Andreas Möller: "Kein Garantieschein für den Aufstieg"

Andreas Möllers Büro im Bauch des Stadions Am Bieberer Berg hat den spröden Charme einer Spielerkabine aus den 70-er Jahren. Und doch: Hier sitzt ein Weltmeister, unmittelbar am Eingang zur Geschäftsstelle, in einem Gebäude, das seine besten Zeiten erlebte, als die Musik noch von der Schallplatte kam und die Hippies von Liebe und Frieden träumten.

Seit eineinhalb Jahren ist Kickers Offenbach Möllers Arbeitgeber. Der Spieler Möller hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, der Sportdirektor Möller ist gerade dabei, sich die ersten Sporen zu verdienen. In der 3. Liga. Er sei dankbar, diese Chance bekommen zu haben, sagt der 42-Jährige im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Gereon Tönnihsen.

DFB.de: Sie sind als Ur-Frankfurter vor anderthalb Jahren nach Offenbach gegangen. Ausgerechnet Offenbach, die Klubs aus beiden Städten sind ja nicht gerade freundschaftlich. Wie wurden Sie empfangen?

Andreas Möller: Ich will es mal so sagen: Ich leugne natürlich nicht meine Vergangenheit, warum auch? Es geht allein um den Fußball und um erfolgreich zu arbeiten. Darum, dass ich dabei mithelfen will, Kickers Offenbach wieder in andere Regionen zu führen, zurück in die 2. Bundesliga Liga. Wo ich herkomme, spielt da keine Rolle. Natürlich waren die Fans zu Anfang skeptisch, aber ich habe bis heute keinerlei persönliche Anfeindungen erfahren. Ich wurde fair aufgenommen.

DFB.de: Was sehen Sie als Ihre Aufgaben an?

Möller: Wir haben ehrgeizige Projekte wie z.B. den Stadionneubau vor der Brust. Ich möchte lernen, und ich möchte die Erfahrungen, die ich im Fußball gemacht habe, weitergeben. In vielen Bereichen. Deshalb ist mir auch der Kontakt zur Mannschaft, zu den Spielern sehr wichtig. Ich habe keinen reinen Bürojob, ich kann mich sportlich gut entfalten. Ich rede viel mit unseren Spielern, diesen Kontakt brauche ich auch. Ich muss weiter das Gras riechen können. Ich betrachte mich als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer auf der einen sowie dem Vorstand auf der anderen Seite. Alles was in den sportlichen Bereich fällt, etwa auch die Planung von Testspielen und Trainingslagern, gehören zum Verantwortungsbereich.

DFB.de: Der OFC ist ein besonderer Verein, mit wechselvoller Geschichte und treuem Publikum. Ist das zu Beginn Ihrer Karriere genau die richtige Aufgabe?

Möller: Ich denke ja. Ich habe ja in Dortmund und auf Schalke gespielt, das sind ebenso beide Arbeitervereine, wie auch der OFC. Ich glaube zu wissen, was zählt in solchen Vereinen. Der Zusammenhalt ist besonders wichtig, das Pflegen der Fankultur, engere Kontakte mit Freunden und Gönnern. Es ist irgendwie familiärer. Da wird Fußball sehr intensiv gelebt.

DFB.de: Wie reagieren die Spieler auf Sie, wenn Sie ihnen Tipps geben, ihnen raten: Mach’ das und das anders?

Möller: Ich dränge mich da nicht auf. Ich habe in meiner langen Karriere sehr viel erlebt und versuche, dem einen oder anderen Spieler bei Bedarf Tipps und Hinweise zu geben, wenn er das überhaupt möchte.

DFB.de: Sie waren ein Spieler, der zeit seiner Karriere polarisiert hat. Den viele mochten, aber auch viele nicht leiden konnten: Triumphator im Erfolg, Sündenbock in der Niederlage. Prägt so etwas?

