"In der 3. Liga arbeiten alle auf Vollprofiniveau"

Neun von zehn Spielen am 25. Spieltag der 3. Liga endeten mit einem Tor Unterschied. Es ist ein Beleg für die Ausgeglichenheit der Spielklasse und die Spannung, die dort herrscht - wieder einmal.

Aber nicht nur in diesen Punkten stellen Holger Sanwald, Geschäftsführer des 1. FC Heidenheim 1846, und Christian Seiffert, Mitglied des Spielausschusses beim SV Wehen Wiesbaden, der 3. Liga ein gutes Zeugnis aus. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Niels Barnhofer und Tim Noller reden die beiden Funktionäre über Leistungsdichte, Entwicklung und Möglichkeiten der 3. Liga.

DFB.de: Herr Seiffert, der SV Wehen Wiesbaden hat von 2007 bis 2009 in der 2. Bundesliga gespielt. Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund dieser Erfahrung die 3. Liga ein?

Christian Seiffert: Von den organisatorischen Anforderungen ist die 3. Liga fast mit der 2. Bundesliga gleichzusetzen. In sportlicher Hinsicht macht die Ligazugehörigkeit natürlich einen Unterschied. Aber das fußballerische Niveau in der 3. Liga ist hoch, es gibt eine große Leistungsdichte - auch wenn es Ausreißer nach oben und unten gibt.

DFB.de: Herr Sanwald, der 1. FC Heidenheim 1846 spielt im fünften Jahr in der 3. Liga. Welches Bild haben Sie in dieser Zeit von der Spielklasse gewonnen?

Holger Sanwald: Für uns war diese Zeit ein Entwicklungsprozess. Als wir aufgestiegen sind, waren wir in vielen Bereichen strukturell noch amateurhaft aufgestellt. Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, diese Strukturen aufzubauen, da wir nur ein Jahr in der Regionalliga gespielt haben. Deshalb haben wir versucht, uns zu professionalisieren, und sehen jetzt das Ergebnis in unserem sportlichen Erfolg, worüber wir sehr froh sind. Unsere aktuelle Situation ist das Produkt von viel Arbeit und konsequentem Handeln. Die Liga nehme ich als immer professioneller war, eine Entwicklung ist zu erkennen. Damit kann man zufrieden sein.

DFB.de: Sehen Sie auch eine positive Entwicklung in Bezug auf den Sport?

Sanwald: Ganz bestimmt sogar. Wenn ich das mit der Anfangszeit vergleiche, hat sich das Niveau erheblich verbessert. Auch die Lücke zur 2. Bundesliga ist kleiner geworden. Wir arbeiten alle auf Vollprofi-Niveau, was man auch an den Aufsteigern sieht, die in der 2. Bundesliga mithalten können.

DFB.de: Bedeutet das andererseits, dass der Abstand zu den Regionalligen größer geworden ist?

Sanwald: Die Schere geht in meiner Wahrnehmung ein bisschen auseinander. Die zweiten Mannschaften der Bundesligisten, die aus Profistrukturen kommen, spielen auf einem hohen sportlichen Niveau. Andererseits sehen wir viele Traditionsvereine, die sich schwertun mitzuhalten. Beim SSV Ulm beispielsweise ist die Erwartungshaltung im Umfeld aufgrund der Historie sehr hoch, obwohl ihnen die Möglichkeiten fehlen. Deshalb sehe ich die Regionalligen nicht als homogenes Gebilde.

DFB.de: Herr Seiffert, Sie kamen der Regionalliga 2012 gefährlich nahe. Wie schlimm wäre ein Abstieg gewesen?

Seiffert: Schon alleine aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Regionalliga ein erheblicher Schritt nach unten. Das Thema Fernsehgeld spielt eine Rolle, aber auch die Vermarktungspotenziale sind bei weitem nicht mehr so gegeben wie in der 3. Liga. Darüber hinaus müssten wir in Wiesbaden auch mit einem deutlichen Einschnitt bei den Zuschauerzahlen rechnen. Neben den sportlichen Rahmenbedingungen ist der wirtschaftliche Aspekt ein ganz gravierender, der eine große Lücke zwischen der 3. Liga und den Regionalligen aufklaffen lässt.

