Herzensangelegenheit: Daniel Engelbrechts langer Weg zurück

Die 3. Liga ist voll von besonderen Spielern. DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Daniel Engelbrecht von den Stuttgarter Kickers. Er träumt nach seinem Herzstillstand und mit Defibrillator in der Brust weiter von einem Comeback.

Es sind Momente, die sich eingebrannt haben. Momente, die Daniel Engelbrecht nicht mehr loslassen. Momente der Angst, schreckliche Momente. Die Beine zitterten. Schwindel kam über ihn, ein Gefühl der Übelkeit. Er hörte nichts mehr, keine Stimmen der Mitspieler, keine Geräusche im Stadion. „Ich wusste nicht, wo ich bin“, sagt Engelbrecht. Bewusstlos brach der Stürmer der Stuttgarter Kickers zusammen. Es war der 21. Juli 2013, ein Spiel in Erfurt.

Sieben Monate später. Gegenwart. Daniel Engelbrecht, 23 Jahre alt, hofft darauf, irgendwann wieder professionell Fußball spielen zu können. Zwischen damals und heute liegen eine diagnostizierte Herzmuskelentzündung, Herzrythmusstörungen, Panikattacken und eine Operation, in der ihm ein Defibrillator eingesetzt wurde. Daniel Engelbrecht hat viel mitgemacht. „Ich dachte, ich sterbe“, sagt er im Gespräch mit DFB.de.

„Ich bin immer noch überzeugt, dass ich die Rückkehr schaffe“

Engelbrecht kann mittlerweile offen über seine Erlebnisse sprechen, er will offen sprechen. Gestern hat die psychologische Behandlung begonnen, die ihm sein behandelnder Arzt empfohlen hat. Es ist eine Angsttherapie, eine Aufarbeitung der Grenzerfahrungen, mit denen der junge Mann in kürzester Zeit konfrontiert wurde. Die Rückkehr auf den Fußballplatz, viele hätten sie in seiner Lage abgeschrieben. Engelbrecht nicht. Er kämpft, und er hat seinen Mut behalten. „Aufzugeben, würde ich mir nicht verzeihen“, sagt er: „Ich bin immer noch überzeugt, dass ich es schaffe.“

Dieser Tag vor sieben Monaten, dieser 21. Juli 2013, hatte angefangen wie so viele Tage im Fußballerleben des Daniel E. Der Stürmer strotzte vor Energie und Tatendrang. Drei Tage zuvor hatte er seinen neuen Vertrag bei den Stuttgarter Kickers unterschrieben. Schon in der Saison zuvor war er vom VfL Bochum an den Drittligisten ausgeliehen worden, nun hatten ihn die Kickers fest verpflichtet. „Ich habe mich in der Form meines Lebens gefühlt“, erzählt Engelbrecht.

Der Zusammenbruch in der 70. Minute traf ihn aus heiterem Himmel. Doch der erste Schock legte sich relativ schnell. Es war heiß, 40 Grad. Offenbar, so die Schlussfolgerung, hatte er nicht genug getrunken und der Kreislauf ihm einen Streich gespielt. Engelbrecht wurde überall durchgecheckt, beim Neurologen, beim Kardiologen. Die Werte waren normal, alles schien okay.

„Lieber hätte ich mir das Kreuzband gerissen“

Nach zehn Tagen stieg der Angreifer wieder ins Training ein – und merkte, dass nicht alles okay war. Heute gibt er das zu, damals schwieg er und machte in einer Mischung aus Tatendrang und falschem Ehrgeiz weiter. Bis zum 10. August, bis zum Spiel gegen Holstein Kiel. „Nach 20 Minuten habe ich gemerkt: Wenn ich jetzt noch einen Sprint mache, breche ich wieder zusammen“, erinnert sich Engelbrecht. Sein Puls stürzte in den Keller, benommen verließ er den Platz und wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort brachte eine MRT-Untersuchung Aufschluss: Herzmuskelentzündung.

