Christopher Gäng: Das Stehaufmännchen

Die 3. Liga ist voll von besonderen Akteuren. DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Christopher Gäng> von der SG Sonnenhof Großaspach, der im Württembergischen nach vielen Rückschlägen den Spaß am Fußball wiedergefunden hat.

Auf den ersten Blick ist Christopher Gäng ein echtes Glückskind. Der 27-Jährige hütet das Tor der Überraschungsmannschaft SG Sonnenhof Großaspach und hat großen Anteil daran, dass aus dem Abstiegskandidaten eine Spitzenmannschaft wurde. Das kicker-Sportmagazin kürte ihn im Dezember sogar zum besten Torhüter der 3. Liga. "Diese Auszeichnung hat eine große Bedeutung für mich, weil ich vor kurzem noch abgeschrieben war. Niemand hatte sich für mich interessiert. Die SG Sonnenhof war der einzige Verein, der mich seit fünf oder sechs Jahren umworben hat", sagt er.

Dieses Statement deutet bereits an, dass Gäng doch nicht unbedingt ein Glückskind ist. Der gebürtige Mannheimer ist vielmehr ein Kämpfer, der in seiner Karriere mehrere Tiefschläge erlebte. Misslungene Debüts, ausbleibende Gehaltszahlungen, Depression - all das musste Gäng durchmachen, um später wieder auf die Beine zu kommen.

Nichts deutete in jungen Jahren darauf hin, dass die Laufbahn von Gäng einer Achterbahnfahrt gleichen würde. Vielmehr schien er im Stile einer Rakete durchzustarten. Beim Traditionsverein SV Waldhof Mannheim spielte er zwar nur in der Oberliga. Doch waren seine Leistungen so überzeugend, dass er 2007 in den DFB-Kader der U 19-Europameisterschaft berufen wurde. Lediglich ein Handbruch verhinderte seine Teilnahme.

Das misslungene Bundesligadebüt

Er wechselte zu Hertha BSC nach Berlin, um dort seinem Traum vom Profifußball näher zu kommen. Seine Leistungen: beeindruckend! Das Bundesligadebüt schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Als Stammtorhüter Jaroslav Drobny und auch Ersatzkeeper Christian Fiedler im November 2008 ausfielen, erfüllte sich der Traum von der Erstklassigkeit - wobei es eher ein Albtraum wurde.

Gäng erinnert sich genau, wie er beim Auswärtsspiel gegen Werder Bremen in das Weserstadion einlief: "Ich war so aufgeregt, dass ich mein Herz schlagen hörte. Freude und Nervosität kamen zusammen." Das Spiel wurde ein Desaster. Fünf Gegentreffer musste der damals 20-Jährige hinnehmen. Hertha verlor 1:5. Er fühlte sich als Sündenbock. "Viele haben versucht, die Schuld auf mich zu schieben. Davon habe ich mich sehr beeindrucken lassen", gibt er zu.

Gab es denn wenigstens Mitspieler, die ihn wieder aufgemuntert haben? "Nee, gar nicht", antwortet Gäng. "So ist es eben oftmals im Profifußball. Jeder möchte für sich das Beste herausholen." Für Freundschaften ist seiner Erfahrung nach eher wenig Platz. Innerhalb von 90 Minuten wurde aus einem hoffnungsvollen Nachwuchstorhüter ein gescheitertes Talent. Das Verletzungspech tat sein übriges. Gäng hatte in Berlin keine Zukunft mehr.

Profifußball ist nicht immer fair

Bei RB Leipzig hoffte er auf einen Neustart. Die Ostdeutschen waren frisch in die Regionalliga aufgestiegen. Doch Gängs Debüt verlief genauso erfolglos wie in Berlin: Wieder gab es fünf Gegentreffer, wieder verlor seine Mannschaft 1:5. Doch diesmal lag es nicht am Torhüter. In den folgenden sieben Spielen ließ er insgesamt nur zwei Gegentore zu. Endlich schien er auf einem guten Weg zu sein. Bis die Vereinsführung ihn unerwartet auf die Bank, dann sogar komplett aus dem Kader beförderte.

Gäng kennt den Grund: "Bei zehn Spielen hätte sich mein Vertrag verlängert. Acht Spiele hatte ich gemacht. Danach wurde mir gesagt, man möchte nicht mit mir verlängern und wird mich daher nicht mehr einsetzen. Damals habe ich festgestellt, dass Profifußball nicht immer fair ist." Die Profilaufbahn schien beendet zu sein. Er zog zurück nach Berlin, um eine Berufsausbildung zu beginnen und Fußball lediglich als Hobby zu betreiben.

Türkiyemspor Berlin schien ihm die Möglichkeit dazu zu bieten. Ein kleines Gehalt und eine Ausbildungsstelle wurden ihm versprochen, wenn er zu dem Oberligisten wechseln würde. Er nahm das Angebot an und erlebte die nächste Enttäuschung. "Ich habe dort weder Geld gesehen noch einen Ausbildungsplatz bekommen", sagt er. Zunehmend ging es ihm schlechter. "Der Druck wurde größer. Viele fragten mich, was mit mir los sei und wie ich so abstürzen konnte."

