Energie-Trainer Krämer: "Es gibt keine lange Anlaufzeit"

Stolze 17 Jahre zählte Energie Cottbus zu den 36 besten Profivereinen in Deutschland, mischte während der Ära von Trainer Eduard Geyer die Bundesliga auf und entwickelte sich zu einem Aushängeschild von Brandenburg. Nun, nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga beginnt in der Lausitz eine neue Zeitrechnung. Den Neuaufbau in der 3. Liga geht mit Stefan Krämer ein neuer Trainer an, der bereits vor wenigen Jahren eine ähnliche Situation gemeistert hatte.

Im Sommer 2011 wechselte der gebürtige Mainzer als Co-Trainer zur gerade in die 3. Liga abgestiegenen Arminia aus Bielefeld. Damals wie jetzt in Cottbus blieben nach dem Abstieg nur eine handvoll Spieler beim Verein. Der 47-Jährige brachte die Bielefelder später als Cheftrainer trotz des großen Umbruchs wieder auf Erfolgskurs.

Dieses Kunststück soll Stefan Krämer nun in der Lausitz wiederholen. Im DFB.de-Interview spricht der Fußball-Lehrer mit dem Journalisten Dominik Sander über den Beginn mit einem weißen Blatt Papier, seinen ersten Auftrag bei Energie und den "Abnutzungskampf 3. Liga".

DFB.de: Herr Krämer, erstmals nach 17 Jahren ist Energie Cottbus drittklassig. Ist nach der bisherigen Vorbereitung schon eine Aufbruchsstimmung zu spüren?

Stefan Krämer: Bei aller Enttäuschung über den Abstieg kamen trotzdem 2000 Fans zum traditionellen Kiebitztag, dem offiziellen Trainingsauftakt der Mannschaft. Dennoch: Die abgelaufene Saison war schlichtweg enttäuschend und diese Eindrücke lassen sich nicht so leicht wegdiskutieren. Als ich nach Cottbus kam, habe ich sofort die Traurigkeit und Zurückhaltung in einigen Teilen des Umfeldes gespürt. Diese Anhänger wollen erst einmal wieder überzeugt werden, dass der Verein noch immer für die erfolgreichen Tugenden aus der Vergangenheit steht. Das ist unser erster Auftrag, der bisher ordentlich anläuft. Wir als Mannschaft sind in der Bringschuld.

DFB.de: Der Spielplan bescherte Cottbus das Eröffnungsspiel am 26. Juli beim VfL Osnabrück. Anschließend geht es am 3. August gegen Mitabsteiger Dynamo Dresden. Kann der FC Energie gleich von null auf 100 gehen?

Krämer: Wenn ich alle acht Spiele im August zusammennehme, darunter auch DFB- und Landespokal, haben wir ein dickes Brett zu bohren. Bestimmte Automatismen in einer komplett neuen Mannschaft müssen sich erst entwickeln. Die 3. Liga ist ohnehin ein Abnutzungskampf. Du wirst jede Woche körperlich enorm gefordert und die Unterschiede zwischen vielen ambitionierten Mannschaften sind nur minimal.

DFB.de: Zusammen mit dem Halleschen FC, Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Rot-Weiß Erfurt und dem Chemnitzer FC gibt es gleich sechs ehemalige DDR-Oberligisten in der 3. Liga. Welche Bedeutung haben diese Ostduelle?

Krämer: Diese Derbys sind das Salz in der Suppe. Viele Zuschauer garantieren eine hohe Aufmerksamkeit. Für die Fans geht es da um mehr als nur die drei Punkte. Die Brisanz auf dem Platz ist für mich das Schöne am Fußball. Die 3. Liga war vielleicht noch nie so interessant wie in dieser Saison.

DFB.de: Halten Sie den direkten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga für realistisch?

Krämer: Darüber denke ich nicht nach. Eine seriöse Prognose über die Favoriten auf den Aufstieg ist in diesem Jahr enorm schwer. Ich sehe keine Mannschaft, die - wie in der Vergangenheit schon aus finanziellen Aspekten mehrfach geschehen - vorne wegmarschiert, sondern erwarte ein ganz enges Rennen. Mannschaften wie Arminia Bielefeld, Wehen Wiesbaden, Preußen Münster oder der MSV Duisburg bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau. In unserem Team möchten wir eine Pokalspiel-Mentalität entwickeln. Und natürlich so viele Spiele wie möglich gewinnen.

