Bergmann: "Bei Hansa meinen es alle ehrlich mit dem Neuaufbau"

Eher rar gesät ist die freie Zeit von Andreas Bergmann beim Drittligisten FC Hansa Rostock. Der neue Trainer des zuletzt ins Mittelmaß der 3. Liga abgerutschten Traditionsklubs von der Ostsee, 1991 letzter Meister der DDR-Oberliga und einst als "Stolz des Ostens" in der Bundesliga gefeiert, eilt von einem Termin zum nächsten. Zahlreiche Gespräche mit möglichen neuen Spielern, mit Beratern und Vereinsverantwortlichen bestimmen aktuell den Tagesablauf des 53-Jährigen und erfordern ein effektives Zeitmanagement. Alles wichtige Vorarbeiten für sein ambitioniertes Projekt beim FC Hansa.

DFB.de erwischte Bergmann noch in seiner Heimat in Hamburg, wo er noch ein paar Formalitäten zu klären hatte. Lebensgefährtin Katja und Tochter Carlotta wird der gebürtige Steinfelder ab dem heutigen Donnerstag nicht mehr so häufig sehen. Erst Ende Mai als neuer Hoffnungsträger vorgestellt, beginnt nur wenigen Wochen später mit dem ersten Training am Donnerstag sein Neuanfang in Rostock. "Es gibt immer besondere Herausforderungen im Leben. Bei Hansa meinen es alle Beteiligten ehrlich mit dem Neuaufbau", sagt der Fußball-Lehrer, der für Rostock auch Angebote aus der 2. Bundesliga abgelehnt hatte, im Gespräch mit DFB.de.

"Nicht alles auf die Schnelle zusammenkaufen"

In der abgelaufenen Saison schwebte die Hansa-Kogge zeitweise sogar in Abstiegsgefahr und hat mit dem 13. Tabellenrang in der dritthöchsten deutschen Spielklasse die schlechteste Platzierung der Vereinsgeschichte hinter sich. Unrühmliche Krönung dieser Talfahrt war das 0:3 beim Regionalligisten TSG Neustrelitz im Finale um den Verbandspokal von Mecklenburg-Vorpommern.

Die damit verpasste Qualifikation für den DFB-Pokal erschweren zusätzlich die Bedingungen für Andreas Bergmann und Sportvorstand Uwe Vester, der selbst erst seit Jahresbeginn im Amt ist. "Eine solche Saison wirkt nach. Es gibt viele Beispiele für Vereine, die plötzlich in so eine Lage gekommen sind. Wir arbeiten nun daran, in ein anderes Fahrwasser zu kommen", so der Neu-Trainer und "1a-Kandidat" von Vester.

Freilich wird der künftige Kader, der im Vergleich zur vergangenen Saison verjüngt und verschlankt werden soll, beim Trainingsauftakt am Donnerstag noch längst nicht komplett sein. "Ich bin überzeugt, dass zumindest über elf Spieler da sind. Klar ist aber: Wir kaufen jetzt nicht auf die Schnelle alles zusammen und gehen volles Risiko, sondern beschäftigen uns intensiv mit jeder Personalie", sagt Bergmann und fordert einen Mentalitätswechsel. "Wir wollen hungrige Spieler, die immer an ihre Grenzen gehen in ihrer Karriere noch etwas vorhaben. Das erfordert bei unseren beschränkten Möglichkeiten auch Geduld."

Nationalspieler Pekovic soll Führungsfigur werden

Bekanntester Name unter den bisher vier feststehenden externen Zugängen ist Milorad Pekovic vom Bundesliga-Absteiger SpVgg Greuther Fürth. Auf der Hansa-Kogge ist der inzwischen 35-Jährige als Führungsfigur eingeplant. "Milorad Pekovic spielt mit der Nationalmannschaft von Montenegro aktuell um die WM-Qualifikation. Das sagt schon vieles aus", betont Andreas Bergmann, der bereits 13. Hansa-Trainer in den vergangenen zehn Jahren.