Sanwald: Mir stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob wir die zweiten Mannschaften in den Ligen überhaupt brauchen. Sicherlich sind sie sportlich sehr gut, aber für die Attraktivität sind sie Gift. Warum sollten Talente, die aus den Nachwuchsleistungszentren kommen, nicht beispielsweise in Offenbach, Ulm oder Heidenheim spielen?

DFB.de: Kommen wir zur Aktualität: 18 Punkte Vorsprung bei noch 13 ausstehenden Spielen auf den vierten Platz. Ist der Aufstieg schon fest gebucht, Herr Sanwald?

Sanwald: Logischerweise nicht. Mit unserer Punktzahl ist noch keine Mannschaft in der Drittligahistorie aufgestiegen. Natürlich sind wir in der komfortablen Lage, dass wir nicht mehr von den anderen Teams abhängig sind. Wir wissen: Wenn wir am Wochenende punkten, sind wir weiterhin Erster. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir es schaffen werden. Die Hände in den Schoß legen, das werden wir aber sicherlich nicht. Da kann ich alle beruhigen. Die vergangenen Spielzeiten lehren uns, dass wir konzentriert bleiben müssen.

DFB.de: Wer steigt auf?

Sanwald: Viele Mannschaften haben das Zeug zum Aufstieg. Dazu gehört Wiesbaden, aber auch Leipzig, Rostock, Darmstadt, Osnabrück und Erfurt. Selbst die Kickers haben noch Chancen. Das Rennen ist völlig offen, auch Überraschungen sind möglich. Bis zum 10. Mai werden wir in der 3. Liga noch viel Spannung erleben.

DFB.de: Herr Seiffert, haben Sie die Aufstiegsplätze auch noch im Blick?

Seiffert: Ein mittel- bis langfristiges Ziel ist das schon. Es wird aber darauf ankommen, wie stabil, wie konstant man ist. Denn die Leistungsdichte im ersten Tabellendrittel ist sehr groß. Und unsere Mannschaft befindet sich immer noch im Umbruch.

DFB.de: Wen zählen Sie zum Favoritenkreis um den Aufstieg?

Seiffert: Da muss man die Mannschaften auf den ersten acht Plätzen nennen. Heidenheim kann sich durch den Vorsprung mehr Ausrutscher leisten. Dennoch stehen noch viele Spieltage an, und man sieht deutlich, dass man mit zwei Siegen in Folge große Sprünge in der Tabelle machen kann.

DFB.de: Worauf wird es im Aufstiegsrennen ankommen?

Seiffert: Konstanz und Beständigkeit sind der Schlüssel zum Erfolg. In einem homogenen Konkurrentenfeld ist es einfach wichtig, dass man regelmäßig punktet und vor allem Siege einfährt. 18 Unentschieden, wie in der Vorsaison, sind in Zeiten der Drei-Punkte-Regel eine extreme Bürde.

DFB.de: Inwieweit spielen Finanzen eine Rolle?

Seiffert: Der finanzielle Aspekt ist mit Sicherheit nicht unwichtig. Aber es gibt auch andere Beispiele wie Unterhaching, die mit weniger Potenzial oder auch mit Jugendspielern sportlich große Erfolge feiern können. Eine gewisse Basis an finanzieller Ausstattung ist dennoch nötig. Die haben die Teams aus dem ersten Tabellendrittel.

Sanwald: Zum jetzigen Zeitpunkt spielen die Finanzen keine Rolle mehr, da seit dem 31. Januar keine Transfers mehr getätigt werden können. Aber nehmen Sie Bayern München: Die Mannschaft spielt nicht nur so einen guten Fußball, weil sie ein so tolles sportliches Konzept haben, sondern auch, weil sie das größte Budget haben. Am Ende jedoch entscheiden viele Dinge: Nerven, Schiedsrichter, das Quäntchen Glück, Wille, Ruhe.

DFB.de: Gibt es als Verbindungsglied zwischen den Vereinen strukturelle Merkmale, die sich Ihrer Meinung nach durchsetzen werden?