Möller: Ach, nein, das ist doch bei jedem Fußballer so, gerade auf diesem hohen Level. So wird man bei jedem etwas finden und aussetzen können. Je höher man aufsteigt und je mehr man vielleicht auch verdient, desto mehr Kritiker hat man auch. Das ist eben so. Das ist der Preis des Erfolgs. Damit muss man klarkommen. Ich glaube, es gibt in Deutschland keinen Spieler, der in seiner Karriere, bei mir waren es 18 Jahre, so viel erlebt hat wie ich. Mit allen Höhen und Tiefen die der Fußball hat. Dieses Wissen und diese Erfahrung kann man auch heute noch ableiten. Man braucht so oder so ein dickes Fell in diesem Beruf. Das hatte ich als Spieler. Wenn man auch noch Nationalspieler ist, muss man ebenfalls druckresistent sein. Auch in der 3. Liga kann das nur von Vorteil sein.

DFB.de: Verbringen Sie den ganzen Tag im Büro?

Möller: Ich arbeite sehr flexibel, habe hier keine festen Zeiten. Die Arbeit wird gemacht so wie sie anfällt. Heute ist man ja außerdem immer erreichbar, das erleichtert einiges. Ich schaue viel beim Training zu, bespreche mich mit Spielern und Trainern.

DFB.de: Hilft Ihnen bei Ihrer Arbeit auch Ihr Name?

Möller: Ich habe natürlich durch meine Jahre als Profi noch viele Kontakte. Im Fußball läuft man sich immer wieder über den Weg. Und wenn man lange dabei ist, hat man eben viele gute Verbindungen, das ist doch ganz klar. Hin und wieder begleite ich auch die Marketing-Abteilung zu Sponsoren, das gehört selbstverständlich dazu.

DFB.de: Kommen wir auf den Verein zu sprechen: Offenbach ist gut gestartet, war Tabellenführer. Dann wechselte Trainer Hans-Jürgen Boysen nach dem 12. Spieltag zum FSV Frankfurt. Gab das einen Knacks?

Möller: Wenn man innerhalb der Saison den Trainer wechseln muss, ist das sicher nicht einfach. Einen Knacks habe ich aber nicht ausgemacht. Wir haben dann in Steffen Menze den Co-Trainer zum Chef befördert. Das lief am Anfang auch erfolgreich. Doch dann hat die Mannschaft den Faden verloren. Wir hatten nicht mehr das Gefühl, bis zum Saisonende oben dabei sein zu können, hatten nicht das Gefühl, dass die Mannschaft dem Trainer folgt. Darum haben wir auf der Position dann noch mal einen Wechsel vollzogen. Das ist uns sehr schwer gefallen, denn die Überzeugung war schon da, einem jungen Trainer wie Menze eine Chance geben zu wollen. Doch das Fußballgeschäft erlaubt keine Sentimentalitäten. Es ist wichtig für den Verein, um die Aufstiegsplätze mitzuspielen. Das sahen wir in Gefahr. Die Ergebnisse haben leider nicht für Steffen Menze gesprochen.

DFB.de: Sie haben dann einen Kurswechsel vorgenommen und in Wolfgang Wolf keinen jungen, unverbrauchten, sondern einen altgedienten, erfahrenen Trainer geholt. Was versprechen Sie sich davon?

Möller: Wir haben einen Trainer gesucht, der Erfahrung mitbringt, eine gewisse Reputation, ein gewisses Auftreten, und der eine klare Handschrift hat. Wolfgang Wolf hat in all seinen Stationen, sei es Wolfsburg, Nürnberg oder Lautern, daran erinnere ich mich selbst als Spieler noch, seine Mannschaften immer enorm motivieren können. Sie waren kampfstark, haben sich als Einheit präsentiert. Die Spieler schauen zu ihm auf, weil sie um seine Erfahrung wissen. Für unsere Situation haben wir den idealen Trainertyp gefunden.

DFB.de: Passt Wolfgang Wolf mit seiner Mentalität als zupackender, hart arbeitender Trainer nicht auch gut zum Image der Kickers Offenbach?

Möller: Von seiner Art und seinem Charakter passt das ganz sicher. Aber natürlich muss er auch Erfolg haben.

DFB.de: Erfolg heißt in Ihrem Fall vermutlich Aufstieg. War dieses Ziel schon zu Saisonbeginn ausgegeben worden?