DFB.de: Kann die erfolgreiche Vergangenheit und die damit verbundene hohe Erwartungshaltung in der Region zu einem Problem werden?

Krämer: Nur wenn unsere Fans ausschließlich die vergangenen 17 Jahre des FC Energie im Profifußball im Kopf haben. Diese zählen nun nicht mehr. Wir sind uns dennoch über unsere große Verantwortung für die Region bewusst und müssen gegenüber unseren Anhängern jetzt in Vorleistung treten.

DFB.de: Was hat Sie am Neuaufbau in Cottbus besonders gereizt?

Krämer: Die Leidenschaft, mit der der Fußball in Cottbus gelebt wird, hat mich in den vergangenen Jahren begeistert. Die Leute wollen sehen, dass sich die Mannschaft auf dem Platz den Hintern aufreißt. Das sagt meiner Mentalität zu. Außerdem ist es doch enorm spannend, als Trainer quasi mit einem weißen Blatt Papier anzufangen und seine Vorstellungen umzusetzen. Unser Spiel soll in Zukunft von Tempo und auch einem gewissen Risiko geprägt sein, so dass die Fans - unabhängig vom Ergebnis - zufrieden nach Hause gehen.

DFB.de: Wie liefen die Planungen und Gespräche in Zusammenarbeit mit dem neuen Sportlichen Leiter Roland Benschneider ab?

Krämer: Wir beide sind menschlich und inhaltlich schnell auf eine Ebene gekommen und haben unsere Netzwerke eingebracht. Es ist immer schwer, ein Idealbild zu erstellen. Finanziell gab es eine klare Grenze, so dass wir uns in den Gesprächen auch einige Absagen geholt haben. Klar ist: Mit 22 Schwiegersöhnen oder 22 Zockern geht es nicht. Für mich war es wichtig, Spieler zu bekommen, die nicht alle von den gleichen Dingen angetrieben werden.

DFB.de: Haben Sie knapp zwei Wochen vor dem Saisonstart schon eine erste Elf im Kopf? Welche Zugänge sollen Führungsaufgaben übernehmen?

Krämer: Vier bis fünf Spieler hätten zum jetzigen Zeitpunkt gute Chance auf die Startelf, doch es ist noch zu früh. Wir befinden uns jetzt in einer Phase, in der wir testen: Wer passt am besten zu wem? Ich bin der Meinung, dass sich Führungsspieler in einer fast komplett neuen Mannschaft erst im Laufe der Saison herauskristallisieren. Zu Saisonbeginn sind zunächst Routiniers wie Torhüter René Renno oder Uwe Möhrle in der Pflicht, die anderen Spieler anzuschieben und ihnen Sicherheit zu geben.

DFB.de: Auch beim jetzigen Ligakonkurrenten Arminia Bielefeld schafften Sie trotz eines großen Umbruchs innerhalb von zwei Jahren den Aufstieg. Ist die Situation vergleichbar?

Krämer: Von der Personalsituation her ja. Ich habe auch nicht vergessen, dass wir damals nach zehn Spieltagen sieglos auf einem Abstiegsplatz standen. Es gab viele Gründe, warum die damalige Mannschaft etwas zu lange benötigt hat, um als Einheit zu funktionieren. In Cottbus wird uns wohl keine so lange Anlaufzeit gewährt. Wir brauchen sie hoffentlich auch nicht.

DFB.de: Lassen Sie sich im Aufstiegsfall erneut das Vereinslogo als Tattoo stechen?

Krämer: Die Wette mit dem Tattoo hatte mir damals ein Anhänger bei einem Fan-Club-Treffen entlockt, weil wir zu diesem Zeitpunkt Tabellenvorletzter waren. Ich bin guter Dinge, dass wir nun mit Cottbus nicht in eine solche Situation kommen werden. Falls doch, lasse ich mir etwas anderes einfallen.

