Hansa-Keeper Kevin Müller: "Wir zählen zu den Mitfavoriten"

Müller: Meine Frau und ich haben uns bewusst für diesen Weg entschieden und es keine Sekunde bereut. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu vermissen oder zu verpassen. Wenn ich Abends nach Hause komme, warten meine Frau und mein Kleiner auf mich. In schwierigen Phasen, wenn man zum Beispiel im Tor einen Fehler macht, lässt sich dadurch gut abschalten. Fußball ist eben nicht das Wichtigste im Leben.

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Eins ist sicher: An Kevin Müller hat es nicht gelegen, dass Hansa Rostock in die 3. Liga abgestiegen ist. In seiner ersten Saison als Stammtorwart bewies der 21-Jährige, der aus der Nachwuchsschmiede der Hansa stammt, sein Potenzial. Nun hofft ganz Rostock, dass mit ihm der Wiederaufstieg gelingt. Der U 20-Nationaltorhüter sprach vor Saisonbeginn mit DFB.de-Mitarbeiter Oliver Jensen über die Aufstiegschancen, den Umbruch in der Mannschaft und das Leben als junger Familienvater.

DFB.de: Herr Müller, wie lange haben Sie darüber nachdenken müssen, trotz Abstieg in die 3. Liga bei Hansa Rostock zu bleiben?

Kevin Müller: Es hat eine gewisse Zeit gedauert, den Abstieg und die ungewisse finanzielle Situation zu verkraften. Ich hatte auch Angebote von höherklassigen Vereinen. Hansa Rostock ist für mich aber eine Herzensangelegenheit, auch meine Familie lebt hier. Daher habe ich den Vertrag um ein Jahr verlängert.

DFB.de: Bedeutet die Vertragsverlängerung um ein Jahr im Umkehrschluss, dass Sie den Verein verlassen, sollte der Wiederaufstieg nicht gelingen?

Müller: Das wäre dann neu zu überdenken. Natürlich komme ich in ein Alter, wo ich anfangen muss, wichtige Spiele zu machen. Aber nun konzentrieren wir uns voll auf die kommende Saison. Wir wollen unbedingt wieder in die 2. Liga. Natürlich wird das mit der neuen Truppe nicht einfach.

DFB.de: Sie haben keine Angst, in der 3. Liga in der Entwicklung stehen zu bleiben?

Müller: Ich sehe Hansa als eine sehr gute Adresse. Der mediale Druck und der Konkurrenzkampf ist in der 3. Liga nicht so groß wie in der Bundesliga. So kann ich mich in Ruhe weiterentwickeln. Ich habe gute Chancen, eine ganze Saison zu spielen. Möglicherweise werde ich mit 22 Jahren fast 60 Profieinsätze aufzuweisen haben.

DFB.de: Wie schätzen Sie die Aufstiegschancen ein? Vom Etat her kann Rostock mit Konkurrenten wie Aachen, Karlsruhe, Wehen und Heidenheim nicht mithalten.

Müller: Vom Etat war Hansa nie oben dabei. Aber das ist nicht schlimm. Wir kommen über den Teamgedanken und sind eine eingeschworene Gruppe. Auch vor zwei Jahren, als wir aufgestiegen sind, hat uns das ausgezeichnet. Es ist schwierig, nun die Aufstiegschancen einzuschätzen. Als Absteiger zählen wir natürlich zu den Mitfavoriten.

DFB.de: Allerdings ein Mitfavorit, der sich im starken Umbruch befindet. Etwa der halbe Kader wurde ausgetauscht. Wie schwierig wird es, sich einzuspielen?

Müller: Es ist ganz normal, dass sich unsere Mannschaft erst einmal finden muss. Eine gewisse Zeit dauert es, bis wir unsere Laufwege untereinander kennen. Es wäre wichtig, dass wir in den ersten Spielen auch das Quäntchen Glück haben, um knappe Spiele zu gewinnen. Das würde den Gemeinschaftssinn fördern.

DFB.de: Nur wenige Spieler haben Erfahrungen im deutschen Profifußball. Die meisten Neuzugänge kommen entweder aus dem Ausland oder aus der eigenen Jugend. Könnte das ein Nachteil sein?

Müller: Das denke ich nicht. Jeder von uns kann Fußball spielen. Vor zwei Jahren waren wir auch eine größtenteils neue Truppe.

DFB.de: Am ersten Spieltag ist mit den Stuttgarter Kickers ein Aufsteiger zu Gast. Deren Trainer Dirk Schuster sagte bereits, man würde mit einer breiten Brust nach Rostock fahren.

Müller: Das wird ein schweres Spiel. Die Stuttgarter haben sich kämpferisch gegeben und wollen unbedingt was mitnehmen. Darauf müssen wir uns einstellen. Nicht nur dieses, sondern jedes Spiel wird schwer. Auch in der 3. Liga können alle Mannschaften Fußball spielen. Nachlässigkeiten werden von jedem Gegner bestraft.