Der tiefe Fall

Auch bei seiner nächsten Station Lokomotive Leipzig lief es nicht wie gewünscht. Gäng zog sich immer mehr zurück. Die Playstation wurde sein bester Freund. Von morgens bis abends saß er vor der Konsole. Auch die Zeiten der sportgerechten Ernährung waren plötzlich Vergangenheit. Pizza und weiteres Junkfood standen auf dem Speiseplan. "Ich wog relativ schnell 113 Kilogramm", sagt der 1,88 Meter große Schlussmann.

Die Veränderungen zeigten sich nicht nur körperlich, sondern auch an seinem Wesen: "Früher war ich ein total fröhlicher Mensch und bin mit einem Grinsen durch die Welt gelaufen. Das war dann plötzlich vorbei." Später wurde ihm eine Depression diagnostiziert. Umso beachtlicher, dass er selber, ohne größere Behandlungen, aus dem Tief herausfand. Die SG Sonnenhof Großaspach spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Er wechselte 2013 dorthin und feierte bereits 2014 den Aufstieg in die 3. Liga.

Fußball ist nicht alles

Der Verein aus dem württembergischen Aspach ist kein gewöhnlicher Drittligist. Außenstehende könnten glauben, es handelt sich eher um einen Amateurverein. Die meisten Spieler gehen neben dem Sport einem Beruf nach. Der duale Weg gehört zur Philosophie des Vereins. Gäng hat gerade seine Ausbildung zum Fitnesskaufmann abgeschlossen und ist weiterhin in Teilzeit berufstätig. Das heißt: Tagsüber befindet er sich im Fitness-Studio und betreut die Kunden, nachmittags steht er auf dem Trainingsplatz.

Gäng empfindet das nicht als Doppelbelastung, sondern vielmehr als eine Erleichterung: "Es ist gut, neben dem Fußball etwas zu machen. Wenn es im Fußball einmal nicht läuft, fängt einen der andere Beruf auf. Fußball ist eben nicht alles. Es ist einfach nur ein Sport." Diese Einsicht hat ihm dabei geholfen, nach all den Rückschlägen wieder Freude am Fußball zu empfinden - und noch einmal unerwartet durchzustarten.

[oj]

Die 3. Liga ist voll von besonderen Akteuren. DFB.de stellt die "Gesichter der 3. Liga" in seiner Serie vor. Heute: Christopher Gäng> von der SG Sonnenhof Großaspach, der im Württembergischen nach vielen Rückschlägen den Spaß am Fußball wiedergefunden hat.

Auf den ersten Blick ist Christopher Gäng ein echtes Glückskind. Der 27-Jährige hütet das Tor der Überraschungsmannschaft SG Sonnenhof Großaspach und hat großen Anteil daran, dass aus dem Abstiegskandidaten eine Spitzenmannschaft wurde. Das kicker-Sportmagazin kürte ihn im Dezember sogar zum besten Torhüter der 3. Liga. "Diese Auszeichnung hat eine große Bedeutung für mich, weil ich vor kurzem noch abgeschrieben war. Niemand hatte sich für mich interessiert. Die SG Sonnenhof war der einzige Verein, der mich seit fünf oder sechs Jahren umworben hat", sagt er.

Dieses Statement deutet bereits an, dass Gäng doch nicht unbedingt ein Glückskind ist. Der gebürtige Mannheimer ist vielmehr ein Kämpfer, der in seiner Karriere mehrere Tiefschläge erlebte. Misslungene Debüts, ausbleibende Gehaltszahlungen, Depression - all das musste Gäng durchmachen, um später wieder auf die Beine zu kommen.

Nichts deutete in jungen Jahren darauf hin, dass die Laufbahn von Gäng einer Achterbahnfahrt gleichen würde. Vielmehr schien er im Stile einer Rakete durchzustarten. Beim Traditionsverein SV Waldhof Mannheim spielte er zwar nur in der Oberliga. Doch waren seine Leistungen so überzeugend, dass er 2007 in den DFB-Kader der U 19-Europameisterschaft berufen wurde. Lediglich ein Handbruch verhinderte seine Teilnahme.

Das misslungene Bundesligadebüt

Er wechselte zu Hertha BSC nach Berlin, um dort seinem Traum vom Profifußball näher zu kommen. Seine Leistungen: beeindruckend! Das Bundesligadebüt schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Als Stammtorhüter Jaroslav Drobny und auch Ersatzkeeper Christian Fiedler im November 2008 ausfielen, erfüllte sich der Traum von der Erstklassigkeit - wobei es eher ein Albtraum wurde.