Möller: Nein, wir hatten gesagt, dass wir um die ersten drei Plätze mitspielen wollen. Wir wussten, dass wir konkurrenzfähig sind, und das haben wir auch bewiesen. Wenn man mehrere Spieltage oben steht, ist diese Einschätzung wohl auch nicht falsch. Aber einen Garantieschein für den Aufstieg gibt es nun mal nicht. Wir müssen weiter an uns arbeiten, müssen auf dem Platz eine Einheit sein, damit wir auch bis zum Schluss vorne dabei bleiben.

DFB.de: Packen Sie das denn auch?

Möller: Eine kleine Chance haben wir noch. Osnabrück und Ingolstadt sind fast durch, denke ich. Ich schiele auf den Relegationsplatz. Nicht die Mannschaften mit den besten Spielern stehen immer oben, sondern die, die als Kollektiv funktionieren, die am konstantesten spielen. Da müssen wir hinkommen. Das wird Wolfgang Wolf sicherlich weiter fördern. Wir haben unsere Krise gehabt. Eine zweite dürfen wir uns nicht erlauben.

DFB.de: Überrascht es Sie, wie schnell man abstürzen und aufsteigen kann in der 3. Liga?

Möller: Die Ausgeglichenheit in der Klasse ist schon sehr hoch. Tückisch sind besonders die zweiten Mannschaften. Das sind alles Spieler, die sehr gut ausgebildet sind, die natürlich Leistungsschwankungen haben, aber die an einem guten Tag über sich hinauswachsen und auch Topteams schlagen können. Dazu kommt, dass man auch nie weiß, wer bei ihnen spielt. Ansonsten sind die meisten Mannschaften auf einem ähnlichen Leistungslevel. Keiner ist übermächtig. Die Liga ist so ausgeglichen, dass meistens die Tagesform entscheidet. Die 3. Liga ist eine gute Ausbildungsliga, hat teilweise spielerisch ein sehr gutes Niveau.

DFB.de: Trotzdem wollen Sie die Liga verlassen.

Möller: Das hat sportliche und finanzielle Gründe. Der Aufwand ist der gleiche wie eine Klasse höher. Nur die Einnahmen eben nicht. Das sind alles Vollprofis. Es ist klar, dass das Fernsehgeld in der 3. Liga nicht gerade sprudelt. Wir haben einen soliden Etat, der im oberen bis mittleren Drittel anzusehen ist. Wenn das neue Stadion erst mal da ist, haben wir ganz andere Möglichkeiten.

DFB.de: Wann wird das fertig sein?

Möller: Wir hoffen, dass es in diesem Jahr noch losgeht. Dann muss man noch ein bis anderthalb Jahre draufrechnen, vielleicht wird es Ende 2011 fertig. Das wäre gut. Das Stadion soll Stück für Stück an der Stelle gebaut werden, wo jetzt unser altes Stadion steht. Es soll ein Ein-Rang-Stadion werden mit 18.000 Plätzen, es soll so ein bisschen im Stil eines englischen Arbeiterstadions sein: Die Zuschauer sind ganz nah dran. Das Stadion soll noch erweiterbar sein auf 21/22.000 Plätze. Fakt ist: Die neue Arena gibt uns Hoffnung, denn im alten Bieberer Berg könnten wir unseren Fußball nicht mehr so erfolgreich gestalten, ganz gleich in welcher Liga. Dann wären wir nicht mehr konkurrenzfähig.

DFB.de: Warum?

Müller: Die Kosten des alten Stadions sind zu hoch. Der Unterhalt und die Vermarktungsmöglichkeiten sind einfach begrenzt. Es ist auf Dauer nicht mehr zu tragen. Da muss sich etwas tun, und da wird sich etwas tun. Und: Wie kannst du Trainern, Spielern, Jugendlichen einen Anreiz schaffen, hier zu spielen, wenn sie sich das alte, baufällige Stadion anschauen? Die Konkurrenz ist groß: In einem Umkreis von 100 Kilometern gibt es die Eintracht und den FSV Frankfurt, Mainz 05, Hoffenheim, SV Wehen Wiesbaden. Wie will man mit denen mithalten, wenn man so ein altes Stadion noch hat? Keine Chance.