Die Konsequenzen daraus fasste der Arzt so zusammen: Drei Monate Pause, was danach kommt, steht in den Sternen. Jemals wieder richtig Fußball spielen? Ein Schulterzucken. Engelbrecht war am Boden zerstört. „Lieber hätte ich mir das Kreuzband gerissen.“

Der Unterschied zwischen Glück haben und glücklich sein

Nachdem der Verein informiert war, verabschiedete sich der gebürtige Kölner in seine rheinländische Heimat. Zur Familie, zu den besten Freunden. „Die ersten Wochen waren der absolute Horror, ich konnte kaum schlafen“, sagt Engelbrecht. Bis zur Nachuntersuchung im November hatte er wieder Mut gefasst – und wurde erneut jäh zurückgeworfen. Die Mediziner hatten Narbengewebe auf dem Herzen erkannt, das für Herzrhythmusstörungen sorgt. „Der Arzt hat mir gesagt, ich hätte Glück, dass ich noch lebe.“

Glück zu haben ist das eine, glücklich zu sein etwas anderes. Engelbrecht ist dazu seit Sommer nicht recht in der Lage. Dafür ist ihm Fußball zu wichtig. Er mag sich nicht damit abfinden, dass es das sportlich schon gewesen sein soll, mit 23, nach einem Zweitligaspiel, einem Auftritt im DFB-Pokal und 16 Einsätzen (1 Tor) in der 3. Liga.

Dem Belgier van Loo rettete der Defibrillator auf dem Platz das Leben

Darum hat er das Angebot seines Arztes angenommen, sich einen Defibrillator einsetzen zu lassen. Fünf Tage nach dem Anruf, bei dem Engelbrecht von der Möglichkeit erfuhr, lag er schon auf dem OP-Tisch. Er ist nicht der einzige Fußballprofi in Europa mit Defibrillator. Dem Belgier Anthony van Loo rettete das implantierte Gerät im Juni 2009 auf dem Platz das Leben. Van Loo spielt heute noch, er steht beim Erstligisten KV Mechelen unter Vertrag.

Es ist ein Beispiel, das Daniel Engelbrecht Hoffnung macht. Doch der Weg zurück ist lang. Die Herzrythmusstörungen sind noch immer nicht ganz unter Kontrolle. Vor vier Wochen sind Teile des Narbengewebes verödet worden.

Nahtoderfahrung im Treppenhaus

Zuvor hatte er erlebt, wie es sich anfühlt, wenn der Defibrillator ausgelöst wird. Um bewusst Herzryhthmusstörungen für einen Eingriff auszulösen, war Engelbrecht übermotiviert durchs Treppenhaus der Klinik gerannt. Zu viel fürs Herz. Wieder Schwindel, zitternde Beine, Lähmungserscheinungen im Arm. Der Defibrillator sprang an und versetzte dem Herz einen heftigen Schlag. „Das war ein Gefühl, dass ich meinem schlimmsten Feind nicht wünsche. Ich bin quer durch den Flur geflogen, es hat sich angefühlt, als würde ich verbrennen“, sagt er. Kurz danach kamen die Schlafstörungen und Panikattacken, psychologische Auswirkungen der Nahtoderfahrungen.

Mittlerweile geht es für Engelbrecht wieder aufwärts. Er fühlt sich besser, hat zwei Belastungs-EKG hinter sich gebracht. Zeigen sich bei den nächsten Belastungstests keine Aufälligkeiten, darf er vielleicht wieder ins lockere Aufbautraining einsteigen. An mehr will nach den vergangenen Monaten noch keiner denken, von mehr darf er nur ein bisschen träumen.

„Ich fühle mich nicht auf dem Abstellgleis“

Sein Verein unterstützt ihn, die Mitspieler haben ihn nicht vergessen, mit Trainer Horst Steffen hat Engelbrecht regelmäßig Kontakt. „Er spricht mir Mut zu, macht mir aber keinerlei Druck“, sagt der Stürmer und konstatiert: „Ich fühle mich nicht auf dem Abstellgleis.“

Daniel Engelbrecht weiß, dass die Angst mitspielt. Nicht zuletzt bei seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Brüdern. Wie er reagieren würde, wenn statt ihm einer der beiden betroffen wäre? Engelbrecht überlegt, zögert kurz. „Ich würde ihm wohl abraten, wieder Fußball zu spielen.“ Aber er ist nicht seine Brüder. Daniel Engelbrecht will seinen Traum nicht begraben. Nicht jetzt schon.

