Gesichter der 3. Liga: Vom Streit- zum Glücksfall?

Volles Engagement bei Schalke II

Ein kurzes Bergauf gab es für Albert Streit während seiner Schalker (Regionalliga)-Zeit nur unter der Regie von Ex-Trainer Michael Boris, der die U 23 von Januar 2010 bis Juli 2011 betreut hatte. "Michael Boris habe ich viel zu verdanken. Mit ihm kam sozusagen der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er war einer der ersten, der mich absolut fair behandelt hat", erinnert sich Streit, der in der Rückrunde der Saison 2009/2010 zunächst - aus Sicherheitsgründen - nur bei den Auswärtsspielen eingesetzt wurde.

"Albert hatte sich innerhalb der Regionalligamannschaft von Anfang an zu 100 Prozent engagiert und ist menschlich ein Supertyp", sagt Boris, inzwischen für Regionalligaufsteiger Sportfreunde Siegen tätig, gegenüber DFB.de. "Auch dank seiner Leistungen haben wir in dieser Saison noch den Klassenverbleib geschafft. Ich persönlich habe ihn nie so erlebt, wie er in den Medien teilweise dargestellt wurde. Er ist kein Egoist, sondern setzt sich für die Mannschaft ein."

Kapitel Schalke 04 endet mit Vertragsauflösung

In der folgenden Saison verbesserte Albert Streit durch engagierte Leistungen sein zwiespältiges Verhältnis zu den Schalker Fans und kam auch in Heimspielen wieder zum Einsatz. Er galt sogar als erster Anwärter auf das Amt des Kapitäns. Doch dazu kam es nicht mehr.

Stattdessen folgte vor genau einem Jahr für Albert Streit die fristlose Kündigung. Ihm wurde vorgeworfen, den neuen U 23-Trainer Bernhard Trares massiv beleidigt zu haben. Ein mehrmonatiges Arbeitsgerichtsverfahren endete schließlich im November mit der Vertragsauflösung, auf die sich beide Parteien geeinigt hatten. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", bekräftigt Streit nach wie vor.

Neustart für Aachen und Streit

Das Kapitel Profifußball war trotzdem so gut wie abgehakt. Streit trainierte beim damaligen Fünftligisten Viktoria Köln mit und musste Schlagzeilen wie "Die Karriere eines Gescheiterten" über sich lesen. Bis zum überraschenden Anruf des damaligen Alemannia-Trainers Friedhelm Funkel, unter dem der Mittelfeldmann in Frankfurt stets zu den Leistungsträgern gehört hatte. Der 58-Jährige überzeugte seinen ehemaligen Schützling trotz erheblicher Gehaltseinbußen von einem Wechsel an den Tivoli.



[bild1]

Es kann ein ehemaliger Nationalspieler sein. Oder ein Talent. Oder ein Trainer. Oder ein Urgestein. Die 3. Liga hat in ihrer fünften Saison eine Menge Charakterköpfe zu bieten, Figuren und Protagonisten, die ihren Vereinen und der Liga Profil verleihen. Sie sind die "Gesichter der 3. Liga". DFB.de stellt sie jeden Freitag in seiner neuen Serie vor. Heute: Aachens Kapitän Albert Streit.

Der eine oder andere Leser des Fachmagazins kicker dürfte seinen Augen nicht getraut haben. Seite 56, unter der dick gedruckten rot-weißen Überschrift "Spieler des Tages in der 3. Liga" prangt das Foto von Alemannia Aachens Albert Streit. Ausgerechnet Streit, der in den vergangenen Jahren regelmäßig mit Negativschlagzeilen in Verbindung gebracht worden war. Ausgerechnet Streit, dessen Profikarriere noch vor wenigen Monaten eigentlich schon beendet schien. Ausgerechnet Streit.

Leistungsträger und Kapitän

"Aachen holt sich Streit ins Haus" und "Streitbarer Albert Streit" hieß es in einigen Zeitungen bei seiner Verpflichtung in der Winterpause der abgelaufenen Saison. Und knapp ein halbes Jahr später? Der vermeintliche Streitfall ist Leistungsträger und sogar Kapitän. Mit zwei Treffern innerhalb einer Viertelstunde führte er die Alemannia im ersten Heimspiel gegen den SV Wacker Burghausen beim 3:2 zum ersten Sieg. Ist er plötzlich ein Glücksfall für Aachen?