DFB.de: Eine Möglichkeit könnte sein, die Jugendarbeit weiter zu intensivieren.

Möller: Ja, das ist uns auch sehr wichtig. Die Ausbildung junger Spieler wird hier groß geschrieben. Wir wollen wieder Nachwuchsleistungszentrum werden. Dafür werden wir unter anderem zusätzliche Trainingsplätze schaffen. Wir müssen den Spielern auch was bieten können. Mir schwebt vor, dass der OFC ein guter Ausbildungsverein werden könnte, ein Sprungbrett für Talente.

DFB.de: Apropos Sprungbrett. Sie haben die Trainerlizenz gemacht und bei Viktoria Aschaffenburg auch schon an der Linie gestanden. Wie sehen Ihre eigenen Ambitionen aus?

Möller: Ich möchte mich nicht darauf festlegen, ob ich nun immer Sportmanager bleibe oder wieder auf die Trainerbank wechsle. Ausschließen möchte ich gar nichts. Dazu ist der Fußball zu verrückt.

DFB.de: Zum Abschluss: Was trauen Sie als 85-maliger Nationalspieler dem DFB-Team in Südafrika zu?

Möller: Auch wenn es platt klingt: Deutschland ist eine Turniermannschaft, die gut und ausgeglichen besetzt ist und eine gute Rolle spielen kann. Alles ist möglich. Wirklich alles.

Zur Person: Andreas Möller

Andreas Möller, geboren am 2. September 1967, gehört zu den wenigen Fußballern, die alle großen Titel gewonnen haben: Weltmeister 1990, Europameister 1996, Weltpokalsieger 1997, Champions-League-Sieger 1997, UEFA-Cup-Sieger 1993, Deutscher Meister 1995, 1996, DFB-Pokalsieger 1989, 2001, 2002.

Der schnelle Mittelfeldspieler bestritt neben 85 Länderspielen (29 Tore) auch 429 Partien in der Bundesliga. Dabei traf er 110-mal. Seine Profivereine waren Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund und Schalke 04. Außerdem spielte er zwei Jahre bei Juventus Turin in Italien.

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Andreas Möllers Büro im Bauch des Stadions Am Bieberer Berg hat den spröden Charme einer Spielerkabine aus den 70-er Jahren. Und doch: Hier sitzt ein Weltmeister, unmittelbar am Eingang zur Geschäftsstelle, in einem Gebäude, das seine besten Zeiten erlebte, als die Musik noch von der Schallplatte kam und die Hippies von Liebe und Frieden träumten.

Seit eineinhalb Jahren ist Kickers Offenbach Möllers Arbeitgeber. Der Spieler Möller hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, der Sportdirektor Möller ist gerade dabei, sich die ersten Sporen zu verdienen. In der 3. Liga. Er sei dankbar, diese Chance bekommen zu haben, sagt der 42-Jährige im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteur Gereon Tönnihsen.

DFB.de: Sie sind als Ur-Frankfurter vor anderthalb Jahren nach Offenbach gegangen. Ausgerechnet Offenbach, die Klubs aus beiden Städten sind ja nicht gerade freundschaftlich. Wie wurden Sie empfangen?

Andreas Möller: Ich will es mal so sagen: Ich leugne natürlich nicht meine Vergangenheit, warum auch? Es geht allein um den Fußball und um erfolgreich zu arbeiten. Darum, dass ich dabei mithelfen will, Kickers Offenbach wieder in andere Regionen zu führen, zurück in die 2. Bundesliga Liga. Wo ich herkomme, spielt da keine Rolle. Natürlich waren die Fans zu Anfang skeptisch, aber ich habe bis heute keinerlei persönliche Anfeindungen erfahren. Ich wurde fair aufgenommen.

DFB.de: Was sehen Sie als Ihre Aufgaben an?

