Engelbrecht: "Ein Restrisiko wird immer bleiben"

Engelbrecht: Ich absolviere momentan ein Grundlagenausdauertraining. Jeden Tag laufe ich etwa 20 Minuten, wobei ich alle fünf Minuten eine kleine Pause mache. Nebenbei findet ein Stabilisations- und Krafttraining statt. Schließlich habe ich da einiges aufzuholen. Insgesamt dauert ein Training etwa eine Stunde.

DFB.de: Wie erschöpft sind Sie danach?

Engelbrecht: Wenn ich ein bisschen gelaufen bin, bekomme ich ganz schnell Muskelkater. Schließlich habe ich ein Jahr nichts machen können. In der ersten Woche fühlten sich 15 Minuten laufen an wie früher ein komplettes Fußballspiel über 90 Minuten. Mittlerweile geht es besser.

DFB.de: Gibt es einen Zeitplan, wann Sie eventuell wieder spielen können?

Engelbrecht: Nein, eine Prognose ist völlig unmöglich. Ich muss versuchen, Schritt für Schritt wieder in den Trainingsbetrieb hineinzukommen. Wie gesagt: Alle drei bis vier Wochen wird kontrolliert, wie mein Herz mit der steigernden Belastung zurechtkommt. Das lässt sich nicht abschätzen. Ich möchte mir auch mit Zeitplänen keinen Druck machen. Ich bin einfach froh, dass ich überhaupt wieder ohne Probleme laufen kann.

DFB.de: Dass das möglich ist, hängt nicht zuletzt mit einem Eingriff im Mai zusammen, bei dem Ihre Herzzellen verödet wurden. Seitdem soll Ihr Wohlbefinden deutlich besser sein.

Engelbrecht: Das ist richtig. Dazu muss man wissen: Davor hatte ich zwei bis drei Herzrhythmusstörungen am Tag. Es war dann so schlimm, dass ich mich nicht einmal mehr bewegen oder reden konnte. Ich konnte in diesen Situationen lediglich darauf hoffen, dass es schnell wieder aufhört, weil ich ansonsten bewusstlos werde. Ich hatte deshalb sogar Angst, mit Freunden in ein Restaurant oder ins Kino zu gehen. Auch im Stadion fühlte ich mich als Zuschauer unwohl. Wenn die Leute jubelten, hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

DFB.de: Und das ist nun Vergangenheit?



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Daniel Engelbrecht befand sich in der Form seines Lebens. Der Drittligist Stuttgarter Kickers hatte den Stürmer nach einer Ausleihe vom VfL Bochum gerade fest verpflichtet, als das Schicksal im Juli 2013 sein Leben auf den Kopf stellte. Am ersten Spieltag gegen Rot-Weiß Erfurt brach er auf dem Spielfeld zusammen. Ein Hitzeschlag war der erste Verdacht. Als er jedoch bei seinem nächsten Einsatz gegen Holstein Kiel erneut Probleme bekam, erfolgte eine gründlichere Untersuchung. Die niederschmetternde Diagnose: Herzmuskelentzündung.

Dem 23-Jährigen wurde ein Defibrillator eingesetzt, der ihn im Falle eines Herzstillstandes zurück ins Leben holen soll. Ende Januar 2014 rettete ihm dieses Gerät das Leben. Um bewusst Herzrhythmusstörungen für einen Eingriff auszulösen, war Engelbrecht übermotiviert durch das Treppenhaus der Klinik gerannt. Er übertrieb es mit der Belastung so sehr, dass sein Herz schlappmachte. Nur durch den Stromschlag des Defibrillators schlug es weiter. Panikattacken, Schlafstörungen und eine psychologische Behandlung waren die Folge.

All das hat der gebürtige Kölner zumindest teilweise hinter sich gelassen. Seitdem sich die Stuttgarter Kickers auf die neue Saison vorbereiten, ist Engelbrecht ebenfalls wieder auf dem Trainingsplatz. Auch wenn er nur individuell trainieren kann - für ihn ist es ein großer Schritt auf dem Weg zurück ins Profileben. Im exklusiven DFB.de-Interview mit Oliver Jensen spricht Engelbrecht über seine Fortschritte, seine ersten Trainingseinheiten und über die Angst vor einem Rückfall.