Sanwald: Es ist interessant zu beobachten, dass es ganz unterschiedliche Vereine sind, die es schaffen, eine gute Rolle zu spielen. Wir haben das Sondermodell in Leipzig, das Jugendkonzept in Unterhaching, aber auch Vereine, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben - oder Traditionsvereine, die von oben kommen. Ein Erfolgsmodell kann ich nicht erkennen. Wir sind froh, dass wir in Heidenheim unseren Weg gefunden haben, mit vielen Spielern aus der Region und einer großen Heimatverbundenheit.

DFB.de: Gibt es dennoch eine Schnittmenge zwischen diesen unterschiedlichen Modellen?

Sanwald: Vernünftige Leute, die kontinuierlich ihre Arbeit machen und sich entwickeln können, sind für erfolgreiche Arbeit unverzichtbar. Von 13 Zugängen in der Winterpause halte ich wenig. Kontinuität ist ein entscheidender Faktor, nicht nur in der 3. Liga.

Seiffert: Wir messen der Nachhaltigkeit große Bedeutung bei. Wir greifen zwar jede Saison wieder neu an. Trotzdem versuchen wir, aus den vergangenen Spielzeiten zu lernen, um uns zu verbessern und uns weiterzuentwickeln.

DFB.de: Wie wichtig ist die Nachwuchsarbeit in Ihrem Verein?

Seiffert: Wir wollen unsere Jugendspieler an die erste und zweite Mannschaft heranführen und freuen uns über jeden Spieler, der den Sprung schafft. Diese Spieler bringen eine hohe Identifikation mit. Das Umfeld und die Region zu kennen und sich wohlzufühlen, ist ein großer Pluspunkt. Deshalb haben wir relativ viel Geld in den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums gesteckt. Die Jugendförderung ist ein wesentlicher Faktor unserer Arbeit.

DFB.de: Wie sehen Sie die Konkurrenz zu den Bundesligisten im Bereich der Nachwuchsarbeit?

Seiffert: Wir haben mit Frankfurt und Mainz die Konkurrenz direkt vor der Nase und haben es entsprechend schwer. Dennoch versuchen wir, auch in der Jugendarbeit Kontinuität an den Tag zu legen. Wir spielen mit den C-Junioren in der Regionalliga und wollen mit den A- und B-Junioren den Sprung in die Bundesliga schaffen. Es bleibt schon noch ein Pool an Spielern übrig. Nicht jeder, der es bei einem Erstligisten nicht schafft, ist automatisch ein schlechter Kicker.

Sanwald: Wir hatten es in der Jugendarbeit durch unseren Standort traditionell sehr schwer. Mit Stuttgart, Karlsruhe, Nürnberg, Fürth, Hoffenheim, Augsburg, Freiburg und München sind namhafte Vereine in unserer Umgebung. Deshalb verlassen uns viele Talente schon im C-Juniorenbereich. Dennoch sehe ich die Situation entspannt, denn wir profitieren natürlich auch von der professionellen Ausbildung, die die Jugendspieler in den umliegenden Vereinen genießen. Auch Marc Schnatterer wechselte zunächst nach Karlsruhe, wurde dort aber als zu leicht befunden und fand den Weg schließlich doch noch zu uns. Damit wollen wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir investieren über eine Million Euro in ein neues Nachwuchsleistungszentrum und sind gerade mitten im Zertifizierungsprozess.

DFB.de: Stichwort Marc Schnatterer: Wie schwer ist es, Spitzenspieler in der 3. Liga zu halten?

Sanwald: Einerseits schwer, anderseits auch wieder nicht. Marc hat die Zeit beim KSC nicht vergessen. Er braucht ein familiäres und professionelles Umfeld, in dem er sich entfalten kann. Deshalb prüft er die Angebote, die natürlich da sind, schon sehr genau. Er weiß, was er an uns hat, mit der Wertschätzung und der Perspektive des Vereins.

DFB.de: Für wie attraktiv erachten Sie die 3. Liga - für Vereine, Spieler und Fans?