[jb]

Die 3. Liga ist voll von besonderen Spielern. DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Daniel Engelbrecht von den Stuttgarter Kickers. Er träumt nach seinem Herzstillstand und mit Defibrillator in der Brust weiter von einem Comeback.

Es sind Momente, die sich eingebrannt haben. Momente, die Daniel Engelbrecht nicht mehr loslassen. Momente der Angst, schreckliche Momente. Die Beine zitterten. Schwindel kam über ihn, ein Gefühl der Übelkeit. Er hörte nichts mehr, keine Stimmen der Mitspieler, keine Geräusche im Stadion. „Ich wusste nicht, wo ich bin“, sagt Engelbrecht. Bewusstlos brach der Stürmer der Stuttgarter Kickers zusammen. Es war der 21. Juli 2013, ein Spiel in Erfurt.

Sieben Monate später. Gegenwart. Daniel Engelbrecht, 23 Jahre alt, hofft darauf, irgendwann wieder professionell Fußball spielen zu können. Zwischen damals und heute liegen eine diagnostizierte Herzmuskelentzündung, Herzrythmusstörungen, Panikattacken und eine Operation, in der ihm ein Defibrillator eingesetzt wurde. Daniel Engelbrecht hat viel mitgemacht. „Ich dachte, ich sterbe“, sagt er im Gespräch mit DFB.de.

„Ich bin immer noch überzeugt, dass ich die Rückkehr schaffe“

Engelbrecht kann mittlerweile offen über seine Erlebnisse sprechen, er will offen sprechen. Gestern hat die psychologische Behandlung begonnen, die ihm sein behandelnder Arzt empfohlen hat. Es ist eine Angsttherapie, eine Aufarbeitung der Grenzerfahrungen, mit denen der junge Mann in kürzester Zeit konfrontiert wurde. Die Rückkehr auf den Fußballplatz, viele hätten sie in seiner Lage abgeschrieben. Engelbrecht nicht. Er kämpft, und er hat seinen Mut behalten. „Aufzugeben, würde ich mir nicht verzeihen“, sagt er: „Ich bin immer noch überzeugt, dass ich es schaffe.“

Dieser Tag vor sieben Monaten, dieser 21. Juli 2013, hatte angefangen wie so viele Tage im Fußballerleben des Daniel E. Der Stürmer strotzte vor Energie und Tatendrang. Drei Tage zuvor hatte er seinen neuen Vertrag bei den Stuttgarter Kickers unterschrieben. Schon in der Saison zuvor war er vom VfL Bochum an den Drittligisten ausgeliehen worden, nun hatten ihn die Kickers fest verpflichtet. „Ich habe mich in der Form meines Lebens gefühlt“, erzählt Engelbrecht.

Der Zusammenbruch in der 70. Minute traf ihn aus heiterem Himmel. Doch der erste Schock legte sich relativ schnell. Es war heiß, 40 Grad. Offenbar, so die Schlussfolgerung, hatte er nicht genug getrunken und der Kreislauf ihm einen Streich gespielt. Engelbrecht wurde überall durchgecheckt, beim Neurologen, beim Kardiologen. Die Werte waren normal, alles schien okay.

„Lieber hätte ich mir das Kreuzband gerissen“

Nach zehn Tagen stieg der Angreifer wieder ins Training ein – und merkte, dass nicht alles okay war. Heute gibt er das zu, damals schwieg er und machte in einer Mischung aus Tatendrang und falschem Ehrgeiz weiter. Bis zum 10. August, bis zum Spiel gegen Holstein Kiel. „Nach 20 Minuten habe ich gemerkt: Wenn ich jetzt noch einen Sprint mache, breche ich wieder zusammen“, erinnert sich Engelbrecht. Sein Puls stürzte in den Keller, benommen verließ er den Platz und wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort brachte eine MRT-Untersuchung Aufschluss: Herzmuskelentzündung.