Möller: Wir haben ehrgeizige Projekte wie z.B. den Stadionneubau vor der Brust. Ich möchte lernen, und ich möchte die Erfahrungen, die ich im Fußball gemacht habe, weitergeben. In vielen Bereichen. Deshalb ist mir auch der Kontakt zur Mannschaft, zu den Spielern sehr wichtig. Ich habe keinen reinen Bürojob, ich kann mich sportlich gut entfalten. Ich rede viel mit unseren Spielern, diesen Kontakt brauche ich auch. Ich muss weiter das Gras riechen können. Ich betrachte mich als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer auf der einen sowie dem Vorstand auf der anderen Seite. Alles was in den sportlichen Bereich fällt, etwa auch die Planung von Testspielen und Trainingslagern, gehören zum Verantwortungsbereich.

DFB.de: Der OFC ist ein besonderer Verein, mit wechselvoller Geschichte und treuem Publikum. Ist das zu Beginn Ihrer Karriere genau die richtige Aufgabe?

Möller: Ich denke ja. Ich habe ja in Dortmund und auf Schalke gespielt, das sind ebenso beide Arbeitervereine, wie auch der OFC. Ich glaube zu wissen, was zählt in solchen Vereinen. Der Zusammenhalt ist besonders wichtig, das Pflegen der Fankultur, engere Kontakte mit Freunden und Gönnern. Es ist irgendwie familiärer. Da wird Fußball sehr intensiv gelebt.

DFB.de: Wie reagieren die Spieler auf Sie, wenn Sie ihnen Tipps geben, ihnen raten: Mach’ das und das anders?

Möller: Ich dränge mich da nicht auf. Ich habe in meiner langen Karriere sehr viel erlebt und versuche, dem einen oder anderen Spieler bei Bedarf Tipps und Hinweise zu geben, wenn er das überhaupt möchte.

DFB.de: Sie waren ein Spieler, der zeit seiner Karriere polarisiert hat. Den viele mochten, aber auch viele nicht leiden konnten: Triumphator im Erfolg, Sündenbock in der Niederlage. Prägt so etwas?

Möller: Ach, nein, das ist doch bei jedem Fußballer so, gerade auf diesem hohen Level. So wird man bei jedem etwas finden und aussetzen können. Je höher man aufsteigt und je mehr man vielleicht auch verdient, desto mehr Kritiker hat man auch. Das ist eben so. Das ist der Preis des Erfolgs. Damit muss man klarkommen. Ich glaube, es gibt in Deutschland keinen Spieler, der in seiner Karriere, bei mir waren es 18 Jahre, so viel erlebt hat wie ich. Mit allen Höhen und Tiefen die der Fußball hat. Dieses Wissen und diese Erfahrung kann man auch heute noch ableiten. Man braucht so oder so ein dickes Fell in diesem Beruf. Das hatte ich als Spieler. Wenn man auch noch Nationalspieler ist, muss man ebenfalls druckresistent sein. Auch in der 3. Liga kann das nur von Vorteil sein.

DFB.de: Verbringen Sie den ganzen Tag im Büro?

Möller: Ich arbeite sehr flexibel, habe hier keine festen Zeiten. Die Arbeit wird gemacht so wie sie anfällt. Heute ist man ja außerdem immer erreichbar, das erleichtert einiges. Ich schaue viel beim Training zu, bespreche mich mit Spielern und Trainern.

DFB.de: Hilft Ihnen bei Ihrer Arbeit auch Ihr Name?

Möller: Ich habe natürlich durch meine Jahre als Profi noch viele Kontakte. Im Fußball läuft man sich immer wieder über den Weg. Und wenn man lange dabei ist, hat man eben viele gute Verbindungen, das ist doch ganz klar. Hin und wieder begleite ich auch die Marketing-Abteilung zu Sponsoren, das gehört selbstverständlich dazu.

DFB.de: Kommen wir auf den Verein zu sprechen: Offenbach ist gut gestartet, war Tabellenführer. Dann wechselte Trainer Hans-Jürgen Boysen nach dem 12. Spieltag zum FSV Frankfurt. Gab das einen Knacks?