Sanwald: Sie wird oft schlechter geredet, als sie ist. Natürlich streben viele Vereine die 2. Bundesliga an, weil die Einnahmen aus den TV-Geldern deutlich höher sind. Trotzdem ist es möglich, in der 3. Liga mit einem guten Konzept, einem guten Standort und einer kontinuierlichen Vereinspolitik gut zu überleben und sich auch zu konsolidieren, wenn man aus der 2. Bundesliga absteigt.

DFB.de: Wie könnte man die 3. Liga noch attraktiver gestalten?

Seiffert: Momentan haben wir mit dem TV-Sendeplatz in der ARD eine sehr gute Plattform. Nichtsdestotrotz ist die Präsenz noch ausbaufähig, so dass man auch andere Medien wie das Internetfernsehen andenken könnte. Auch Veränderungen der Spieltage sind denkbar. Mehr Flutlichtspiele am Freitagabend würden die Attraktivität für die Zuschauer sicherlich erhöhen. Ansonsten sind wir mit dem DFB in Sachen Vermarktung auf einem guten Weg. Ich sehe eine positive Entwicklung.

Sanwald: Ich würde mir wünschen, dass sich der DFB noch stärker gegenüber der DFL positioniert und sich die Rolle der 3. Liga als Ausbildungsliga auch stärker in der Verteilung der Fernsehgelder widerspiegelt. Wenn ich nur an Thomas Müller denke, der WM-Torschützenkönig wurde und aus der 3. Liga kam, sollte der Solidargedanke schon etwas ausgeprägter sein. Mehr Ausgewogenheit zwischen den Ligen würde ich sehr begrüßen.

DFB.de: Schlussfrage: Lässt es sich in der 3. Liga aushalten?

Sanwald: Auf jeden Fall. Uns macht es viel Freude, das Geschäftsmodell funktioniert definitiv. Wir haben eine Aufmerksamkeit wie noch nie. Länger bleiben möchten wir natürlich trotzdem nicht. (lacht)

Seiffert: Auch wenn die Anforderungen in der Liga immens hoch sind, sehe ich uns auf dem richtigen Weg. Es gilt, neue Potenziale zu suchen und umzusetzen, da wir noch am Anfang einer Reise stehen.

[nb/tn]

Neun von zehn Spielen am 25. Spieltag der 3. Liga endeten mit einem Tor Unterschied. Es ist ein Beleg für die Ausgeglichenheit der Spielklasse und die Spannung, die dort herrscht - wieder einmal.

Aber nicht nur in diesen Punkten stellen Holger Sanwald, Geschäftsführer des 1. FC Heidenheim 1846, und Christian Seiffert, Mitglied des Spielausschusses beim SV Wehen Wiesbaden, der 3. Liga ein gutes Zeugnis aus. Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Niels Barnhofer und Tim Noller reden die beiden Funktionäre über Leistungsdichte, Entwicklung und Möglichkeiten der 3. Liga.

DFB.de: Herr Seiffert, der SV Wehen Wiesbaden hat von 2007 bis 2009 in der 2. Bundesliga gespielt. Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund dieser Erfahrung die 3. Liga ein?

Christian Seiffert: Von den organisatorischen Anforderungen ist die 3. Liga fast mit der 2. Bundesliga gleichzusetzen. In sportlicher Hinsicht macht die Ligazugehörigkeit natürlich einen Unterschied. Aber das fußballerische Niveau in der 3. Liga ist hoch, es gibt eine große Leistungsdichte - auch wenn es Ausreißer nach oben und unten gibt.

DFB.de: Herr Sanwald, der 1. FC Heidenheim 1846 spielt im fünften Jahr in der 3. Liga. Welches Bild haben Sie in dieser Zeit von der Spielklasse gewonnen?

Holger Sanwald: Für uns war diese Zeit ein Entwicklungsprozess. Als wir aufgestiegen sind, waren wir in vielen Bereichen strukturell noch amateurhaft aufgestellt. Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, diese Strukturen aufzubauen, da wir nur ein Jahr in der Regionalliga gespielt haben. Deshalb haben wir versucht, uns zu professionalisieren, und sehen jetzt das Ergebnis in unserem sportlichen Erfolg, worüber wir sehr froh sind. Unsere aktuelle Situation ist das Produkt von viel Arbeit und konsequentem Handeln. Die Liga nehme ich als immer professioneller war, eine Entwicklung ist zu erkennen. Damit kann man zufrieden sein.

