten nur von der Zuschauertribüne erlebt hätte. Ich wäre nie ein aktiver Teil davon gewesen. Das macht mich sehr stolz.

DFB.de: Was macht Riem Hussein heute nach 100. Spielleitungen anders als noch damals am 12. November 2006?

Hussein: Ich weiß nicht, ob ich noch so fit bin, wie damals. (lacht) Ich bin sicherlich routinierter, denn gewisse Spielsituationen habe ich bereits erlebt. Heute mache ich mir einen Zopf, damals hatte ich noch kurze Haare. (lacht) Die Übergänge sind so fließend. Aus Fehlern lernt man. Das kann ich bestätigen, denn Fehler habe auch ich gemacht. Ich versuche, mir immer wieder vor Augen zu führen, wie ich mit bestimmten Szenen umgegangen bin, aus Fehlern zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

DFB.de: Wir möchten natürlich auch einen Blick auf Ihr Jubiläumsspiel richten: Ihre Spielleitung bei der Partie VfL Wolfsburg gegen den 1.FC Köln war in zweierlei Hinsicht besonders: Es war Ihr 100. Spiel in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga und ebenfalls das erste Geisterspiel nach dem Restart. Wie haben Sie das Geisterspiel erlebt?

Hussein: Die Vorfreude war sehr groß und es macht einen sehr stolz, dass wir hier in Deutschland im Fußball so vorangehen. Mein Eindruck ist, dass die Abwicklung des Spiels am Freitag und die Umsetzung des Hygienekonzepts, super professionell und strukturiert lief. Da bin ich wirklich beeindruckt. Alle Beteiligten haben sich in ihren unterschiedlichen Funktionen nach meinem Empfinden absolut vorbildlich verhalten. So pünktlich habe ich selten angepfiffen. Jede wusste, wann sie wo zu sein hat und was zu tun ist. Alle Beteiligten haben die Situation sehr ernst genommen. Das war wirklich toll anzusehen.

DFB.de: Inwieweit hat sich Ihre letzte Spielleitung von einer Spielleitung vor der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie unterschieden?

Hussein: Alle Beteiligten wirkten auf mich sehr diszipliniert und jede war sich ihrer Verantwortung bewusst. Die ganze Welt schaut auf den Fußball in Deutschland. Eine Veränderung für uns Schiedsrichterinnen ist beispielsweise, dass der Schiedsrichterbeobachter nicht mehr vor Ort im Stadion ist. In der spielerischen Qualität konnte ich keinen Unterschied feststellen. Mein Eindruck war: Man kam ein stückweit zurück zu den Wurzeln, in dem man sich auf das besinnt, worum es geht: Fußball. Für uns Unparteiische geht es einfach darum, Spielsituationen zu erkennen und zu bewerten – mit oder ohne Zuschauer. Auch wenn die Zuschauer natürlich fehlen, weil auch sie ein wichtiger Teil des Ganzen sind. Auf dem Platz habe ich gemerkt, dass alle sehr froh waren, wieder Fußballspielen zu dürfen. Das haben sie auch mit einer sehr positiven Attitüde gezeigt. Das war ein sehr gelungener Auftakt.

DFB.de: Wie groß war Ihre Motivation das erste Geisterspiel überhaupt leiten zu dürfen?

Hussein: Letztendlich motiviert mich immer das Spiel selbst. Dass es um drei Punkte geht, das motiviert mich. Ich brauche kein Zuschaueraufkommen, um mich zu motivieren. Das Spiel und meine Leistung sind wichtig. Ich habe vor dem Spiel auch nochmal mit meinen Assistentinnen gesprochen, dass wir trotz dieser besonderen Umstände auf keinen Fall den Fokus von dem Spiel selbst abrücken dürfen. Es geht hier immer noch um Fußball. Wir waren sehr motiviert und gleichzeitig ein stückweit demütig. Wir haben so ein großes Privileg, auf dem Platz stehen zu dürfen. Ich bin froh und stolz, dass ich beim Restart dabei sein durfte.

DFB.de: Eine abschließende Frage, Frau Hussein. Sie sind zweifache Schiedsrichterin des Jahres und seit 2009 FIFA-Schiedsrichterin, haben sowohl an einer Frauen-WM als auch -EM teilgenommen. Welche Ziele verfolgen Sie noch?

Hussein: Ein Wunsch wäre es, einmal bei den Olympischen Spielen pfeifen zu dürfen. Außerdem möchte ich mich auf jeden Fall noch für die nächste Frauen-EM und -WM empfehlen. Am Ende des Tages bin ich jedoch froh um jedes weitere Spiel, dass ich pfeifen darf! Ich weiß, dass es jederzeit von heute auf morgen gesundheitlich oder verletzungsbedingt vorbei sein kann. Deswegen freue ich mich auf jeden Einsatz!

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