DFB.de: Herr Engelbrecht, wie fühlt es sich an, wieder auf dem Trainingsplatz zu stehen?

Daniel Engelbrecht: Das ist für mich natürlich ein riesengroßer Schritt. Wobei man dazu sagen muss, dass ich noch nicht richtig am Trainingsbetrieb teilnehmen kann. Es sind eher Arbeitsversuche, um irgendwann wieder richtig einzusteigen. Das heißt nicht, dass ich wieder gesund bin.

DFB.de: Geben Sie uns doch einen kleinen Einblick in Ihren Trainingsplan.

Engelbrecht: Angefangen hat es mit Minutenläufen. Ich bin also eine Minute gelaufen, habe 30 Sekunden Pause gemacht, bin dann wieder eine Minute gelaufen. Das ging so über zehn bis 15 Minuten. Zwischenzeitlich war ich in der Sportmedizin, wo meine Leistungsfähigkeit ermittelt wurde, damit sich der Trainingsplan anpassen lässt.

DFB.de: Und wie sieht dieser nun aus?

Engelbrecht: Ich absolviere momentan ein Grundlagenausdauertraining. Jeden Tag laufe ich etwa 20 Minuten, wobei ich alle fünf Minuten eine kleine Pause mache. Nebenbei findet ein Stabilisations- und Krafttraining statt. Schließlich habe ich da einiges aufzuholen. Insgesamt dauert ein Training etwa eine Stunde.

DFB.de: Wie erschöpft sind Sie danach?

Engelbrecht: Wenn ich ein bisschen gelaufen bin, bekomme ich ganz schnell Muskelkater. Schließlich habe ich ein Jahr nichts machen können. In der ersten Woche fühlten sich 15 Minuten laufen an wie früher ein komplettes Fußballspiel über 90 Minuten. Mittlerweile geht es besser.

DFB.de: Gibt es einen Zeitplan, wann Sie eventuell wieder spielen können?

Engelbrecht: Nein, eine Prognose ist völlig unmöglich. Ich muss versuchen, Schritt für Schritt wieder in den Trainingsbetrieb hineinzukommen. Wie gesagt: Alle drei bis vier Wochen wird kontrolliert, wie mein Herz mit der steigernden Belastung zurechtkommt. Das lässt sich nicht abschätzen. Ich möchte mir auch mit Zeitplänen keinen Druck machen. Ich bin einfach froh, dass ich überhaupt wieder ohne Probleme laufen kann.

DFB.de: Dass das möglich ist, hängt nicht zuletzt mit einem Eingriff im Mai zusammen, bei dem Ihre Herzzellen verödet wurden. Seitdem soll Ihr Wohlbefinden deutlich besser sein.

Engelbrecht: Das ist richtig. Dazu muss man wissen: Davor hatte ich zwei bis drei Herzrhythmusstörungen am Tag. Es war dann so schlimm, dass ich mich nicht einmal mehr bewegen oder reden konnte. Ich konnte in diesen Situationen lediglich darauf hoffen, dass es schnell wieder aufhört, weil ich ansonsten bewusstlos werde. Ich hatte deshalb sogar Angst, mit Freunden in ein Restaurant oder ins Kino zu gehen. Auch im Stadion fühlte ich mich als Zuschauer unwohl. Wenn die Leute jubelten, hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

DFB.de: Und das ist nun Vergangenheit?

Engelbrecht: Ja. Von dem Tage an, an dem die Ärzte das so gut hinbekamen, was übrigens ein längerer Prozess war, waren die starken Störungen weg. Ich habe nun keine Angst mehr, etwas zu unternehmen und kann normal auf die Straße gehen.

DFB.de: Haben Sie in den schwierigen Phasen einmal darüber nachgedacht, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen?

Engelbrecht: Viele Menschen haben sich Sorgen um mich gemacht und mir zum Karriereende geraten. Aber ich selber habe keine Sekunde daran gezweifelt, dass ich wieder zurückkommen kann - auch jetzt nicht.

DFB.de: Wie oft haben Sie mit dem Schicksal gehadert, dass von den vielen Fußballprofis in Deutschland ausgerechnet Sie Probleme mit dem Herzen haben?