DFB.de: Sehen Sie auch eine positive Entwicklung in Bezug auf den Sport?

Sanwald: Ganz bestimmt sogar. Wenn ich das mit der Anfangszeit vergleiche, hat sich das Niveau erheblich verbessert. Auch die Lücke zur 2. Bundesliga ist kleiner geworden. Wir arbeiten alle auf Vollprofi-Niveau, was man auch an den Aufsteigern sieht, die in der 2. Bundesliga mithalten können.

DFB.de: Bedeutet das andererseits, dass der Abstand zu den Regionalligen größer geworden ist?

Sanwald: Die Schere geht in meiner Wahrnehmung ein bisschen auseinander. Die zweiten Mannschaften der Bundesligisten, die aus Profistrukturen kommen, spielen auf einem hohen sportlichen Niveau. Andererseits sehen wir viele Traditionsvereine, die sich schwertun mitzuhalten. Beim SSV Ulm beispielsweise ist die Erwartungshaltung im Umfeld aufgrund der Historie sehr hoch, obwohl ihnen die Möglichkeiten fehlen. Deshalb sehe ich die Regionalligen nicht als homogenes Gebilde.

DFB.de: Herr Seiffert, Sie kamen der Regionalliga 2012 gefährlich nahe. Wie schlimm wäre ein Abstieg gewesen?

Seiffert: Schon alleine aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Regionalliga ein erheblicher Schritt nach unten. Das Thema Fernsehgeld spielt eine Rolle, aber auch die Vermarktungspotenziale sind bei weitem nicht mehr so gegeben wie in der 3. Liga. Darüber hinaus müssten wir in Wiesbaden auch mit einem deutlichen Einschnitt bei den Zuschauerzahlen rechnen. Neben den sportlichen Rahmenbedingungen ist der wirtschaftliche Aspekt ein ganz gravierender, der eine große Lücke zwischen der 3. Liga und den Regionalligen aufklaffen lässt.

Sanwald: Mir stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob wir die zweiten Mannschaften in den Ligen überhaupt brauchen. Sicherlich sind sie sportlich sehr gut, aber für die Attraktivität sind sie Gift. Warum sollten Talente, die aus den Nachwuchsleistungszentren kommen, nicht beispielsweise in Offenbach, Ulm oder Heidenheim spielen?

DFB.de: Kommen wir zur Aktualität: 18 Punkte Vorsprung bei noch 13 ausstehenden Spielen auf den vierten Platz. Ist der Aufstieg schon fest gebucht, Herr Sanwald?

Sanwald: Logischerweise nicht. Mit unserer Punktzahl ist noch keine Mannschaft in der Drittligahistorie aufgestiegen. Natürlich sind wir in der komfortablen Lage, dass wir nicht mehr von den anderen Teams abhängig sind. Wir wissen: Wenn wir am Wochenende punkten, sind wir weiterhin Erster. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir es schaffen werden. Die Hände in den Schoß legen, das werden wir aber sicherlich nicht. Da kann ich alle beruhigen. Die vergangenen Spielzeiten lehren uns, dass wir konzentriert bleiben müssen.

DFB.de: Wer steigt auf?

Sanwald: Viele Mannschaften haben das Zeug zum Aufstieg. Dazu gehört Wiesbaden, aber auch Leipzig, Rostock, Darmstadt, Osnabrück und Erfurt. Selbst die Kickers haben noch Chancen. Das Rennen ist völlig offen, auch Überraschungen sind möglich. Bis zum 10. Mai werden wir in der 3. Liga noch viel Spannung erleben.

DFB.de: Herr Seiffert, haben Sie die Aufstiegsplätze auch noch im Blick?

Seiffert: Ein mittel- bis langfristiges Ziel ist das schon. Es wird aber darauf ankommen, wie stabil, wie konstant man ist. Denn die Leistungsdichte im ersten Tabellendrittel ist sehr groß. Und unsere Mannschaft befindet sich immer noch im Umbruch.