DFB.de: Trainer Wolfgang Wolf hat gesagt, dass es mit Jörg Hahnel, U-19 Nationalspieler Johannes Brinkies und Ihnen einen Dreikampf im Tor gibt. Hat Sie das überrascht?

Müller: Diese Konkurrenzsituation ist ganz normal. Der Trainer erwartet, dass jeder an seine Leistungsgrenze geht und hat daher den Dreikampf ausgerufen. So können wir Torhüter uns untereinander pushen. Aber natürlich freut es mich, dass sich der Trainer letztlich für mich entschieden hat.

DFB.de: Spricht man über Ihre Schwächen, wird Ihre Kommunikation mit den Vorderleuten genannt. Müssen Sie daran besonders arbeiten?

Müller: Wenn der Trainer fordert, mehr Kommunikation mit den Vorderleuten aufzunehmen, muss ich das akzeptieren und auf dem Platz umsetzen. Ich denke, dass es verschiedene Arten und Weisen der Kommunikation gibt. Manche sind laut und auffällig, andere geben nur kurze und knappe Informationen von sich. Ich bin eher der ruhige Typ. Trotzdem: Wenn der Trainer von mir Lautstärke verlangt, muss ich mich daran halten.

DFB.de: In der vergangenen Saison haben Sie viele starke Spiele gemacht. Es gab allerdings auch Partien, wie zum Beispiel in der Hinrunde gegen Cottbus, in denen Ihnen ein Schnitzer unterlief. Wie schwierig ist es für Sie als junger Torhüter, so etwas zu verarbeiten?

Müller: Man muss so etwas sacken lassen und kühl analysieren. Nur so lassen sich Fehler abstellen. Natürlich ist es gerade in der ersten Saison schwer zu verarbeiten, wenn ein Patzer zu Gegentreffern führt. Torhüter mit Erfahrung stecken das schneller weg.

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DFB.de: Ist Ihr angeheirateter Onkel Martin Pieckenhagen, der unter anderem auch bei Hansa Rostock gespielt hat, in solchen Phasen ein wichtiger Berater?

Müller: Selbstverständlich. Wir stehen in einem guten Kontakt. Er hat alles miterlebt. Daher wäre es fahrlässig, würde ich nicht mit ihm darüber sprechen. Auch bei Fragen, wie man sich zum Beispiel außerhalb des Platzes zu verhalten hat, berät er mich.

DFB.de: Wer sind Ihre Vorbilder als Torwart?

Müller: Als Jugendspieler habe ich mir natürlich von den Weltbesten etwas abgeschaut. Besonders von Iker Casillas, Gianluigi Buffon und Petr Cech. Mittlerweile halte ich Manuel Neuer für den weltbesten Torhüter. Er ist einfach komplett. Noch heute schaue ich auf solche Spieler.

DFB.de: Sprechen wir noch einmal über die U 20-Nationalmannschaft. Das nächste Spiel findet am 9. September gegen Polen statt. Welche Bedeutung haben diese Spiele für Sie?

Müller: Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem Verein. Die Spiele mit der U-Nationalmannschaft sind das i-Tüpfelchen. Ich würde gerne gegen Polen im Tor stehen.

DFB.de: Ist es eine Umstellung, wenn Sie vom Verein kommen und zur Nationalmannschaft stoßen?

Müller: Taktisch mag es eine kleine Umstellung sein. Aber allzu schwierig ist es nicht, sich darauf einzustellen.

DFB.de: Trauen Sie sich den Sprung in die U-21 Nationalmannschaft zu? Derzeit spielen dort Bernd Leno, Oliver Baumann und Kevin Trapp.

Müller: Natürlich haben die drei mit der Bundesliga eine ganz andere Plattform als ich. Es sind hervorragende Torhüter. Aus der Ferne ist es schwer einzuschätzen, was mir eventuell gegenüber diesen Personen fehlt. Dazu wären gemeinsame Trainingseinheiten notwendig. Ich werde einfach abwarten, wie sich das weiterentwickelt.

DFB.de: Letzte Frage: Sie sind ein junger Familienvater mit Ehefrau und Sohn. Inwiefern unterscheidet sich ihr Leben von dem Leben gleichaltriger Mitspieler?

Müller: Meine Frau und ich haben uns bewusst für diesen Weg entschieden und es keine Sekunde bereut. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu vermissen oder zu verpassen. Wenn ich Abends nach Hause komme, warten meine Frau und mein Kleiner auf mich. In schwierigen Phasen, wenn man zum Beispiel im Tor einen Fehler macht, lässt sich dadurch gut abschalten. Fußball ist eben nicht das Wichtigste im Leben.