Möller: Wenn man innerhalb der Saison den Trainer wechseln muss, ist das sicher nicht einfach. Einen Knacks habe ich aber nicht ausgemacht. Wir haben dann in Steffen Menze den Co-Trainer zum Chef befördert. Das lief am Anfang auch erfolgreich. Doch dann hat die Mannschaft den Faden verloren. Wir hatten nicht mehr das Gefühl, bis zum Saisonende oben dabei sein zu können, hatten nicht das Gefühl, dass die Mannschaft dem Trainer folgt. Darum haben wir auf der Position dann noch mal einen Wechsel vollzogen. Das ist uns sehr schwer gefallen, denn die Überzeugung war schon da, einem jungen Trainer wie Menze eine Chance geben zu wollen. Doch das Fußballgeschäft erlaubt keine Sentimentalitäten. Es ist wichtig für den Verein, um die Aufstiegsplätze mitzuspielen. Das sahen wir in Gefahr. Die Ergebnisse haben leider nicht für Steffen Menze gesprochen.

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DFB.de: Sie haben dann einen Kurswechsel vorgenommen und in Wolfgang Wolf keinen jungen, unverbrauchten, sondern einen altgedienten, erfahrenen Trainer geholt. Was versprechen Sie sich davon?

Möller: Wir haben einen Trainer gesucht, der Erfahrung mitbringt, eine gewisse Reputation, ein gewisses Auftreten, und der eine klare Handschrift hat. Wolfgang Wolf hat in all seinen Stationen, sei es Wolfsburg, Nürnberg oder Lautern, daran erinnere ich mich selbst als Spieler noch, seine Mannschaften immer enorm motivieren können. Sie waren kampfstark, haben sich als Einheit präsentiert. Die Spieler schauen zu ihm auf, weil sie um seine Erfahrung wissen. Für unsere Situation haben wir den idealen Trainertyp gefunden.

DFB.de: Passt Wolfgang Wolf mit seiner Mentalität als zupackender, hart arbeitender Trainer nicht auch gut zum Image der Kickers Offenbach?

Möller: Von seiner Art und seinem Charakter passt das ganz sicher. Aber natürlich muss er auch Erfolg haben.

DFB.de: Erfolg heißt in Ihrem Fall vermutlich Aufstieg. War dieses Ziel schon zu Saisonbeginn ausgegeben worden?

Möller: Nein, wir hatten gesagt, dass wir um die ersten drei Plätze mitspielen wollen. Wir wussten, dass wir konkurrenzfähig sind, und das haben wir auch bewiesen. Wenn man mehrere Spieltage oben steht, ist diese Einschätzung wohl auch nicht falsch. Aber einen Garantieschein für den Aufstieg gibt es nun mal nicht. Wir müssen weiter an uns arbeiten, müssen auf dem Platz eine Einheit sein, damit wir auch bis zum Schluss vorne dabei bleiben.

DFB.de: Packen Sie das denn auch?

Möller: Eine kleine Chance haben wir noch. Osnabrück und Ingolstadt sind fast durch, denke ich. Ich schiele auf den Relegationsplatz. Nicht die Mannschaften mit den besten Spielern stehen immer oben, sondern die, die als Kollektiv funktionieren, die am konstantesten spielen. Da müssen wir hinkommen. Das wird Wolfgang Wolf sicherlich weiter fördern. Wir haben unsere Krise gehabt. Eine zweite dürfen wir uns nicht erlauben.

DFB.de: Überrascht es Sie, wie schnell man abstürzen und aufsteigen kann in der 3. Liga?

Möller: Die Ausgeglichenheit in der Klasse ist schon sehr hoch. Tückisch sind besonders die zweiten Mannschaften. Das sind alles Spieler, die sehr gut ausgebildet sind, die natürlich Leistungsschwankungen haben, aber die an einem guten Tag über sich hinauswachsen und auch Topteams schlagen können. Dazu kommt, dass man auch nie weiß, wer bei ihnen spielt. Ansonsten sind die meisten Mannschaften auf einem ähnlichen Leistungslevel. Keiner ist übermächtig. Die Liga ist so ausgeglichen, dass meistens die Tagesform entscheidet. Die 3. Liga ist eine gute Ausbildungsliga, hat teilweise spielerisch ein sehr gutes Niveau.

DFB.de: Trotzdem wollen Sie die Liga verlassen.