Gäng erinnert sich genau, wie er beim Auswärtsspiel gegen Werder Bremen in das Weserstadion einlief: "Ich war so aufgeregt, dass ich mein Herz schlagen hörte. Freude und Nervosität kamen zusammen." Das Spiel wurde ein Desaster. Fünf Gegentreffer musste der damals 20-Jährige hinnehmen. Hertha verlor 1:5. Er fühlte sich als Sündenbock. "Viele haben versucht, die Schuld auf mich zu schieben. Davon habe ich mich sehr beeindrucken lassen", gibt er zu.

Gab es denn wenigstens Mitspieler, die ihn wieder aufgemuntert haben? "Nee, gar nicht", antwortet Gäng. "So ist es eben oftmals im Profifußball. Jeder möchte für sich das Beste herausholen." Für Freundschaften ist seiner Erfahrung nach eher wenig Platz. Innerhalb von 90 Minuten wurde aus einem hoffnungsvollen Nachwuchstorhüter ein gescheitertes Talent. Das Verletzungspech tat sein übriges. Gäng hatte in Berlin keine Zukunft mehr.

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Profifußball ist nicht immer fair

Bei RB Leipzig hoffte er auf einen Neustart. Die Ostdeutschen waren frisch in die Regionalliga aufgestiegen. Doch Gängs Debüt verlief genauso erfolglos wie in Berlin: Wieder gab es fünf Gegentreffer, wieder verlor seine Mannschaft 1:5. Doch diesmal lag es nicht am Torhüter. In den folgenden sieben Spielen ließ er insgesamt nur zwei Gegentore zu. Endlich schien er auf einem guten Weg zu sein. Bis die Vereinsführung ihn unerwartet auf die Bank, dann sogar komplett aus dem Kader beförderte.

Gäng kennt den Grund: "Bei zehn Spielen hätte sich mein Vertrag verlängert. Acht Spiele hatte ich gemacht. Danach wurde mir gesagt, man möchte nicht mit mir verlängern und wird mich daher nicht mehr einsetzen. Damals habe ich festgestellt, dass Profifußball nicht immer fair ist." Die Profilaufbahn schien beendet zu sein. Er zog zurück nach Berlin, um eine Berufsausbildung zu beginnen und Fußball lediglich als Hobby zu betreiben.

Türkiyemspor Berlin schien ihm die Möglichkeit dazu zu bieten. Ein kleines Gehalt und eine Ausbildungsstelle wurden ihm versprochen, wenn er zu dem Oberligisten wechseln würde. Er nahm das Angebot an und erlebte die nächste Enttäuschung. "Ich habe dort weder Geld gesehen noch einen Ausbildungsplatz bekommen", sagt er. Zunehmend ging es ihm schlechter. "Der Druck wurde größer. Viele fragten mich, was mit mir los sei und wie ich so abstürzen konnte."

Der tiefe Fall

Auch bei seiner nächsten Station Lokomotive Leipzig lief es nicht wie gewünscht. Gäng zog sich immer mehr zurück. Die Playstation wurde sein bester Freund. Von morgens bis abends saß er vor der Konsole. Auch die Zeiten der sportgerechten Ernährung waren plötzlich Vergangenheit. Pizza und weiteres Junkfood standen auf dem Speiseplan. "Ich wog relativ schnell 113 Kilogramm", sagt der 1,88 Meter große Schlussmann.

Die Veränderungen zeigten sich nicht nur körperlich, sondern auch an seinem Wesen: "Früher war ich ein total fröhlicher Mensch und bin mit einem Grinsen durch die Welt gelaufen. Das war dann plötzlich vorbei." Später wurde ihm eine Depression diagnostiziert. Umso beachtlicher, dass er selber, ohne größere Behandlungen, aus dem Tief herausfand. Die SG Sonnenhof Großaspach spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Er wechselte 2013 dorthin und feierte bereits 2014 den Aufstieg in die 3. Liga.

Fußball ist nicht alles

Der Verein aus dem württembergischen Aspach ist kein gewöhnlicher Drittligist. Außenstehende könnten glauben, es handelt sich eher um einen Amateurverein. Die meisten Spieler gehen neben dem Sport einem Beruf nach. Der duale Weg gehört zur Philosophie des Vereins. Gäng hat gerade seine Ausbildung zum Fitnesskaufmann abgeschlossen und ist weiterhin in Teilzeit berufstätig. Das heißt: Tagsüber befindet er sich im Fitness-Studio und betreut die Kunden, nachmittags steht er auf dem Trainingsplatz.

Gäng empfindet das nicht als Doppelbelastung, sondern vielmehr als eine Erleichterung: "Es ist gut, neben dem Fußball etwas zu machen. Wenn es im Fußball einmal nicht läuft, fängt einen der andere Beruf auf. Fußball ist eben nicht alles. Es ist einfach nur ein Sport." Diese Einsicht hat ihm dabei geholfen, nach all den Rückschlägen wieder Freude am Fußball zu empfinden - und noch einmal unerwartet durchzustarten.