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Stolze 17 Jahre zählte Energie Cottbus zu den 36 besten Profivereinen in Deutschland, mischte während der Ära von Trainer Eduard Geyer die Bundesliga auf und entwickelte sich zu einem Aushängeschild von Brandenburg. Nun, nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga beginnt in der Lausitz eine neue Zeitrechnung. Den Neuaufbau in der 3. Liga geht mit Stefan Krämer ein neuer Trainer an, der bereits vor wenigen Jahren eine ähnliche Situation gemeistert hatte.

Im Sommer 2011 wechselte der gebürtige Mainzer als Co-Trainer zur gerade in die 3. Liga abgestiegenen Arminia aus Bielefeld. Damals wie jetzt in Cottbus blieben nach dem Abstieg nur eine handvoll Spieler beim Verein. Der 47-Jährige brachte die Bielefelder später als Cheftrainer trotz des großen Umbruchs wieder auf Erfolgskurs.

Dieses Kunststück soll Stefan Krämer nun in der Lausitz wiederholen. Im DFB.de-Interview spricht der Fußball-Lehrer mit dem Journalisten Dominik Sander über den Beginn mit einem weißen Blatt Papier, seinen ersten Auftrag bei Energie und den "Abnutzungskampf 3. Liga".

DFB.de: Herr Krämer, erstmals nach 17 Jahren ist Energie Cottbus drittklassig. Ist nach der bisherigen Vorbereitung schon eine Aufbruchsstimmung zu spüren?

Stefan Krämer: Bei aller Enttäuschung über den Abstieg kamen trotzdem 2000 Fans zum traditionellen Kiebitztag, dem offiziellen Trainingsauftakt der Mannschaft. Dennoch: Die abgelaufene Saison war schlichtweg enttäuschend und diese Eindrücke lassen sich nicht so leicht wegdiskutieren. Als ich nach Cottbus kam, habe ich sofort die Traurigkeit und Zurückhaltung in einigen Teilen des Umfeldes gespürt. Diese Anhänger wollen erst einmal wieder überzeugt werden, dass der Verein noch immer für die erfolgreichen Tugenden aus der Vergangenheit steht. Das ist unser erster Auftrag, der bisher ordentlich anläuft. Wir als Mannschaft sind in der Bringschuld.

DFB.de: Der Spielplan bescherte Cottbus das Eröffnungsspiel am 26. Juli beim VfL Osnabrück. Anschließend geht es am 3. August gegen Mitabsteiger Dynamo Dresden. Kann der FC Energie gleich von null auf 100 gehen?

Krämer: Wenn ich alle acht Spiele im August zusammennehme, darunter auch DFB- und Landespokal, haben wir ein dickes Brett zu bohren. Bestimmte Automatismen in einer komplett neuen Mannschaft müssen sich erst entwickeln. Die 3. Liga ist ohnehin ein Abnutzungskampf. Du wirst jede Woche körperlich enorm gefordert und die Unterschiede zwischen vielen ambitionierten Mannschaften sind nur minimal.

DFB.de: Zusammen mit dem Halleschen FC, Dynamo Dresden, Hansa Rostock, Rot-Weiß Erfurt und dem Chemnitzer FC gibt es gleich sechs ehemalige DDR-Oberligisten in der 3. Liga. Welche Bedeutung haben diese Ostduelle?

Krämer: Diese Derbys sind das Salz in der Suppe. Viele Zuschauer garantieren eine hohe Aufmerksamkeit. Für die Fans geht es da um mehr als nur die drei Punkte. Die Brisanz auf dem Platz ist für mich das Schöne am Fußball. Die 3. Liga war vielleicht noch nie so interessant wie in dieser Saison.

DFB.de: Halten Sie den direkten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga für realistisch?

Krämer: Darüber denke ich nicht nach. Eine seriöse Prognose über die Favoriten auf den Aufstieg ist in diesem Jahr enorm schwer. Ich sehe keine Mannschaft, die - wie in der Vergangenheit schon aus finanziellen Aspekten mehrfach geschehen - vorne wegmarschiert, sondern erwarte ein ganz enges Rennen. Mannschaften wie Arminia Bielefeld, Wehen Wiesbaden, Preußen Münster oder der MSV Duisburg bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau. In unserem Team möchten wir eine Pokalspiel-Mentalität entwickeln. Und natürlich so viele Spiele wie möglich gewinnen.