Engelbrecht: In den ersten Monaten habe ich extrem gehadert. Zwischendurch kommen immer noch die Fragen hoch: Warum passiert mir das? Womit habe ich das verdient? Es gibt Verbrecher, Kinderschänder, Mörder, die so etwas verdient hätten. Und ausgerechnet mir passiert das. Aber irgendwann habe ich mich damit abgefunden, dass es mir passiert ist und dass ich das Beste daraus machen muss. Ich muss mir immer vor Augen halten, dass ich Glück hatte, überhaupt noch am Leben zu sein. Es hat schon Fußballer gegeben, die sofort gestorben sind.

DFB.de: Sie haben selber gesagt, dass es sich nicht abschätzen lässt, wie Ihr Herz in den nächsten Monaten mit der Belastung zurechtkommt. Gibt es einen Plan B für den Fall, dass es mit dem Comeback doch nicht klappt?

Engelbrecht: Nein, ich möchte mich momentan mit keinen anderen Dingen beschäftigen.

DFB.de: Sie haben die vergangenen Monate größtenteils bei Ihrer Familie verbracht. Wie stehen die zu Ihrem Comeback?

Engelbrecht: Es war schwer, meiner Mutter, meinen Großeltern und meinen Brüdern beizubringen, dass ich wieder spielen möchte. Meine Mutter weiß aber: Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich das durch. Ganz schwierig ist es für meinen kleineren Bruder. Er ist 15 Jahre alt und hängt sehr an mir. Ihm wäre es am liebsten, ich würde aufhören. Wenn er mitbekam, was bei mir passierte, brach er in Tränen aus. Auch für meine Großeltern ist es extrem schwierig. Aber letztendlich ist es meine Entscheidung.

DFB.de: Besteht die Hoffnung, irgendwann wieder komplett gesund zu sein oder müssen Sie immer mit einem Restrisiko leben?

Engelbrecht: Ein Restrisiko wird immer bleiben. Aber dieses Risiko gehe ich bewusst ein. Der Fußball ist halt mein Leben.

DFB.de: Wird der Defibrillator eines Tages herausgenommen?

Engelbrecht: Nein, der wird drin bleiben. Im Notfall kann er mir das Leben retten. Ich hoffe natürlich, dass das nie wieder nötig sein wird. Der Vorfall im Januar…

DFB.de: … als der Defibrillator Ihnen schon einmal das Leben gerettet hat…

Engelbrecht: … war das schlimmste Erlebnis meines Lebens. Man muss sich vorstellen: Eine Steckdose hat soweit ich weiß ungefähr 180 oder 200 Volt. Ein Defibrillator hat mehr als 800. Es fühlt sich an, als würde man innerlich verbrennen. Mein Arm war gelähmt. Ich hatte noch über eine Woche später überall Schmerzen am Körper.

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DFB.de: Haben Sie beim Training die Angst, dass Ihr Körper mit der Überlastung nicht zurechtkommt und so etwas noch einmal passiert?

Engelbrecht: Diesen Vorfall werde ich immer im Kopf haben. Das ist im Gedächtnis eingebrannt - vermutlich geht das niemals weg. Zwischendurch gibt es diese Ängste. Ich muss lernen, damit umzugehen. Wenn ich beschäftigt bin, mich zum Beispiel während des Laufens mit jemandem unterhalte, komme ich auf andere Gedanken.

DFB.de: Inwiefern haben die letzten 12 Monate Sie als Mensch verändert?

Engelbrecht: Extrem. Ich habe einiges an Lebensweisheiten dazu gewonnen - schon alleine wegen der Nah Tod-Erfahrung. Wenn sich früher ein Spieler einen Kreuzbandriss oder einen Knorpelschaden zuzog, tat mir das extrem leid. Mittlerweile halte ich so etwas gar nicht mehr für sonderlich schlimm.

DFB.de: Weil es einfach wichtigere Dinge gibt, als einige Monate nicht spielen zu können?

Engelbrecht: Genau. In dem Moment, als ich fast tot war, war mein letzter Gedanke, wie gerne ich meine Familie und meine Freunde noch einmal sehen würde. Es gibt so viele Dinge, die man erst in solchen Situationen richtig schätzt. Mir hat das die Augen geöffnet. Das Leben kann so schnell vorbei sein. Niemand weiß, wann der Tag kommt.