Was sagt Albert Streit, zuletzt am 32. Spieltag der Saison 2006/2007 vom kicker in die "Mannschaft des Tages" der Bundesliga gewählt, selbst? War es für ihn Balsam auf die geschundene Fußballer-Seele? "Nein", bekennt der Mittelfeldspieler im Gespräch mit DFB.de ohne zu zögern. "In der Kabine hat mich der eine oder andere Spieler darauf angesprochen. Ich bilde mir darauf aber überhaupt nichts ein."

"Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß am Fußball"

Die Begründung dafür lieferte der 32-Jährige schon zu einigen Teilen auf dem Platz. Nach seinem ersten Treffer, einem sehenswerten Distanzschuss, formte der Mittelfeldmann mit der rechten Hand ein "L". Es steht für seinen gerade einmal fünf Wochen alten Sohn Luca, mit dem er und seine Frau Maria in Köln leben.

Wenig später verwandelte Streit einen Freistoß zum 2:0 direkt. Er lief zur Fankurve und feierte gemeinsam mit den Alemannia-Anhängern, die "Albert Streit Fußballgott" skandierten. "Der Doppelpack war ein Dankeschön an unsere Fans, die sich von meiner Vergangenheit nicht haben beeinflussen lassen und mich super aufgenommen haben", sagt der Rechtsfuß.

Der in Bukarest geborene Rumäne mit deutschem Pass geht sogar noch einen Schritt weiter und betont: "So viel Spaß am Fußball hatte ich schon sehr lange nicht mehr. Das ist für mich das Wichtigste." Hat für ihn in Aachen ein neues Leben angefangen? Der 32-Jährige sagt: "Es ist ein Neuanfang. Ich bin froh, dass ich bei der Alemannia diese Chance bekommen habe".

"Der Weggang aus Frankfurt war ein Fehler"

Eine Chance auf Spaß am Fußball. Diese beiden Komponenten hatte Albert Streit in den vergangenen Jahren fast nie. Bei Eintracht Frankfurt galt der technisch beschlagene und dribbelstarke Mittelfeldmann einst als einer der besten Rechtsaußen und Torvorbereitern der Bundesliga, absolvierte sogar vier Einsätze im "Team 2006", der ehemaligen Perspektivmannschaft des DFB. Doch mit dem Abschied aus Frankfurt begann 2008 der skukzessive Abstieg des gelernten Industriekaufmanns. "Sportlich gesehen war der Weggang aus Frankfurt ein Fehler", gibt Streit heute offen zu.

Vom damaligen Trainer Mirko Slomka (jetzt Hannover 96) mit großen Erwartungen zum FC Schalke 04 geholt und einem Vierjahresvertrag ausgestattet, war Albert Streit bei den "Knappen" fast von Beginn an nur Ersatz. So brachte er es in der Saison 2007/2008 nur auf einen einen Startelf-Einsatz in der Rückrunde.

Von Slomka-Nachfolger Fred Rutten wurde Streit zum Hamburger SV ausgeliehen, vom damaligen S04-Coach Felix Magath später "wegen mangelnder Leistungsbereitschaft" suspendiert und zur Regionalligamannschaft geschickt. "Fred Rutten hat mir sofort klargemacht, dass ich bei ihm keine Chance habe", erklärt Streit. "Bei Felix Magath durfte ich nur so lange oben trainieren, bis die Transferliste geschlossen war."

Bei den eigenen Fans im Ruf des geldgierigen "Söldners"

Damit nicht genug:. Bei seinem ersten Regionalligaeinsatz in der Saison 2009/2010 im Heimspiel gegen den SV Waldhof Mannheim (0:1) wurde Albert Streit sogar von den eigenen Fans beschimpft, bespuckt und bedroht. Zum Verhängnis wurde ihm dabei ein Interview mit dem Satz: "Ich habe hier den besten Vertrag meines Lebens unterschrieben und bekomme noch drei Jahre gutes Geld." Vor allem dieses Zitat prägte Streits Ruf und das mediale Bild eines angeblich charakterlosen, undisziplinierten und geldgierigen "Söldners".