DFB.de: Wen zählen Sie zum Favoritenkreis um den Aufstieg?

Seiffert: Da muss man die Mannschaften auf den ersten acht Plätzen nennen. Heidenheim kann sich durch den Vorsprung mehr Ausrutscher leisten. Dennoch stehen noch viele Spieltage an, und man sieht deutlich, dass man mit zwei Siegen in Folge große Sprünge in der Tabelle machen kann.

DFB.de: Worauf wird es im Aufstiegsrennen ankommen?

Seiffert: Konstanz und Beständigkeit sind der Schlüssel zum Erfolg. In einem homogenen Konkurrentenfeld ist es einfach wichtig, dass man regelmäßig punktet und vor allem Siege einfährt. 18 Unentschieden, wie in der Vorsaison, sind in Zeiten der Drei-Punkte-Regel eine extreme Bürde.

DFB.de: Inwieweit spielen Finanzen eine Rolle?

Seiffert: Der finanzielle Aspekt ist mit Sicherheit nicht unwichtig. Aber es gibt auch andere Beispiele wie Unterhaching, die mit weniger Potenzial oder auch mit Jugendspielern sportlich große Erfolge feiern können. Eine gewisse Basis an finanzieller Ausstattung ist dennoch nötig. Die haben die Teams aus dem ersten Tabellendrittel.

Sanwald: Zum jetzigen Zeitpunkt spielen die Finanzen keine Rolle mehr, da seit dem 31. Januar keine Transfers mehr getätigt werden können. Aber nehmen Sie Bayern München: Die Mannschaft spielt nicht nur so einen guten Fußball, weil sie ein so tolles sportliches Konzept haben, sondern auch, weil sie das größte Budget haben. Am Ende jedoch entscheiden viele Dinge: Nerven, Schiedsrichter, das Quäntchen Glück, Wille, Ruhe.

DFB.de: Gibt es als Verbindungsglied zwischen den Vereinen strukturelle Merkmale, die sich Ihrer Meinung nach durchsetzen werden?

Sanwald: Es ist interessant zu beobachten, dass es ganz unterschiedliche Vereine sind, die es schaffen, eine gute Rolle zu spielen. Wir haben das Sondermodell in Leipzig, das Jugendkonzept in Unterhaching, aber auch Vereine, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben - oder Traditionsvereine, die von oben kommen. Ein Erfolgsmodell kann ich nicht erkennen. Wir sind froh, dass wir in Heidenheim unseren Weg gefunden haben, mit vielen Spielern aus der Region und einer großen Heimatverbundenheit.

DFB.de: Gibt es dennoch eine Schnittmenge zwischen diesen unterschiedlichen Modellen?

Sanwald: Vernünftige Leute, die kontinuierlich ihre Arbeit machen und sich entwickeln können, sind für erfolgreiche Arbeit unverzichtbar. Von 13 Zugängen in der Winterpause halte ich wenig. Kontinuität ist ein entscheidender Faktor, nicht nur in der 3. Liga.

Seiffert: Wir messen der Nachhaltigkeit große Bedeutung bei. Wir greifen zwar jede Saison wieder neu an. Trotzdem versuchen wir, aus den vergangenen Spielzeiten zu lernen, um uns zu verbessern und uns weiterzuentwickeln.

DFB.de: Wie wichtig ist die Nachwuchsarbeit in Ihrem Verein?

Seiffert: Wir wollen unsere Jugendspieler an die erste und zweite Mannschaft heranführen und freuen uns über jeden Spieler, der den Sprung schafft. Diese Spieler bringen eine hohe Identifikation mit. Das Umfeld und die Region zu kennen und sich wohlzufühlen, ist ein großer Pluspunkt. Deshalb haben wir relativ viel Geld in den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums gesteckt. Die Jugendförderung ist ein wesentlicher Faktor unserer Arbeit.

DFB.de: Wie sehen Sie die Konkurrenz zu den Bundesligisten im Bereich der Nachwuchsarbeit?