Die Konsequenzen daraus fasste der Arzt so zusammen: Drei Monate Pause, was danach kommt, steht in den Sternen. Jemals wieder richtig Fußball spielen? Ein Schulterzucken. Engelbrecht war am Boden zerstört. „Lieber hätte ich mir das Kreuzband gerissen.“

Der Unterschied zwischen Glück haben und glücklich sein

Nachdem der Verein informiert war, verabschiedete sich der gebürtige Kölner in seine rheinländische Heimat. Zur Familie, zu den besten Freunden. „Die ersten Wochen waren der absolute Horror, ich konnte kaum schlafen“, sagt Engelbrecht. Bis zur Nachuntersuchung im November hatte er wieder Mut gefasst – und wurde erneut jäh zurückgeworfen. Die Mediziner hatten Narbengewebe auf dem Herzen erkannt, das für Herzrhythmusstörungen sorgt. „Der Arzt hat mir gesagt, ich hätte Glück, dass ich noch lebe.“

Glück zu haben ist das eine, glücklich zu sein etwas anderes. Engelbrecht ist dazu seit Sommer nicht recht in der Lage. Dafür ist ihm Fußball zu wichtig. Er mag sich nicht damit abfinden, dass es das sportlich schon gewesen sein soll, mit 23, nach einem Zweitligaspiel, einem Auftritt im DFB-Pokal und 16 Einsätzen (1 Tor) in der 3. Liga.

Dem Belgier van Loo rettete der Defibrillator auf dem Platz das Leben

Darum hat er das Angebot seines Arztes angenommen, sich einen Defibrillator einsetzen zu lassen. Fünf Tage nach dem Anruf, bei dem Engelbrecht von der Möglichkeit erfuhr, lag er schon auf dem OP-Tisch. Er ist nicht der einzige Fußballprofi in Europa mit Defibrillator. Dem Belgier Anthony van Loo rettete das implantierte Gerät im Juni 2009 auf dem Platz das Leben. Van Loo spielt heute noch, er steht beim Erstligisten KV Mechelen unter Vertrag.

Es ist ein Beispiel, das Daniel Engelbrecht Hoffnung macht. Doch der Weg zurück ist lang. Die Herzrythmusstörungen sind noch immer nicht ganz unter Kontrolle. Vor vier Wochen sind Teile des Narbengewebes verödet worden.

Nahtoderfahrung im Treppenhaus

Zuvor hatte er erlebt, wie es sich anfühlt, wenn der Defibrillator ausgelöst wird. Um bewusst Herzryhthmusstörungen für einen Eingriff auszulösen, war Engelbrecht übermotiviert durchs Treppenhaus der Klinik gerannt. Zu viel fürs Herz. Wieder Schwindel, zitternde Beine, Lähmungserscheinungen im Arm. Der Defibrillator sprang an und versetzte dem Herz einen heftigen Schlag. „Das war ein Gefühl, dass ich meinem schlimmsten Feind nicht wünsche. Ich bin quer durch den Flur geflogen, es hat sich angefühlt, als würde ich verbrennen“, sagt er. Kurz danach kamen die Schlafstörungen und Panikattacken, psychologische Auswirkungen der Nahtoderfahrungen.

Mittlerweile geht es für Engelbrecht wieder aufwärts. Er fühlt sich besser, hat zwei Belastungs-EKG hinter sich gebracht. Zeigen sich bei den nächsten Belastungstests keine Aufälligkeiten, darf er vielleicht wieder ins lockere Aufbautraining einsteigen. An mehr will nach den vergangenen Monaten noch keiner denken, von mehr darf er nur ein bisschen träumen.

„Ich fühle mich nicht auf dem Abstellgleis“

Sein Verein unterstützt ihn, die Mitspieler haben ihn nicht vergessen, mit Trainer Horst Steffen hat Engelbrecht regelmäßig Kontakt. „Er spricht mir Mut zu, macht mir aber keinerlei Druck“, sagt der Stürmer und konstatiert: „Ich fühle mich nicht auf dem Abstellgleis.“

Daniel Engelbrecht weiß, dass die Angst mitspielt. Nicht zuletzt bei seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Brüdern. Wie er reagieren würde, wenn statt ihm einer der beiden betroffen wäre? Engelbrecht überlegt, zögert kurz. „Ich würde ihm wohl abraten, wieder Fußball zu spielen.“ Aber er ist nicht seine Brüder. Daniel Engelbrecht will seinen Traum nicht begraben. Nicht jetzt schon.