Wie beurteilt der Mittelfeldmann die Entwicklung einige Jahre später? "Jeder Mensch macht Fehler", sagt Streit. "Ich bin jemand, der ehrlich seine Meinung sagt, hätte die Wahrheit aber vielleicht anders formulieren können. Doch aus meiner Sicht hat auch Schalke große Fehler gemacht. Von den Medien wurde dieses Thema immer wieder aufgeheizt, und der Klub hat das nicht unterbunden. Ich fühlte mich zeitweise wie Freiwild."

Volles Engagement bei Schalke II

Ein kurzes Bergauf gab es für Albert Streit während seiner Schalker (Regionalliga)-Zeit nur unter der Regie von Ex-Trainer Michael Boris, der die U 23 von Januar 2010 bis Juli 2011 betreut hatte. "Michael Boris habe ich viel zu verdanken. Mit ihm kam sozusagen der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er war einer der ersten, der mich absolut fair behandelt hat", erinnert sich Streit, der in der Rückrunde der Saison 2009/2010 zunächst - aus Sicherheitsgründen - nur bei den Auswärtsspielen eingesetzt wurde.

"Albert hatte sich innerhalb der Regionalligamannschaft von Anfang an zu 100 Prozent engagiert und ist menschlich ein Supertyp", sagt Boris, inzwischen für Regionalligaufsteiger Sportfreunde Siegen tätig, gegenüber DFB.de. "Auch dank seiner Leistungen haben wir in dieser Saison noch den Klassenverbleib geschafft. Ich persönlich habe ihn nie so erlebt, wie er in den Medien teilweise dargestellt wurde. Er ist kein Egoist, sondern setzt sich für die Mannschaft ein."

Kapitel Schalke 04 endet mit Vertragsauflösung

In der folgenden Saison verbesserte Albert Streit durch engagierte Leistungen sein zwiespältiges Verhältnis zu den Schalker Fans und kam auch in Heimspielen wieder zum Einsatz. Er galt sogar als erster Anwärter auf das Amt des Kapitäns. Doch dazu kam es nicht mehr.

Stattdessen folgte vor genau einem Jahr für Albert Streit die fristlose Kündigung. Ihm wurde vorgeworfen, den neuen U 23-Trainer Bernhard Trares massiv beleidigt zu haben. Ein mehrmonatiges Arbeitsgerichtsverfahren endete schließlich im November mit der Vertragsauflösung, auf die sich beide Parteien geeinigt hatten. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", bekräftigt Streit nach wie vor.

[bild2]

Neustart für Aachen und Streit

Das Kapitel Profifußball war trotzdem so gut wie abgehakt. Streit trainierte beim damaligen Fünftligisten Viktoria Köln mit und musste Schlagzeilen wie "Die Karriere eines Gescheiterten" über sich lesen. Bis zum überraschenden Anruf des damaligen Alemannia-Trainers Friedhelm Funkel, unter dem der Mittelfeldmann in Frankfurt stets zu den Leistungsträgern gehört hatte. Der 58-Jährige überzeugte seinen ehemaligen Schützling trotz erheblicher Gehaltseinbußen von einem Wechsel an den Tivoli.

In Aachen konnte Streit den Abstieg aus der 2. Bundesliga zwar auch nicht mehr verhindern, gewann aber nach und nach das Vertrauen in seine Stärken zurück, genoss plötzlich wieder Wertschätzung - und entschied sich als einer der ersten Spieler aus dem alten Kader, die Alemannia beim Neustart zu unterstützen. "Das war ein ganz wichtiges Signal für uns alle", erinnert sich der neue Aachener Sportchef Uwe Scherr.

Inzwischen gehört Albert Streit nicht nur zu den unumstrittenen Stammspielern am Tivoli, sondern wurde von Trainer Ralf Aussem auch zum Kapitän der verjüngten Aachener Mannschaft befördert. Was bedeutet ihm die Binde? Streits Antwort fällt knapp und bescheiden aus: "Spaß und Gesundheit sind mir wichtiger."