Möller: Das hat sportliche und finanzielle Gründe. Der Aufwand ist der gleiche wie eine Klasse höher. Nur die Einnahmen eben nicht. Das sind alles Vollprofis. Es ist klar, dass das Fernsehgeld in der 3. Liga nicht gerade sprudelt. Wir haben einen soliden Etat, der im oberen bis mittleren Drittel anzusehen ist. Wenn das neue Stadion erst mal da ist, haben wir ganz andere Möglichkeiten.

DFB.de: Wann wird das fertig sein?

Möller: Wir hoffen, dass es in diesem Jahr noch losgeht. Dann muss man noch ein bis anderthalb Jahre draufrechnen, vielleicht wird es Ende 2011 fertig. Das wäre gut. Das Stadion soll Stück für Stück an der Stelle gebaut werden, wo jetzt unser altes Stadion steht. Es soll ein Ein-Rang-Stadion werden mit 18.000 Plätzen, es soll so ein bisschen im Stil eines englischen Arbeiterstadions sein: Die Zuschauer sind ganz nah dran. Das Stadion soll noch erweiterbar sein auf 21/22.000 Plätze. Fakt ist: Die neue Arena gibt uns Hoffnung, denn im alten Bieberer Berg könnten wir unseren Fußball nicht mehr so erfolgreich gestalten, ganz gleich in welcher Liga. Dann wären wir nicht mehr konkurrenzfähig.

DFB.de: Warum?

Müller: Die Kosten des alten Stadions sind zu hoch. Der Unterhalt und die Vermarktungsmöglichkeiten sind einfach begrenzt. Es ist auf Dauer nicht mehr zu tragen. Da muss sich etwas tun, und da wird sich etwas tun. Und: Wie kannst du Trainern, Spielern, Jugendlichen einen Anreiz schaffen, hier zu spielen, wenn sie sich das alte, baufällige Stadion anschauen? Die Konkurrenz ist groß: In einem Umkreis von 100 Kilometern gibt es die Eintracht und den FSV Frankfurt, Mainz 05, Hoffenheim, SV Wehen Wiesbaden. Wie will man mit denen mithalten, wenn man so ein altes Stadion noch hat? Keine Chance.

DFB.de: Eine Möglichkeit könnte sein, die Jugendarbeit weiter zu intensivieren.

Möller: Ja, das ist uns auch sehr wichtig. Die Ausbildung junger Spieler wird hier groß geschrieben. Wir wollen wieder Nachwuchsleistungszentrum werden. Dafür werden wir unter anderem zusätzliche Trainingsplätze schaffen. Wir müssen den Spielern auch was bieten können. Mir schwebt vor, dass der OFC ein guter Ausbildungsverein werden könnte, ein Sprungbrett für Talente.

DFB.de: Apropos Sprungbrett. Sie haben die Trainerlizenz gemacht und bei Viktoria Aschaffenburg auch schon an der Linie gestanden. Wie sehen Ihre eigenen Ambitionen aus?

Möller: Ich möchte mich nicht darauf festlegen, ob ich nun immer Sportmanager bleibe oder wieder auf die Trainerbank wechsle. Ausschließen möchte ich gar nichts. Dazu ist der Fußball zu verrückt.

DFB.de: Zum Abschluss: Was trauen Sie als 85-maliger Nationalspieler dem DFB-Team in Südafrika zu?

Möller: Auch wenn es platt klingt: Deutschland ist eine Turniermannschaft, die gut und ausgeglichen besetzt ist und eine gute Rolle spielen kann. Alles ist möglich. Wirklich alles.

Zur Person: Andreas Möller

Andreas Möller, geboren am 2. September 1967, gehört zu den wenigen Fußballern, die alle großen Titel gewonnen haben: Weltmeister 1990, Europameister 1996, Weltpokalsieger 1997, Champions-League-Sieger 1997, UEFA-Cup-Sieger 1993, Deutscher Meister 1995, 1996, DFB-Pokalsieger 1989, 2001, 2002.

Der schnelle Mittelfeldspieler bestritt neben 85 Länderspielen (29 Tore) auch 429 Partien in der Bundesliga. Dabei traf er 110-mal. Seine Profivereine waren Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund und Schalke 04. Außerdem spielte er zwei Jahre bei Juventus Turin in Italien.