DFB.de: Kann die erfolgreiche Vergangenheit und die damit verbundene hohe Erwartungshaltung in der Region zu einem Problem werden?

Krämer: Nur wenn unsere Fans ausschließlich die vergangenen 17 Jahre des FC Energie im Profifußball im Kopf haben. Diese zählen nun nicht mehr. Wir sind uns dennoch über unsere große Verantwortung für die Region bewusst und müssen gegenüber unseren Anhängern jetzt in Vorleistung treten.

DFB.de: Was hat Sie am Neuaufbau in Cottbus besonders gereizt?

Krämer: Die Leidenschaft, mit der der Fußball in Cottbus gelebt wird, hat mich in den vergangenen Jahren begeistert. Die Leute wollen sehen, dass sich die Mannschaft auf dem Platz den Hintern aufreißt. Das sagt meiner Mentalität zu. Außerdem ist es doch enorm spannend, als Trainer quasi mit einem weißen Blatt Papier anzufangen und seine Vorstellungen umzusetzen. Unser Spiel soll in Zukunft von Tempo und auch einem gewissen Risiko geprägt sein, so dass die Fans - unabhängig vom Ergebnis - zufrieden nach Hause gehen.

DFB.de: Wie liefen die Planungen und Gespräche in Zusammenarbeit mit dem neuen Sportlichen Leiter Roland Benschneider ab?

Krämer: Wir beide sind menschlich und inhaltlich schnell auf eine Ebene gekommen und haben unsere Netzwerke eingebracht. Es ist immer schwer, ein Idealbild zu erstellen. Finanziell gab es eine klare Grenze, so dass wir uns in den Gesprächen auch einige Absagen geholt haben. Klar ist: Mit 22 Schwiegersöhnen oder 22 Zockern geht es nicht. Für mich war es wichtig, Spieler zu bekommen, die nicht alle von den gleichen Dingen angetrieben werden.

DFB.de: Haben Sie knapp zwei Wochen vor dem Saisonstart schon eine erste Elf im Kopf? Welche Zugänge sollen Führungsaufgaben übernehmen?

Krämer: Vier bis fünf Spieler hätten zum jetzigen Zeitpunkt gute Chance auf die Startelf, doch es ist noch zu früh. Wir befinden uns jetzt in einer Phase, in der wir testen: Wer passt am besten zu wem? Ich bin der Meinung, dass sich Führungsspieler in einer fast komplett neuen Mannschaft erst im Laufe der Saison herauskristallisieren. Zu Saisonbeginn sind zunächst Routiniers wie Torhüter René Renno oder Uwe Möhrle in der Pflicht, die anderen Spieler anzuschieben und ihnen Sicherheit zu geben.

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DFB.de: Auch beim jetzigen Ligakonkurrenten Arminia Bielefeld schafften Sie trotz eines großen Umbruchs innerhalb von zwei Jahren den Aufstieg. Ist die Situation vergleichbar?

Krämer: Von der Personalsituation her ja. Ich habe auch nicht vergessen, dass wir damals nach zehn Spieltagen sieglos auf einem Abstiegsplatz standen. Es gab viele Gründe, warum die damalige Mannschaft etwas zu lange benötigt hat, um als Einheit zu funktionieren. In Cottbus wird uns wohl keine so lange Anlaufzeit gewährt. Wir brauchen sie hoffentlich auch nicht.

DFB.de: Lassen Sie sich im Aufstiegsfall erneut das Vereinslogo als Tattoo stechen?

Krämer: Die Wette mit dem Tattoo hatte mir damals ein Anhänger bei einem Fan-Club-Treffen entlockt, weil wir zu diesem Zeitpunkt Tabellenvorletzter waren. Ich bin guter Dinge, dass wir nun mit Cottbus nicht in eine solche Situation kommen werden. Falls doch, lasse ich mir etwas anderes einfallen.