Ebenfalls für das Mittelfeld vorgesehen sind David Blacha (SV Sandhausen), Julian Jakobs (Sportfreunde Siegen) und Sascha Schünemann (Hannover 96). Die Hintermannschaft sollen der 1,95 Meter große Abwehr-Hüne Steven Ruprecht vom Halleschen FC und der ebenso wie Schünemann erst am Mittwoch verpflichtete Außenverteidiger Shervin Radjabali-Fardi (Hertha BSC) verstärken.

"Wir planen mit etwas mehr als 20 Spielern, suchen aktuell vor allem für die Offensive und beide Außenbahnen", so der 53-jährige Trainer, der bis Oktober 2012 für den Zweitligisten VfL Bochum tätig war und eine offensive Spielweise mit hoher Laufbereitschaft bevorzugt.

Erfolgreiche Nachwuchsabteilung

Eine wichtige Rolle beim Neuanfang soll auch die eigene U 19-Mannschaft der Ostseestädter spielen, aus der Kapitän Robin Krauße und Torhüter Fabian Künnemann sofort zu den Profis aufrücken werden. Viel Erfahrung bei der Entwicklung von jungen Talenten bringt der Fußball-Lehrer aus seiner Zeit bei Hannover 96 mit. Von 2007 bis 2011 leitete er das Nachwuchsleistungszentrum des Bundesligisten und bildete unter anderem Spieler wie Ron-Robert Zieler (Hannover 96) oder Nick Proschwitz vom englischen Premier League-Aufsteiger Hull City aus.

Zuvor war Bergmann auch schon beim Karlsruher SC und beim FC St. Pauli als Nachwuchskoordinator tätig, ehe er Cheftrainerposten bei St. Pauli, in Hannover und zuletzt in Bochum übernahm. "Unsere A-Jugend und auch die U 23-Mannschaft stehen in meinem Fokus", betont der neue Hansa-Hoffnungsträger.

Die Rostocker U 19 schaffte als Tabellenzweiter der A-Junioren-Bundesliga sogar etwas überraschend den Sprung in die Endrunde und trifft nun heute im Halbfinale auf Gastgeber FC Bayern München - das Rückspiel daheim ist am Montag.

Testspiel gegen Triplegewinner: Die Bayern kommen

Mit dem Rekordmeister und aktuellen Triplesieger bekommt es auch Hansas neue Profimannschaft in einigen Wochen zu tun. Am Sonntag, 14. Juli, gastiert der FC Bayern für ein Benefizspiel in Rostock. Die Einnahmen aus der bereits ausverkauften Partie sollen rund eine Million Euro in die Kassen spülen.

Das allein reicht aber nicht aus, um auch wirtschaftlich wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Deshalb hat der Verein tiefgreifende Sparmaßnahmen angekündigt. "Wir haben in den vergangenen Jahren deutlich über unsere Verhältnisse gelebt", sagt der Vorstandsvorsitzende Michael Dahlmann. Unter anderem soll deshalb die Marketingabteilung von Hansa aufgelöst werden. Der Profikader wird verkleinert, der Wellnessbereich im klubeigenen Stadion stillgelegt, der Mannschaftsbus privatisiert und der Fuhrpark erheblich verkleinert.

"Wir haben in den vergangenen Monaten alles kritisch auf den Prüfstand gestellt", sagt Dahlmann. "Ich bin persönlich tief betroffen über diese Personalmaßnahmen. Die aktuelle Lage lässt uns allerdings keine andere Wahl."

Nahziel: Fans im Stadion wieder begeistern

Eine Woche nach dem Bayern-Spiel steht bereits der Saisonstart in der 3. Liga vor der Tür. Andreas Bergmann: "Für mich ist Fußball viel mehr als nur die Tabelle. Wir werden unseren Weg mit Geduld und Härte gnadenlos gehen. Eines der ersten Ziele muss sein, die Fans im eigenen Stadion wieder mit leidenschaftlichem Fußball zu begeistern."

"In naher Zukunft wieder angreifen", lautete auch schon der Tenor bei seiner Vorstellung. Wie schnell das geht? Diese Frage übertrifft wohl auch etwas das Zeitmanagement des neuen Hansa-Trainers, der demnächst in ein Hotel in Rostock zieht. "Solche Prognosen sind schwer. Wenn alles greift, kann aber sehr schnell eine konkurrenzfähige Mannschaft entstehen."