Seiffert: Wir haben mit Frankfurt und Mainz die Konkurrenz direkt vor der Nase und haben es entsprechend schwer. Dennoch versuchen wir, auch in der Jugendarbeit Kontinuität an den Tag zu legen. Wir spielen mit den C-Junioren in der Regionalliga und wollen mit den A- und B-Junioren den Sprung in die Bundesliga schaffen. Es bleibt schon noch ein Pool an Spielern übrig. Nicht jeder, der es bei einem Erstligisten nicht schafft, ist automatisch ein schlechter Kicker.

Sanwald: Wir hatten es in der Jugendarbeit durch unseren Standort traditionell sehr schwer. Mit Stuttgart, Karlsruhe, Nürnberg, Fürth, Hoffenheim, Augsburg, Freiburg und München sind namhafte Vereine in unserer Umgebung. Deshalb verlassen uns viele Talente schon im C-Juniorenbereich. Dennoch sehe ich die Situation entspannt, denn wir profitieren natürlich auch von der professionellen Ausbildung, die die Jugendspieler in den umliegenden Vereinen genießen. Auch Marc Schnatterer wechselte zunächst nach Karlsruhe, wurde dort aber als zu leicht befunden und fand den Weg schließlich doch noch zu uns. Damit wollen wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir investieren über eine Million Euro in ein neues Nachwuchsleistungszentrum und sind gerade mitten im Zertifizierungsprozess.

DFB.de: Stichwort Marc Schnatterer: Wie schwer ist es, Spitzenspieler in der 3. Liga zu halten?

Sanwald: Einerseits schwer, anderseits auch wieder nicht. Marc hat die Zeit beim KSC nicht vergessen. Er braucht ein familiäres und professionelles Umfeld, in dem er sich entfalten kann. Deshalb prüft er die Angebote, die natürlich da sind, schon sehr genau. Er weiß, was er an uns hat, mit der Wertschätzung und der Perspektive des Vereins.

DFB.de: Für wie attraktiv erachten Sie die 3. Liga - für Vereine, Spieler und Fans?

Sanwald: Sie wird oft schlechter geredet, als sie ist. Natürlich streben viele Vereine die 2. Bundesliga an, weil die Einnahmen aus den TV-Geldern deutlich höher sind. Trotzdem ist es möglich, in der 3. Liga mit einem guten Konzept, einem guten Standort und einer kontinuierlichen Vereinspolitik gut zu überleben und sich auch zu konsolidieren, wenn man aus der 2. Bundesliga absteigt.

DFB.de: Wie könnte man die 3. Liga noch attraktiver gestalten?

Seiffert: Momentan haben wir mit dem TV-Sendeplatz in der ARD eine sehr gute Plattform. Nichtsdestotrotz ist die Präsenz noch ausbaufähig, so dass man auch andere Medien wie das Internetfernsehen andenken könnte. Auch Veränderungen der Spieltage sind denkbar. Mehr Flutlichtspiele am Freitagabend würden die Attraktivität für die Zuschauer sicherlich erhöhen. Ansonsten sind wir mit dem DFB in Sachen Vermarktung auf einem guten Weg. Ich sehe eine positive Entwicklung.

Sanwald: Ich würde mir wünschen, dass sich der DFB noch stärker gegenüber der DFL positioniert und sich die Rolle der 3. Liga als Ausbildungsliga auch stärker in der Verteilung der Fernsehgelder widerspiegelt. Wenn ich nur an Thomas Müller denke, der WM-Torschützenkönig wurde und aus der 3. Liga kam, sollte der Solidargedanke schon etwas ausgeprägter sein. Mehr Ausgewogenheit zwischen den Ligen würde ich sehr begrüßen.

DFB.de: Schlussfrage: Lässt es sich in der 3. Liga aushalten?

Sanwald: Auf jeden Fall. Uns macht es viel Freude, das Geschäftsmodell funktioniert definitiv. Wir haben eine Aufmerksamkeit wie noch nie. Länger bleiben möchten wir natürlich trotzdem nicht. (lacht)

Seiffert: Auch wenn die Anforderungen in der Liga immens hoch sind, sehe ich uns auf dem richtigen Weg. Es gilt, neue Potenziale zu suchen und umzusetzen, da wir noch am Anfang einer Reise stehen.